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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Juniheft
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Dresdner, Albert: Dänische Herrenhöfe und Schlösser des Barocks
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0458

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tention der Großartigkeit aul. Er will nichts anderes
sein als das stattliche und bequeme Landwohnhaus eines
vornehmen und begüterten Besitzers, das sicli in An-
lage und Körper, in Linien und Farben leicht und natür-
lich in die Landschaft eingliedert und aufs innigste in
sie eingebunden ist. Wenn schöne alte Alleen aus dem
Bauernlande zum Hcrrenhofbezirke überleiten, wenn
planmäßig geordnete P'arkanlagen sich an das Herren-
liaus anscliließen, so ist darin dic Natur des Landes
nicht verleugnet oder vergewaltigt, sondern erscheint
vielmehr zu einer höheren Kunstform gesteigert. Die
im 18. Jahrhundert gern verwandten französischen
Formen der Parkanlage dienen hicr nicht zum Aus-
druck eines sich schroff absondernden, absoluten
Herrengeftihls, sondern sie werden auf den Ton der hei-
mischen Landschaft, auf das Idyllische, das Heiter-
Gefällige abgestimmt. Was abcr die charaktervoll
ländliche Haltung der dänischen Herrenhöfe vor allem
bestimmt, das ist, daß sie eben wirklich H ö f e geblie-
ben sind, indem der Wirtschaftshof sich dicht neben das
Herrenhaus lagert und mit ihm zu einheitlich geschlosse-
ner Gruppe zusammengeht. Dieser „Avlsgaard“, in der
Regel von sehr ansehnlichen Abmessungen, besteht aus
dem großen Wirtschaftsgebäude, dem „Ladegaard“,
und ciner Reihe kleinerer Wirtschaftsbauten, wie
Ställen, Vorratshäusern aller Art usw., die um einen
rcchteckigen oder quadratischen Hofraum gruppiert zu
sein pflegen. Seit der Renaissance ist man auf die Auf-
gabe aufmerksam geworden die Wirtschaftsanlage in
räumliche Beziehung zum Herrenhause zu setzen und
hat sie, z. B. in Nysö, Christianssaede und Juellinge,
achsial zu ihm orientiert; in Stensballegaard ist die Ein-
heitswirkung dadurch weiter gesteigert, daß man den
Wirtschaftshof in regelmäßigem Wechsel mit höheren
und niedrigeren Baukörpern umbaut hat; in Ledreborg
hat der Barock durch geschickt angelegte Pavillon-
und Dekorationsbäuten den Wirtschaftshof architektoT
nisch an das Herrenhaus herangezogen. Auf diese
Weise wird eine schüne Weiträumigkeit und Mannig-
faltigkeit der Gesamtgruppe erzielt, und oft entstehen
Bilder von hohem malerischem Reize, wie z. B. in der
(unsymmetrischen) Anlage von Hesselagergaard oder
in Hvidkilde, wo die Nachbarschaft eines prächtigen
Mühlenhauses der kühlen Architektür des Herren-
hauses das Gegengewicht einer frischen Ländlichkeit
gibt. Das Herrenhaus selbst aber tritt nicht als Sonder-
existeuz, als ein Fremdkörper auf, sondern zeigt sich
eingebettet in seinc natürlichen Lebensbedingungen und
Arbeitsbeziehungen, als Sammelpunkt und Krönung
eines großen, geregelten, in der Natur ruhenden Betric-
bes, und so wird es selbst, um einen Ausdruck Goethes
zu gebrauchen, zu eincr zweiten, einer bürgeriicheu
Natur. Darin liegt seiu feiuster künstlerischer Reiz.

