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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Augustheft
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Original und Reproduktion / Dresdner Kunstausstellungen / Die Jubiläums-Ausstellung des deutschen Künstlerbundes in Köln / Thüringer Fayencen / Moderne Holzschnittkunst in Polen / Aus dem Kunstleben Hollands / Londoner Kunstschau / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Neues aus dem Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0563

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gewertet wird. Das Bild ist zur „Aktie an der Wand“ geworden.
Durch die Reproduktionen können sicli die Kunstliebenden von die-
sem Betrieb unabhängig machen.

Die Tempelhüter der Kunst sehen diese Entwicklung nicht
gern. Sie sehen es als eine Profaniierung an, daß jeder sich den
Kunstemdruck des Oriilginals verschaffen kann. „Wo bleibt die
Andacht und der Schauer vor dem Kunstwerk?“ Wenn Originai
und Reproduktion nicht mehr zu unterscheiden sind (sofern man
nicht eine Materialprüfuing vornimmt, was niichts mit Kunstbetrach-
tung zu tun hat), so wird natürlich auch der künstlerische Eindruck
rcstlos in der Reproduktion vorhanden sein können. Das Original
hat dann darüber hinaus nur noch Seltenheitswert. Die Künstlei
brauchen sich wegen einer solchen Entwicklung der Techniken und
Einschätzung seätens der Kunstliebenden nicht zu beunrubigen.

Genau wie heute schon Maler ihre Originalgraphiken verlegen,
können sie in Zukunft ihre Zeichnungen und Bilder bei Reproduk-

tionsanstalten verlegen. Sie könnten an der Auflage wie Schrift-
steller bei ihren Büchern interessiert sein und behielten dann nocli
imrner das Origina.1, welches sie zu einem, durch das Bekanntwerden
in größerem Kreäse väelleicht gestiegenen Preise an Sammler ver-
kaufen können. Auch die anderen teclinischen Entwicblungen Fiilm,
Schallplatten, Radio haben für die Kunstschaffenden eine Erweite-
rung ihrer Möglichkeäten und ihres Wirkungskreäses gebracht. Die
Schöpfer der Originale werden selbstverständlich stets unentbelir-
lich sein, nur der Kreis der Interessenten für ihre Arbeiten wird
sich eweitern, die wertvoilsten Kunstwerke werden Allgemeingut
werden können und nicht nur Spekulationsobjekte der Kapital-
kräftigsten.

Das Jammern über die „seelenlose Technik“ ist ganz iiber-
flüssig. Die Technik soll ja nicht „Seele“ produzieren. Sie gibt
uns aber neue Mittel für die Verbreitung von Kunstwerken und
originalgetreuen künstlerischen Eindrücken.

Dvesdnev Kun{iaus{feUungerL

Die „K ü n s 11 e r v e r ei n i g u n g“ hat in ihrem Heim an
der Stübel-Allee ihre diesjährige Sommerausstellung eröffnet. Eine
Art Jubiläums-Ausstellung, blickt die Künstlervereinigung in die-
sein Jahre doch auf ihr zwanzigjähriges Bestehen zurück. Mit
Reclit wies bei der Eröffnung Dr. Felix Zimmermann in sei-
ncr stimmungsvollen Rede darauf hän, daß die „Bereitwiiligkeit zur
steten Verjüngung“ immer Lebensnerv dieser Vereinigung bedeutet
habe. Er fand aber aueh ergreifende Worte zum Gedenken des so
plötzlich gestorbenen Bildliauers Arthur Lange, dessen herrliche
„Fahnenwacbt“ aus Beuchacr Granit, seine letzte Arbeit, am Tage
seines Todes aufgestellt wurde. Man hat in iletzter Stunde alle er-
reichbaren Arbeiten Arthur Langes in den verschiedensten Sälen
gcsammelt als Beispie! fiir das, was der Redner an Arthur Lange
preisen durfte: Den Künstler der Seele. Die Künstlervereinigung
war es, die neben vielen anderen vor allem Edvard Muncli den
Weg der Anerkennung än Deutschland mit verschaffte. Ein Akt
der Dankbarkeit, daß das jetzige Ehrenimitgiied der Vereinigung in
einem eigcncn Saal eine Entwiddung seiner Kunst von 1'888 bis zur
Gegenwart an ganz wundervollen. Beispielen iiberließ. Und ein
zweites Erlebnis vermittelt diese Ausstellung, nämlich die, Ietzte
Ernte Ludwig von H o f m a n n s. Diese letzten Arbeiten, meist
aus Capri und dem Süden sind so durcligeistig und malerisch zu-
gleich, so ganz auf helle Teclmik und auf das Malerische eingestellt,
daß sie ztim Schönsten rechnen, was man augenblicklich in Dresden
selien kann. Sonst beweist die Aussteliumg an vielfachen Stellen,
daß die alte Stoßkraft der Vereinigung frisch und jung geblieben
ist, daß man imtner wieder mit großem Geschick es versteht, die
alte Dresdner Mal-Tradition mit dem stürmerischen Draufgänger-
tum der Jugend irgendwäe in Einklang zu bringen. Nicht zum
Scliaden beider Richtungen. Uebrigens darf man feststellen, daß
die Extrem-Radikalen, wie Otto Meister oder Erich Fraass, in ihren
neuesten Arbeiten wesentlich abgemildert erscheinen. Uebersicht-
liclt zeigt sich die Farbenfreudigkeit Poi Cassels. Mit Genugtuung
erfüllt die beharrliche und stete Weiterentwickl'Ung des talentierten
Hermann Teuber, und Hans Nadler zeigt neben seinen fast klassisch
gewordenen Landschaftsbildern eine ganz neue Entwicklungslinie
auf in einem balladesk wirkenden Winterbild. Unter den 192 aus-
gestellten Bildern und Plastiken seien noch genannt die drei großen
farbigen Arbeiten F. Haeberleins (Dresden), ein ausgezeichnet ge-
arbeitetes Damen-Porträt Arno Dreschers, die schönen, sehr klaren
Bilder Hansoehmes und von den Plastiken etwa die Bildnisbüste,
die Karl Albiker von dem Dresdner Kunstgewerbeschullleiter, Prof.
Groß, gemacht hat oder die Arbeiten Georg Kinds, nicht zu ver
gessen Prof. Wrbas eleganter und rassäger „Läufer“.

