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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0512

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501

der Kirche, resp. einem kirchlichen Fond gewidmeten Stiftungen
nicht als sog. weltliche d. h. staatliche erklären. (H 3. Gesetzent-
wurf.)
Kraft der Bestimmungen des positiven Rechts, § 16 und 20
der Verfassungsurkunde und den Grundsätzen der persönlichen Frei
heil und des Eigenthums dürfen auch die durch ein Gesetz wohl
erworbenen Privatrechte durch kein späteres Gesetz aufgehoben,
muß der Wille des Stifters heilig gehalten, darf die Dispositions
befugniß des Eigenthümers nicht durch ein Gesetz aufgehoben wer-
den. Solches ist durch die 5 ff. des Gesetzentwurfes geschehen.
So wenig durch einen Akt der Verwaltungsbehörde einem
Privateigenthümer die Verwaltung oder Verwendung seines Ver-
mögens entzogen werden darf, so wenig hat die Gesetzgebung ein
Recht, die Verwaltung und Verwendung des Kirchenvermögens dem
„Staatswohl" zu opfern, indem sie solche der Disposition der
Staatsverwaltung unterstellt (Z 7—10 des Gesetzentwurfes).
Diese Bestimmungen, besonders dec ß 10 des Gesesentwurfs,
der im offenen Widerspruch zu Z 2 und 40 desselben Entwurfs
steht, räumen der staatlichen Administrativbehörde nicht blos das
Aussichtsrecht, sondern das privatrechtliche Eigenthum über das
kathol. Kirchen- und Slistungsvermögen ein. Sie entziehen der
kath. Religionsgesellschaft, die wesentlichen Rechte des Eigenthums,
die Leitung, Verwaltung, Verwendung und Rechtsvertretung ihrer
Stiftungen. Sie entzuhen die Entscheidung über das Rechtsiub
ject, das Pcivateigenthumsrecht dieser Stiftungen den ordentlichen
bürgerlichen Gerichten und stellen die hierüber gegen dre Staats-
verwaltungsbehörde erhobenen, ihrer Natur nach bürgerlichen Rechts
streitigkeiten statt vor die zuständigen unabhängigen bürgerlichen
Gerichte vor eine staatliche Verwaltungsbehörde. Das Aufsichts
recht des Staats berechtigt ihn allerdings nicht zu einer solchen
Säkularisation des kathol. Vermögens, zur Umgehung des § 14
und 16 der Verfassung. Die Krrchenbehörve hat aber nicht blos
die Aufsicht, sondern die aus dem kirchlichen Eigenthum abfließen
den Rechte der Leitung, R,chtsvertretung und stiftungsgemäßen
Verwendung des kath. Vermögens. Die 11 ff. und 40 des
Gesetzentwurfes wollen derselben, resp. den Katholiken (kath. Stif
lungscommissionen), die wohlerworbenen Rechte der rechtlichen Ver-
tretung, Verwaltung und Verwendung der kath. Stiftungen ent-
ziehen, und diese an die nicht confessionellen Staats- und politi-
schen Gemeindebehörden übertragen.
Im Namen der Mission der Kirche, der Verfassung, der reli-
giösen und persönlichen Freiheit, der Heilighaltung des Eigenthums
und des Zwecks der Stiftungen, sowie des Rechts, protestiren wir
gegen diese Säcularisatwn des kath. Stiftungsvermögens. Ein
solches Gesetz würbe überdies die Kirche und ihre Angehörigen
rechtlos erklären, diesen nicht gestatten, über ihr Vermögen frei zu
verfügen und der Wohllhaten ihrer Stiftungen sich zu erfreuen,
der Kirche verbieten, wie jeder Privateigenthümer frei von staat-
licher Bevormundung und Beeinträchtigung Vermögen in Hinkunft
zu erwerben, zu verwalten und zu verwenden.
Ein solches Gesetz würbe die bestehenden Grundsätze des Rechts
und Eigenthums erschüttern, die zum Schutz der kathol. Religion
existenten völkerrechtlichen Verträge, die Verfassung und das Gesetz
vom 9. Okl. 1860 verletzen und die zwischen Staat und Kirche
abgeschlossenen Uebereiukommen aufheben.
Wir wären verpflichtet, falls ein solches Gesetz erlassen würde,
dasselbe als die wohlerworbenen Rechte der Kirche und der Katho-
liken nicht alterüeud zu erklären und diese Rechte mit allen Mir
teln des Rechts dagegen zu rurlheidigen, die volle Freiheit und
Selbstständigkeit der Kirche vom Staate zur Durchführung zu
bringen.
Im Interesse der öffentlichen Ordnung und des Friedens
bitten wir, diesen Gesetzentwurf den Ständen nicht vorlegen, son-
dern den Kirchen- und Schulconflict durch loyalen Vollzug der
Vereinbarung von 1861 beendigen zu wollen. Vor Gott und dem
Lande bezeugen wir, baß wir Alles gethan haben, um dem Wider-
ausbruch des Confl cts vorzubeugen, daß wir an der Schädigung
der Autorität und der Ruhe des Landes nicht Schuld sind, welche
aus der Fortsetzung so schwerer Tussidien entstehen.
(gez.) -f L. Kübel.

