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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 51-62 (1. Mai - 26. Mai)
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245

Ziehungen, die er dort zu Gunsten unserer Sache unter Männern
des Nordens wie des Südens angeknüpft habe. Gesang und humo-
ristische Declamationen schlossen dieses fröhliche Fest, das bei der
Rückkehr Lindau's in nächster Woche seine Wiederholung fin-
den wird.
* Heidelberg, 23. Mai. In Betreff der Erndte hat man
die lebhaftesten Besorgnisse in Norddeutschland; denn während in
unserer Gegend so viel Regen gefallen ist, als zum Gedeihen der
Pflanzen bei dieser heißen Witterung nothwendig ist, hat man in
Berlin bei der furchtbarsten Hitze seit Wochen keinen Tropfen Regen
gehabt. Ich habe während der vier Wochen meines dortigen Auf-
enthaltes nur ein einziges Mal meinen Regenschirm nöthig gehabt.
Daß eine derartige Trockenheit bei längerer Dauer die schlimmsten
Befürchtungen wach rufen muß, kann nicht geläugnet werden, be-
sonders wenn man bedenkt, daß in dem leichten, glühenden Sand-
boden auch keine Spur von Feuchtigkeit mehr vorhanden ist. Über-
haupt kann man erst wieder aufathmen, wenn man die Elbe passirt
hat; von dort an nimmt auch die Fruchtbarkeit des Bodens wieder
allmählig zu. Rings um Berlin herum ist dagegen Alles in Staub
und Sand gehüllt, und ich möchte den Menschen sehen, der es
wagen würde, einen Ausflug von Berlin nach der Richtung von
Luckenwalde-Jüterbock hin zu unternehmen. In Berlin selbst ist
die Hitze um so unerträglicher, als sämmtliche Häuser blos aus
Backsteinen gebaut sind, so daß die Wände keinen Schutz gegen
die abscheuliche Temperatur zu geben vermögen. Nehme man dazu
noch den Mangel eines irgend genießbaren Trinkwassers und die
süß duftenden Gerüche der Spree nrbst Kanälen, — so ist Alles
vorhanden, was ein süddeutsches Herz zum Eintritt — „unter die
Linden" bewegen kann. „Unter den Linden", mein Gott, was
haben wir uns da nicht vorgestellt, aber die Linden, meine Herren,
sind die abscheulichsten und verkrüppelsten Bäume, wie man sie bei
uns nirgends dulden würde; für Berlin sind sie jedoch gut genug
und dis krummen Knorren zieren das eleganteste Viertel.
Karlsruhe, 22. Mai. Schöffengericht. Soeben wird Pfarrer
Rein von Menzingen von der Anklage wegen Gefährdung der
öffentlichen Ruhe und Ordnung freigesprochen. Verhandlung
gegen denselben geht weiter wegen „Ehrenkränkung der Zollparla-
ments-Wahlcommission von Mmzingen." (Bad. Beob.)
Aus Bad-n, 20. Mai. In welchem Verhältniß die „Landes-
base" zu den maßgebenden Kreisen steht, ist auch daraus zu ent-
nehmen, daß sie in der Lage war, die Namen der vom erzb. Dom-
kapitel vorgeschlagenen Candidaten für den erledigten erzbischöfli-
chen Stuhl so rasch zu veröffentlichen. Jeder Katholik kann sich
nur freuen, daß das erzb. Domkapitel so hervorragende Prälaten
und kirchlich gesinnte Geistliche auf die Liste gesetzt hat. Wenn
die Partei der „Landeszeituug" wünschte, daß das bedrängte Schrff
der Kirche in unserer Erzdwcess einem unerfahrenen oder nicht
zuverlässigen Steuermann anvertraut werde, so finden wir das
begreiflich. Eine solche Wahl würde aber nicht zu einer „Ver-
söhnung" führen, weil — hierzu auch der Gegner gehört. (B. B.)
