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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Mai (No. 52 - 63)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0211

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Allst
ememer
Anz
eiger für die badische i
md bayerische Rheinpfalz.
M. SS.
Dimflüg, 5. Mai 1874.
VIII» Jahrgang.
Inserate von Auswärts n
von G. StSckchardt in
ehincn für uns auch entgegen die Amwncen-Bureaux von Kaassrrstern L Wogter, Anbots Wosse und <5, L. Janöe L tzo-, die Süddeutsche Annoncsn-Grpeditrou
Franksnrt, Stultgnrt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Mger'sche Eentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Baden, nnc Versuchsstalion.
In der am 28. April der Berathung des Kirchenge-
setzes gewidmeten Neichslagssitzung nannte der Abgeordnete
für Meppen, Windlhorst, Baden eine Versuchsstation
im Kampfe des Staates gegen die Kirche.
Hierauf anlwortete demselben der bad. Bundescommissär,
Ministerialpräsioent v. Freydorf, mit folgender Rede: Hoch-
geehrte Herren ! Ich wollte im Interesse der Schonung Ihrer
Zeit und um mich nicht zweimal zum Worte melden zu müssen,
die Apostrophe, welche der Herr Abgeordnete für Meppen
an die Adresse Badens gerichtet Hai, erst beantworten, nach-
dem der von ihm angekündigte Abgeordnete für Baden die ge-
machten Vorwürfe näher begründet hatte; nachdem es aber
unwahrscheinlich ist, daß dieser zweite Redner noch zum Worte
kommt, müssen sie mir einige kurze Worte der Erwiederung
erlauben. Der Herr Abgeordnete für Meppen hat Baden
als eine Versuchsstation in diesem gegenwärtigen staatlich-
kirchlichen Kampfe bezeichnet. Ja, meine Herren, Baden
war eins Versuchsstation, aber in einem anderen Sinne,
als der Hr. Abgeordnete für Meppen gebraucht Hai. Die
Kurie ihrerseits hat für gut befunden, Baden insbesondere
im Kampfe gegen die deutschen Regierungen und Gesetzgeb-
ungen, in dem Kampfe, der vor 25 Jahren begann, zu^vähten.
Als man in Rom Enoe der 40er Jahre Umschan hielt,
wo die Hebel am günstigsten einzusetzen seien, fand man,
daß Baden gegenüber der Macht der katholischen Kirche ein
verhälinißmäßig kleiner Staat sei, daß es ein in seiner
jetzigen Gestaltung veehätinißmüßig junger Staat sei, dem
kürzlich erst früher katholischen Regierungen zugehörige
Gebiete zugetretcn waren, in welchen noch gewisse
Sympathien für die früheren Regierungen vorhanden
waren; man hat gesunden, daß sich in Baden
für den kirchlichen Kampf das Verhältniß der Bevölkerung
sehr günstig stellte, daß Baden zu zwei Dritteln aus Katho-
liken bestand und zu einem Drittel aus Protestanten, und
daß den Katholiken leicht glauben zu machen war, daß die
Regierung, an deren Spitze ein protestantischer Fürst stand,
eine protestantische, eine ketzerische Richtung einschlagen würde.
Baden war also eine Versuchsstation für Rom. Wir haben
die Versuche ausgehalleu, obgleich wir 20 Jahre in dem
Kampf ziemlich allein standen, obgleich die ganze Macht der
Kirche, welche in dem übrigen Europa damals noch Frieden
hielt, gegen Baden gewendet werden konnte. Der Versuch
ist gescheitert, und die ganze Agitation Hai zur Folge gehabt,
daß wir uns nach und nach eine bessere Gesetzgebung ge-
schaffen haben, als welche im Beginn des Kampfes bestand.
Ich will, damit Sie sehen, wie gründlich aufgeräumt' wurde,
damit der Hr. Abgeordnete für Meppen erfahre, wie sehr
wir darauf hielten, unser kirchliches Hoheitsrecht zu bewahren,
mir erlauben, die Gesetze nur kurz mit Titeln anzugeden,
welche seither entstanden sind, und — ich glaub- hierin auf

