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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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505 —

Weihbischof. Schließlich forderte er von dem Volk, daß es die
kath. Abgeordneten kräftig unterstütze.
Nach ihm sprach ein einfacher Bauer, ein Mann aus Götzin-
gen. Mit Worten, die von Herzen kamen und deßwegen gewiß
auch zu Herzen gedrungen sind, machte er auf die Pflicht der
Laien aufmerksam, in dem Kampf, der überall gegen die kath. Kirche
entbrannt ist, nicht neutral zu bleiben, sondern den Vorkämpfern
der kathol. Sache zur Seite zu stehen.
Stadtpfarrer Diez von Walldürn, welcher vorgehabt hatte,
über die Cimlehe und das Stiftungsgesetz zu sprechen, beschränke
sich wegen des eintretenden Regenwetters darauf, das Unwürdige
einer Ehe, die nur auf dem Rathhaus abgeschlossen wird, darzu
legen. Er zeigte ferner, wie feindselig und wie ungerecht es ist,
daß man der Kirche in den Stiftungen ihr Vermögen entziehen wolle
und wies zu unserm Trost hin auf die Unzerstörbarkeit der alten
katholischen Kirche.
Baumstark verlas zum Schluß in einigen kurz gefaßten Sätzen
die Forderungen der kath. Volkspartei und forderte die Versamm-
lung auf, durch Ja oder Nein zu erklären, ob sie damit einver-
standen ist oder nicht. Ein herzhaftes Ja zeigte jedesmal, daß die
Resolutionen aus dem Herzen des Volkes kommen.
Nach einem Hoch auf unsere Abgeordneten gingen die Männer
auseinander. Ich habe Leute gehört, die erklärten, sie ließen es
sich nicht für viel Geld abkaufen, daß sie bei dieser Versammlung
gewesen und die Abgeordneten gesehen und gehört haben. Nun,
das ist jedenfalls auch etwas werth! Die Hauptsache aber ist das,
daß die Theilmhmer der Versammlung und alle andere katholische
Männer recht zu Herzen nehmen, was unsere bewährten Führer
wiederholt gesagt haben: „Wenn wir der thatkräftigen Unter-
stützung des Volkes sicher sind, so kann unser endlicher Sieg nicht
ausbleiben."
2. Ein Wolf unter dem Schafspeltz eines
Kalenders.
Freiburg, 27. Oct. Der Lahrer hinkende Bote hat
wieder seinen Stelzfuß in Bewegung gesetzt, um seinen Kalender
an den Mann zu bringen. Was schon ein altes Sprüchwort sagt:
„Je Krümmer, desto schlimmer," das bewahrheitet sich auch dieses
Jahr wieder am Hinkenden. Durch die gemeinsten, theils offenen,
theils versteckten Verleumdungen, greift er die kath. Kirche in ihren
Personen und Einrichtungen an, und was das Traurigste ist, viel.
Katholiken sind wieder dazu bestimmt, dis ihnen verabreichte» Fuß-
tritte mit ihrem eigenen Gelde zu bezahlen. Wir können uns nicht
versagen, dem kath. Volke einige Proben des Lahrer Kalenders
mitzurheilen, damit es bei der Auswahl von Kalendern ja recht
vorsichtig verfahre und nicht, während es jetzt mit aller Entschie
denheit für seine hl. Kirche kämpft, den Feind im eigenen Hause
in der Gestalt eines Kalenders großziehe. Zwar haben sich schon
bedeutende Stimmen gegen den Hinkenden erhoben; allein gerade
über diesen Punkt kann dem kath. Volke nicht zu viel gesagt wer-
den. Denn der Kalender ist eine Großmacht, er hat das ganze
Volk in seiner Gewalt. Unzählige Male wird der Kalender, wenn
Schnee und Sturm an das warme Winterstüb'chen fesseln, vom
Landmanne gelesen; Balsam oder Gift kann durch einen Kalender
einer einzelnen Familie, wie einer ganzen Gemeinde zugeführt
werden.
