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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 75-88 (1. Juli - 31. Juli)
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3SS

nicht in die Kirche gehört, und daß seinen Kanzelvorträgen insbe-
sondere Würde und christl. Ernst stets in Jnhaltsform eigen war.
Liel, den 18. Juli 1869.
Der Gemeinderath.
Würde man es wagen, irgend einen Amtsrichter in ähnlicher
Weise zu verläumden, z. B. er mißbrauche seine Amtsstube zu
Allotria's, dann wäre ein liberales Geheul vom See bis nach
Mannheim; so gilt es aber einem von Jenen, die man meist straf-
los durchhecheln darf, deßwegen jedesmal Jubel und Ruhm den
hohen Prinzipien, die von der Freimaurerprefse hochgehalten werden.
— Aus dem Schüpfergrunde, 19. Juli. Vor dem Orte
Lengenrieden steht, durch fromme Katholiken neu errichtet, ein
Crucifix mit den beiden biblischen Figuren des Johannes und der
Maria, lebensgroß in Stein gehauen. Dem Muttergottesbilde
wurde nun vor einigen Tagen mittelst eines gewaltigen Steines,
der noch zu Füßen des Bildes lag, der Kopf abgeworfen und auf
einem ziemlich weit entfernten Gerstenacker verborgen, wo er kürz-
lich beschädigt aufgefunden wurde. Es existiren also in
unferer Gegend wirklich Menschen, deren feige Rohheit so weit
geht, daß sie wilden Barbaren gleich zerstören, was Jedermann
ein Antrieb zu besseren Gefühlen sein sollte und Gottlob noch ist.
Es sind das ganz genau die Thaten, die zu den Reden gewisser
gebildeter liberaler Herren passen, es sind die in's practische über-
setzten Theorien gewisser Fortschrittshelden, deren Spöttereien auf
kirchlich gesinnte Christen längst schon den Unwillen des Volkes
erregt haben. Wir sind begierig, ob sich abermals eine Feder
findet, die in der „Tauber" eine Entschuldigung für diesen Schurken-
streich niederlegt, wie das bei dem Umstürze eines Heiligenbildes
auf der Brücke in Kupprichhausen früher schon geschehen ist.
§ Aus dem Hinterlande, 20. Juli. Die Bruchsaler Con-
serenz in Sachen von angeblich mehreren Geistlichen gegen Lindau
hat nicht verfehlt, großes Aufsehen zu machen. Eine eingehende
und billige Beurtheilung hat das aus derselben hervorgegangene
und vom Pfälzer Boten mitgetheilte Actenstück in der „Warte"
gefunden. Nicht nur, daß dieses Blatt, was wir hiemit mit Freu-
den constatiren, die triviale Besprechung dieses würdigen und keines-
wegs mit gemeinem Hohne abzufertigenden Schriftstückes von Seiten
der Karlsruher Zeitung in feiner Weise geißelt, es hat auch ein
ehrenwerther Correspondent aus unserer Gegend die Aufforderung
jener Priester in formeller und materieller Hinsicht einer Kritik
unterworfen, die in unserm Lager alle Beachtung verdient. Der-
selbe geht von der durch das Bruchsaler Actenstück allerdings ge-
rechtfertigten Ansicht aus, daß jene „mehrere Priester" wirklich
existiren und nimmt sogar an, daß sie es gut mit ihrer Kirche
meinen, vollständig in Cultus und Dogma mit ihr übereinstimmen
und nur den Wunsch hätten, deren Verfassung zu verbessern. „Aber
— so fragt der protestantische Beurtheiler — halten diese Männer
denn wirklich dazu die Landeszeitung für den geeigneten Weg,
um zu diesem Ziele zu gelangen? Wenn einzelne protestantische
Geistliche dieses Blatt bedienen, so ist eben einmal dagegen nichts
zu machen; daß aber die prot. Kirche jemals einen Vortheil aus
dieser Allianz zu ziehen gehabt hätte, ist uns bis jetzt noch nicht
zu Ohren gekommen; sollte die katholische Kirche hierin glücklicher
sein?"