keinen Wiederspruch zu stoßen, auch nicht von Seiten der
basischen Mitglieder der Zentrumsfraktion — welche bei uns
heute in ganz fester und ausnahmsloser Uebung sind. Es
sind dies folgende Gesetze: über die rechtliche Stellung der
Kirche und kirchlichen Vereine im Staate vom Jahr 1860;
über die Ausübung des Erziehnngsrechts in Bezug ans die
Religion der Kinder; über die Verwaltung des katholischen
Kirchenoermögens; über die bürgerliche Gleichstellung der
Israeliten; über oen Elementarunterricht; die dazu gehörigen
Verordnungen über die Aufsichtsbehörden der Volksschulen;
über die Lehr- und Erziehungsanstalten der Privaten und
Korporationen; über Aenufsichtignng und Leitung des Schul-
wesens ; die Gesetze über Rechtsverhältnisse und Verwaltung
der Stiftungen; über Beurkundung des bürgerlichen Standes
und die Förmlichkeiten bei Schließung der Ehe. Alle diese
Gesetze sind in ruhiger und ausnahmsloser Uebung.
Der Herr Abgeordnete hat den Ausdruck „Versuchs-
station" in anderer Richtung gebraucht p wir sind an diese
Vorwürfe gewöhnt. Es ist schon früher der badischen Re-
gierung vorgeworfen worden, von Seiten der Diplomaten
der alten Schulen: es sei dies ein experimentalionslustiger
Staat, und manches Land, dem ein solcher Staatsmann
angehörte, hat seitdem die Experimente Badens nachgeahmt.
Um Ihnen aber zu beweisen, daß wir nicht als Versuchs-
station für Preußen in diesem staatlich-kirchlichen Kampfe ge-
dient haben, möge mir der Herr Abgeordnete füc Meppen
ein urZuinsntnm nä Iioinirmin erlauben. Zu der Zeit als
der kirchliche Kampf in Baden begann, als wir zu Verhand-
lungen über ein Konkordat kamen und diese Verhandlungen
abbrechend das Verhältniß der Kirche zum Staate auf dem
Wege der Gesetzgebung ordnelen, war ein sehr achtbares
Mitglied der ZenttumSfraktion preußischer Gesandte in Baden.
Ich werfe keinen Schatten auf die amtliche Wirksamkeit die-
ses Herrn, mit dem ich die Ehre habe, persönlich bekannt zu
sein und mit dem ich, wie ich glaube, noch in freundlichen
Beziehungen stehe, aber Sie werden mir zugeben, daß, wenn
Preußen uns in diesem Kampfe als Versuchsstation hätte
benutzen wollen, wahrscheinlich ein anderer Gesandter nach
Karlsruhe geschickt worden wäre. (Sehr richtig!) Der Hr.
Abgeordnete für Meppen hat die badischen Zustände in ei-
nem sehr düsteren Lichte geschildert, hat uns einen nahen
Untergang prophezeit. Auch diese Propyezeihungen sind uns,
wenn es überhaupt eine zuständige Stelle für Prophezei-
ungen gibt, von zuständigerer Seite als von der seinigcn
s schon zugekommen. Ich glaube versichern zu können, daß
wir uns anerkanntermaßen in Baden guter Zustände erfreuen,
und wenn mir — darauf ist schon von einem meiner Herren
Kollegen hingewiesen worden — eines Rezeptes für Wahr-
ung unserer Hoheitsrechte bedürfen, so werden wir uns nicht
an einen Arzt wenden, an dessen Rezepten seine Patienten
untergegangen sind. (Heiterkeit.)

Es ist die Ausgabe einzelner Milglieder der Mitte die-
ses Hauses, hier und da fremde Regierungen, mächtige Staaten
— ich will sagen Frankreich, Rußland, Oesterreich — ge-
gen Deutschland mißtrauisch zu machen und zu reizen. Es
scheint die besondere Ausgabe deS Hrn. Abgeordneten für
Meppen zu sein, Drachenzähne unter die Mitglieder des Bun-
desraths zu steuern (sehr gut! links) und es scheint nach
dem Tone, welchen er heute und wiederholt angeschlagen,
daß es ihm sehr unangenehm ist, daß die Saal nicht in
kämpfenden Männern aufgeht. (Sehr gut!) Allein ich kann
aus meiner Kenntniß der Zustände in Baden und Süddentsch-
land bezeugen, daß, wenn es einer Befestigung der Reichstreue
noch bedarf, nnd wenn etwas noch beitragen kann, die Reichs-
treue in Süddeuischland zu befestigen und zu stärken, es die
Wahrnehmung ist, daß Preußen und das Reich in den Kampf
zur Abwehr der Uebergriffe und Anmaßungen der katholischen
Hierarchie eingctreten sind. (Bravo! links; Zischen im
Zentrum.)

