Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0511

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint wöchentlich dreimal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

für Stadt



und Land.

Preis vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlaz.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzsile.


Samstag den 30. October

1869.

Aus Freiburg ging dem „Bud. Beobachter" folgendes Ak-
tenstück zur Veröffentlichung zu:
Erzbischöfliches Kapitels-Vikariat.
Freiburg, 26. August 1869.
Nr. 7424. Die Rechtsverhältnisse und die
Verwaltung der Stiftungen betr.
Beschluß.
Großh. Ministerium des Innern beehren wir uns auf den
verehrlichen Erlaß vom 24. d. M. Nr. 10,404 ergebenst zu er-
wiedern:
Die von dortseits stets erneuerten Zusicherungen berechtigten
uns zur Erwartung, daß der Kirchen - und Schulconflict durch
loyalen Vollzug der Vereinbarung von 1861 und durch Erfüllung
der von dortseits in Aussicht gestellten kirchlichen Mitwirkung bei
der Leitung der Schule endlich friedlich beigelegt werden. Zu
unserem tiefsten Schmerze sind die dahin abzielenden diesseitigen
Vorschläge von dortseits zurückgewiesen worden.
Zu „etwaigen Bemerkungen" gegen den dem dortigen Erlasse
beigelegten Gesetzentwurf in obigem Betreff wurde uns nur eine
Frist von etwa 10 Tagen gestattet. Wir können deßhalb hierauf
nicht so einläßlich und gründlich, als wir es gewünscht, erwiedern,
und müssen uns auf die nachstehende Erklärung beschränken. Die
Katholiken sind bei dem Antritte der kathol. Landestheile nicht
rechtlos, sondern mit ihrem durch das positive Recht und durch feier-
liche, völkerrechtliche Verträge garantirten kirchlichen Rechts- und
Besitzstand an das großh. Haus Baden gekommen.
Kraft göttlichen und positiven Rechts ist die kathol. Kirche im
Großherzogthum Baden berechtigt, ihr ganzes Lebensgebiet frei und
selbstständig nach ihren Grundsätzen zu ordnen. Sie ist gemäß den
Bestimmungen der bestehenden internationalen Rechts-, wie der
badischen Grundgesetze ein selbstständiges Gemeinwesen. Deßhalb
und kraft Z 1 und tz 7 des Gesetzes vom 9. Okt. 1860 ist die
kath. Kirche berechtigt, selbstständig, wie jede andere Corporation
oder Privatperson, Vermögen zur Verwirklichung ihrer Zwecke zu
erwerben, dasselbe zu besitzen und die Rechte des Eigenthümers,
d. h. die Verwaltung, Rechtsvertretung und stiftungsgemäße Ver-
wendung desselben frei auszuüben. Zu den Zwecken der Kirche
gehört kraft göttlichen und positiven Rechts die Erziehung der
Jugend, die Sorge für die Armen, Kranken und hiflosen Personen.
Deßhalb und gemäß des bestehenden, durch die badische Grundge-
setzgebung garantirten Recht gehören die katholischen Schul-,
Armen-, Spital- und Waisensiiftungen zum kathol. Kirchenvermögen,