Auf den materiellen Inhalt der landeszeitungspriesterlichen
Desiderien übergehend, tadelt der geistreiche Correspondent ganz
entschieden die bezweckte „Entkoppelung des Laienelements", sonne
denn auch die evang. Kirche erwiesenermaßen noch niemals so kraft-
los und so gänzlich einflußlos auf das öffentliche Leben dastand,
wie seit den letzten 9 Jahren, in den sie mit dem Ideale des
Laienelementes beglückt ist." Das sind gewichtige beherzigenswerthe
Worte, um so gewichtiger, als die seit der neuen Kirchenverfaffung
in der badischen Landeskirche gemachten Erfahrungen wirklich er-
wiesener- und zugestandenermaßen ganz klägliche Resultate auf
weisen. Eine Generalsynode, in denen nicht mehr die Vertreter
des Christenthums, sondern der Loge präsidiren, ein „Ausschuß",
der auf Grund des Karlsruher Priesterexamens dem Bischof bei
Besetzung der Pfarreien helfend zur Seite stände, und nun gar
die Pfarrwahlen, über welche bei der evang. Kirchen- und Volks-
zeitung Woche für Woche „allzudrastische" Mittheilungen einlaufen
und über die nur eine Stimme herrscht, alles dies müßte sich
prachtvoll ausnehmen in der kathol. Kirche! Mit einer wahrhaft
bitteren Satyre fährt der Verfasser fort: „Wenn alle diese Experi-
mente in der evangelischen Kirche Badens ausgeführt wurden,
ohne daß dieselbe darüber zu Grunde ging, so scheint uns das
noch lange kein hinreichender Beweis, daß sie ebenso gefahrlos
auch anderswo versucht werden könnten. Die evang. Kirche ist
eben hierin in ganz anderer Lage, hat es nach Gelzer (1868, S.
336) in Deutschland auch nicht zu einiger Selbstständigkeit gebracht,
ist nur ein von der Staats - oder Fürstengewalt verschlungenes
Institut geworden, war und blieb aufgelöst im Staate — hatte
also nicht allzuviel zu verlieren." Wir stehen nicht an, zuzuge-
stehen, daß, wenn je die Wünsche der in dem Landeszeitungsstrome
treibenden „Priester" sich erfüllen könnten, dies den Riesenkörper
der katholischen Kirche in furchtbare Zuckungen, vielleicht des
Todes versetzen müßte, da ihr keine Staatsgewalt als Rückkehr

dient, an welche sich stützend sie „im Staate aufgelöst" ein Schein-
leben fristen könnte, und es dürfte aus diesem Grunde leicht ein-
leuchten, warum die Landeszeitung, dieses extremste Organ der
kirchenfeindlichen Partei, „mehreren Priestern" ihre Stirne lieh,
damit diese darauf schrieben, was sie auf die eigene Stirne zu
schreiben für jetzt noch sich schämen mochten. Aus den Erklärun-
gen der Landcapitel geht übrigens hervor, daß der kathol. Clerus
Badens jene, auf gänzlicher Verkennung des sog. Laienprinzips
und jedenfalls ohne Einsicht in die Endziele derselben ausgesproche-
nen Erklärungen angeblich mehrerer Priester einmüthig und ohne
von irgend einer Seite hiezu veranlaßt zu sein, verurtheilt, —
ein Beweis, daß die Landeszeitungspartei zu frühe triumphirt.
Denn um die katholische Kirche aus den Angeln zu heben, dazu
reichen einige Pfötchen voll Pulver, die da oder dort künstlich ent-
zündet werden, nicht hin, dazu gehört eine Explosion, bei deren
Krachen noch ganz andere Dinge in Trümmer gingen. Zufälliger-
weise aber findet der aufmerksame Beobachter den Zündstoff und
zwar in ganzen Tonnen wo ganz anders, als an den Grund-
mauern der Kirche, welche, so hoffen wir, wenn die Detonation
erfolgt, Vielen zum Asyle dienen wird, denen dann vor Angst
Hören und Sehen vergeht.
:: Külsheim, 23. Juli. Gestern wurden hier als Wahl-
männer für die Abgeordnetenwahl gewählt:
1) Dekan Zimmermann,
2) Adlerwirth Peter Grimm,
3) Landwirth Friedrich Grimm,
4) Landwirth Joseph Düll, sämmtlich der kathol.
Volkspartei angehörenü.
Malsch, A. Ettlingen, 23. Juli. Bei der heute dahier statt-
gehabten Wahlmänner-Wahl sind trotz erhöhter Agitation von Seite
der sogenannten Nationalliberalen ausschließlich die 7 Candidaten
der kath. Volkspariei gewählt worden. (Bad. Beob.)
