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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 14-25 (2. Feburar - 27. Februar)
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doch unserer hohen Kirchenbehörde gelingen, diesem Uebelstande in
Balde abzuhelfen! Das alte Sprichwort: „äuobrm «ertamidus ter-
tius scheint auf die kirchlichen Streitigkeiten im Lande
Baden und auf die Examen-Geistlichen angewendet unwahr zu sein,
allein es ist dies und bleibt Schein, da ja die letzteren nicht eine
dritte Partei sind und nicht sein wollen. Die dritte Partei sind
vielmehr die Logenmänner, die Bettelpreußeu, der Mannheimer
Neckarschleim im Verein mit den neuärarischen Schulmeistern, die
„Mitbergersch" und wie sie alle heißen mögen. Wir zollen deßhalb
der Wahrheit unseres alten Sprichwortes unsere Anerkennung und
beneiden den Tertius des badischen Landes nicht um seine Freude.
Wir geben und lassen diesem, was ihm mit Recht gebhürt, wün-
schen aber auch, daß jedem Arbeiter sein Lohn zu Theil werde.
X Bruchsal, 6. Febr. Dem Kraichgauboten wurde also
wirklich ein ministerielles „Maulhalten" übermittelt, weil er sich
in die Offenburgerei zu stark einließ und mit dem Schulmeisterstock
die Herren im Ministerium Raison lehren wollte. Seit der erfolg-
ten Nase ist Rodrian, der Inhaber des Kraichgauers, vollkommen
curirt; er schweigt über Offenburgs staatsbeglückende Pläne, um
sich wegen des unbotmäßigen Bürzelbäumchens der ministeriellen
Huld und Gnade wieder würdig zu machen.
Daß sein College, Rechnungsrath Bauer, auf jede Begeiste-
rung für Offenburg gründlich verzichtet, ist begreiflich, gehört ja
auch Er den Auserkorenen an, die auf den Ruf „Maulhalten"
devotest gehen.
Zum Glück für Beide und ihre anderweitigen Kameraden ist
die Excommunication erfolgt. Flugs sattelten sie ihren abgerittenen
Buschklepper zu einem fröhlichen Ritt gegen die Ultramontanen,
ein süßer Ersatz für jenen sauer aufgestoßenen Ritt gegen Excellenz
Jolly, den gnädigsten Herrn.
Der Bürgelverein, dem Rodrian haarklein des Vaterlandes
Gefahr auseinander setzte, wurde sofort von einer Stromeyer-
Adresse glücklich entbunden. Sie trägt alle Muttermale der Landes
zeitung, dieser fruchtbaren Landessäugamme aller nationalliberalen
Landeskinder, welche getreulich nachlallen, was jene alle Tage ihnen
vorlallt, darum lesen wir da von „Abscheu, Entrüstung, Zelotis-
mus, Priesterfchaft" rc. Alles schon dagewesen und wir haben
nichts Anderes erwartet, denn Intelligenzen wie Rodrian und
Consorten — daß Gott erbarm!
Auch der Stadtrach war zur Adreßberathung von Rodrian
geladen; es erfolgje ein Korb. Natürlich, denn der Stadtrath
mit Herrn Bürgermeister Eisinger an der Spitze besitzt Anstand
und Charakter!
Der Bürgerverein zur Fortuna nimmt sich des gemaßregelten
Stromeiers an, aber warum hat er nicht auch ein nur kleines
Adreßchen für Kiefer in Bereitschaft? Gell Bauer, das ist was
anders?
Wie viele „Intelligenzen" die Adresse unterschrieben haben,
wissen wir nicht; es liegt auch nichts daran und eme Freude muß
man ihnen lassen, denn, nachdem ihnen die Offenburgerei ver-
leidet wurde, was bleibt ihnen noch übrig, um ihre servile Sinnes--
art vor Jolly zu bekunden, als die Dreschflegelei gegen die Ultra-
montanen? Diese sind jetzt der vorgeworfene Knochen, an dem
der ganze servile Rudel hastig nagt; möge er sich recht satt fressen!
