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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Oktober (No. 116 - 129)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0483

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MtziiM Wochtnliliill
Amtsverkündigungsbtatt für Schwetzingen.
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Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«0. 121.

Dienstag, 13. Oktober 1874.

VIII. Jahrgang.

die Annoncen-Bureaur von Haasenstetn <d ^»gker, Nud»kf Masse und ch. Pan», » -»., Zäddentseße A«n»»cea--rpedUt«n
Lipzig, München, Men, Zürich, Basel und Straßburg, sowie dal -tger's-e Sentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a^M.

Bei dem Marsche der Verbündeten auf Paris war noch
nichts in Betreff der Regierung Frankreichs festgesetzt. Da-
rüber allein war nach den fehlgeschlagenen Unterhandlungen
mit Napoleon, der bei den geringsten Vortheilen, die er er-
fochten, seine Forderungen höher geschraubt Halle, einig ge-
worden, daß dieser selbst im Interesse der Ruhe Europa's
den Kaiserthron verlassen müsse; uneinig aber war man
darüber, wer an seiner Stelle die Krone tragen solle. Eng-
land war den Bourbons geneigt, weil eS unter deren
schwächlichem Szepter keinen großen Aufschwung Frankreich
zu befürchten hatte und ein konstitutionelles Regime von
Ludwig XVIII, erwartete, in welchem eS eine Unterstützung
und BundeSgenofsenschaft gegen die absolutistischen Mächte
dcS Nordens erhoffen konnte. Kaiser Alexander von Ruß-
land. auf den vorzüglich die Entscheidung ankam, wollte an-
fänglich von einer Wiederherstellung der BourbonS nichts
wissen. Er war der Meinung, man solle den Franzosen
selbst die Wahl ihrer neuen Regierung anheimstellen, wobei
er eS als ausgemachte Sache annahm, daß die BourbonS
diese Wahl nicht treffen würde. Diese wohlwollenden Ge-
sinnungen des Czaren gegen Frankreich rührten theilS von
seiner französischen Bildung und seiner Vorliebe für fran-
zösische Sitten und Literatur her, ein Umstand, der von
den Pariser Salons eifrig ausgebeutet wurde, theilS wur-
zelten sie in der schwach verhüllten Absicht, Deutschland auf
Kosten Frankreich« nicht zu mächtig und einflußreich werden
zu lassen. ES war der uralte politische Grundsatz bei ihm
maßgebend, den schon die Fürsten HindostanS im grauesten
Allerthum befolgt hatten, „den Nachbar des Nachbar sich zum
Freunde zu machen". Napoleon allein war nach Alexanders Er-
klärung der zu bekämpfende Feind gewesen, nicht Frankreich.
Preuße» war in dieser Frage, wie unbegreiflicherweise
in den meisten andern, gänzlich im Schlepptau Alexanders,
obgleich es einen so hervorragenden Antheil an der Befreiung
Europas gehabt hatte.
Oesterreich endlich war den BourbonS geradezu feind-
lich gesinnt. Kaiser Franz und sein« Minister hatten auf
alle Weise bis auf den letzten Augenblick die Regentschaft
Marie Louisens aufrecht zu halten und den Kaiserthron
Napoleons II. zu retten gesucht. Dies Alle» mißlang haupt-
sächlich durch Talleyrans's Jntriguenspiel, der insgeheim nicht
bloS mit den Alliirten, sondern auch mit den BourbonS sich
in verrätherische Unterhandlungen eingelassen hatte.
Kaiser Alexander hatte nach seinem Einzüge in
Paris seine Wohnung bei Talleyrand genommen und damit
schon im Voraus den Franzosen gezeigt, baß er diesem Diplo-
maten sein höchstes Vertrauen schenke. Talleyrand war eS
denn, der die Legitimsten und Royalisten aller Schattirungen
aufmunterte, Demonstrationen zu Gunsten der BourbonS in
Szene zu setzen, die denn auch alsbald in Adressen, Flug-
blättern, weißen Kokarden und Schärpen ihren AuSdrnck

