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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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— 47S

* Heidelberg, 10. Okt. Ist es nicht lustig, wie die Amts'
Verkündigungsblätter die große moralische Schlappe, die die Regie-
rungsbank in der Adreßdebatte erlitten hat, dadurch verdecken wol-
len, daß sie mit der größten Unverschämtheit die Dinge zu ver-
drehen suchen und sich sogar als Beweis auf das Bravorufen der
Galerien für einzelne ihrer Redner stützen? Was letzteren Punkt
betrifft, io verhielt sich die Sache in der Weise, daß beide Par-
teien sehr zahlreich auf der Galerie vertreten waren und daß den
Rednern der ministeriellen Richtung von den Ministeriellen auf
der Galerie (alle Büreauschreiber waren droben!) Bravo gespendet
wurde und den Rednern der katholischen Volkspartei ebenso lebhaft
und „donnernd" von ihren Anhängern. Was sonst die Redner
der Kammermehrheit betrifft, so hätte die ministerielle Presse füg-
lich allen Grund äußerst bescheiden zu sein; denn außer
Jolly, Kiefer, Eckhard, Lamey (wenn man das Gepolter überhaupt
noch eine Rede nennen kann) und allenfalls Kusel wüßten wir
Niemand auf gegnerischer Seite, dem man nachsagen könnte, er
wäre im Stande, eine einigermaßen erträgliche Rede zu halten,
(v. Feder, ein tüchtiger Redner, gehört bekanntlich nicht zu diesen
Herren, er ist Demokrat.) Oder sollte vielleicht die Landeszeitung
jammt Schweif der Ansicht sein, der Abg. Sch metzer habe eine
„Rede" geredet, wenn er sagt: „Ich begrüße mit Freuden die
Weinsteuervorlage, weil sie den Ultramontanen eine Waffe aus
der Hand nimmt"? oder wenn der Abg. Conrad noch lakonischer
sagt: „Ich unterstütze die Wünsche des Vorredners"? Dagegen
hat die Franks. Zeitung anerkannt, daß die Redner der katholischen
Volkspartei sich als tüchtig und schlagfertig erwiesen haben, wie
schon daraus hervorgeht, daß es ihnen gelang, die Minister Jolly
und v. Freydorf in einen kostbar anzuschauenden Wuthparoxismus
zu treiben.
/X Aus dem Bezirk Neckargemünd. Wenn ich bis äato
die persönliche Existenz des Teufels geläugnet hätte, der Glaube
daran müßte von heute an einen fruchtbaren Boden in mir gewon-
nen haben, nachdem ich im Freiburger Kirchenblatt einen kurzen
Artikel gelesen, datirt aus der Schweiz mit der Aufschrift: „Ur-
sprung der neuesten Klostergeschichten und Verläumdungen des kath.
Clerus." Das Freimaurerthum hat sich nämlich nach dem Wort-
laut dieses Artikels aufs Neue in ein helleres Licht gestellt, und
zwar durch ein Mitglied, das vor der Ruchlosigkeit der Mittel zu-
rückschreckte, die man sich nicht scheute, offen in einer Freimaurer-
versammlung zu Genf anzupreisen, um der Kirche den Garaus zu
machen. Wohl ließen sich schon längst die Absichten dieses Geheim-
bundes aus seinen Schriften und seinem Treiben entziffern, aber
so ungenirt und plump, wie hier aus dem Munde eines Freimau-
rers, sind sie noch nicht zu Tage getreten. Wird der Teufel in
der Schrift als „Lügner und Menschenmörder" gekennzeichnet, so
müssen manche Logenmänner seine personificirten Gesellen sein;
denn ihre Waffe ist die Lüge, mit der sie die Vorkämpfer der
Wahrheit geistig zu morden suchen. Wahrlich, Lucifer selbst hätte
nicht stärker auftragen können, als der Freimaurerredner in Genf
es gethan halt, indem er „die Lüge und Verläumdung"
als das probateste Mittel hinstellte, um den Katholicismus Zu be-
kämpfen; und was Anderes, als ein radicaler geistiger Mord ist
es, wenn die Versammlung von diesem Redner offen aufgefordert
wird, „scandalöse Anekdoten über Geistliche zu erdich
Len und zu verbreiten, vertraute Leute als Geist-
liche zu v erk leid en und d iesel b en in öffentliche Schand-
häuser zu senden, junge Freidenker, d. h. junge Frei-
maurer, als Novizen in die Klöster zu senden, um da-
selbst Zwietracht zu stiften rc."