-ff Bruchsal, 10. Febr. Aus dem nahen Karlsdorf er-
fahren wir, daß der dortige Unterlehrer, wegen eines Vergehens
mit einem Schulmädchen zur Anzeige gebracht, sich geflüchtet hat.
Diese Fälle mehren sich in erschrecklicher Weise, so daß man ernst
lich die Frage erwägt, wie wird es erst kommen, wenn die Mäd-
chen bis zum 14. Lebensjahre die Schule besuchen müssen? Bei
dieser betrübenden Erscheinung aus dem Schulgebiete ist es sehr
auffallend, daß die liberale Zeitungspresse, die doch zur „sittlichen
Entrüstung" ganz besonders aufgelegt ist, solche häufig vorkommende
Fälle einfach todl schweigt. Warum denn?
Mosbach, bei Dieburg 7. Februar. Die von dem Comite
für die geselligen katholischen Vereine der Provinz Starkenburg auf
den heutigen Tag hierher ausgeschriebene Kathouken-Versammlung
hat unter außergewöhnlich starkem Andrang des Publikums heute
siattgefunden. Von allen Seiten war das katholische Volk in Schaaren
herbeigeströmt, aus dem Hessichen Odenwald, aus dem bayeri-
schen Spessart, von Stadt und Land waren sie in Hellen Hausen
gekommen, um den Worten begeisterter Männer mit aller begei-
sterten Andacht zu lauschen. Männer und Frauen, Jünglinge und
Greise füllten, Kopf an Kopf gedrängt, den geräumigen Platz um
die Kirche und ist die Zahl des versammelten Volkes mit vier
Tausend wohl nicht zu hoch gegriffen. Pfarrer Wiehoss von
Mosbach eröffnete die Versammlung und schlug unter allgemeiner
Zustimmung den Freiherrn Franz von Wambolt als Präsidenten
vor. Dieser dankt für das ihm entgegengetragene Vertrauen, ver-
liest einen Gruß vom katholisa,en Casino in Offenbach und gibt
dem Decan Goy von Dieburg als erstem Redner das Wort. Die-
ser verbreitet sich über die zahllosen Feinde der katholischen Kirche
und die Hoffnung, über sie zu trrumphrren. Diese Hoffnung beruhe,
wie Redner des Weiteren ansführte, auf der Kirche selbst als einer
göttlichen Stiftung, auf den Thatsachen der heutigen Welt und
auf unserer eiaenen Toänakeit und der regen Entfaltung unserer

eigenen Kräfte. Der laute Applaus des Publikums folgte den ei-
ner tiefen Begeisterung entströmten gehaltvollen Worten des kör-
perlich greisen, aber geistig noch jugendfrischen Redners. Professor
Müller aus Wertheim, eine ehrwürdige Erscheinung mit gebleich-
tem Haare, gibt interessante Details aus vergangenen Tagen über
den Wiederaufschwung des kathol. Lebens. Jubelnde Zustimmung
ertönte, als er erwähnte, daß er der Erste gewesen, der für den
seiner Zeit von Preußen gefangen gehaltenen Erzbischof von Köln
öffentlich seine Stimme erhoben. Domcapitular vr. Haffner
aus Mainz spricht, wiederholt von Applaus unterbrochen, über die
Unterstützung der katholischen Presse. Lindau aus Heidelberg ent-
wirft in prägnanten Zügen ein wenig tröstliches Bild über die
kirchlichen Zustände in dem benachbarten Musterstaat. Pfarrer
Seid von Groß-Umstadt fordert in von tiefer Begeisterung ge-
tragenen zündenden Worten zur Gründung von kathol. Casinos
auf. Knopfmacher Eldracher von Groß-Umstadt spricht über den
ewigen Kampf zwischen Wahrheit und Recht und Lug und Trug.
Kaplan Huhn von Aschaffenburg, der durch seine begeisterten, po-
pulären, durch ein sonores Organ unterstützten Vorträge sich als
Volksredner bereits einem größeren Publikum vortheilhaft bekannt
gemacht hat, schloß die Reche der Redner mit einem Hinweise auf
die durch die Kirche errungenen Triumphe.
