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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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April (No. 39 - 51)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0183

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Erscheint
wöchentlich drei M«l:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Badische Hopsen Leitung.

Viertels. Ad«nn»m»«1:
Tür'» Wochenblatt t! k
UnterhaltungSblatt II kr.
Inserate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 k.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«o. 4«. __Samstag, 18. April 1874. vm. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen sür uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenssein L Mogker, Rudolf Masse und H. gl. Danke L Go., die Süddeutsche Annoncen-Gapedttio«
von H. Stöckftardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ZSger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Die Entscheidung am 14. April.
Die Abstimmung des Reichstages am Abend des 14.
April hat die Frage zum Abschluß gebracht, welche alle Ge-
inüther in Deutschland seit Wochen in einer Erregung so
tief gehender Art gehalten hatte, wie seit den großen Er-
eignissen des Kriegs das Gesammtbewußlsein des Volks von
keiner ähnlichen ergriffen war. Die Mehrheit sür den ent-
scheidenden Artikel 1 auf Grund des bekannten Compro-
nüsses war eine um Vieles größere, als die günstigsten Vor-
ausberechnungen annehmen ließen : sie betrug 78 Stimmen,
darunter 14 von der Fortschrittspartei. Die Conservativen,
die Freiconservativen. die National-Liberalen und der abge-
sprengte Theil der Fortschrittspartei stimmten geschlossen als
eine große Nationalpartei für die Erhaltung der vollen
Wehrkraft des Reiches. Durch die 224 Stimmen für den
Art. 1 mit dem Bennigsen'schen Amendement wird die
Stärke der Gruppe beziffert, auf welche die Reichsregierung
für ihre innere und äußere Politik positiv zählen kann.
Die 146 Gegenstimmen umfassen alle geschworenen Gegner
und eine Anzahl Doktrinäre, welche aus theoretischen Be-
denken in der vorliegenden Frage von der Regierungsauf-
fassung abweichen. Mit der Unterstützung jener 224 Stim-
men läßt sich — das wird der Eindruck bei den Lenkern
der deutschen Partei sein — regieren; die Abstimmung der
224 ist ein Vertrauensvotum, das dem Reichskanzler die
Rücktrittsgedanken definitiv benehmen wird. Dazu kommt,
daß für die Ablehnung der gegnerischen Anträge die Mehr-
heit noch eine weit ansehnlichere war: gegen den Centrums-
antrag stimmten 256, für denselben nur 114; ein ver-
neinendes Ergebniß, das fast noch wichtiger ist als das be-
jahende. Die Ceutrumspariei ist bei dieser Abstimmung
endlich einmal — nachdem ihr gegenüber schon so mancher
politischer Fehler begangen worden — fast gänzlich isolirt
worden. Die heilsame Krisis, in welche die Fortschritts-
partei gerathen ist, hat nicht nur hervorragende Männer
dem Fractionsverbande ganz entzogen, sie hat die gesammte
Partei zu besserer Einsicht und correcterem Handeln bewo-
gen; kein Mitglied des Fortschritts hat diesmal die An-
träge des Centrums unterstützt. Gewonnen hat die ge-
sammte nationale Richtung des Reichstags, an Zahl und
innerer Einigung; die Reichsregierung geht gestärkt durch
die Unterstützung einer ansehnlichen Reichstagsmehrheit aus
der sogenannten Krisis hervor. Dem Ausland ist an einem
glänzenden Beispiel gezeigt, daß ihm gegenüber die alte
deutsche Uneinigkeit überwunden wird; de Reden der Ka°
rucke, Voigts-Rhetz, Delbrück, Camphausen, Moltke haben
ihm bewiesen, daß auch, wenn Bismarck das Zimmer
hütet, das deutsche Reich gesund ist.
^Esie Post.
Werkin, 15. April. Der „Reichsanzeiger" veröffent-
licht ein Danksagungsschreiben des Fürsten Bismarck, für !