Daraus erklärt sich denn in der That die wie auf Commando
in der kirchenfeindlichen Presse erfolgte Hetze gegen Klöster und
Geistliche; daraus erklären sich jene romanhaft ausstaffirten Artikel,
in welchen Scandalgeschichten von Geistlichen und Klosterleuten
breitgeschlagen werden, die man selbst im Falle der Wahrheit des
öffentlichen Anstandes und der öffentlichen Sittlichkeit wegen ver-
schweigen sollte. So kann man fast keine Nummer dieser Preß-
organe zur Hand nehmen, ohne auf derartige Hetzproducte der
gemeinsten Art zu stoßen. Und nimmt sich die Redaktion des
Freiburger Kirchenblattes die Mühe, den berichteten Scandalen
auf die Spur zu kommen, so stellen sie sich unter hundert Fällen
regelmäßig neun und neunzig Mal als Lügen und Verläumdungen
heraus. Ist das nicht ein Gehahren, wie cs nur der Hölle ent-
stammen kann, ein frivoles Spiel mit den heiligsten Interessen
der Menschheit, die zum großen Theil auch noch geneigt ist, alles
Gedruckte für baare Münze hinzunehmen?! Wer solchen Tharsachen
gegenüber das Freimaurerthum noch für ein unschuldiges und,
weil mit dem Deckmantel der Wohlthätigkeit verhüllt, selbst nütz-
liches Institut hält, der ist mit geistiger Blindheit geschlagen, die
nicht mehr zu heilen ist. Jedem, in dem nur noch ein Funke von
Sittlichkeitsgesühl glimmt, muß in gerechtem Zorne das Blut in
den Kopf steigen, wenn er das elende Treiben der im Dienste des
Maurerthums stehenden Presse beobachtet; ein Jeder, namentlich
jeder Katholik, sollte sich aber auch mit Verachtung von einer Zen
tungspresse wegwenden, besonders sie nicht noch mit seinem Gelbe
unterstützen, Vie einem solchen Treiben Handlangerdienste leistet

„Wer Pech angreift, besudelt sich." Wir haben leider lange ge-
schlafen und diese Presse gewähren lassen, sonst hätte es nie so
weit kommen können; jetzt ist es Zeit aufzuwachen und ihr mit
allen sittlich erlaubten Mitteln entgegenzutreten! Möchten hieran
besonders mit Entschiedenheit alle Diejenigen arbeiten, denen ver-
möge ihres Wirkungskreises Gelegenheit geboten ist, Männer, die
einen wirksamen Einfluß auf ausgedehntere Kreise haben. Nur
durch vereintes Zusammenwirken wird dem herrschenden Treiben
des Freimaurerthums die Spitze abgebrochen werden.
§ Aus dem Bauland, 9. Okt. Auf Morgen hat der Ab-
geordnete des Wahlbezirks Buchen - Adelshem, Handelsminister v.
Dusch, eine Besprechung mit den Wahlmännern dieses Districtes
nach Osterburken anberaumt, an welches sich ein Mittagessen in
der „Kanne" daselbst anreihen soll. Die Einladung hiezu erging,
wenigstens zum Theil durch dasBezirksamt Adelsheim, und zwar porto-
'rei als Staatsdienstsache. Wir hätten nichts dagegen zu erinnern,
wenn den Abgeordneten für die Dauer ihrer Amtsthätigkeit Porto-
'reithum gewährt würde, nach unserem Dafürhalten müßte dies
aber für den einen, wie für den andern gelten. Unter Berufung
auf diesen ganz gewiß unbestrittenen Satz stellen wir nun aber die
Frage: Würde, falls z. B. der Abgeordnete Lindau eine Wahlbe-
chrechung hallen wollte, das betr. Bezirksamt die Einladungsschrei-
ben besorgen und als Staatsdienstsache an die Wähler übersenden?