Mit einer sehr schönen intimen und geschlossenen Ausstellung
nimmt Ludwig Gutbier in der Galerie Arnold die alte Tra-
dition seiner für Dresden unentbehrlfch gewordenen Kunstpflege
wieder auf. Er zeigt „Deutsche Impressionisten“ in einer knappen

Auswahl von dreißiig Bildern, aber dafür ausgesucht schöne und
wertvolle Stücke von Trübner, Thoma, Uhde, Liebermann und vor
allem Max Slevogts. Von letzterem ist eine kleine Kollektion zti-
stande gekommen, ein paar Fischställleben, Porträts und Landscliaf-
ten. Entzückend friscli und lebendig. Diese Auswahl ist unendlicli
erquickend, zeigt von wo wir ausgingen, zeigt zum anderen, wohin
wir zurückkehren werden.

Im alten Technikumgebäude am Antonsplatz haben die .1 ti r y -
f r e i e n) sich wieder zusammengctan. Eine Ueberraschung haben
sic zunächst nächt zu bieten, höchstens die kleine Gmppe von
Meißner Kiinstlern, die man bereits gelegentlich der Jahrtausend-
fei-er in Meißen sah. Sonst interessieren diejenigen, die zur Hebung
des ganzen Niveaus als Gäste geladen waren, etwa Böckstiegel, vor
allem aber Hanns Herzing, dessen unfrisierte Landschaften voll
Kraft und Intensität immcr wieder ein Labsaal sind. Aucli als
Graphiker tritt er hervor mit interessanten Porträtskizzen Dresdner
Sclirif tsteller.

Geboren aus der augenblicklächen Notlage aller bildenden
Kunst hat sich eine neue Kunsthandlung unter Führung von Josef
Sandel aufgetan, die vorerst, ohne e-in bestimmtes Gesiclit zu
zeigen, eine Auswalil von Dresdnern bringt, wie Skade, Laohnät
oder Griebel, die auch an anderen Stellen zu sehen sind. Es wird
sich zu erweisen haben, welchen Weg diese neiuie Kunsthandlung
einzuschlagen beabsichtigt, an sich hat Dresden keineswegs Ueber-
fluß an Ausstellungsmögliclikeiten für seine Künstler.

Problematisch, aber nächts destowenigcr aktuell unid ein-
drucksvoll präsentiert sich eine höchst originelle Ausstellung unter
dctn Titel „Hingabe“ des im vorigen Jahr gegründeten Kiuist-
Dienstes. Alfons Paquet eröffnete diese Ausstellung mit einer Ein-
führung iiber däe Hingabe an das Ideal gleichzeitig mit einer ein-
drucksvollen Vorlesung aus seinen Dichtungen. So prämitiv sicli
ätißerlich diese Zusammenstellung von Zeiugnissen aller Zeiten in
Wort und Bild dartut, so nah und hart weist sie auf das hin, was
unserer Gegenwart nottut. Aus der Entwicklung der Religions-
gemeinschaften wie aus geschichtlichen Ereignissen sind liier be-
sondere Persönliohkeiten herausgestellt, deren ganzes Leben zu
e-iner einzigen Hingabe an das Ideal wurde. Soweit allerdings die
Politik hierbei berührt wird, muß diese säeherlich gutgewollte und
positive Zusammenstellung je nacli dem Standpunkt des Betracli-
tenden kritisch gewürdägt werden, Auch das Zeitgesicht läßt sicli
von mehreren Seiiten beleuchten, als es hier meist negativ iund
zweifellos erzieherisch gescltieht. Immerhin ist der Versuch niclit
nur oräginell, sondern durchaus ethisch zu würdigen und zu be-
grüßen. Hier sind Männer am Werk, die ernsthaft bestrebt sind,
der Verflachung der Gegenwart durch poisitive Arbeit am inneren
Menschen zu steuern.

Heinrich Zerkaulen.

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