Kehl, 20. Mai. Eine Wette ganz eigenthümlicher Art hat kürz
lich in Ungarn zwischen einigen Edelleuten stattgefunden, zu deren
Ausführung Hr. Michailowich gestern hier ankam, um seine Reise
weiter fortzusetzen. Die Wette bestand in der Behauptung von Seiten
des Hrn. Michailowich gegen seine Gegner, daß die deutsche und fran-
zösische Gastfreundschaft eben so groß sei als die ungarische, und
daß der wettende Parteimann Hr. Michailowich es unternehmen
wolle, von Pesth nach Paris lediglich auf das Vertrauen der ihm
zu gewährenden Gastfreundschaft zu reisen und weder für Unterhalt
noch Reisekosten irgend eine Auslage machen zu müssen. Während
den 19 Reisetagen, welche Hr. Michailowich nun bereits zurückgelegt
hat, ist es ihm vollkommen gelungen, auf verschiedenen Edelhöfen,
in Klöstern, bei Gutsbesitzern, Prwaten und Mrlitärs die freund
lichste Aufnahme und Weiterbeförderung Zu finden. Von hier wurde
derselbe nach Saverne und, wie wir heute hören, von dort bereits
nach Nancy bestens empfohlen, und so ist mit Gewißheit anzuneh-
men, daß der kleine Rest des Weges bis Paris unter ähnlichen
Verhältnissen zurückgelegt, die Wette für Hr. Michailowich als ge-
wonnen zu betrachten ist. Eigenthümlich und neu ist die Idee, von
Pesth nach Paris unter ganz unbekannten fremden Personen freie
Reise auf Kosten der Gastfreundschaft zu finden; natürlich gehört
dazu auch die einnehmende Persönlichkeit des Wettenden; einem
Jedem möchten wir gleichen glücklichen Ausgang nicht in Aussicht
stellen. (Karlsr.. Ztg.)
Norddeutschland.
* Berlin, 20. Mai. Bei der heutigen Discussion über die
Petroleumsteuer äußerte der Abg. Graf Bethusy-Huc wört
lich Folgendes: „Ich habe pure für die Tabakssteuer gestimmt u.
werde auch für die Petroleumsteuer stimmen. Ich bin von jedem
Particularismus weit entfernt, aber ich werde den Herrn mir
gegenüber (Graf Bismarck), so lange er an jener Stelle ist, mit
Geld einölen (Gelächter.)" Man sieht aus dieser Probe, wie weit
die preußischen Junker die Schweifwedelei für Bismarck treiben,
so daß sogar der abgeschmackteste Blödsinn zu Tage gefördert wird!
Wir möchten doch wohl einmal sehen, wie man es anfängt, Einen
„mit Geld einzuölen"! Zugleich können aber auch die Wähler

daraus ersehen, wie splendid die Junker und ihre schweiftragenden
Nationalliberalen mit dem sauer verdienten Geld des Volkes um-
gehen, um es zur Verherrlichung ihres Götzen Bismarck und seiner
Kasernenbauten zu verwenden. Wozu denn da das ganze Zoll-
parlament, wenn solche Grundsätze nicht blos ungescheut ausge-
sprochen werden, sondern auch lebhafte Zustimmung finden? Wer
darf sich da wundern, wenn man auf der preußischen Ministerbank
den Widerspruch nicht mehr ertragen kann und jeoe Opposition
für unbegreiflich erachtet? „Schreit d.ch Bravo, Ihr ver — Schwer-
nöther!"
Berlin, 22. Mai. Das Zollparlament hat die Tabaks-
steuer defintw angenommen; ebenso das Gesetz über die Erwei-
terung der Eivgangszoll Ermäßigung. Morgen Nachmittag findet
oer Schluß des Zollparlaments im Könrgl. Schloß statt; darauf
folgt eine Extrafahrt oer Abgeordneten nach Kul zur Besichtigung
der preußischen Flotte.
Berlin, 23. Mai. Schluß des Zollparlaments. Die Thron-
rede hebt die wichtigen Folgen der Seffion für die Verkehrsfrei-
heit und die Entwicklung der nationalen Wohlfahrt hervor, zählt
alsdann die verschiedenen Zu Staude gekommenen Gesetze auf, er-
wähnt gleichzeitig die für die nächste Zeit bevorstehende, nicht un-
wesentliche Verminderung der Zolleinnahmen und fährt alsdann
fort: Der Zollverein verdanke der glücklichen Verschmelzung der
finanziellen und wirthschaftlichen Interessen fernen Aufschwung;
die ausschließliche Wahrung eines dieser beiden Interessen müßte
seine Entwickelung lähmen. Wenn hierüber eine Verständigung
noch nicht erzielt sei, so werde hoffentlich beim nächsten Zusammen-
treten auch nach dieser Seite der Erfolg gelingen. Die Thronrede
spricht die Hoffnung aus, daß die Session beitragen werde zur
Kräftigung des gegenseitigen Vertrauens der deutschen Stämme,
zur Zerstörung und Minderung mancher Vorurtheile, welche der
einmüthigen, allen Stämmen ernwo^nenden Vaterlandsliebe etwa
hinderlich wären. Sre Alle werden in die Hermalh die Ueberzeu-
gung mitnehmen, daß in der Gesammthett des deutschen Volkes
das brüderliche Gefühl der Zusammengehörigkeit lebt, welches von
der Ausdrucksform Nicht abhängig, stetig an Kraft Zunehmen wird,
wenn wir bestrebt sind, hervorzuheben, was uns eint, und zurück-
zustellen, was uns trennt.
