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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Juli (No. 78 - 89)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0331

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Kadi
Allgemeiner Anzeiger


H o p s c n i e i t u n g.
die basische und bayerische


bi». 83.

Donnerstag, 16. Juli 1874.

Inserate von Auswärts nehmen siir uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaascnstcin L Mogler, Mndolf Waffe und H. T- Jauste L Ko., Süddeutsch« Anueu-chrpedltio«
von tz. Stöckiiardl in Franksurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Die Sozialdemokratie und die Freiheit
des Geistes.
Zu allen Zeiten sind die wirklich .edlen Charaktere
unter den sozialistischen Schwärmern überzeugt gewesen, daß
ihre Systeme vie wahre Freiheit in der Menschheit pflanzen
würden und so oft ihre Theorien in die Wirklichkeit um-
gesetzt wurden, hat sich regelmäßig gar bald das gerade
Gegentheil, die schlimmste Knechtung der Geistesfreiheit,
herausgestellt. Der Sozialismus unserer Tage wartet sogar
seine praktische Verwirklichung gar nicht erst ab um bis zu
diesem Punkte einzuschreiten. Als eines der werthvollsten
geistigen Besitztümer gilt der ganzen gebildeten Welt die
Freiheit der Konfession. Wir Deulsche zumal sind stolz
darauf, die nur durch das einzige Gewissen gebundene sub-
jektive Freiheit stets hochgehalteu zu haben, und unser
Hauptverdienst um die Kultur der Welt ist kein anderes,
als dieses, daß wir in dem furchtbarsten Bürgerkriege, der
je ein Volk verheerte, dein Prinzip der Glaubensfreiheit so
zu sagen die völkerrechtliche Sanktion erstritten. Wohl; ist
unser großes politisches Gemeinwesen an unfern religiösen
Kämpfen zu Grunde gegangen; aber ein guter Trost ist es
allezeit gewesen, daß gerade auf dem Fundamente der
konfessionellen Spaltung, auf der Grundlage der Parität
der Bekenntnisse, in Deutschland sich jene freiere Geistes-
bildung entwickelte, die unser Volk gerade zur Zeit seines
tiefsten politischen Verfalls in mehr als einer Beziehung
zum Vornehmsten Kulturvolle der Welt gemacht hat. Erst
in den letzten Jahrzehnte» ist der uralte Feind der Freiheit
des Glaubens wieder kühner und kühner ins Feld gerückt
und heute ist das unmöglich Geglaubte nicht mehr zu be-
zweifeln: die römischen Heerschaaren sind entschlossen, in
neuen Strömen von Blut die Weltgeschichte hinter den
Westphälischcn Frieden zurückzudrängen. Und siehe da, als
ihr Bundesgenosse erscheint von der entgegengesetzten Seite
her ein neuer Feind: die Sozialdemokratie. Die Marbmr-
ger Mitglieder der Bebel-Liebknecht'schen Partei beantragen,
daß in das Parteiprogramm der Satz ausgenommen werde:
„Alle Parteimitglieder haben sich als konfessionslos zu be-
trachten und demgemäß aus der Landeskirche auszuscheiden."
„Haben sich als konfessionslos zu betrachten"!! Auf
Kommando haben die Bürger des zukünftigen „Volks-
staates" ihre religösen Anschauungen und Gefühle abzuthun!
Wir gewöhnliche Sterbliche haben bisher geglaubt, daß es
des Menschen unveräußerliches Grundrecht sei, seine religiöse
Konfession allein mit sich selbst zu regeln. In dem von
der Sozialdemokratie verheißenen Reiche der Freiheit aber
wird über die Konfession durch Befehl von oben herab ver-
fügt, und nicht einmal durch Befehl der Kirche, sondern
der weltlichen Gewalt. Kein Zweifel der „Volksstaat"
wurde die Menschheit mit einer Knechtung des Geistes be-
glücken, welche die Leistungen des von den Ultramontanen

erstrebten „Kirchenstaats" wo möglich noch übertreffcn
würde. Mögen Ultramontanismus und Socialismus ein
wirkliches Bündniß schließen oder nicht, man sieht, ihr
nächstes Ziel ist dasselbe. Und darum, ist auch der Kampf
gegen beide der gleiche: der Kampf für die Freiheit des
Geistes, für die theuersten Erungenschaften unserer natio-
nalen Gefchichte, für die höchsten Güter der menschlichen
Kultur.
Detttsches Reich.
, 15, Juli. Der „Franks. Presse"

