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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Hajos, Elisabeth M.: Berliner Architektur und Architekten von heute
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0501

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oben erwähnter Devise und strikter Ablehnung aller
historisch-romantischer Ressentiments, ist durch den
intensiven Anteil am Werk der Vereinigten Werk-
stätten mit dem Namen Pauls aufs Engste ver-
bunden. Wer Kenntnis hat von der trostlosen Oede,
den muffigen, ideenarmen Gestaltungen bürgerlicher
Wohnstätten einer jüngstvergangenen Zeit, kann den
formsuchenden, frischen Atemzug der darauf folgte,
vollauf würdigen. Die Befreiung des Interieurs von
allern „anheimelnden“ Ballast der Plüsch-Garnituren
uud Makart-Buketts war die niemals zur Genüge ge-
priesene Tat der modernen Kunstgewerbe-Bewegung.

Der Sinn für Sachlichkeit als ästhetischen Wcrt,
die Fordcrung vollendeter Handwerklichkeit bei der
Verwendung des Materials, ein delikater Geschmack

Leo Nachtlicht. Der Architekt eleganter Villen,
Innenräume und Läden, die der Reiz glatter Formen und
gut gewählten, schönen Materials bestimmt, hat vor
kurzer Zeit das Haus „Gourmenia“ am Zoo geschaffen.
Ein wesentliches Problem der modernen Großstadt-
architektur erscheint darin gelöst. Durch Einbeziehung
des Lichts als baugestaltenden Faktors überbrückt die
Architektur den Stillstand der Nacht, behält und stei-
gert seine lebendige Wirkung. Die horizontal betonte
Fassade wird durch drei mächtige Vertikalen aus Glas
gegliedert. Glas und Licht dominieren überhaupt, und
da es sich hier um Restaurants, Cafes und Bars handelt,
dienen sie der zweckmäßigen Reklame. Der Bau strahlt
von Leben und Heiterkeit, was um so erfreulicher wirkt,
we'ii er in nächster Nähe des Bodens steht, der noch vor

Bruno Paul: Modcll des Kathreiner-Hauses

in der Proportionierung der Form und der Harmonie der
Farbengebung sind die ausgeprägtesten Eigenschaften
Pauls als Kunstgewerbler und Architekt. Seine Bauten
und Inneneinrichtungen haben der bürgerlichen Woh-
nungskultur ein neues Gepräge geschaffen.

Von manchen radikalen Jüngsten unterscheidet ihn
die sorgfältige Bedachtsamkeit des Kunstgewerblers auf
den tausend luxuriösen Kleinkram des alltäglichen Lc-
bens, den er aber keineswegs dcm Milieu aufzwängt,
sondern als selbstverständlichen Kompositionsfaktor
auch harmonisch einzugliedern versteht.

Für seine künstlerische Vielgestaltigkeit spricht
das im Bau begriffene Kathreiner-Haus, ein Zweckbau
in Hochhausform, der in seiner großartigen Einfachheit
und Schönheit der Proportionen zu den besten Bau-
lösungen dieser Art gehört.

gar nicht langer Zeit als Schauplatz der großangeleg-
ten historischen Architekturspiele einer vergangenen
Epoche diente. Die Forderung nüchternster Platz-
ausnützung führte im Innern zu reizvollen und ncuarti-
gen Lösungen, wie z. B. der Gestaltung des anderswo
noc'h kaum ausgeführten Rangcafes. Die Extravaganz
des tropischen Gartens im Restaurant entbehrt trotz
seiner Theatralik nicht dic Anziehungskraft einer raffi-
nierten Stinnnung. Alles gewollt-sensationelle mildert
die durchgehende Stimmung von heiterem, pulsierenden
Leben.

Die glückliche Lösung von Raffinement mit Sacli-
lichkeit — wie paradox das auch klingt — im Interieur
"’d auch im Außenbau, bildet die charakteristische Note
Nachtlicht’scher Architektur.

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