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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Juniheft
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Dresdner, Albert: Dänische Herrenhöfe und Schlösser des Barocks
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0462

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dem er den Mittelraum als überhöhten Kuppelsaal ge-
staltete. Fredensborg, das spiiter mancherlei Verän-
derungen erfahren hat, bildet eine Perle des dänischen
Schloßbaues. Von der Zugangsallee nimmt ein acht-
eckigcr, von niedrigen Flügeln umschlossener Vorhof,
der den Biick auf das Schloß öffnet, den Raum auf; seit-
lich sind dcm Hauptbau die liebenswürdige kleine
Kirche und die Kavatier- und Wirtschaftshäuser ange-
fügt; alle Formerr sind anspruchslos und natürlich,
und zwanglos bindet sich das Schloß auf der Rückseite
durch tiefe Alleen an den lierrlichen alten Park, der bis
zu den Ufern des Hsromsees reicht. Fredensborg ist
ein Musterbeispiel dafür, wie instinktsicher die dänische
Baukunst dieser Zeit übernommene Einflüsse zu natio-
nalisieren weiß: die heitere, idyllische Anmut der An-
lagc ist durchaus im geistigen Klinra des Landes zu
Hause, das überall auf zurückhaltende Ausgeglichenheit
drängt und mehr das freundlich Ansprechende als das
Großartige begünstigt. Es ist die dänische „jaevnhed“,
der die Herrenhofarchitektur ihr Gepräge und ihren
Reiz verdankt.

Aucli an dem Schlosse Christiansborg, das Elias
David Häusser für Christian VI. an Stelle der alten
Oldenburger Burg in Kopenhagen errichtete, lassen sich
noch Tessinsche Züge nachweisen, und vor allem teilt
es mit dem Stockhofmer Schlosse den Grundriß; ein
Geviert um einen geschlossenen Binnenhof. Inwieweit
freilich diese Planung auf Tessins Vorbild zurückgeht
oder durch die gegebenen Raumverhäitnisse bedingt
wurde, w-ird sich kaum entscheiden lassen; jedenfaüs
bildet Schloß Christiansborg das jüngste Glied dieser
damals längst überalterten Anlageform. Es ist 1794 in
Flammen aufgegangen, aber durch die Gunst des
Schicksals ist sein originellster Teil, die Reitbahn, er-
halten geblieben. Vielleicht ist auch sie auf eine An-
regung Tessins zurückzuführen, der die Westseite sei-
nes Schlosses durch zwei Flügelbauten im Halbrund
aufzuschließen vevsucht hatte. Aber seine Lösung ist
lahm: die beiden Flügel sind dekorative Arkadenbauten,
die ohne Zusämmenhang mit dem Baukörper diesem
locker vorgelegt sind. Häusser hat den Gedanken weit
großartiger und schlüssiger verwirklicht; ihin stand
hier freilich ein geräumigeres Gelände zur Verfügung,
und dieses hat er durch elegant geschwungene, dem
Hauptbau gescliickt angegliederte Flügelbauten, deren
Aufbau vielleicht auf den Dresdner Zwinger weist, zu
einem weiten stattlichen Vorhofe ausgestaltet. Indem
er so die praktische Aufgabe löste für eine Reitbahn und
allerlei Nutz- und Nebenräume Platz zu schaffen, hat er
dem Schloßkörper eine prachtvolle, perspektivisch sehr
wohl berechnete Raumwirkung gesichcrt, die noch
heute Thorvald Jörgensens Neubau zugute kommt.
Eigtved, der schon unter Häusser arn Schloßbau mit-
arbeitete, hat dann die Reitbahnfliigel durch festliche
Barockpavillons abgeschlossen (deren von Elling vor-
geschlagene Ableitung vom französischen Spalierlust-
hause mir doch gewagt erscheint) und die Raumführung
durch die Marmorbrücke über den Frederiksholmkanal
vollendet. Die ganze Anlage bildet neben dem Amalien-

borgplatze die Glanzleistung des dänischen Barocks;
beides sind Schöpfungen, die nicht nur Höhepunkte der
dänischen Architektur darstellen, sondern auch an
großem europäischen Maßstabe voll bestehen.

