Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

DOI chapter:
Oktober (No. 116 - 129)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0507

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag!
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

MwOimr WochmiilM

Viertels. Abonnement.
Filr's Wochenblatt 51 kr
Unterhaltungsblatt 12 kr.
I n s er a t e
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Amtsverkündigungsötatt für den Mezirk Schwetzingen.
Badische H o p se n) e i L u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Nheinpsalz.

«o. 127.

Dienstag, 27. Oktober 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenssein L Mogler, Rudolf Masse und H. L. AauSe ^ Ho., Süddeutsche Annonceu-Krpeditiou
von H. Stölkhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Zläger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Bestellungen
Da dische Hv Pf en ze i 1 u n g, für die Monate Novem-
ber L Dezember, nehmen noch alle Postanstalten, sowie
Taschenboten und ZUlungslräger entgegen.

ans das „Schtve-
tzinger Wochen-
blatt,

* Der „Sommernachtstraum der Ultra
montanen."
Es wurde früher von der ultramontanen Presse wie-
derholt darauf hingewiesen, daß in der katholischen Partei
alle politischen Richtungen vertreten sein könnten,
wenn nur in kirchlichen Dingen die Einheit des Katholizis-
mus festgehalien werde. Und in der Thai man war iw
Stande, eine, wenn auch sehr bescheidene Zahl von Männern
zu nennen, bei denen jene Behauptung zutraf, wie z. B.
Probst in Württemberg, der neben seiner gemäßigt ultra-
montanen Farbe die Abzeichen der Demokratie trug, oder
der frühere Abgeordnete Hosius aus den Rheinlands, der
politisch den Naiionalliberalen, kirchlich den Uliramontanen
angehörte. Auch kann ferner nicht geleugnet werden, daß
in den 30er und 40sr Jahren die sonst kirchlich gut katho-
lische Rheinprovinz zugleich der Sitz des Liberalismus im
preußischen Staate war, gleichwie in Belgien bei dessen
Losreißung von Holland die uliramontanen und liberalen
Elemente nicht blos Hand i» Hand gingen, sondern so viel-
fach in einander verwachsen waren, daß eine scharfe Grenze
nur sehr schwer zu ziehen gewesen wäre.
Das ist nun ganzanders geworden und wir haben
allen Grund, uns der Klärung zu freuen, wie sie im ultra-
montanen Lager in jüngster Zeit stattgefunden hat. Mit
dem entscheidenden Sieg der Jesuiten während und nach
dem Konzil ist jede andere politische Richtung als die der
weitestgehenden absolutistischen Reaktion
in der ultramontanen Partei eine pure Unmöglichkeit. Nimmt
man irgend ein ultramonianes Blatt' zur Hand, so ist es
fast zur Hälfte mit der Verherrlichung des D o.n Karlos
und dem göttlichen Rechte des Grafen Chambord ange-
füllt, und selbst der Abg. Lender wird trotz vielfachen
Kokeltirens mit demokratischen Phrasen sich nicht herausneh-
men dürfen, in Unzhurst oder in sonst einer großen Intel-
ligenz- und Handelsstadt des schwarzen Landsturms dieABour-
bons als abgethane Leute zu behändeln. Darüber
ist kein Zweifel möglich: wie seit der Unfehibarkeitserklärung
die katholische Kirche im äußersten Absolutismus gipfelt, so
können die Uliramontanen auch im politischen Leben kein
anderes System mehr dulden als den alten, auf die starr-
sten Konsequenzen des Legitimitätsprinzips bosirien Verfas-
sungslosen Royalismus, der die moderne Geschichte hinter