die zahlreichen Beweise der Theilnahme, die er aus allen
Theilen des Reiches und dem Auslande während seiner
Krankheit erhalten, sowie für die Glückwünsche zu seinem
Geburtstage.
Werkin, 15. April. Die „Prov.-Corr." bezeichnet
die Mittheilungen über die Frühjahrsreisen des Kaisers als
verfrüht. Vecmuthlich werde dem Emser Aufenthalte im
Juni ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in Wiesbaden und
der Besuch Jugenheims vorhergehen.
Werkin, 15. April. Ledochowsk.i wurde heute
vom kirchlichen Gerichtshöfe auf Grund des Z 24 des Ge-
setzes vom 12. Mai 1873 in ooutuiwaeianr zur Amtsent-
setzung verurtheilt.
Werv-Work, 16. April. Der demokratische Candidat
für den Gouverneurposten in Nrcansas hat, gestützt auf die
günstige Entscheidung des Staatsgerichtshofcs, den republi-
kanischen Gouverneur aus dem Amte vertrieben und sich der
Hauptstadt Little-Rock bemächtigt. Der Gouverneur rief die
Intervention des Präsidenten Grant an.
Deutsches Reich!
Aus Waden, 16. April. Von Karlsruhe wird ge-
meldet, cs sei nicht wahrscheinlich, daß die Kammern vor
der zweiten Hälfte des Mai, höchstens einige Tage früher,
würden einberufen werden.
Werkin, 14. April. Der Schluß des Reichs-
tags soll, wie es heißt, schon am 22. d. Mts. erfolgen.
Man gedenkt außer dem Militärgesetz nur noch das Paß-
gesetz und das Bischofsgesetz zu erledigen. Auch der Ver-
waltungsbericht über Elsaß-Lothringen gelangt wahrschein-
lich erst in der Herbstsession bei der Berathung des Etats
zur Verhandlung.
Werkin, 13. April. Das R e i ch s °J IN p f g e se tz
ist nun, nachdem es am 8. d. M. die Kanction des
Kaisers erhalten hat, im Reichsgesetzblatt erschienen; es
tritt erst mit dem 1. April 1875 in Kraft, und bis dahin
haben die einzelnen Bundesstaaten die zur Ausführung er-
forderlichen Bestimmungen zu treffen. Impfungen dürfen
nach der Einführung des Gesetzes nur noch von approbirten
Aerzten vorgenommen werden.
Werlin, 12' April. Das Bennigsen'sche Compromiß-
Amendement lautet: '„Die Friedenpräsenzstärke beträgt vom
1. Jan. 1875 bis zum 31. Dez. 1881 401,659 Mann.
Die Einjährig-Freiwilligen kommen auf die Friedenspräsenz-
stärke nicht in Anrechnung. Das Amendement ist außer von
den gesammten Nationalliberalen noch von 6 Fortschrittlern
Groß, Kreutz, Zinn, Schmidt-Stettin, Banmgarten und Heine
unterstützt. Der Schluß dev Reichstagssessian steht für das
Ende der zweitnächsten Woche bestimmt in Aussicht.
Ausland.
Wltßkand, Am 1. April hielt ein russischer Capitän-
Lieutenanl vor einem zahreichen, meist militärischen Puplikum

unter dem sich auch viele hohe Offiziere, darunter der Admi-
ral und Generaladjudaut Butakow befanden, im Petersbur-
ger Jachtclub einen Vortrag über die künftigen Leistungen
der russischen Flotte während eines Kriegs Rußlands mit
Deutschland. Der Vortragende nahm an, daß der Krieg
1883 stattfiude, daß russische Truppen bereits die preußische
Grenze überschritten, und stellte dann die Frage wie groß
muß dann die russische Flotte sein, um den rechten Flügel
der russischen Armee zu schützen und die deutschen Häfen der
Nord- und Ostsee blockiren zu können, gesetzt daß die deut-
sche Flotte sich dem ihr vou Bismarck vorgezeichneten Pro-
gramm gemäß entwickelt hat. Als Antwort ergab sich eine
solche -Anzahl von Panzerschiffen Und Kreuzern, wie sie Ruß-
land unmöglich beschaffen könne. Wenn dagegen der Krieg
noch in diesem Jahre stattfinde, so könne zwar die russische
Flotte ihre Opperation nicht bis in Nordsee ausdehnen, wohl
aber ein großes Geschwader bei der Insel Oesel aufstellen,
den Feind am Landen verhindern und die Küsten vertheidi-
gen, da augenblicklich die Zahl der russ' Panzerschiffe die der
deutschen weit übertreffe. Während des von den Zuhörern
mit gespannter Aufmerksamket verfolgten Vortrags lagen auf
einem Tische tabellarische Zusammenstellungen und Zeichnun-
gen der russ. und deutschen Panzerfahrzeuge zur Verdeutlichung
des Vortrags. Es ist ganz interessant zu erfahren, mit wel-
chen theoretischen Aufgaben man sich in dem befreundeten
Rußland beschäftigt, denn von der Theorie zur Praxis ist
oft nur ein Schritt.