fanden und Alexander in der Lhat glauben machten, daß
die große Mehrheit der Nation sich nach der Wiedereinsetzung
de« alten Königshauses sehne. Diese Wiedereinsetzung sollte
aber nur unter der Bedingung konstitutioneller Zustände statt-
finden, die Alexander, der damals noch liberale Anwandlungen
hatte, ebenso erwünscht uns nothwendig schienen, wie Talleyrand,
der bei einem konstitutionellen Regime die BourbonS besser
von sich abhängig machen und England dem Projekte freund-
licher stimmen konnte.
Um Oesterreich nicht vor den Kopf zu stoßen, pro-
klamirte man nicht sofort die Herrschaft der alten Königs-
familie, sondern setzte zunächst eine provisorische Regierung
ein, deren Seele Talleyrand war. Auf diese Weise war
die Möglichkeit einer Regentschaft Maria Louisen» scheinbar
noch nicht gänzlich beseitigt worden. Dies Alles sollte aber
nichts als leere Spiegelfechterei sein; denn alsbald erklärte
der Senat, da- bisher willenlose Werkzeug des Kaiser», Na-
poleon und seine Familie des französischen Throne« entsetzt
und klagte ihn in einem Manifest der größten Verbrechen
und der abscheulichsten Tyrannen! an. Die Schmeicheleien
dagegen, die er früher Napoleon dargebracht hatte, wurden
darin in der ekelhaftesten W.ise an Alexander gerichtet und
das Verlangen nach den BourbonS deutlich genug kundge-
geben. Dann begann der Abfall von Napoleon in einer
Weise, wie die Geschichte nichts AehnlicheS aufzuweisen hat.
Alle die vor dem Imperator vor Kurzem noch im Staube
gekrochen waren. Alle, die ihr Glück, ihren Ruhm und ihre
Reichthümer ihm allein zu danken hatten, beeilten sich, ihm
den Rücken zu kehren und der neu ausgehenden Sonne der
Bourbon» zujubeln. Ja gerade Diejenigen hatten die meiste
Eile, die von Napoleon am meisten geehrt worden waren,
die er roth und blau bebändert hatte. Ihnen war e» nun
um einen vorlheilhaften Tausch zu thun, — Napoleon hatte
nichts mehr zu geben. Eie aber wollten Bänder und Bän-
dern, Gehalt zu ihrem Gehalt, die Freuden des bourboni-
scheu Hofes nach denen de» kaiserlichen genießen. „ES find
Leute", wie ein Franzose in einem offenen Briefe an seine
Mitbürger sich äußerte, „die zu leben wissen und hundert
Jahre in Revolutionen und Bürgerkriegen leben lönnten, ohne
auch nur einen Riß in der Haut davon zu tragen."
Als Talleyrand und die Jntriguanten gesiegt und Alle-
geebnet hatten, hielt Ludwig XVIII. an demselben Tage,
an dem Napoleon nach seiner Absetzung auf Elba landete
seinen feierlichen Einzug in Paris. (4. Mai 1814.)
Deutsche- Reich.
— Am 3., 4. und 5. d. MtS. fand in B ü h l die
landwirthschaftl. Ausstellung de- OoSgaue«
statt Dem Feste wurde di« schönste Weihe dadurch erlheilt,
daß Seine König!. Hoheit der Großherzog den vorher huld-
vollst zugesagten Besuch ausführte und am ersten Festtag«

Inserat« von Auswärts nehmen für «n» auch entgegen
von K. KtSL-ardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin,

li. Zur Legitimität.
Der Brief des Kaisers von Rußland an
Don LarloS gibt der ultramontanen und feudalen
Presse Veranlassung, den Schritt des Czaren als eine ret-
tende That deS LegitimilätsprinzipS zu preisen und die aus-
schweifendsten Hoffnungen daran für ihren Hauptliebling,
den Grafen Chambord, zu knüpfen. Sie steht darin
mit einem Worte eine Rückkehr zu den Traditionen von
1814 und ist der naiven Meinung, als hätten die damaligen
Riesenanstrengungen der Befreiungskämpfe lediglich den Zweck
gehabt, gestürzte Fürsten und weggeworfene Dynastien wieder
in ihre „angestammten" Rechte einzusetzen. Wie sehr in-
dessen der reaktionäre UltramontanismuS dabei die geschicht-
liehen Thatsachen verkennt, mag aus folgender historischer
Darlegung erhellen, deren Inhalt, wenn auch in wissenschaft-
lichen Kreisen genügend b kannt, gerade in unseren Tagen
eine weitere Verbreitung i» größere gesellschaftliche Kreise
verdient.
Er war keineswegs von Anfang an ausgemacht ge-
wesen , daß mit dem Sturze des gewaltigen Heerfürsten
Napoleon die alte Dynastie von selbst wieder an die Spitze
Frankreichs gestellt werden solle; vielmehr waren die Bour-
bonS an den europäischen Höfen halb jn Vergessenheit ge»
ratheN und bei der französischen Nation selbst in Mißkredit
und Verachtung. Die Höfe hatten sich von ihnen abgewandt
von dem Momente an , in dem die preußisch-österreichische
Invasion in Frankreich zur Herstellung des legitimen König-
thumS im Jahre 1782 gescheitert war; die Verachtung der
Nation gegen die alte Dynastie geht auf dieselbe Zeit zurück,
in der die Brüder Ludwigs XVI. an der Spitze der Emi-
gration die Waffen der Fremden gegen das Vaterland her-
beiriefen und die Fürsten Europas über die wahre Gesin-
nung deS französischen Volkes in eine unhei volle Täuschung
zu verstricken verstanden. Ganz Frankreich wußte, daß alle
feindseligen Maßregeln und Manifeste des Auslandes in
jenen Tagen da- Werk der bourbonischen Prinzen und ihrer
Anhänger waren, wie das Schreiben des Kaisers Leopold
an die Fürsten, die Erklärunq von Pillnitz, das berüchtigte
Manifest des Herzogs von Brannschmeig u. s. w. Unier
der kraftvollen und glänzenden Regierung de» Konsulats und
deS Kaiserreichs, die dem Natioaalcharacter der Franzosen
so enispreyend war, mußten die schwächlichen Bourbons
vollends in Vergessenheit gerathcn und ihre Ansprüche konn-
ten nur als etwas höchst Lächerliches erscheinen. Auch bei
dem Einsturz des napoleonischen RiesengebäudeS war eS nur
ein kleine- Häuflein Getreuer, das in Frankreich an die
Wiederherstellung der alten Dynastie dachee, und ihre sehn-
lichsten Wünsche möchten Wünsche und Träume geblieben
sein, wenn nicht besondere Umstände ihnen Gewicht verliehen
und ihre Erfüllung veranlaßt hätten.
FruiUrtlttl.