die französische Revolution zurückschraubt und die Völker als
willenlose, von Geistlichen u. Despoten geleitete Heerde betrachtet.
Wie könnte es da anders sein, als daß bei solchen
Grundanschauuugen des Uliramontanismus der bitterste
F e i n d d e s D e uts ch e n Reiches werden muß,
das zu all' jenen Roccoco-Herrlichkeiien aus der Zeit Lud-
wigs XIV. im diametralsten Gegensätze steht. Was
sollen also die Versicherungen der Reichsfreundlichkeit bedeuten,
wenn man in der gesammien ultramontanen Presse, von der
„Germania" bis herab zum „Pfälzer Boten" alle kleinen,
scheinbar zu solchen herausgeputzten Mißerfolge der deutschen
Politik höhnisch registrirt und die Hoffnung auf Vernich-
tung des Deutschen Reiches so klar aus allen Zeilen ul-
tramontaner Leitartikel und Rundschauen herausgucken läßt!
Don Karlos, König von Spanien, in Folge dessen auch
Portugal den Miguclisten zur Beule werdend, Frankreich
unter dem Szepter Chambords, der wo möglich den Don
Karlos adopiirt; der naturgemäße Rückschlag dieser Vorgänge
auf das stammverwandte Italien, wo die Bourbons gleich-
falls ihre Rückkehr feiern und der Papst Siadt und Gebiet
zurückerhält, — welch' schöne Perspektive in dieser Vereini-
gung des Romanismus zur Demüthignng des lief verhaßten
Deutschlands und seiner brutalen Wissenschaft, die nicht nach
Lourdes gehen und ihre Geistesheroen, Kant, Lessing,
Hegel und wie sie alle heißen, den blutenden Jungfrauen
welscher und schwäbischer Zunge nicht zum Opfer bringen
mag! Aber ihrer Sache nicht sicher, ob die Welschen allein
der Kraft der deutschen Faust gewachsen sind, neigen sich
die Uliramontanen jeden Tag dreimal vor dem C z a r e n,
Alles vergebend und vergessend, was er der katholischen
Kirche schon Uebles zugefügt, nur um eines Tages den
Triumph zu erleben, daß die Kosake n und Turkos
im Herzen Deutschlands sich brüderlich die Hand und die —
Schnapsflasche reichen!
Damit aber nichts dem Gelingen deS Werkes fehle und
die Maschen desNetzes sich immer enger über dem Deutschen
Reiche znsammenziehen, Hai ma nicht blos den wenig be-
deutenden Mittelstädten Dänemark, Holland und Belgien auch
noch eine Rolle in dem Drama zucpiheill, sondern Vor Allem
soll Oesterreich als unerläßlicher Faktor eines glücklichen
Ausganges in Betracht gezogen werden. Kan» es doch dem
aufmerksamen Beobachter längst nicht mehr entgehen, daß
kaum irgendwo größere Anstrengungen hinter den Coulissen
gemacht werden, als in Wien, um das gemäßigt liberale
Ministerium zu stürzen und an dessen Stelle die von der
„Germania" und anderen ultramontanen Blättern veröffent-
lichte Kandidatenliste der „abgetakelten Exzellenzen" zu setzen.
Hat es schon in Berlin manche Mühe gekoste!, die feudalen
Gegenströmungen in den obersten Regionen zu beseitigen, so
sind die Schwierigkeiten in dieser Beziehung in der Wiener

I'ruillrton.
^>ie Hlaöen.
(Fortsetzung.)
10.
Während dieser drei Monate war die Neugier stets wach
geblieben. Die tragische Episode war in Aller Munde. Von
Alais bis Wende und von Vigan bis Florac sprach man von
nichts als von Jakob und Susanne. Durch die Presse kam
sogar das Drama bis nach Paris.
Inmitten der zahllosen Erörterungen, welche den Ver-
handlungen am Assiscnhofe vorhergingen, dachte Niemand
daran, zu fragen, ob Jakob Boucard unschuldig war: er
war schon überführt. Was das allgemeine Interesse weckte,
was alle eleganten Damen und alle empfindlichen Seelen
der Provinz für ihn stimmte, das war nicht die Möglichkeit
seiner Unschuld und Alles, was diese Aussicht an moralischen
Torturen mit sich führte, e- war im Gegentheil der Umstand,
daß der Mord durch die Liebe begangen, es war hauptsächlich
das Auftreten Susannens, die energische Figur dieses schönen
jungen Mädchens, von welcher Favernay mehrere Male in

den Salons gesprochen Halle, und welche vielleicht vor Ge-
richt irgend eine überraschende Nackrich! Vorbringen könnle.
„Wenn die Geschworenen," fügte er galant hinzu, „ent-
zündbar sind und wenn des Mädchen auf dieselben ihre großen
schönen Augen heftet, wie eine zürnende Vestalin, dann ist
cs um meine Rednerkunst geschehen."
Ein einziger Mann im ganzen Lande inieressirie sich
für Jakob, nicht aber wie für einen romantischen Verbrecher,
sondern wie für einer, wackeren und ehrcinverthen jungen
Mann; es war Herr von Esterac. Derselbe hatte als Amme
Madelcinc Boucard gehabt, von welcher Jakob das siebente
Kind war. Ohne anderes Vermögen als sein Gehall, war
es ihm nicht möglich gewesen, diese arme Familie so zu unter-
stützen, wie er es wünschte. Aber als die alte Madelcine
sterberd ihn gebeten hatte, etwas für ihren jüngsten Sohn
zu thun, welcher damals ein schöner, kräftiger Knabe von
zwölf bis dreizehn Jahren war, da hatte Herr von Esterac
sich verpflichtet, ihn in der Forstverwalttmg unttrzubringen,
und er hatte sein Wort gehalten.
Unglücklicher Weise war er, der sich sonst nie entfernte,
gerade abwesend; er hatte wenige Tage vor der Ermordung
Simon Vernou's einen Urlaub von zwei Monaten erhalten.
Diesen Urlaub verlebte er auf Corsika, wo er ein weites Feld