In religiöser Hinsicht ist der Lahrer Stelzfuß ein Tod-
feind des Katholictsmus. Wie dies schon daraus erhellt, daß er
die kath. Priester stets als „Pfaffen" tituUrt (S. 32, 67, 70,
76), so sucht besonders sein Bericht über die spanischen Zustände
(S. 62 ff ) die Thatsachen in witziger Weise zu entstell.n oder
für lediglich persönliche Vergehen die kath. Kirche verantwortlich
zu machen, als ob an prot. Höfen Alles in Ordnung wäre und
die spunischen Nevolutionsmänner durchweg von den reinsten Ab
sichten gclertet wären. Bei der entrüsteten Erwähnung der spa-
nischen Juden- und Kctzerverfolgungen konnten wir ganz gemüch
lich unsere eigenen Geschichtskenmntsse wieder auffrüchen. Denn
da sielen uns (außer den Verfolgungen der Katholiken in den hu-
manen Ländern England, Dänemark, Schweden, Holland, Rußland
und ) die Worte des theuren Gotlesmannes Luther ern:
„man solle Päpge, Cardiuäle, Bischöfe und das ganze Gewürm
des römischen Sodoma mit allerlei Waffen angreifen und die Hände
in ihrem Blute waschen." Und wenn der Hinkende spöttelt: „rn
Spanien sei das Alles zur Ehre Gottes geschehen," so schweben
uns wie eine schwarze Schreckensgestalt jene Worte vor, mu denen
der honigsüße Melanchthon dre Hinrichtung des Servetus durch
den Refvimawr Calvin billigte: „Ich danke dem Sohne Gottes,
der Schiedsrichter bei diesem deinem Kampfe war. Auch dre Kirche
dankt und wird dir danken j.tzt und in Zukunft. Ich stimme
ganz deinem Urtheile bei." Entweder muß es also im katy.
Spanien nicht so gefährlich sein, oder es spuckt sogar bei den
Häuptern drs Protestantismus. Möge der alte Stelzfuß Acht ge
en, daß es nicht auch noch in seinem eigenen G.lodeutel spucki,
wenn nach s iner Meinung die spanischen Kirchengeiä^e Stauis-
ergenrhum sind (S. 67). Welch' einfältiger W.tz .st es (S. 71),

die Unfehlbarkeit des Papstes damit ins Lächerliche ziehen zu wol-
len, „daß es für ihn schwer sei, abgchauene Köpfe wieder aufzu-
setzen." Schade, daß der Papst dieß nicht mehr kann, sonst würde
er am kopflosen Hinkenden gewiß zuerst diese Art von Unfehl-
barkeit bethätigsn. — Die Tätigkeit des nächsten Concils setzt
der Lahrer darein, „daß eine Handvoll Jesuiten mit Hülfe einiger
hundert Bischöfe und Priester es unternehmen will, die anderthalb
Tausend Millionen Menschen, dis auf Erden leben, geistig zu kne-
beln und allen gesunden Menschenverstand todt zu schlagen (S. 71)."
Kein Wunder, daß er demnach das Eoncil für „die letzte Oelung
des Ultramoutanismus" hält. Die Geschichte wird übrigens zeigen,
daß der Hinkende seinen hölzernen Stelzfuß noch mehr als zehn
Mal abtrcten kann, bis der Tod des Ultcamontanismus eintritt.
In der Politik ist der hinkende Bote selbstverständlich ein
eifriger Lobredner der Preußerei, diese hält er für die erste Lebens-
bedingung (S. 73). Interessant ist sein Beweis, daß Jwer, der
die Demokratie (Volkshercschaft) wolle, in den Nordbund ein-
treten muffe, weil er 30 Millionen Deutsche zähle, während es
nur 8 Millionen Nichwernordbündelte gebe. Wo sind bei dieser
Rechnung die Muß Preußen geblieben? Er gäbe sich aus diesem
Beweis nicht die traurige Folgerung, daß dessmige Fürst (z. B.
Rußland) am meisten die Democratis begünstigt, der die meisten
Völker beherrscht, und daß dem Democraten Selbstherrscher
und Beherrschtwerden ganz gleich sein müsse? Es scheint in
dec That, daß der alte Kalendermacher manchmal einen Schoppen
Markgräfler zu viel trinkt. — Ja, dec Lahrer ist unverschämt ge-
nug, trotz seiner Verpceußungssucht die von Bismarck empfohlenen
directen Wahlen zu mißbilligen, „weil man nicht Alles blind
nachzuahmen brauche, was preußisch sei; (Wie schlau!