Die Rede schließt: „Nachdem Ich durch den übereinstimmen-
den Vertragsmäßig bekundeten Willen der berechtigten Gewalten
des Vaterlandes zu dieser hervorragenden Stellung berufen bin,
betrachte Ich es als eine Ehrenpflicht, vor den Vertretern des
deutschen Volks zu bekunden, daß Ich die Mir übertragenen Rechte
als ein heiliges, von der Natron und den Fürsten Mir anoer-
trautes Gut in gewissenhafter Achtung der geschlossenen Verträge
und der geschichtlichen Berechtigungen, auf welchen unser vater-
ländisches Gemeinwesen beruht, handhaben und verwertheu werde.
Nicht die Macht, welche Gort rn Meine Hand gelegt, sondern die
vertragsmäßig zugesiandenen Rechte werden Mir stets zur Richt-
schnur der Politik dienen. In dieser Richtung, in fester Zuver-
sicht auf Gottes Beistand die Lösung der gemeinsamen Aufgaben
erstrebend, seye Ich der Wiedervereinigung des Zollparlamenis ent-
gegen, sobald neue Arbeiten dasselbe zu erneuter Thätigkeit beru-
fen werden."
Berlin, 22. Mai. Die „Kreuzzeitung" enthält heute unter
der Aufschrift: „Der französische Nationalstolz" gegen
Frankreich einen geharuischen Artikel, welcher Mit folgenden Wor-
ten schließt: „Mögen die Franzosen — zu ihrem Besten sei es
gesagt — an der Selbstbeschräukung und Selbstachtung, die wir
festhallen wollen, die freiwillige Beschränkung ihrer Prälsnsion ge-
winnen! Wir mischen uns nicht in ihre Angelegenheiten; unfern
Rath drängen wir ihnen nicht auf; wir drohen ihnen nicht. Aber
wir verbitten uns auch ganz uno gar ihre Einmischung; in ihrer
Clientel zu stehen gelüstet uns überall nicht; ihre Drohungen aber
— w r halten solch Wortgckräusel nicht für ein Zeichen von
Stärke und „ein App ll an die Furcht findet in Deutschen Herzen
niemals ein Echo." Man wird uns nicht finden, so lange die
Helden der Ilias leichtbeweglich ihre Vorgefechte uusströmen über
scheltlustige Lippert. Acer man wirb uns finden ganz und fest
und treu, wenn es doch Ernst würde und um die deutsche Ehre
und Freiheit auf dem überrheinischen Blachfelde müßte gerungen
werden. Dann aber werden wir in Thaten reden." Wenn die
„Kreuzzeitung" eine solche Sprache führt, geschieht es nicht ohne
besondere Ursache und wohl auch nicht ohne Vorwissen des Hrn.
v. Bismarck. Dies vorausgesetzt und damit die jüngsten geflügel-
ten Worte des letzteren von dem „Appell an die Furcht" in Ver-
bindung gebracht, so scheint der politische Himmel zwischen Paris
und Berlin doch nicht so klar zu sein, wie die Officiösen von der
Seine und von der Spree uns fortwährend versichern.
Zu diesen Kriegsbesorgnissen bringt der „Vertheidiger" folgende
mysteriöse Nachricht:
Man erzählt sich in Paris leise, wie eine Sage, von einem Manne,
der von Zeit zu Zeit des Nachts in die Tuilerien, in die Gemächer
des Kaisers geführt wird, wo er mit dem Monarchen ohne alle
Zeugen Stunden lang bleibt und der Rücksprache pflegt, um sich
dann auf dieselbe Weise, wie er gekommen war, zu entfernen. Die
 
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