H Die Versammlung in Hardheim.
Am verflossenen Sonntag fand im Schloßhof zu Hardheim
die angekündigle Volksversammlung statt. Die Zahl der anwesenden
Männer wird auf 3 — 4000 geschätzt. Ein Burger von Hardheim
begrüßte die Abgeordneten der kath. Volkspartei. Sein Willkomm
war ein Gedicht, dessen Inhalt von der Begeisterung und dessen
Form von dem Talente des Verfassers Zeugmß ablegt.
Lindau eröffnete die Versammlung, entschuldigte die HH. Len-
der und Vissing, dre zum großen Bedauern der Anwesenden nicht
hatten erscheinen können, uno schlug zum Präsidenten den Kauf-
mann H. Kiefer von Walldürn vor. Dieser nahm an. Lindau
ergriff nun das Wort: In der jetzigen Lage des Landes und bei
dem entschiedenen Gegensatz der politischen und religiösen Meinun-
gen ist es für einen Abgeordneten durchaus nolhwendig, daß er

der Uebereinstimmung mit den Wünschen und Ansichten des Volkes
gewiß sei. Deßhalb habe er sich nicht nur mit seinen Wahlmän-
nern besprechen wollen sondern auch eine Versammlung der Ur-
wähler veranstaltet.
Dann behandelte der Redner die nationale Frage. Be-
sondere Wirkung auf die Männer machten seine Schlußsätze: Die
Provinzen, die im Jahre 1866 Preußen einverleibt worden sind,
haben die preußische Glückseligkeit verkostet und sind derselben so
übersatt, daß sie sich gerne der eisernen Umarmung Preußens ent-
winden möchten. Diejenigen, die sich so Mühe geben, Baden preu-
ßisch zu machen, sollen hinübergehen über den Main in das Land
der Glückseligkeit. Niemand wird sie heben.
Lindau ging dann auf die innern Fragen über und zeigte,
oaß die Regierung dem Volk nicht das gibt, was sie ihm schuldet,
sondern blos Abschlagszahlungen leisten will. Dagegen legt sie
Gesetze vor, von denen das kath. Volk nichts wissen will. Er wies
das nach an den Gesetzesentwürfen über Wahlordnung der Kammer-
abgeordneten, über die Gemeindeverfaffung, über die Armenpflege,
über die obligatorische Civilehe, über die Stiftungen.
Das Volk habe dringend directe, geheime Wahlen verlangt
und verlange sie noch. Die Regierung fühle sich jetzt bewogen,
einen Gesetzesentwurf der Kammer vorzulegen, wornach nicht die
Abgeordneten, sondern deren Wahlmänner in geheimer Wahl ge-
wählt werden. Dabei bleibe die unsinnige Emtheilung der Wahl-
bezirke, die blos partiale Erneuerung der Kammer und die Ein-
richtung, daß ein Abgeordneter acht Jahre lang sein Mandat
behält.
Das Volk verlange nach einer guten Gemeindeverfaffnng. Die
Regierung habe bis jetzt gezögert, ihm das freisinnige Gesetz von
1830 einfach zurückzugeben. Jetzt legt sie ein Gesetz vor, das die
alten Schäden n cht heilt und neue Lasten auferlegt. Denn durch
oas Armengesctz wurde die Armenpflege obligatorisch und eine große
Last für die Gemeinde und durch die Erleichterung der Heirathen,
wie sie durch das neue Ehegesetz in Aussicht gestellt ist, werde den
Gemeinden ein Mittel genommen, sich der überhand nehmenden
Armuth zu erwehren.
Es erscheint ein Gesetz über Stiftungen, wornach die Regie-