Das Studium der dänischen Herrenhofarchitektur
ist in neuester Zeit sehr gefördert worden. Besonders
haben sich Vilhelm Lorenzen und Fr. Weilbach darum
verdient gemacht, und der sclrwedische Kunsthistoriker
Ragnar Josephson hat durch sein Bucli über Tessin in
Dänemark (1924) den Anteil dieses Architekten an der

Entwicklung des dänischen Herrenhofbaus ins Licht
gestellt. Zusammenfassend ist der Gegenstand in dem
bereits berührten, 1921 bis 1923 herausgegebenen
großen Werke „Danske Herregaarde ved 1920“ bear-
beitet worden, das drei schwere Bände umfaßt. Nun
ist eben im Verlage von P. Haase Söu zu Kopenhagen
eine neue Veröffentlichung ans Licht getreten, die, in
der Themenstellung begrenzter, im Umfange weit be-
scheidener, wohl geeignet ist in Kenntnis und Verständ-
nis dieser Baugruppe einzuführen. Christian Elling be-
liandelt darin „Slotte og Herregarde: Barock og
Rokoko“. Der Band, der erste einer vom Verlage ge-
planten Reihc „Kunst in Dänemark“, ist in der Art der
bei uns längst eingebürgerten Bilderhefte ausgestaltet;
cr enthält etwa fünfzig sauber gedruckte Bildtafeln, die
sogar manches bisher Ünveröffentlichte bringen, und
was Ellings Text anlangt, so darf ihm nachgerühmt
werden, daß er auf einer gediegenen Kenntnis der euro-
päischen Kunstgeschichte aufgebaut und von einem fei-
nen Gcfühl für die Eigenart des dänischen Herrenhofes
getragen ist. Es ist ein anziehendes Stück Kunst-
geschichte mit wciten Perspektiven, das er in der Ein-
leitung aufrollt.

Dcr dänische Herrenhofbau hat zwei große Blüte-
zeitcn gehabt: die eine in der Renaissance, die zweite
itn Barock und Rokoko. In der Renaissance ist es der
selbstbewußte und reiche alte Hochadel, der sich überall
irn Lande neue, oft sehr ansehnliehe Schlösser errichtet;
die Dctikmäler der königlichen Bautätigkeit dieses Zeit-
raumes bilden vor allem die bekannten Schlösser Kron-
borg und Frederiksborg. Es ist die Periode, in der die
mittelalterliche Burg von dem regelmäßig angelegten
Schlosse abgelöst wird, doch leben Elemente des alten
Typus in Unregelmäßigkeiten der Anlage, in bewehnen
Portalen und schweren Ecktürmen noch lange fort, und
in der Formgebung vollzieht sich eine so innige
Mischung von Motiven der Renaissance mit der goti-
schen Ueberlieferung, daß Lorenzeu diese Kunst als die
der „gotischen Reriaissance“ bezeichnet hat. Es ent-
stehen jene malerischen Bauten, deren Biid auch aus
Deutschland gut bekannt ist und von denen aus Däne-
mark als besonders stattliclie Beispicle Lövenborg auf
Seeland, Holckenhavn auf Fünen und Rosenholm auf
Jütland genannt seien. Aber die politische und wnt-
schaftliche Maciit des Hochadels erreicht ihr Ende mit
der Aufrichtung des absoluten Königtums im Jahre 1660.
und nun geht die Führung an die Krone über, die das
Bedürfnis empfindet ihre neue Machtstellung auch archi-
tektonisch auszuprägen und zu legitimieren. Die um-
fangreichen königlichen Schloßbauten in Stadt und
Land, die das nächste Jahrhundert füilen, sind es gewe-
sen, die aucli über die Stilentwicklung der Herrenhof-
architektur in erster Linie entschieden haben; beide
Gruppen gehören eng zusammen, und Elling hat daher
reclit daran gctan, daß er auch die großen Bammter-
nehmungen in Kopenhagen, die Sclüösser Christians-
borg und Amalienborg (von denen letzteres aus einzel-
nen Adelspalästen zusammengewachsen ist), in seine
Darstellung und Bildreihe einbezogen hat. Die Krone

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