<L o c a t e s.
n. Schwetzingen, 17. April. Nachdem sich bereits
aller Orten Krieger- oder Veteratten-Bereine ge-
bildet haben, muß man leider constatiren, daß unser so
heraufblühendes und an sonstigen Vereinen und Anstalten
andern Orten ebenbürtiges Städtchen, in dieser Beziehung
manchem kleineren Orte nachsteht. Denn wie man allgemein
sich der Wahrnehmung nicht verschließen kann, daß jetzt be-
reits jeder größere Land-Ort seinen Veteranen - Verein
besitzt, hat sich in Schwetzingen bis heute noch kein solcher
Verein gebildet, obwohl abgesehen von der Bedeutung der
Krieger-Vereine als einem Herd und Centrum eines nie
erlöschenden Feuers nationaler Begeisterung inmitten der
Gemeinden, diese Kriegervereine ihren Mitgliedern gar
manche Vortheile zu bieten im Stande sind und in einer
Gemeinde niemals störend und nachtheilig wirken. Wenn
wir nun nach der Ursache fragen, so drängt sich uns un-
willkürlich der Gedanke auf, daß hier nur einzig und allein
die Abneigung der beurlaubten Krieger die Schuld daran
trägt. In diesem Falle wäre also ein Mangel an Na-
tionalbewußtsein, an Patriotismus nicht zu verkennen. Es liegt
wohl llar auf der Hand, daß wir noch nicht berechtigt sind,
uns an die Seite der Culturstaaten ersten Rangs, also
Englands und Amerikas zu stellen. Man wende uns nicht

Feuilleton.
Der Armenarzt.
Roman aus dem Leben einer großen Stadt,
von I. Steinmann.
Zweites Kapitel.
Hoffnungslose Liebe«
(Fortsetzung.)
Rechts von der Hansthür stand ein kleiner Pavillon von
unbehauenen Birkenstämmen fast im Gebüsch verborgen: im
Sommer ein Lieblingsaufenthalt des alten Herrn, aber jetzt
verlassen wegen des nahendeu Winters.
Ja, es war Herbst. Nur die Astern hatten noch den
frühen Frösten widerstanden, die Georginen hingen schwarz,
wie versengt an den matten Stengeln und der duftende
Flor der Soinmerblumen war längst dahin. Kaum verriethen
dürre Stengel die Stelle, wo während der licht- und wärme-
reichen Zeit ein liebliches, farbenprangendes Blumenleben
blühte.
Nichts mahnt mehr an's Scheiden als ein herbstlicher

Garten. Der rauhe Herbst zerstört die Pfleglinge der Men-
schenhand und zeigt dem Menschen selber, wie ohnmächtig
er ist gegen die Gesetze der Natur. Und so wie der Som-
mer scheidet von Feld und Flur, muß auch der Mensch die
Erde verlassen, auf der er blühte und grünte, Freude oder
Kummer um sich verbreitete, je nach seinen persönlichen Ei-
genschaften und seiner Stellung.
Ob der ältliche Herr, der mit bleichem Gesichte in den
schmucklosen Garten, auf die erfrorenen Blumen blickte, Aehn-
liches dachte?
Das Gesicht verrieth absolut nichts, die Augen hafteten
unbeweglich wie die starren Augapfel einer Statue auf den
schwarz gefrorenen Georginen und nur dann und wann zuck-
ten die dürren Lippen unmerklich zusammen. Er wartete
auf Jemand, er sehnte den Arzt herbei.
Als Doctor Feldmann in den Garten eintrat, flog es
wie ein leichter Sonnenschein über das alte, faltige Gesicht.
Dr. Feldmann wurde von einem Diener empfangen,
der ihn, nachdem er den Namen erfahren, bat, sofort in das
Zimmer des Herrn Wagenberg einzutreten.
Nach wenigen Minuten stand Dr. Feldmann dem Manne
mit dem bleichen, ruhigen Gesichte gegenüber.
Der bleiche Mann hustete einige Wale kurz und sagte

dann zu dem Eingetretenen mit einer leisen, etwas zischen-
den Stimme:
„Ah, Sie sind der Doctor Feldmann. Ich danke Ih-
nen, daß Sie gekommen sind. So bald gekommen sind.
Ich bin krank. Recht krank."
Dann sah er den Doctor eigenthümlich fest an und
wiederholte: „Recht krank. Sie werden mir hoffentlich hel-
fen." Dann hustete er wieder kurz und sagte leise: „Recht
krank."
Wie ganz anders hatte Feldmann den Schreiber des
Briefes erwartet. Dort eine bis zur Schmeichelei übertrie-
bene Höflichkeit, hier in den kurzen, hingeworfenen Sätzen
und in dem schlangenartigen Zischen der Stimme etwas Ab-
stoßendes.
Er konnte diese Gegensätze nicht zusammenbringen. Ent-
weder der vor ihm stehende Mann war nicht der Verfasser
des sanftklingenden Briefes, oder er mußte zwei Naturen,
zwei verschiedene Charaktere in sich tragen. Der Mann
war ihm vom ersten Augenblicke an ein Räthsel.
„Bitte, setzen Sie sich," begann Herr Wagenberg,
„dort auf's Sopha."
Feldmann nahm Platz.
(Fortsetzung folgt.)
 
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