Mei' schweig'!) denn auch in Preugeu sei Vieles, was nicht sein
tollte und was wir uns vom Leib halten wollten (Z. 77)!" Könnte
der preußische Lobhudler sich selbst eine größere Ohrfeige geben, als
mit diesen Worten?
Das sind einige Proben des berühmten Lahrer hinkenden Bo-
ten. Sie werden hoffentlich genügen, um die Wichtigkeit und
Tragweite der heutigen Kaleuderliteratuc zu zeigen, und um man-
chen unentschiedenen und unbedachtsamen Bürger zu veranlassen,
nicht mit seinem eigenen sauerverdienten Geld feine politischen und
religiösen Gegner zu unterstützen, sondern lieber mitleidslos den
böswilligen allen Stelzfuß aus Lahr vor dem warmen Winterstüb-
chen schmachten zu lassen, als ihn in die Familie aufzunehmen
und zum Dank dafür von ihm mit Hieben tracmt zu werden. —
Trau — fchaa — wem —!

KützLeMf ch l -L n d.
* Heidelberg, 28. Oct. Die heutige Satzung über die Wahl-
reform, dte von Morgens 9 Uhr bis Abends 5^4 Uhr dauerte,
war äußerst bewegt; drs Galerien gedrängt voll. Der Kampf war
heiß; der moralische Sieg unstreitig auf Seiten der Anhänger
des direkten Wahlverfahrens, ihre gesst-ge Ueberlegenheit vollstän-
dig entschieden. Dre Galerien riefen den Anhängern der kathol.
Partei wiederholt den lebhaftesten Beifall zu. Unsere Redner
waren alle im Gefecht.
Oll. Aus der bad. Pfalz. Leidenschaft macht blödsinnig,
wer das nicht glauben will, lese nur den „angeblichen" offenen
Brief an den hochwürdigstea Erzbisthumsvermeser, welchen einige
jüngere Geistliche art Wohldenselben geschrieben haben sollen und
welchen Ehcen-Emmerling in Nc. 251 seines Käseblattes auf hohen
Befehl aus der alten Landesbase abgedcuckt hat. Nach diesem Brief
sollen „die jüngeren Geistlichen unwissender sem als Obeisextaner."
Uisurn t-tzQsatüs araioi! Wissen denn die obersten Inspira-
toren und Dirigemen „der Base" nicht ^Ehcen-Emmerling weiß davon
jedenfalls gar mchts), daß sämmlliche Gefftliche ehedem auch einmal
Obersextaner waren und in den angeführten Fächern geprüft und in
der Prüfung bestanden sein müssen, ohne welche sie nicht auf die
Universität promovirt worden wären — also auch das Studium
der Theologie Nicht hätten beginnen können.
Oder ist es anders? Gibt's in diesem Stück vielleicht auch
Ausnahmsgesetze für angehende Theologen? Wenn nicht, wozu sol-
chen Blödsinn in die Welt hineinschreiben? Schämt ihr euch nicht,
ihr eigentliche Brieffabricanten?
„Im Convict uns Seminar soll von allen Gegenständen, welche
„das Object dec b ka nten Staatsprüfung bilden, keine Rede, ja das
„Studium der betc. Fächer verpönt sein." Ist denn in den Special-
collegien der Juristen, Medicmer und Kameralisten von solchen
„Dingen" auch d.e Rede? Von den wenigsten. Und warum? Ei
wozu denn 9 volle Jahre auf dem Lyceum Herumsitzen? Da ist der
Ort und die Zeit, wo Philosophie, allgemeine Weltgeschichte, genauere
Kenntniß der Geschichte der europäischen Staaten, insbesondere
Deutschlands, Kenntnrß der Literaturgeschichte und der wichtigsten
Werke der deutschen Klassiker den angehenden Studenten beigebracht
wird. Und das wißt ihr nicht, ihr Herrn von der Landeszeilungs-
partei? Pfui tausend! Schämt euch und zwar recht arg! Wer übri-
gens das Studium der Theologie kennt und durchgemacht hat, weiß,
daß Kirchengcschichte nur in engster Beziehung zur allgemeinen Welt-
geschichte oocirr und geprüft, dag das Examen in der Dogmatik, dem
 
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