Zie Waöen.
(Fortsetzung.)
Ein Aufschrei entfuhr ihrer Brust. Ihre Augen starrten
auf den leblosen Körper desjenigen, mit dem sie noch wenige
Stunden vorher im Wirthshaus der Coucourde zusammen
getrunken hatten. Nun kamen ihtien alle Einzelheiten wieder
ins Gedächlniß. Der plötzlich unwiderstehliche Gedanke, welcher
ihren Geist durchschnitt, wie der Blitz die Finstern ß erleuchtet,
war stärker als ihre Klugheit — die instinkiive Klugheit des
Bauers — und alle drei, ohne weiter nachzudenken, murmelten
den Namen des Jakob Boucard.
Von einer Art Angst ergriffen, als fürchteten sie selbst
angegriffen zu werden, liefen sie in das Dorf zurück und
machten Lärm. Bald lief das schwarze Gerücht von Thor
zu Thor.
Simon Dernou hatte noch einen Vater, alt und schwach,
welcher mit ihm wohnte und in seinem Sohn die Stütze
seines Alters hatte. Die Familie war zahlreich: in einer
Gemeinde von dreihundert Seelen ist Jeder mehr oder weniger

mit dem Andern verwandt. Obgleich die widersprechendsten
Gerüchte über den Ursprung deS von Simon mitgebrachten ,
Geldes verbreitet waren, hatte er doch die Zungen zum !
Schweigen gebracht. Man war endlich stolz auf dieses Kind
deS Dorfes, welches mit einer militärischen Haltung und mit
einem geheimnißvollen Schatz wiederkam. Jeder, der sich mit
den Einwohnern der Dörfer oder kleinen Städte familiar-sirt
hat, weiß, wie gern sie diejenigen hoch schätzen, welche Ver-
mögen machen, und wie plötzlich der Mann, den sie als
Taugenichts behandelten, als er arm war, eine geachtete
Persönlichkeit wird, wenn er reich geworden.
Die Bestürzung war allgemein; die Verzweiflung deS
Vaters, da« Geschrei der Nachbarn, der Schmerz der Ver-
wandten richteten sich im Voraus in Verfluchungen und Wuth-
ausbrüchen gegen den Mörder. Dieser Mörder, man nannte
ihn noch nicht laut, aber man glaubte ihn schon zu kennen;
alle Welt klagte ihn an.
Mit Ausnahme der Protection des Herrn vdn Esterac
wußte man nichts, rein garnichts über die Vergangenheit des
Jakob Boucard.
Er war Fremder, also verdächtig, Waldauffehtt, also
verhaßt. Vor sechs Monaten war er angekommen und sofort
erfuhr man. daß er Susanne Servaz liebe, di« Tochter eine»

alten Krämer« von Dillefort, dessen Geiz zehn Meilen im
Umkreis sprichwörtlich war. Die schöne und leidenschaftliche
Susanne erwiderte die Liebe JakobS. Eie hatte eine Tante,
welche im Forsthause zu Mercoire Pförtnerin war — sie be-
nützte diesen Umstand, um hier häufige Besuche zu machen.
Man sah sie oft m»t Jakob spazieren gehen, ohne daß sie
e« verhehlte.
So gingen die Sachen während der ersten Monate:
Jakob wohnte in einem Försterhäuschen und Susanne kam
und ging und gab den alten Weibern von Fontames Gelegen-
heit zum Schwätzen, welche sagten: Wie wird daS enden?
Aber mit der Ankunft Simon Vernou'S veränderte sich
die Dekoration des Theaters. Susannen begegnen, von ihrer
Schönheit geblendet sein, nach Villefort gehen« von Andreas
Servaz seine Tochter verlangen, seine Thaler klingen lassen,
den alten Geizhals durch dieses unwiderstehliche Argument
gewinnen, nach FvntäNrS als stolzer Triumphator zurückkommen:
Das war für Simon daS Geschäft weniger Wochen.
Don diesim Augenblicke an waren, wie man sich denken
kann, diese drei Personen der Anziehungspunkt für die ganz«
Gegend geworden.
Wird Simon Bernou begünstigt, ja besti mmt vom Vater,
hie Tochttr heirathen? Wird Susanne in ihrer Liebe zu
 
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