Neueste Post.
Aerlin, 1. Mai. Graf Arnim ist hier eingetroffen.
Nach der „Post" wird derselbe zunächst ins Privatleben zu-
rücktrelen.
München, 2. Mai. Die Stadt Wasserburg in Ober-
bayeru ist seit gestern durch einen verheerenden Brand zu zwei
Drittheileu in Asche gelegt. Das Rathhaus und die Kirche
sind mit verbrannt. Das werthvolle Gemeindearchiv ist
gerettet. Vom Kriegsministerium wurde auf Ansuchen eine
Pionierabtheilnng abgesendet. 24 Feuerwehren waren bei
der Löscharbeit thätig.
Konstanz, 1. Mai. Auch am See war nach der „Konst.
Zig." der Schaden, den die Nacht vom 29. auf den
30. April an den Bäumen, besonders Nußbäumeu und
in den Weinbergen angerichtet hat, nach den einlansenden
Berichten aus nächster Nähe von hier und nach eigenem
Augenschein nicht unerheblich. Je weiter der Weinstock durch
die vocaufgegangene geradezu heiße Witterung seine ersten
Triebe entwickelt halte, desto mehr hat er Schaden gelitten.
Die Triebe und Blätter sind wie abgebrüht. Birn- und
Zwetschgsnbaumülüthe sind nichtsehr geschädigt und die Apfel-
blülhe gar nicht.
Wien, 1. Mai. Die amtliche „Wiener Zeitung" meldet :
Nach offlciellen Telegrammen der ungarischen Regierung haben
die Obstbäume und Reben im größten Theile von Ungarn
durch das Frostwetler empfindlich, dagegen die Saaten nur
wenig Schaden gelitten. Die Gerüchte von einer Zerstörung
der Ernlehoffimngen sind hiernach jedenfalls übertrieben.
Wem, 2. Mai. Die militärische Occnpaiion von Bris-
lach im Jura ist aufgehoben worden, jedoch bleibt eine Com-
pagnie aus Piquet gestellt.


Der Armenarzt.
Roman aus dem Leben einer großen Stadt
von I. Steinmann.
Viertes Kapitel.
Eva.
(Fortsetzung.)
Das „kräftige" Essen dampfte in den Tellern. Die
Mutter richtete sich in dem Bette aus'und konnte, wenn auch
mit Mühe, den nahe gerückten Tisch erreichen, Eva setzte
sich an den Tisch und Lea „probirte" das Gericht aus ei-
ner großen Unterlasse, zu der die Obertasse längst nicht
mehr vorhanden war.
Als das frugale Mahl eingenommen war, begann Eva
einige neue Blumenarrangements zu beschreiben, die sie
für reich- Damen anfertigle. „Ach," schloß sie, „wer doch
auch so glücklich wäre, solche Sachen zu tragen."
„Glücklich?" fragte die Mutter ernst. „Glaubst Du,
daß in bunten Flittern das Glück wohnt? O nein, mein
Kind, oft dient der kalte Prnnk nur dazu, das tiefste Weh

im Herzen zu verdecken. Wie manche fröhlich lächelnde
i Tänzerin möchte lieber laut aufwsinen und die glänzenden
Perlen aus den Haaren schleudern, als vor der versammelten
Gesellschaft unbefangene Heiterkeit affeciiren. Und die größte
Qual sind die leisen, halblauten Stimmen, die ihr
überall zuflüstern: „„Wie muß die Dame glücklich sein.""
Und das ist das tiefste Leiden im Unglück, nicht nach Mit-
leid flehen zu dürfen."
Eva blickte vor sich nieder, ihr wollte diese Auseinan-
dersetzung nicht behagen, weil sie ihr gerade jetzt nicht paßte.
Nach einer Weile begann sie:
„Aber es ist doch gewiß ein Glück zu nennen, tu mun-
terer Gesellschaft zu sein, sich im Hellen Kerzenschein nach
dem Tacte der Musik zu wiegen —"
„Mein Kind!" rief die Alte plötzlich. „Was ist Dir?
Welche Ideen sind Dir mit einem Male gekommen? Seit
wann bist Du nicht mehr zufrieden mit dem Loose, das
Dir Deine Mutter bietet? O, mein armes Kind, sei zu-
frieden, hasche nicht nach einem bunten Schimmer, der Dir
das Glück zu sein däucht. Bleibe wie Du bist, zufrieden
mit dem, was Dir das Schiksal beut. Hat es dereinst klare
Tage und Sonnenschein füc Dich, wird es nicht an Dir
vorüber gehen. Drum sei zufrieden."

Die Alte blickte kummervoll vor sich nieder
„Ich Hab' es mir denken können." murmelte sie leise,
daß es einst so kommen würde. Wie wird es werden, wenn
dies Herz erst stille steht, da es schon bei den langsameren
Schlägen sein Ein und Alles — das Kind — nicht einmal
halten kann?"
„Ich bin ja auch zufrieden," sagis Eva nach einer
Pause. „Nur mitunter möchte ich auch einmal mit den
Andern hin nnd mich amüsiren wie sie. Es muß doch gar
zu schön sein."
„Mit welchen Anderen, mein Kind?"
„Nun, ich will es gerade heraussagen. Ich habe von
dem Vetter der Madame Behrens ein Billet zum Conccrt
und Ball geschenkt erhalten und da Madame mit ihren beiden
Töchtern auch hingeht und mich miinehmen will, sollte ich
Dich um Erlaubniß für heute Abend bitten."
„Du willst zu Ball?" fragte Lea überrascht.
„Mein Kind, und wenn Du auch hinwolltest, Du Haft
ja doch Nichts auzuziehen."
„O," rief Eva, „Mathilde Behrens und ich sind ganz
von derselben Größe und da die beiden Schwestern heute
Abend Rosa anziehen, kann ich Mathilden's weißes Mull-
! Neid geliehen bekommen- (Fortsetzung folgt.)
 
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