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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Augustheft
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Wächtler, Leopold: Scheren-Schnitte
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0556

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Scherenschneidern bcstätigen hören, daß einem wohl in
allen Techniken bewanderten Künstler und auch einern
Kritiker schwer eine Aeußerung über dcn Scheren-
schnitt abzuringen ist. Der Scherenschnitt lag abseits,
Künstlcr und Kritiker verhielten sicli, wenn auch nicht
gerade ablehnend, so doch passiv. Kein Wunder, wenn
bisher noch keine Kunstgeschichte daran dachte, cinen
Scherenschnitt unter ihr Bildermaterial aufzunchmen
oder auch nur das Wort „Scherenschnitt“ zu
erwähnen.

*

lichkeit, mit der Schere umzugehen, fehlt. Das
Kunstwerk würdc durch die Unvollkommenheit der
Ausführung gefährdet. Die Besonderheit der Schneide-
technik ist eben nur dem Scherenschnitt eigen, wäh-
rend die Techniken der mehr malenden und zeichnen-
den Kunstgattungen allc untereinander zusammen-
hängen.

Docli das Schneiden ist es nicht allein, was den
Schcrenschnitt von den anderen Techniken scheidet und
den Künstler vom Scherenschnitt fernhält. Eine eigene
BedeutUng kommt bereits dem Papicr zu. Beim

Den Grund ftir die Zurückhaltung erfahren wir bei
der Betrachtung der E i g e n a r t des Scherenschnittes.
Ich will im folgenden meine Anschauung iiber den
Kunstwert dcs Scherenschnittes klarlegen und ihn mit
anderen Ausdrucksmitteln der bildenden Kunst ver-
gleichen.

Merkwtirdig ist, daß ein bildender Künstler nur ganz
selten (Menzel, Runge) oder gar nicht zur Schere als
künstlerischem Werkzeug greift, während er in dcn
rncisten Fällen die Ausdrucksmöglichkeiten des Stiftes,
der Feder, des Stichels wie des Pinsels pflegt und be-
herrscht. Der Grund dazu mag darin liegen, daß einem
manchen Künstler die manuelle Geschick-

Scherenschnitt ist das Papier das Ausdrucksmittel
schlechthin. Während es sonst nur Träger des
Striches, der Linie oder der Farbe ist, wirkt es hier an
sich — in seinen Gegensätzen von schwarzen und
weißen Flächen. Die Linie kommt in der Hauptsachc
nur im Umriß in Betracht.

Den Verzicht auf die Farbe hat der Scherenschnitt
rnit anderen Schwarz-weiß-Arbeiten gemein, aber auch
auf die Uebergänge zwischen schwarz und weiß, auf die
grauen Töne, muß cr verzichten. Bei der P'inselzeich-
nung kann gewischt werden, hellere Töne können mit
dunkleren wechseln. Selbst der einfarbige Holz- und
Linolschnitt kann auf Tönung Rücksicht nehmen. Beim

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