wird aus Karlsruhe geschrieben: Durch den Umstand, daß
S. M. der Kaiser die Tour von Offenburg nach Konstanz
diesmal nicht wie sonst über Freiburg, Basel, sondern über
Hausach-Hornberg-Tryberg - Villingen-Donauefchiiigen-Singen
nahm, wird Anlaß sein, daß die Reisewelt in wirksamster
Weise auf zwei Strecken dieser Linie aufmerksam gemacht
wird, welche zu den interessantesten Deutschlands gehören.
Da ist einmal die Strecke Haujach-Sommerau, welche so-
wohl landschaftlich als technisch ihres Gleichen sucht, sodpnn
die Streck- Engen-Singen-Radolfzell durch das herrliche
Hegäu mit seinen vulkanischen Bergen und dem majestäti-
schen Hintergründe des schwäbischen Meers und den Alpen.
Die von Sr. Maj. so vorgezeichnete Nur verdient die allge-
meinste Beachtung. Man kann hier innerhalb ganz kurzer Heit
sehen: die eigentlich Schwarzwaldnainr, Tracht, Gebävlich-
leiten, Wirthschaft und Industrie, den Tryderger Wasserfall,
das staunenswerthe Ucberjchreiten der Sommerau (im Win-
ter ischl'S dort kalt, im Sommer au!) das interessante,
baulich noch ganz im Mittelalter steckende Villingen, Donau-
eschingen mit der Donauquelle, den herrlichen Fürstenbergi-
schen Sammlungen; Pfohren mit seinem Wasserschloß, wo
Kaiser Karl der Dicke ertrank; Neidingen, die prachtvolle
Gtäblage der Fürsten von Fürstenberg; dann durch das
Hegau fahrend die sagenumwobenen Berggipfel ain Hok en-
höwen, Hohenstoffeln, Hohentwiel rc. re., die alterthümlichen
Städtchen Engen, -' Singen, Radolfzell und endlich Las
stolze ncuaufdlühende Konstanz und die liebliche Mainau,
wo der Großherzog gegenwärtig Hof hält. Es wird nicht
wohl eine zweite Tour im Reiche geben, wo auf so kurzem
Zwischenraum so viel der Schönen und Interessanten; in
Natur, Kunst, Industrie und Geschichtlichem zusaminenge-
drängt ist. — In Pforzheim sieht es in den industriellen
Kreisen ziemlich trübe aus. Ein Theil der Arbeiter hak in
den Fabriken gar nichts mehr zu thun, ein Theil nur noch
3 Tage in der Woche und noch weniger. Die beschäfti-
gungslosen Arbeiter, haben sich bereits an den Gemeinde-
rath Pforzheim mit der Bitte um Verwenvung bei städti-
schen Arbeiten gewendet und solche auch erhalten. In
Karlsruhe hat der Arbeiterführer Dceesbach aus Düsseldorf
im Laufe der vorigen Woche wieder zwei Versammlungen

gehalten mit demselben Erfolg bezw. Mißerfolg wie früher.
Hiesige Arheiterfreunde traten seinen haltlosen Behauptungen
kräftig entgegen. Mit welchem Effect känn man nicht
sagen, da sich die Herren Agitatoren in ihre Listen und
Mitgliederverzeichniffe natürlich nie blicken lassen. Wenn
sich die darbenden Pforzheimer Arbeiter übrigens an den
verächtlichen Ton erinnern wollten, in welchem die Socia-
listen stets von Sparen und Erübrigen sprachen, so könnten
sie einen lehrreichen Einblick in die wahre Natur dieser
Heilswahrheiten thun.
Karlsruhe, 13. Juli. Kaiser Wilhelm ist heute früh
mittelst Dampfboot von der Insel Mainau nach Lindau ab-
gereist. Derselbe wird bis dahin von dem Großherzog und
der Großherzogin von Baden begleitet.
Konstanz, 13. Juli. Am Samstag Aachmittag machte
der Kaiser in Begleitung der Großh. Familie auf dem
„Kaiser Wilhelm" eine Lustführt auf dem Bodensee. Gestern
besuchte Se. Majestät gegen Abend mit der Großh. Familie
die Stadt auf kurze Zeit und wurde bei seiner Rückkehr
auf der Mainau vom Gesangverein „Bodan" mit einem
Ständchen empfangen. Der Vorstand deS „Bodan", Herrn
Grießer, hielt eine warme Anrede an den Kaiser, wofür
dieser ihm, sowie für die ausgezeichneten Leistungen der
Sänger. Dank sprach. Sodann unterhielt sich Se. König!.
Hoheit der Großherzog mit mehreren Mitgliedern des „Bodan"
und wurde letzterer schließlich bewirthet. Heute Morgen nach
8 Uhr reiste Se. Majestät auf dem Dampfböot, „Kaiser
Wilhelm", über Lindau nach München sind von dort nach
Salzburg, Ischl und Gastein. — Heute Montag früh.
7 Uhr 40 Min. reiste Seine König!. Hoheit der Erbgroß-
Herzog Friedrich von Baden, von Mainau kommend, Per
Eisenbahn wieder nach Karlsruhe.
Kisstngen, 13. Juli, S Uhr Nachmittags.
Bismarck wurde soeben bei eiyer Fahrt zur
Saline dyrch einen Schütz an der rechten Hand
verwundet. Der Thäter, ei» Banernbnrsche,
wurde sofort verhaftet. Derselbe wäre betznahe
gelyncht worden. Es herrscht furchtbare Auf-
regung.
Kisstngen, 13. Juli, Fürst Bismarck befindet sich
Wohl. Er fuhr bald nach dem Attentat in Begleitung des
Grafen Pappenheim durch die Stadt und zeigte sich der Be-
völkerung. Die Verletzung, nicht an der rechten Hand, viel-
mehr am Vorderarm, ist unbedeutend.
Kisstngen, 13, Juli. Das Attentat auf den Fürsten
Bismarck wurde nach den jetzt feststehenden Ermittelungen
durch einen Böttchergesellen aus Magdeburg,,Namens Kull-
maim, verübt. Derselbe ist Mitglied des katholischen Ge-
sellenvercins in Salzwedel und wurde mehrfach in verdäch-
tigem Verkehr mit einem katholischen Priester gesehen.
Kisstngen, 13. Juli, Abends. Fürst Bismarck be-


