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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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vorher gehört habe, wie Vissing mich Kerl geheißen. Gleich darauf
theilte mir ein anderer Herr von Vissing eine spätere ähnliche
Aeußerung mit. Beide Herren fuhren mit dem Zuge weiter. Diese
Aeußerungen sind also jedenfalls andere, als die, von welcher Dr.
Vissing sagt, daß er sie beim oder nach dem Abfahren des Zuges
gethan habe, wie die Zeugen auch genau von drei bezieh-
ungsweise vier derartigen Aeußerungen des Dr. Vis-
sing gegen mich sprechen.
Tauberbischofsheim, 22. Juli 1869.
Oberamtmann vr. Schmieder."
Wir haben diese „Berichtigung" dem von hier abwesenden
Hrn. Dr. Vissing sofort mitgetheilt, welcher uns brieflich 1) in Ab-
rede stellt, daß er in dem Gespräche mit zwei Herren, die als
Zeugen auftreten werden, den Ausdruck „Kerl", er habe im Gegen-
theil die für Herrn Schmieder sehr schmeichelhafte Bezeichnung:
der „Allgeliebte" gesprächsweise gebraucht; 2) positiv behauptet,
Herrn Amtmann Schmieder inmitten der Leute gesehen zu haben,
welche beim Abfahren des Zuges die höhnischen Rufe hören ließen,
eine Thatsache, welche durch Zeugen bewiesen werden kann, ja
sogar, daß Amtmann Schmieder mit den Andern lachenden Mun-
des den Hut aufhob und so an ihrer Verhöhnung Antheil nahm.
Erst als ein Bauer diesen Leuten ihr Benehmen verwies, entfernte
sich Dr. Schmieder eilends. Der Hauptscandaleur, ein in Hellem
Anzug gekieideter junger Mann, stand wie die Andern im Ge-
spräche mit dem Amtmann und der Zuruf Dr. Vissings hatte da-
her den Zweck, dem Amimann in's Gedächtniß zu rufen, mit wel-
cher Sorte von Leuten er Verkehr pflege. „Aber", schreibt Dr.
Vissing weiter, „ich hätte mich hierüber nicht wundern sollen, da
das unter der Protection des Amtmanns Schmieder erscheinende
Tauberblatt die Rohheit vor kurzem gegen mich so weit trieb, daß
es mich mit Schimpfwörtern wie „erbärmlicher Wicht" und dergl.
überhäufte, die es für den gestrengen Herrn sehr seltsam erscheinen
lassen, in sittliche Entrüstung über einen weit weniger ehrenkrän-
kenden Ausdruck zu gerathen, den er trotz gegentheiliger Versiche-
rung mit einer Hartnäckigkeit auf sich beziehen will, die mir ein
eigenthümliches Lächeln abnöthigt. Ich glaube, Herr Amtmann,
daß die gegen mich angeführte Schmähung der beleidigendsten und
gemeinsten Art, wie sie Ihr Amtsblättchen gebraucht hat, Alles
überbietet, was jemals an Rohheit in der Presse gegen mißliebige
Gegner dagewesen ist, so daß es wohl am Platze gewesen wäre,
wenn Sie Ihre sittliche Entrüstung bei jener Gelegenheit an den
Mann gebracht hätten. Oder halten Sie es vielleicht nicht für die
schwerste Beleidigung der großen Mehrheit der Staatsbürger Ihrer
Gegend, wenn der von diesen gewählte Vertreter im Zollparla-
mente mit einem Ausdrucke belegt wird, der das Empörendste einem
Manne in's Gesicht schleudert, was man ihm überhaupt nur bieten
kann?! Glauben Sie, daß durch solche alles Maß übersteigende
Beleidigungen der Wähler wie des Gewählten die Leidenschaften
in dem Ihnen anvertrauten Bezirke nicht auf's Tiefste aufgewühlt
werden und daß dem Ansehen der Regierung durch eine derartige
Haltung eines ihrer amtlichen Organe die schwerste Schädigung
zugefügt werden muß?! Bei der gänzlichen Abhängigkeit jenes
Blattes von Ihren Wünschen wäre es ein Leichtes gewesen, der-
gleichen infame Beleidigungen zu verhüten, wie sie gegen mich und
selbst hochbejahrte würdige Geistliche gerichtet wurden.
vr. Ferd. Bisfing.
