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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Aprilheft
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Landau, Dora: Wiener Kunst um Schubert
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0357

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haben daran weit weniger Anteil als Malerei und Musik,
denn sie bewegen sich noch ganz in den Bahnen des
Klassizismus und ihre Künstler sind zum Teil Italiener,
wie Peter von Nobile oder Canova. Das Stadtbild be-
reichert sicii um einige öffentliche Bauten: die Technik
(Schemcrl von Leytenbach, 1815—18), das Burgtor von
Nobile (1821—24) und am Ende des Zeitraums um 1830
die Voilendung des Schottenhofes, der den reiclien
Reliefschmuck der Biedermeierzeit zeigt. hn Gegen-
satz zur geringen Bautätigkeit des Staates bauen der
Adel und das Bürgertum großräumige, lichtdurchflutete
Wohnhäuser, die besonders in den äußeren Bezirken zu
einem charaktcristischen Wiener Landhaus werden und
auch heute noch das Bild bestimmen.

I )ie Plastik ist von der Architektur kauni zu trennen
und hat in Canova ihren Hauptvertreter, denn Künstler
wie Kiesling, Klieber odcr der Schubertfreund Schailer
sind von ihm abhängig. Aus der älteren Generation sind
noch Zauner und J. M. Fischer tätig, der letztere durch
viele Brunnen und Denkmäler auf das Straßenbild von
Einfluß. Am reizvollsten und sehr genrehaft sind dic
immer nocli aus dcr antiken Mythologie schöpfenden
Reliefplastiken, wie sie an Privatbauten das Nußdorfer
Brauhaus so gut vertritt. Damit ist aber aucli schon
der Uebergang zum Kunsthandwerk gegeben, das im
Möbel, in Porzcllan, Glas, Metall und Nadelarbeit das
Zierlich-Elegante mit dem Soliden verbindet und für dic
Feinheit des Wiener Geschmackes zeugt. Die Wiener
Porzellanmanufaktur unter Matthäus Niedermayr löst
sich aus dem weißen Biskuit-Klassizismus der Sorgen-
thaPGrassi-Periode zu blumiger Buntheit unter Bei-
behaltung von Empireformen. Hauptmaler sind Füger
und Daffinger und man ma'lt vom Decius Mus-Zyklus des
Rubens bis zum Blüten-Streumuster alle Tliemen der
Großmalerei durch. Unter den Glasmalern ragen Molm
und Kothgasser hervor und die Berühmtheit der Wiener
Bronze datiert aus dieser Zeit.

Es ist nicht Sache dicscr kleinen Skizze, eine Ge-
schichte -der Anfänge der Wiencr Biedermeiermalcrei
zu geben. Aber im Gegensatz zur deutsclien ist diese
ein Stiefkind der Kunstgeschichte und als „Lokal-
erscheinung“ allzuleicht über die Achsel angesehen.
Selir mit Unreclit. Das Lokalkolorit ist nicht anders ais
z. B. bei Krüger in Berlin und ehcr ein Vorzug; dic viei-
gescholtene Süße und Sentimentalität sind allgemeine
Zeiterscheinungen, an denen sowolil die Glättc des eng-
lischen Empires im Formalen, wie die literarische
Gefühlsseligkeit im Gegenständlichen Schuld tragen.
Bloße Beachtung des lctzteren ist abcr wohl zu wenig
und darf nicht hindern, den Wert eines Waldmüller zu
sehen oder Künstlern, wic Fendi und Danhauser den
ihnen gebührenden Platz einzuräumen. Schwind ist
durch seine Uebersiedlung nach Deutschland und durcli
die weite graphische Verbreitung seines Werkes bc-
kannt und in einem Maße geschätzt, wie es so mancher
seiner Landsleute ebenso verdient hätte.

In Schuberts frühe Jugend fällt der Wiener Kongrcß
und mit ihm eine Nachblüte klassizistischer Porträt-

malerei. Ihre Hauptvertreterin ist die Miniatur, mit dem
Franzosen Isabey an der Spitze, der damit das beste
Geschäft machte, denn der Kongreß tanzte nicht nur,
sondern ließ sicli aucli malen! Ludwig Hevesi nennt
diese Zeit mit Reciit „die bildnisreichste der vorphoto-
graphischen Kunstgeschichte“. Die Wiener Maler, allen
voran Moritz Michael Daffinger (1790—1849), die
schon die Fügerschule hinter sicli haben, brillieren in
dieser feinen, dem Porzellanmalen verwandten Technik.
Die unbeschwerte, rein farbige und physiognomische
Schönheit dieser Bildniskunst muß ersetzen, was frühere
und spätere Zeiten an seelischem Ausdruck geben.

Waldmüller, Rosen und Kornblumen, Wien, Belvedere
Mit Genehmigung des Vcrlages A. Schroll & Co., Wien

Aber schon bei den frühen Bildnissen Ferdinand Georg
Waldmüllers (1793—1865) ist das Kommen des
Neuen zu spüren. Die Farben sind nicht mehr süß-
verschwimmend, sondern klar und stark, Köpfe und
Hände vom Leben gezeichnet. Eindringlich ist die Wie-
dergabe alles Stofflichen unter Vorwegnahme der in den
Bildcrn zwischen 1840 bis 1865 gereiften Lichtbehand-
lung. Reflexlicht scheint schon jetzt auf die Gegen-
stände, das, abprallend, aus dem Bild herausleuchtet.
Hier liegt ein tief greifender Unterschied zwischen
ihm und den Niederländern, in de-:en Gemälden alles
Licht von innen aus der Materie strahlt — Licht und
nicht Beleuchtung. Aber eben dieses Beleuchten gibt
den Farben die glasklare Reinheit, dic zusammen
mit der sonnigen Helle mehr zum Stimmungs-
gehalt seiner Bilder beiträgt als der litcrarische Inhalt.
Waldmüller ist der größte dieser Zeit, der erste, der
im Menschen wieder das Wesenhafte sah, der erste, der

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