Bejahenden Falls wären wir zufrieden; andernfalls aber wäre
klärlich erwiesen, daß die Abgeordneten der Regierungspartei Vor-
rechte genießen, welche den minder genehmen Volksvertretern vor-
enthalten würden u. s. w. Wir kommen auf diesen Vorfall aber
auch noch aus einem andern Grunde zu sprechen. Dasselbe Bezirks-
amt, welches sich gegen Herrn v. Dusch von der Ministerbank so
freundlich entgegenkommend erwiesen hat, dasselbe hat es für gut
befunden, einen geistlichen Wahlmann, der vor der Neuwahl er-
fahren wollte, welches seine Wahlmännercollegen feien, Oie Einsicht
in die betr. Liste zu versagen, wie wir glauben, unter dem Vor-
wande, der schwarze Wahlmann könnte, falls er seine Collegen
kennen lernte, dieselben bearbeiten d. h. der Regierungspartei ab-
wendig machen. Gewiß ein hübsches Gegenstück zu der vorhin er-
wähnten Höflichkeit! Vielleicht kommt ein erfinderischer Kopf noch
darauf, daß die Wahlmänner, wenn sie mit Ach und Krach von
der bekannten Wahlmaschine durchgcsetzt sind, bis nach glücklich
vollzogener Wahl abgesperrt werden. Der Vorschlag wäre nicht
übel und werth, daß man ein Patent darauf nähme.
n- Von der Bergstraße. In Heppenheim und Laudenbach
hat die Weinlese am 6. und 7. October stattgefunden. Die Quan-
tität ist kaum die Hälfte wie im vorigen Jahre, die Qualität viel
besser, der Rieslingmost wiegt 80—86 Grad; der Preis für die
Stütze Träbermost 2 fl. bis 2 fl. 24 kr. In Hemsbach und
Weinheim wird die Lese in der Woche vom 11.—18. October statt-
finden. In Lützelsachsen wurde der Rothwein am 4. und 5. ds.
Mts, eingethan, die Stütze Träbermost für 5 fl., der weiße um
2 fl. 30 kr. verkauft, Güte vorzüglich, Quantität äußerst gering.
-ß Amtsbezirk Wiesloch, 7. Okt. Es verdient doch ein-
mal veröffentlicht zu werden, daß man im Postbezirk Wiesloch den
„Pfälzer Boten" nicht selten um einen Tag zu spät erhält. So
ist auch die heutige Nummer wieder nicht zugestellt worden; deß-
gleichen haben wir auch kein „Kirchenblatt" und kein „Gesetz- und
Verordnungsblatt" heute erhalten, während im Postbezirk Langen-
brücken, der doch an derselben Bahnlinie liegt, die genannten Blät-
ter heute ausgetragen wurden. Wer ist denn im Postbezirk Wies-
loch die Ursache dieses Mißstandes? Ist vielleicht der „Pfälzer
Bote" bei den Betreffenden so beliebt, daß sie sich von demselben
nicht gerne so schnell trennen, oder ist derselbe am Ende auch,
wie Mancher seiner Abonnenten, „xorsona InZi-ata?" Wir wollen
durch diese Zeilen Jene, welche die Ursache dieser Verzögerung sind,
aufmerksam machen, daß wir nicht Willens sind, uns noch länger auf
solche Weise Hinhalten zu lassen, sondern im Wiederholungsfälle bei
der zuständigen Behörde hierüber Beschwerde erheben werden.
— Bruchsal, 6. Okt- Wie an vielen anderen Orten unseres
Musterstaales, so feierten auch hier am 4. d. M. einige „Franzen"
ihren Namenstag. So traf es sich, daß auch einige Stadträthe so hei-
ßen und diese nun kamen in einer ganz löblichen Absicht am Abend
ihres Festtages in einem Weinlokal zusammen, um noch einige
heitere Stunden zu verleben. Zu diesen „Franzen" aber gesellten
sich auch noch die anderen Herren Collegen und Alle waren mun-
ter und fidel. Um die 11. Stunde aber kam es zwischen den beiden
Hrn. Rächen H. und G. wirklich zu den „Extremitäten", wie sich
letzterer dann und wann auszudrücken beliebt. Beide warfen sich
u. A. gegenseitige F a r b lo si g k e r t vor und ereiferten fich derart
in der Dlscussion, daß sie sich — es ist entsetzlich zu sagen — an
der Cravatte faßten, und es soll der Eine den Anderen aufge-
fordert haben, draußen auf der großen Brücke den Kampf zu ent-
scheiden, worauf wegen der schlechten Beleuchtung und den Gewäs-
sern der Saalbach, sowie wegen der Nähe des Generalstabes nicht
eingegangeu wurde.
Wir bedauern, daß durch diese beiden Väter der Stadt
den anderen Herrn Collegen der Rest ihres Namenstages so ver-
 
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