-f- Tauberbischofsheim, 24. Juli. Der Artikel bezüglich
des Verfalls am hiesigen Bahnhof ist noch folgender Weise zu er-
gänzen, bezw. zu berichtigen:
Die beiden Herren Registrator Herkert und Revident Werr
haben bei der Verhöhnungsovation nicht mitgebrüllt sondern haben
sich nur pflichtschuldiger Weise durch Anwesenheit ausgezeichnet.
Es haben übrigens statt dieser ein junger Lehrer und ein sich der-
zeit hier aufhaltender Techniker durch Schreien und Hüteschwenken
sich auszeichnet. Ferner ist Bürger August Häfner von hier Zeuge
des folgenden Auftritts: Als Dr. Vissing an dem Haufen einiger
gebildeter Herren vorbeifuhr, trat graziösen Schrittes ein junger
Mann von hier aus dem Haufen vor gegen Dr. Bifsing zu, lüpfte
vor ihm in höhnender Weise den Hut und ergoß gegen ihn spötteln-
des Gerede. Darauf hin, auf solches Benehmen, schleuderte Dr.
Vissing dem jungen Manne das Wort „unverschämter Kerl" ent-
gegen und ich hätte ihm dasselbe Wort entgegen geschleudert.
Daß Dr. Vissing gegen Hrn. Dr. Schmieder das Wort „Kerl"
gebraucht, ist eine schamlose Lüge und Herr Dr. Schmieder hätte
besser daran gethan, sich auch von anderer Seite belehren zu lassen.
So viel zur Steuer der Wahrheit.
(Der Verfasser tritt nötigenfalls mit seinem Namen ein.)
L Tauberbifchofsheim. In unserer Stadt wird gegen-
wärtig von Seiten der Naüonalliberalen Alles aufgeboten, um
ihr einen nationalmiserablen Anstrich zu geben. Man hält Be-
sprechungen, gründet Nationalverein und jetzt hat man sogar ge-
rufen: Samuel erscheine! Wir können deßhalb nicht umhin, auch
unser Scherflem beizutragen u. empfehlen folgende Einladung zur
nächsten Monsterversammlung dem derzeit sich hier aufhaltenden
jungen Manne, sonst auch Chefredakteur genannt:
Nun Ihr Bürger von Tauberbischofsheim! Als herein! Zeit

und Gelegenheit, meine Herrschaften, Euch zu lieb hat man den
Preis so minder gestellt, blos 30 kr. die Person, eine wahre Baga-
telle für Alles, was Ihr bekommt und was wir wollen. Ihr
bekommt zu sehen und zu hören unsere großen Staatsmännerund
Gelehrte; Ihr werdet bewundern unsern Lamey und Bluntschli;
Ihr werdet in Gnaden vernehmen dürfen, was Excellenz Jolly
von Euch verlangt, es wird Euch auch gesagt werden, was für
einen Abgeordneten Ihr wählen müßt, „damit die Regierung in
ihrem Thun und Treiben nicht gehemmt, sondern unterstützt werde
und damit Ihr keine Null in die Kammer schicket"; Ihr könnt
nicht einsehen, wie schön unser jetziges Wahlsystem ist, Ihr nennt
es veraltet und glaubt, Bismarck habe Recht, wenn er es eine
Fälschung des Volkswillen nennt? Nur herein! hier macht man
es Euch klar, daß gerade das Gegentheil der Fall ist. Ihr
seid noch so unerfahren zu meinen, unsere Militärlast und unsere
Steuern seien zu hoch? Gott wie dumm Ihr seid! Geht schnell
herein! Als herein meine Herrschaften! Die Herren hier drinnen
werden Euch schon sagen, daß dem Allem nicht so ist, daß im
Gegentheil Preußen noch weit mehr Soldaten und noch viel, viel,
viel Geld braucht, deßhalb haben auch wir den Preis so nieder
gestellt! Diese Herren meinten zwar vor einem halben Jahre gerade
so wie Ihr und haben dafür große, gewaltige Reden gehalten und
selbst Schriften geschrieben; allein seitdem sie statt 10 Schoppen
Bier 9 trinken und noch einen feinen Wein daraufsetzen, haben
sie eingesehen, wie irrig sie meinten und handelten. Als herein!
