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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Augustheft
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Rohde, Alfred: Ein Königsberger Silberschild aus der Sigmaringer Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0545

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Löbenicht vereinigt war, sein. Uns liegen leider nur die
Inventare des Kannenwinkels dieses Junkerhofes im
Stadtarchiv vor und nicht die des Hölkenwinkels, in
denen unser Schiid aufgeführt sein müßte. Immerhin
geht aus dem Vergleich dieses vorliegenden Inventars
mit den Inventarien des Kneiphöfischen Junkerhofes im
Staatsarchiv deutlich hervor, daß nach der Verlegung
der Verwaltung der Städte in den Kneiphof der Alt-
städtische Junkerhof, der vorher der vornehmste uind
reichste gewesen sein muß, verkümmerte: manches
Silberstück, das 171Ü nocli im Altstädtischen Inventar
aufgeführt wird, finden wir 1784 im ersten Verzeichnis
des Kneiphöfischen Junkerhofes wieder. Silberverkäufe
fanden vom Ausgang des 17. Jahrhunderts ab aus dem
Altstädtischen Junkerhof aktenmäßig nachweisbar
statt, anfangs auf rechtmäßigem und protokolliertem
Wege, vor allen Dingen zur Finanzierung des Neubaues,
später, besonders gegen Mitte des 18. Jahrhunderts,
durcli heimliche Verkäufe. In dieser Zeit war der
Kneiphöfische Junkerhof im Aufbau begriffen. Wie die
Geschäftsführung in der Altstadt immer laxer und un-
übersichtlicher wird, wird sie im Kneiphof immer
straffer und ernster. Was auf der einen Seite aus Man-
gel des Zusammenhalts und Traditionsbewußtseins ab-
gestoßen wird, wird auf der anderen Seite aufgenom-
men und erworben. Es ist klar, daß der neue Besitzer
die Herkunft verwischt, man schmückt sich nicht gern
mit fremden Federn, und wie der Parvenue schnell seine
„Ahnengaierie“ hat, so baut sich im 18. Jahrhundert im

Abb. 1. Qesamtansicht des silbernen Mölkenwinkelschildes aus
dem Altstädtischen Junkerhof in Königsberg Pr. Königsberger
Arbeit des Qoldschmiedes Paul Hofmann um 1550

Abb. 2. Qegossene und ziselierte teilvergoldete Silbermadonna
des Schildes. In der linken Hand hält sie die Silberne Rose des
Rosenwinkels, die 1709 gestiftet wurde

Kneiphof ein neuer Reichtum, eine neue „Tradition“ auf,
der Silberschatz, so weit er übernommen ist, ist plötz-
lich Kneiphöfischer Silberschatz und der Altstädtische
Hölkenwinkelschild ist Kneiphöfischer Hölkenwinkel-
schild und wird als solcher seit 1784 bis zum letzten
Verzeichnis 1801 geführt und beschr'ieben.

Die Stein-Hardenbergische Reformgesetzgebung
liatte auch eine einschneidende Aenderung des kauf-
männischen Lebens in Königsberg zur Folge3), das sich
bis zur Jahrhuudertwende unter dem starken Binfluß
der Zünfte in den Junkerhöfen abgespiielt hatte. Die
1810 eingeführte Gewerbefreiheit machte der Zunft-
verfassung ein Ende, und wenn auch die Ueberwindung
einer alten Tradition sich nicht ohne langwierige und
schwere innere Kämpfe vollzog, so kann man docli
feststellen, daß mit dem „Statut für die Kaufrnannschaft
zu Königsberg/Pr. vom 25. April 1823“ die Winkel der
alten Zünfte in den Junkerhöfen als endgültig aufgelöst
zu betrachten sind.

Damals müssen dann auch die scheinbar unter der
Binwirkung dieser Kärnpfe zwischen einer neuen fort-
schrittlicben eine vermorschte Kaufmannstradition
(Stapelrecht, Bürgerbeste u. a.) bewußt zerstörenden
gegen eine alte am althergebrachten Bequemen festhal-
tenden Generation schon stark gelichteten Silber-
beständc in den Besitz der Kaufmannschaft übergegan-
gen sein. Aber die persönliche Beziehung zu den Din-
gen war verloren gegangen, so daß jene Zeit, die den
künstlerischen Wert dieser Dinge noch nicht fühlte und
achtete, die übeniommenen Bestände mehr als Rarität
und — durch das Material als Vermögenswert buchte,
dessen Wert nach dem Gewicht festgesetzt wurde.

3) Fritz Simon, Die Korporation der Kaufmannschaft und die
Handelskammer zu Königsberg Pr. 1823—1923, Königsberg 1923.

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