Uebrigens gehört Häussers Christiansborg bereits
einer späteren Stilstufe an: die beweglichere Gliederung
der Fläche, der reichere und malerischere Charakter
der plastischen Dekoration, die räumliche Vertiefung
des Portalbaues durch vorgeschobene, übereck gestellte
Säulen, der Turm weisen auf eine neue Einflußsphärc
hin. Es ist der mittel- und siiddeutsche Barock, der in
der Regierungszeit Christians VI. das Vorbild Tessins
ablöst, Häusser selbst war ein Baumeistersohn atis
Erfurt, Eigtved hat im Dienste der sächsischen Regie-
rung in Warschau und Dresden gearbeitet, Thurah auf
seiner Auslandsreise auch Deutschland besucht. Däne-
marks Anschluß an Deutschland war um so natürlicher,
als die Führung der europäischen Schloßbaukunst in den
ersten Jahrzehnten des 18. Jahrh., wie Elling hervor-
hebt, an Deutschland übergegangen war; das ist dem
Deutschen nichts Ncues, aber man bemerkt diese Fest-
stellung, weil die Leistung des deutschen Barocks sonst
im Auslande meist unbekannt oder nicht anerkannt ist.
Unter dem neuen Antriebe wagt man sich nun an Raum-
kompositionen größeren Stiles, wie die Reitbahn und
den Amalienborgplatz, eine Achteckanlage, die von vier
gleichartigen, a!s gegliederte Gruppenbauten ausgebil-
deten Palästen gefaßt ist. Munthe af Morgenstierne hat
nachgewiesen, daß ihr ursprünglicher Plan dem aus
Nürnberg stammenden Maler und Baumeister Markus
Tuscher zugehört, abcr die künstlerische Ausgestaltung
und Verwirklichung der Idee bleibt Eigtveds Verdienst.
Von Herrenhofbauten reiht sich hier Ledreborg auf See-
land an, wo in eclit barockem Sinne vom Torhause bis
zum Wirtschaftshofe eine planmäßige Raumfolge m;t
dem Schlosse als Mittelpunkt entwickelt worden ist.
Hier wie auch sonst werden jetzt die geschwungenen
Formen des Barocks aufgenommen; der querovale
Mittelbau des Herrensitzes Langesö auf Fünen, dessen
Form der Hofplatz antwortet, gehört in diesen Zusam-
menhang. Aber im Ganzen hat sich die dänische Archi-
tektur dem deutschen Barock gegeniiber doch vorsich-
tig verhalten; jene Rauschhaftigkeit, die sicli im Ueber-
schwange seiner Formenfülle Luft macht, jene Neigung
zu Raumlösungen kühnster Art und jene Steigerung ins
Märchenhafte, die manchen deutschen Barockbauten
einen so seltenen Reiz leiht, blieben dem dänischen
Genius fremd, und die bescheideneren Bauaufgaben
banden die architektonische Phantasie. Man wird da-
her Elling zustimmen müssen, wenn er dieser Stilgruppe
tinen gewissen provinziellen Charakter nachsagt. Eine
glückliche Schöpfung ist Thurahs bekannte Eremitage
im Tiergarten bei Kopenhagen, die in dem festlichen
Reichtume ihres Aufbaus in Dänemark kein Seitenstück
hat; Hvidkilde auf Fünen zeichnet sich durch p'astische
Geschlossenheit des Baukörpers aus, und der anmutige
Pavillon von Valdernars Slot auf Taasinge erinnert im
Charakter an die Amalienburg im Nymphenburger
Parke. Die dänische Architektur hält auch jetzt gern

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