Ihr seid des Glaubens, wahre Katholiken zu sein? Ihr betet noch
zu unserm Herrgott? Ihr geht in die Kirche und glaubt sogar den
Pfaffen?
Ach wie finster! Gott wie schwarz! Hier wird Euch der große
Bluntschli sagen: Ihr seid Alle auf dem Holzwege, die Pfaffen be-
trügen Euch, ich habe das wahre Christenthum schon längst ent-
deckt und mein Freund Schenkel auch, leset nur, was er darüber
geschrieben und ich schon geschwätzt habe. Es war die höchste Zeit,
daß ich in den Taubergrund kam. Gott! Alle Berge sind licht
und kahl ringsum und die Leute so finster!" Nur herein! Ihr
klagt über schlechten Verdienst? Der große Lamey wird Euch sagen,
wie gut man sich stellt beim Gimpelfang und 4000 fl. Pension.
Nun meine Herrschaften! Warum wollt Ihr nicht eintreten?
Seht Ihr denn nicht, wie unser Amtmann gnädig lächelt und mit
den Rockflügeln winkt ? Seht Ihr nicht wie freundliche Grimassen
der Bürgermeister dahinter schneidet und wie er Euch mit seinen
Augen durchbohren wird, wenn Ihr nicht hereineilt? Gar nicht
zu gedenken der Freundschaft des Papierhändlers Lang und des
lieblich duftenden Prof. Winzer! Ach stehen die dummen Leute
da und bedenken sich! Soeben, meine Herren, beginnt der erste
Aufzug! Zaudert nicht länger! Es geschieht ja Alles Euch zu
lieb und thut man Alles Euch zum Besten! Zum Teufel! wie
ungeschickt ist der Platz da gewählt! Muß auch das theuere Rath-
haus dastehen und davor das alte Cruzifix; gucken die Leute doch
immer dahin, wenn Bluntschli was sagt! Immer lustig meine
Herrschaften! Nur 30 kr.!
/X Von der Tauber, 22. Juli. In der Gegend treibt sich
gegenwärtig ein Schwindler herum, der sich Klee nennt und für
einen Verwandten des berühmten Professor Klee ausgibt; er zeigt
auch einen Taufschein von Aschaffenburg vor, der auf diesen
Namen lautet. Zur Warnung für einen Jeden sei cs hiermit ge-
sagt, daß derselbe vor einigen Jahren beim Amtsgericht Philipps-
burg wegen Betrug u. dgl. in Untersuchung stand.
K. Aus dem Markgräflerland. Wie man hier oben im
Land es gegenwärtig treibt, geht aus folgenden zwei Actenstücken
hervor, die ich zur Kenntniß des Publikums und zur Erbauung
der „liberalen" Partei, die ja nur mit den Waffen der Wahr-
heit kämpft, hier veröffentliche.
I. Der in Lörrach erscheinende „Dbrrländer Bote" schreibt:
Oeffentliche Bitte und vorläufiger Nachruf.
Liel, 12. Juli. Herrn Pfarrverweser Winterer ersuchen
mehrere seiner Pfarrkinder, die Mahnung des Gemeinderaths von
Kirchhofen an Herrn Pfarrer R. zu lesen und Wort für Wort
auch auf sich zu beziehen. Sollte diese Bitte kein geneigtes Ge-
hör finden, und die Kanzel auch fernerhin zu Allotria's gebraucht
werden, dann wünschen wir Ihnen eine recht aufmerksame Zu-
hörerschaft in einer andern Gegend und sagen Ihnen zum Voraus
schon ein „herzliches Lebewohl."
II. Der Gemeinderath von Liet erklärt:
„Oeffentliche Abwehr."
Auf Grund der öffentlichen Bitte und des vorläufigen Nach-
rufs im Oberländer Boten, Nr. 165 vom 17. Juli, angeblich von
mehreren Pfarrkindern, hat sich die hiesige Bürgerschaft unter Vor-
sitz des Bürgermeisters versammelt und erklärt:
Die Auslassungen gegen unsern Pfarrverweser Winterer,
„er gebrauche die Kanzel zu Allotria's", sind eine
infame Lüge, dahin berechnet, Haß und Zwietracht zu stiften und
den geistlichen Stand herabzusetzen, wie es das Handwerk ehrloser
Buben ist. Im Gegentheil erklären wir, daß die Predigten unseres
Seelsorgers stets von Politik und Allem sret gewesen sind, was
 
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