Hofburg noch ungleich größer und der aristokratisch-klerikale
Einfluß ist dort noch fast ungebrochen. Die Pendlope-Ar-
beit des Kultusministers Siremayr, welcher sich Gesetze
geben ließ, deren ernstliche Ausführung tagtäglich unbesieg-
baren Schwierigkeiten unterliegt, gibt hiefür sprechendes Zeug-
niß. Die nächste Zukunft wird uns vielleicht rechtfertigen,
wenn wir einen demnächst in Fluß kommenden ultramon-
tanen Siurm in Oesterreich weissagen, weil erst über dem
gefällten Stamm des verfassungstreuen Ministeriums A u-
crsperg-Lasser das „Lera-SW I'iiikaniö" gegen Kaiser
und Reich in Deutschland mit Erfolg geschleudert werden
kann, wenn nur die lodernde Flamme der Aufregung in
den katholischen Landen Deutschlands bis dahin vor dem
Zusammen sinken zum Aschenhänfchen bewahrt wird.
So hochfliegend sind die Pläne der Uitramontanen
und so zuversichtlich die Hoffnung ans deren Gelingen, daß
sie ungeachtet des höchsten Greisenalters Pius IX. die Pro-
phezeihung kühn in die Welt schleudern: der Papst stirbt
nicht, ehe er den Triumph der „Kirche" geschaut.
Ans allem dem ergibt sich, daß der Uttramonianismns
in seiner neuesten Gestaltung vaterlandslos ist. Wird es
doch in unseren Tagen keinem Ultramonianen mehr einfal-
len, sich jemals die Frage vorzulegen, was dem eigenen
Vaterlande fromme, sondern stets nur, was der Kirche von
Nutzen sei; sie allein ist Alles, was-ihm lieb und theuer
ist, und wie die Sprache und Denkweise seiner Mitbürger
ihm fremd und lästig werden wird, so ist sein Herz für alle
Ideale der Menschheit, die diese in Freiheit, Vaterland und
Bürgerlugend findet, verhärtet und verknöchert, und der
Ultramoniane, der von den Pflichten gegen das Vaterland
reden wollte, gibt sich dem Spotte seiner Gesinnungsgenos-
sen preis, als ein lächerlicher Schwärmer, der nicht mehr
auf der Höhe ihrer Zeit steht. Sind doch die Uliramon-
tanen nur höchstens noch Patrioten nach Umständen, d. h.
eben nur dann, wenn das Interesse des Vaterlandes zu-
fällig einmal mit dem der Kirche zusamnenfällt! Damit
haben sie aber auch zugleich mit den wahren konservativen
Interessen, deren Hort zu sein sie stets versicherten, von
Grund ans gebrochen und schwanken nun mit ihrem Schiff-
lein unstät hin und her zwishen den Sandbänken des Feu-
dalismus und der Sozialüeniokeatte, bald hier, bald dort
eine Landung versuchend. Indem sie sich feindlich und
trotzig dem Staalsgedanftn gegenüber stellen und im Bunde
mii allen staatsfeindlichen Elementen und auf das Herein-
breche» des Chaos speknüren, laufen sie aber Gottlob auch
Gefahr, in nicht zu ferner Zeit von ihrem treuesten Ver-
bündeten, dem Bauernstände, verlassen zn werden, wenn di c-
ser erst, müde der Hetzereien, erkannt hat, daß es sitz nur
uni eine Machlfrage zwischen Kaiser und Papst handelt, bei
der Letzterer aller feindlichen Mähte unseres Vaterlandes
'fand, seiner Leidenschaft für die Jagd nachzugehen. Von
seinem'Departement erhielt er keine Nachrichten.
Ais ec zurückkam, war das Unglück geschehen. Sein
Schwager, der Untersuchungsrichter, konnte ihm nur die Er-
eignisse erzählen, welche Jakob in das Gefängniß von Wende
geführt hatten.
Mit der öffentlichen Meinung war es so bestellt,
daß man ausgelachi worden wäre, hätte man behaupten
wollen, daß der Waldhüter nicht der Mörder Simon
Vernou's wäre.
Ein solches Verbrecher-Raffinement konnte dem Sohne
der guten Madelaine nicht zugenntthel werden, diesem braven
jungen Manne, welcher immer das Herz aus der Hand ge-
habl hatte. Es mußte da irgend ein gerichtlicher Jrrlhum
obwalten, welchen man erst dann entdecken würde, wenn es
zu spät wäre — das war Esteracs Meinung.
Unwillkürlich hätte Herr von Ribisre nichts Besseres
gewünscht, als die Meinung seines Schwagers zu iheilen.
Aber die Augepscheiiilichkeit der Thaisachen und die Resultate
der Untersuchung stritten dagegen. Favernay und alle Anderen
versicherten die Schuld Jakobs.
„Noch mehr," fügten sie hinzu; „es sind fast drei
Monate seit dem Morde vergangen; noch einige Tage und
 
Annotationen