Aer Armenarzt.

Elftes Kapitel.
(Fortsetzung.)
Ihm war es genug, wenn er in ihr dunkles Auge bli-
cken konnte, wenn dieses Auge auf ihm ruhte; ihn erfüllte
es mit entzückenden Schauern, wenn sie seine Hand dankend
drückte und ihn ihren Retter nannte. Das waren die Momente,
für die er lebte, sonst war der ganze Tag ihm leer und
nichtssagend. Auch heute hatte er den Vorsatz, um die Mit-
tagstunde sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen, aber
nicht allein um als Arzt zu ihr zu kommen, sondern um
in einer andern ernsten Angelegenheit mit ihr zu sprechen.
Er wollte sie fragen, ob sie ihr Loos mit dem seinigen ver-
binden möchte, ob sie ihm ganz angehören wolle. Das war
ein Schritt, den er sich vor einigen Wochen kaum zugetraut
hätte.
Wir finden Dr. Feldmann wieder in der Nähe des
Dammthors, er saß auf dem Sopha, vor ihm auf einem
Fauteuil der Vater der jungen Dame, während diese sich bei

dem Blumentisch zu schaffen machte. Im Anfang hatte Dr.
Feldmann über verschiedene Tagesfragen gesprochen, dann
kam die Rede auf die glückliche Cur, der Vater sagte, wie
er ihm für das Leben seiner Tochter dankte und nicht wüßte,
in welcher Weise er ihm erkenntlich sein könnte.
„Sie wissen nicht, wie ich meine Tochter liebe," sagte
der Vater, „wie ich alles thue, was sie will, wie mir ganz
allein daran gelegen ist, ihr Glück zu begründen. Nicht wahr,
Emilie?" wendete er sich zu ihr.
Emilie erröthete und antwortete nicht.
„Und was würden Sie für das Glück Ihres Kindes
halten?" fragte Dr. Feldmann. „Würden Sie ihr in aller
und jeder Beziehung freien Willen lassen?"
„Das versteht sich," entgegnete der Vater, „sie kann
wünschen, was sie will, ich werde nicht dahegen sein," bei
diesen Worten blickte er Dr. FeldmaNn eigenthümlich an,
kniff das eine Auge ein wenig zu und fixirte ihn mit dem
andern, als wenn er sagen wollte: „wir verstehen uns,
Freundchen."
Dr. Feldmann fühlte sich nicht ganz angenehm von
diesem Blicke berührt, aber er wendete sein Auge auf die
Angebetete seines Herzens, als ob er sie fragen wollte: und
wem ich Dich begehre und wenn Du mich liebst, würde

Dein Vater auch diesen Wunsch erfüllen, dieser Wunsch, der
nicht der Deine allein, der auch der meinige ist?
Emilie hatte diesen Blick wohl bemerkt, allein sie wandte
das Gesicht ab und neigte es über die blühenden Hyacinthen,
welche künstlich gezogen, bereits im März ihre duftenden
Kronen entfalteten.
Emiliens Vater stand auf und entschuldigte sich mit
irgend einem nichtssagenden Grunde, als wollte er absichtlich
den Beiden Gelegenheit zur Unterredung geben.
Kaum hatte er sich entfernt, als Dr. Feldmann auf-
staad und mit raschen Schritten auf Emilie zuging, ihre
Hand erfaßte und ihr in daS Auge sah, das sie scheu vor
ihm niederschlug.
„Emilie ," sagte er , „mir war es vergönnt. Sie dem
Leben wieder zu geben, darf ich nun dieses Lessen für mich
in Anspruch nehmen ? Darf ich fragen: liebst Du mich so,
wie ich Dich liebe, daß wir Beide eins sein möchten für
alle Zeiten, wirst Du mir dann sagen, mein Leben gehört
Dir?"
Emilie schwieg, ihr Herz klopfte hörbar, sie rühmte sich
nicht, sondern schien wie in einer Erstarmng versunken.
(Fortsetzung folgt.)
 
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