rung der kath. Kirche kirchliche Stiftungen entziehen und zu andern
Zwecken verwenden kann, als wozu sie gestiftet sind. Damit der
Herr Minister keine Processe mehr verliert, wie er bisher schon
viele verloren hat, sollen nicht mehr die ordentlichen Gerichte ent-
scheiden, sondern der Verwaltungsgerichtshof, der ganz von dem
Ministerium abhängig sei.
Endlich soll das kath. Volk die obligatorische Civilehe bekom-
men, trotzdem, daß es diese Ehe verabscheut und sich gegen die-
selbe schon ausgesprochen hat. Bis Neujahr schon werde man sie
haben.
Man konnte den Leuten bei manchen Stellen große Verwun-
derung und Unruhe über die Absichten der Regierung, über die
„wohlwollenden Gesinnungen" derselben gegen die kath. Kirche, über
oie Art und Weise, wie man in Carlsruhe Freiheit und Volks-
wohl versteht, auf dem Gesicht ablesen. Lauter Beifall lohnte un-
ferm wackern Abgeordneten, wenn er mit kräftigen Worten sagte,
wie die Abgeordneten der kath. Volkspartei sich diesen einzelnen
Gesetzesentwürfen gegenüber verhalten wollen. Lindau schloß mit
der Versicherung, daß dieselben ihre Schuldigkeit thun werden, daß
sie nicht ruhen werden, bis die Wünsche des kath. Volkes erfüllt
sind und dieses Ministerium, das sich der Kirche so feindlich zeigt,
die Leitung der Geschäfte niedergelegt hat. (Stürmischer Beifall.)
Nach Lindau betritt, von dem Präsidenten dazu aufgefordert,
der Abg. Baumstark die Rednerbühne. Das Interesse der Leute
wendete sich hauptsächlich diesem Manne zu und überall konnte
man fragen hören, welcher unter den Herren der Baumstark sei.
Als er nun auftrat, tönten ihm lebhafte Hochrufe entgegen. Mit
ruhigen kräftigen Worten, in volksthümlicher, leichtverständlicher
Sprache überlegen, wie ein Lehrer des Volkes trat er auf. Die
kath. Frömmigkeit, die seine Worte athmeten, machten einen wohl-
thuenden Eindruck auf das Volk. Er wies nach, daß die kath.
Abgeordneten wollen, was das Volk will, die Regierung aber das
Gegentheil: Wir wollen keine Verpreußung; die Regierung aber
will das Land in den norddeutschen Bund ausgenommen haben
und da dieses noch nicht geschehen kann, führt sie einstweilen preu-
ßische Einrichtungen bei uns ein und zieht Preußen als Diener
des Staates in das Land. Wir wollen Erleichterung des Volkes.
Das Volk kennt am besten die große Last, unter der es ^seufzt.
Wir wollen weniger Soldaten, kürzere Präsenz, sparsameren Staats-
haushalt. Die Regierung will diese Erleichterung des Volkes nicht.
Wir wollen die Freiheit der Kirche — Jolly haßt die Kirche. Ge-
gen diesen Vorwurf habe er in der Kammer nichts Stichyaltiges
sagen können; er habe den abgeschiedenen Geist seiner seligen Mut-
ter angerufen, welche eine gute Katholikin gewesen ser. Das möge
sein, aber daraus folge höchstens, daß ihr Sohn ein um so weni-
ger guter Christ sei. Baumstark führt für die Gesinnung der Re-
gierung gegen die kath. Kirche thatsächliche Beweise an, nament-
lich: das Examen der Geistlichen und den Proceß gegen unfern
 
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