Ettlingen, 24. Juli. Vollständiger Wahlsieg der vereinigten
Volkspartei. (Bad. Beob.)
X Bruchsal, 21. Juli. Auf unfern Artikel „Nochmals die
Bruchsaler Versammlung" in Nr. 82 dieses Blattes, wo wir der
Kraichgauer Zeitung vorwerfen, daß durch ihre confeffionelle Ge-
reiztheit gegenüber den Katholiken der confesswnelle Friede „zer-
zupft" werde, ist eine Antwort erfolgt uno zwar gerade so, wie man
es voraussehen konnte. Es stellt sich nämlich die Kraichgauer
Zeitung selbst das vortrefflichste Zeugniß aus, daß sie namentlich
den katholischen Confeffionen gegenüber „alle nur erdenkbare Ach-
tung habe," und daß sie es für den „größten Frevel" halten würde,
auch nur ein Wort zu sprechen, auch nur eine Zeile zu schreiben,
auch nur eine Miene zu machen, welche geeignet wären, den Frie-
den zu stören." Nach dieser Selbstberäucherung folgt dann das
abgedroschene liberale Phrasenwerk, baß ihr Kampf nur der Jesui-
tenpariei in der kathol. Confeffion gelte und im Handumdrehen
wirb dargethan, daß jene die eigentliche Ruhestörerin auf allen
Lebensgebieten sei. Schließlich folgt noch die Versicherung, daß
die Haltung der Kraichgauer Zeitung durch die öffentliche Meinung
glänzend gerechtfertigt sei und wer all' das nicht einsehe, sei ent-
weder dumm oder boshaft.
Wir wollen hierauf uns kurz fassen. Die sogenannte liberale
Presse bekämpft in der gröblichsten Weise den Katholizismus unter
dem Titel Jesuitenpartei. Es ist dies gar nichts Neues. Schon
die sogenannten Philosophen des vorigen Jahrhunderts in Frank-
reich haben es so getrieben und, den Sturz der kathol. Kirche auf
diese Weise vorbereitet. Die heutige Tollwuth gegen den Katho-
licismus schlägt den nämlichen Weg ein, wobei die Amtsverkündi-
ger mit ihren angehängten Tageblättern die getreuesten Handlan-
gerdienste leisten, daß hiebei der confessionelle Friede „zerzupft"
wird, ist um so gewisser, als es hauptsächlich protestantische Ideen
sind, die in fortlaufenden Nummern, wie die Kraichgauer Zeitung
zeigt, ihr Jefuitengeheul anstimmen mit einer Unverschämtheit und
Heuchelei, die grenzenlos ist. Und hiebei muthet man den Katho-
liken, die mit ihrer Kirche noch nicht -Zerfallen sind, zu, alle diese
Grimassen als Zeichen des confessionellen Wohlwollens hinzuneh-
men! Das ist doch eine zu starke Dosis oer Keckheit, diejenigen,
welche ohne Unterlaß eine Fluth aller erdenkbaren Schmähungen
gegen Katholiken loslassen, als von aller erdenkbaren Achtung gegen
die kathol. Confeffion erfüllt ansehen zu sollen! Auf alle diese
glatten und wohlfeilen Versicherungen der Achtung geben wir rein
nichts, weil die Thatfachen das Gegentheil darthun. Nur ein
außerordentlich hoher Grad der Bornirtheit könnte hinreichen, das
maßlos wüste Treiben der im Sold des gemeinen Liberalismus
fuhrwerkenden Preßorgane als confessionelles Friedenspulver hin-
zunehmen.
Il>. Vom See. In Markdorf wurde endlich nach 3 Wochen
der dortige Gemeinderath von einer nothgedrungenen Erklärung
glücklich entbunden und bestätigt diese Erklärung gerade am besten,
wie schwer das Gemeinde-Collegium dem Herrn Stadtpfarrer Wie-
ser unrecht gethan. Der Seebote und die Constanzer Zeitung
müssen viel beschäftigt gewesen sein, daß die vom 4. Juli datirte
Erklärung des Gemeinderaths in Markdorf erst 12 Tage später
erschien. Das armselige Kindlein bedurfte wahrscheinlich vorher
 
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