wenn sie nicht kraft besondern Rechtstitels als nichtkirchliche Fonds
erklärt sind.
Weil die Kirche als Rechtssubject anerkannt, die Freiheit
ihres Eigenthums also garantirt ist, darf die staatliche Gesetzgebung
dieses ihr wohlerworbenes Recht so wenig verletzen, als sie in das
Eigenthum der Staatsbürger ergreifen kann. Die im innern Kirchen-
recht bestrittenen Fragen, ob die Kirche oder die einzelnen kirchlichen
Stiftungen Eigenthümer der einzelnen Objekte des Kirchenver-
mögens sind, ist eine innere kirchliche Angelegenheit. Sie berührt
das Eigenthum der Kirche dem Staate gegenüber nicht, welcher
diese als Corporation schon längst anerkannt hat. Die Gemeinden,
oder die einzelnen Katholiken sind nach allgemein anerkannten
Rechtsgrundsätzen nicht Eigenthümer des Kirchenvermögens. Sie
können dasselbe kraft eigenen Rechts deßhalb nicht rechtlich vertre-
ten, verwalten und verwenden. Vielmehr stehen diese aus dem
Eigenthum abfließenden Rechte nur den der Verfassung der Kirche
entsprechenden, bestehenden kirchlichen Behörden zu. Diese Rechts-
verhältnisse sind insbesondere durch die Vereinbarung von 1861
geregelt, und ist der eine Contcahent, die Staatsgewalt, nicht be-
rechtigt, diesen Vertrag einseitig aufzuheben oder zu verletzen. Deß-
halb, weil die Kirche selbstständig ist und der badische Staat sich
überdies von der Kirche getrennt hat, ist die staatliche Gesetzgebung
nicht berechtigt, Bestimmungen über religiöse, kirchliche Verhältnisse,
über das Kirchenvermögen zu treffen. Sie ist nicht berechtigt, der
kath. Religionsgesellschaft den durch den Westphäl. Frieden, Reichs-
dep.-Hauptschluß, die bad. Grundgesetze, 13, 16 und 20 der
Verfassungsurkunde, und die Vereinbarung von 1861 garantirten
Besitz (Verwaltung, Rechtsvertretung) und Genuß der für ihre
Culms-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstal-
ten, Stiftungen und Fonds zu entziehen. Weil die Kirche als
selbstständiges Rechtssubjekt besteht, ist die Staatsgewalt nicht be-
rechtigt, ihre Erwerbsfähigkeit durch staatliche Genehmigung der
ihr gemachten Schenkungen zu bevormunden und zu beschränken.
(Z 1. Gesetzentwurf.) Das Kirchenvermögen steht rechtlich unter
keiner andern staatlichen Aufsicht als jedes Privatvermögen. Für
ddsselbe gelten und wir beanspruchen für die Kirche nur die allge-
meinen Rechte und Freiheiten, also darf sie allein nicht unter
Ausnahmsgesetze gestellt werden.
Die Staatsgesetzgebung ist nicht berechtigt, die Kirche von der
Theilnahme am Unterricht, von der Sorge für die arme und hilfs-
bedürftige Menschheit auszuschließen. Deßhalb und nach allge-
meinen Rechtsgrundsätzen kann der Staat die zu solchen Zwecken

Gesetzentwurf,
dir Rechtsvn hält ässe und die Verwaltung der Stiftungen betreffend.
s. Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Zur Errichtung neuer Stiftungen als selbständiger Rechtssubjecte
ist Staatsgenehmigung erforderlich. Dieselbe ist nur solchen Stistungen zu
ertheilen, welche einem öffentlichen, sei es kirchlichen oder weltlichen
Zwecke, gewidmet und deren sonstige Bestimmungen den Gesetzen und guten
Sitten nicht zuwider sind. Der staatlichen Genehmigung bedürfen ferner und
sind in ihrer rechtlichen Wirksamkeit durch sie bedingt alle Schenkungen und
letztwilligen Verfügungen zu Gunsten schon bestehender Stistungen oder anderer
juristischer Personen.
tz 2. Durch die staatliche Genehmigung erhalten die Stiftungen juristische
Persönlichkeit. Ihre Verwaltung unterliegt, seien sie kirchliche oder weltliche
Stistungen, in allen Fällen der Oberaufsicht der Staatsbehörden.
H 3. Als kirchliche Stiftungen sind alle diejenigen zu betrachten, deren
Vermögen zur Befriedigung kirchlicher Bedürfnisse einer Religionsgemeinschaft
bestimmt ist. Weltliche Stiftungen sind alle diejenigen, deren Vermögen
andern als den vorbezeichneten Zwecken gewidmet ist. Als solche gelten insbe-
iondere alle in irgend welcher Form zur Armenunterstützung und Kranken-
verpflegung oder zu Unterrichtszwecken bestimmten Stiftungen, mit alleiniger
Ausnahme der Stiftungen zum Vortheil von Bildungsanstalten, welche nach
Maßgabe der Gesetze von den Kirchen errichtet wurden. Ohne Rücksicht auf
ihre Widmung gelten als kirchliche oder weltliche die Stiftungen, welche vor
Verkündigung dieses Gesetzes durch Vereinbarung der zuständigen staatlichen
und kirchlichen Aussichtsbehörden in der einen oder andern Eigenschaft aner-
kannt oder durch rechtskräftig gewordene richterliche Entscheidung als kirchliche
oder weltliche erklärt worden sind.
H 4. Die zur Zeit der Verkündigung dieses Gesetzes vorhandenen g e -
misch ten, d. h. theils kirchlichen, theils weltlichen Zwecken gewidmeten Stif-
tungen, bleiben in dieser ihrer Eigenschaft unter der seitherigen Verwaltung
sortbestehen. Die weltlichen wie die kirchlichen Aussichtsbehörden können jeder-
zeit die Trennung solcher gemischten Stiftungen verlangen, in welchem Falle