München, 7. Febr. Als definitives Resultat der Zollparla-
mentswahl für den verstorbenen Abgeordneten Soyer im Wahlbe-
zirk Germersheim-Bergzabern wird gemeldet, daß Petersen (natio-
nalliberal) 6291 und Neumayer (großdeutsch) 4860 Stimmen er-
halten hat.
Ausland.
Aus London wird gemeldet, daß König Georgios von Griechen-
land abdanken wolle und daß die Vorbereitungen zur Abreise schon
getroffen seien.
Paris, 9. Febr. Ein Wiener Telegramm des „Constitution-
nel" meldet, daß das Cabinet Zaimis gebildet sei. Delyannis habe
das Ministerium des Aeußern übernommen und das neue Cabinet
die Declaration der Conferenz angenommen.
Florenz, 6. Febr. Die „Jtal. Corr." meldet aus Athen:
Da Bulgaris auf seinem Rücktritt beharrte, wandte sich der König
an Valaoritis; diese Combination scheiterte gleichfalls; hieraus be-
rief der König Comunduros, aber auch dessen Annahme wird als
sehr zweifelhaft befrachtet.
Belgrad, 6. Febr. Der „Jedinstvo" widerlegt die Berliner
„Zeidl. Corresp." bezüglich des von dieser behaupteten Einverständ-
nisses zwischen Serbien und Ungarn wegen Wiedererrich-
tung des Königreichs Serbien und erklärt, in Belgrad herrsche
der Gedanke vor, der Orient solle sich durch sich selbst regeneriren.
Serbien werde auf die Einmischung einer fremden Macht niemals
eingeheu.
Bukarest, 6. Febr. Auf Verlangen des Fürsten richtete das
demissionrrenbe Cabinet einen Appell an die Kammer, ob dasselbe
ihr Vertrauen besitze. Die Kammer antwortete beinahe einstimmig
bejahend, woraus das Ministerium seine Demission zurückzog.
Bukarest, 6. Febr. Die Negierung beantwortete die Inter-
pellation wegen Abberufung der französischen Militärcom-
mission ausweichend. Eine hieraus von Georg Bratiano gestellte
Motion, die Kammer möge ihr Bedauern über diese Abberufung
ausdrücken, wurde angenommen. Die Radikalen stimmten dagegen.
— Die Ernennung eines Ministeriums Joan Ghika, Laskar Kutargi
wird als bevorstehend erachtet, ebenso die gleichzeitige Auflösung der
Kammer.
Bukarest, 9. Febr. Kammersitzung. Die Interpellation,
betr. die Reactivirung des Generals Macedonski, veranlaßte sehr
heftige Debatten. Die Extreme beantragen eine Ungesetzlichkeits-
erklärung. Der Ministerpräsident bezeichnet Ivan Bratiano und
die Extremen als eigentliche Landesseinde. Rücktritt des Mini-
steriums oder Kammerauflösung ist unvermeidlich; Letzeres ist wahr-
scheinlicher.
Konstantinopel- 8. Febr. Der erste Kammerherr des Sul-
tans, Djemil Bey, Sohn des Kciegsministers Namyk Pascha, ist
abgesetzt und Letzterer im Kriegsministerium durch Hussein, den je-
tzigen Gouverneur Kreta's, ersetzt worden.
Die Civilisation in Tunis. Der „Italia" wird aus Tunis
geschrieben, daß der Bey von Tunis mittelst Dekret vom 6. Jan.
das Lotteriespiel in seinen Staaten erngesührt hat; der Erlös hie-
raus ist zur Bezahlung des Gehaltes europäischer Beamten, denen
derselbe bereits seit längerer Zeit nicht verabfolgt wurde, dann
zur regelmäßigen monatlichen Auszahlung der Beamteubezüge be-
stimmt. (M. V. B.)
8 Heidelberg, 10. Febr. Gestern Abend zwischen 7 und 8 Uhr hatten
wir hier die um diese Zeit überraschende Erscheinung eines heftigen Gewitters
in Begleitung eines ziemlich starten Regens.
Brieftasten.
Nach Eon stanz. Wir bedauern Ihren Artikel nicht aufnehmen zu
können; er ist zu geschraubt und salbungsvoll. In die Presse gehört ein
frischerer Ton.
 
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