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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Novemberheft
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Hofmann, Johanna: Holländische Malerei der Gegenwart: Ausstellung im Oldenburger Landesmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0114

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Motive und die saubere Sorgfalt der Ausführung, aber
sein „Iunenhof in Alt-Amsterdam“ ist farbig gebroche-
ner, dunkler und materialschwerer und der Bild-
ausschnitt zufalliger, konventioneller. In Meijer dagegen,
der durch die Einsamkeit und Begrenzung seines Weges
als Autodidakt nach außen hin abgeschlossen arbeitet,
lebt in seltsamer innerer Erhellung das Wollen der heu-
tigen Malergeneration.

Das großformatige Stilleben von R a o u 1
Hynckes sprengt die territoriate Gebundenheit an
Holland und findet Bczüge zu dem Franzosen Derain und
dem Deutschen Kanoldt. Es ist von einer neuen Musi-
kalität im Farbenzusammenklang der verschiedenen

Raoul I lynokes, Stilleben

Gelbweißnuancen mit Traubenblau und Cellorot. Als
gleich asketisch in der Grundhaltung erweist sich cin in
lichtgrauen Valeurs aufs sorgsamste nuancierter „Lie-
gender Mädchenakt“ von Wim Schuhmacher,
der mit J. Schwarz aus dem kleinen hoüändischen
Ort Bergen stammt und gleich ihm crsten Antrieb von
Cezanne empfing. Das „Bildnis des indischen Philo-
sophen Post“ von Schwarz verzichtet auf alle Details
zugunsten dieses kühnen, glühenden 'Kopfes mit dem
hochstirnigen, von schwarzem Haar umrahmten Schädel
und dem nach innen gerichteten Blick, der an der Welt
der äußeren Erscheinungen keihen Teil hat. So wird
der reale Raum als Umgrenzung nur in leichter Andeu-
tung sichtbar. Die Figur baut sich, in frontaler Sitz-
haltung, mit zu größerer Sammlung gefalteten Händen,

als festes Dreieck dem Bitdganzen ein. Breite, zusam-
menhängende Farbflächen wahren die Geschlossenheit
des Bildes. Dem Denker spiegelt sich die Welt in jener
kontemplativen Passivität, in der Sal. Meijer die Dinge
malt.

Eine starke Verhaltenheit in der Farbgebung ist fast
ailen Künstlern der Ausstellung eigen. Der in Frank-
reich lebende Konrad K i k k e r t steht in einer
Porträtskizze seiner Frau dem frühen Hofer nahe in einer
Distanz von der Wirklichkeit, versetzt noch mit jener
gewissen französischen Eleganz und Grazie im Gesamt-
habitus. Auch der Gedanke an frühe Arbeiten Feuer-
bachs, z. B. die „Studie eines jungen Priesters“ und die
ersten Porträts der Nanna taucht auf durch die formale
Steigerung der Silhouette. Voll Harmonie stimmen zu-
sammen das warme bräunliche Inkarnat mit dem rost-
roten Schultertuch und dem Blaugrau des Hintergrundes.

Der jung verstorbene J. Mankes ist mit einem
„Selbstporträt im Spiegel“ vertreten, das in seiner gei-
stigen Haltung sich ungewöhnlich eindringlich und un-
vergeßlich einprägt. Hier wird die erbarmungslose
Realität einer halbgeleerten Arzneiflasche, die kalkige
Kahlheit der Wand Attribut und unerhörte Steigerung
für das visionäre Spiegelbild des Schwindsüchtigen, der
in körperloser I lelle um das Geheimnis des Sterbens
weiß. Durch den aus dem Blickfeld rückenden Spiegel-
rahmeri, dessen linke untere Ecke auf der nach rechts
steigenden Bilddiagonale liegt, den dünngelben Recht-
eckstreifen des Tisches und die Uebcrschneidung durch
den Glaszylinder erlangt die formale Flüchenauftcilung
die strenge Geometrie abstrakter Gcmälde.

Matheus Lau knüpft an eine große Tradition
an. Die Ausstellung zeigt vier Bilder von ihm, die star-
kcs malerisches Können und sicheres Empfinden für das
Stoffliche beweisen, dem das Motivische nicht immer
adäquat ist. Das „Porträt Frau v. D.“ im Rahmen eines
Fensters mit einer Gebirgslandschaft als Folie ist zu
absichtsvoll arrangiert und verliert dadurch an nach-
haltiger Wirkung. Seine Vorliebe wendet der zurück-
gezogen in Scorel lebende Künstler vor allem rauhern
und sprödem Matcrial zu, weswegen ihm zarte, glatte
Hauttöne weniger gelingen. Dagegen bedeckt auf einer
„Dünenlandschaft in Nordholland“ der stachelige Strand-
hafer wie ein zottiges Fell das GeUinde, das dcn Un-
bflden eines schwarzgrauen Wetterhimmels sich aus-
setzt. Die Bildkomposition hat großlinige Kurvatur mit
tiefgelegenem Horizont. Die Farbgebung ist seltsam ge-
dämpft und unbunt wie auf Bildern van Goyens. Aucli
eine Anknüpfung an Herkules Seghers wird offenbar,
und es ist sicher kein Zufall, daß mit der augenblick-
lichen hohen Bewertung dieses Meisters eine großc Be-
liebtheit und Schätzung von Lau zusammengeht.

Das StiUeben ist durch aüe Zeiten bindurch Primat
dcr holländischen Malerei geblieben durch die Seins-
und Dingfreude der zwischen ruhigen, spiegelnden Ge-
wässern lebenden Menschen. C h r. Huidekoper,
der in Spanien war, bringt zwei Stilleben, von denen be-
sonders die „Früchte“ fest, klar gegeneinander abge-
grenzt, mit tiefeu Schlagschatten, intensiv leuchten. Von
der gleichen geruhsamen Unproblematik, selber

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