das Vermögen derselben nach Maßgabe der von den Stiftern über dessen
Verwendung getroffenen besondern Anordnungen und — wo solche nicht
vorhanden — nach Maßgabe der für die beiderlei Zwecke seither
geschehenen Verwendungen auszuscheiden und den dazu gesetzlich berufenen Be-
hörden zur gesonderten Verwaltung zu überweisen isi. Bis zur Trennung be-
hält jede der Aufsichtsbehörden das Recht, von der Verwaltung und Verwen-
dung solcher gemischten Stiftungen durch Einsicht der hierauf bezüglichen
Acten, Urkunden und Rechnungen Kenntniß zu nehmen. Die lediglich auf An-
ordnungen von Behörden beruhende gemeinsame Verwaltung selbständiger
kirchlicher und weltlicher Stiftungen hat, wo sie bis daher noch stattgefunden,
mit Einführung des Gesetzes überall aufzuhören.
§ 5. Künftige Verfügungen, wodurch bestehenden Stiftungen Ver-
mögenstheile mit der gänzlichen oder theilweisen Widmung für Zwecke zuge-
wendet werden, welche zu den Zwecken dieser Stiftungen selbst außer Beziehung
stehen, sind, soweit dies der Fall, als neue Stiftungen zu behandeln und
als solche denjenigen Behörden zur Verwaltung zuzuweisen, welche nach den
Zwecken der neuen Stiftung dieselbe zu führen gesetzlich oder durch Verordnung
berufen sind. In gleicher Weise sind neue Stiftungen, welche in Zukunft
für verschiedenartige, eine Betheiligung verschiedener Behörden an der Verwal-
tung bedingende Zwecke gemacht werden, sofort bei ihrer Genehmigung zu
trennen, und hat die zuständige Behörde unter Berücksichtigung aller Verhält-
nisse zu bestimmen, welche Theile derselben der einen und welche der andern
Behörde zur Verwaltung zu überweisen sind.
tz 6. Für künftige Stiftungen dürfen Anordnungen, welche dieselben
einer andern als der durch Gesetz oder Verordnung vorgeschriebenen Verwal-
tung unterstellen, von dem Stifter nur insoweit erlassen werden, als ein
Gesetz dieses ausdrücklich gestattet.
ß 7. Vor Einführung des gegenwärtigen Gesetzes getroffene derartige
Anordnungen bleiben aufrecht erhalten. Wurde die Verwaltung einer Stif-
tung von dem Stifter einer Behörde übertragen, von der sie nach den bei
Errichtung der Stiftung in Geltung gewesenen Gesetzen und Verordnungen
ohnehin zu führen war, so muß, sofern die Stiftungsurkunde nicht ausdrück-
lich das Gegentheil besagt — angenommen werden, daß die Stiftung über-
haupt durch die jeweiligen gesetzlichen Organe verwaltet werden solle.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen