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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Oktober (No. 116 - 129)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0487

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Amtsverkündigungsbtatt für den Wezirk Schwetzingen.
Ka-ische Hapsen^eitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische

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die viergespaltme
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-armaadjetle S kr.


«o. 122.

Donnerstag, 15. Oktober 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate vo« Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasensteiu L S-gler, Nndoks Waffe und ch. <4. Aauve L Go., Süddeutsche Annoncen-Krpeditiou
von K. StSLstÜrdt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Aager'sche Eentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

* Exbotschafter Arnim.
Auch' in zweiter Instanz hat das Berliner Kam-
mergericht da? Gesuch um vorläufige Freilassung des Gra-
fen Arnim aus der Haft abgelchnt. Von dieseny>Augen-
blick an muß selbst die feindseligste Parteitaktik schweigen und
ihre Animosität gegen Fürst v. Bismarck in dieser Frage
einstellen. DaS Berlins Kammcrgericht genießt einen Ruf
der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, an den man nur zu
erinnern braucht, um jeden Verdacht gegen eine seiner Ent-
scheidungen zu veruriheilen. Wenn das Kammergericht ge»
gen die Freilassung Arnims entschieden hat in den Stadium
der Voruntersuchung, wo eine Freilassung nichts Ungewöhn-
liches wäre, so ist man, ohne Genaueres zu wissen, anzuneh-
men berechtigt, daß gewichtiger Anlaß zu einer gerichtlichen
Prozedur vorhanden sein müsse. Aber wenn nichts vorläge
als daß in der Kanzlei der deutschen Botschaft in Paris 50
oder 100 amtlich gebuchte Urkunden fehlen, welche an den
ihnen angewiesenen Platz zu schaffen mehrere Monate ver-
geblich versucht wurde, so muß ein ernstes Einschreiten gegen
den Urheber des Verlustes derselben, gerade ein um so wohl-
thuenderes Beispiel von unparteilicher Pflichtforderung dar-
stellen, je höher die Stellung des Pflichtvergessenen in Staat
und Gesellschaft gewesen ist. Dieses Beispiel wird durch den
ganzen Staatsorganismus auf eine Reihe von Jahren hinaus
die wohltätigste Wirkung auf Ordnung und Zucht auszuüben
nicht verfehlen.
So angesehen — und so muß der vorliegende Fall an-
gesehen werden — hat sich an der Willkür und Eigenmäch-
tigkeit eines der höchsten Beamten gerade die Zucht, Ord-
nung und gesunde Kraft der obersten Stufe der Regierung
in Berlin augenscheinlich und glänzend bewiesen. Ob die
Gerichte für den Grafen ihren Wahrspruch schließlich auf
Schuldig oder Nichtschuldig fällen, ist vorerst für den das
Auswärtige Amt verantwortenden Kanzler eine untergeord-
nete und vollständig offene Frage gewesen: Der Kanzler hat
geklagt, weil er es für Pflicht gehalten und das Gericht mag
enischeiben nach der Führung seines Gewissens. DaS ist
sö korrekt, daß es korrekter nicht sein könnte und eS stellt
dem Gerechiigkeitsfiun kein gutes Zeugniß aus, wo man dem
Fürsten Bismarck diesfalls nur Leidenschaft vorzuwerfen weiß.
Wenn man endlich erfährt und erwägt, was die „Köl.
Mg." andeuiet, daß es auch dem Kaiser persönliche Ueber-
windung gekostet hat, einem hochgestellten Staatsdiener die
Folgen einer gerichtlichen Anlaffung nicht ersparen zu kön-
nen, und daß der Kaiser die Neigung der Pflicht und das
Gefühl der Sympathie dem Bewußtsein von der Nothwen-
digkeit der Zucht unterzuordnen nicht angcstanden hat, so ist
eS das Siegel auf das Zeugniß einer kerngesunden und sich
allseitig klaren Regierung.
Auch die „Times" hat sich jetzt über den vorliegenden
Fall hören lassen. Sie spricht sich mit Entschiedenheit gegen

die seit dem Krieg 1870 eingeriffene Praxis mancher Staats-
männer aus, mit diplomatischen Aktenstücken persönliche Po-
litik zu machen. Sie.nennt Benedetti, Gramont, Rouher
in Frankreich, Lqmarmora in Italien Und bemerkt:
Es wäre tramig, wen» es sich auSweisen sollte, daß
dieses Laster endlich selbst in den treuen Reihen deutscher
Staatsmänner um sich gegriffen hätte. Wir hoffen, daß
sich kein englischer Staatsmann eines solchen Verfahrens
schuldig machen könnte, und wir rechnen zuversichtlich darauf
daß die gesunde öffentliche Meinung in allen Ländern und
in allen diplomatischen Korps dergleichen in jeder Gestalt
alS im höchsten Grade unehrenschaft verwerfen wird.
Die „Saturday Review" schließt einen Exkurs über
Arnims Verhaftung mit den Worte» :
Falls die vorgebrachten Thaisachen wahr seien, verdiene
derselbe nicht das geringste Mitleid, und die deutsche Regie-
rung statuire ein nützliches Beispiel, indem sie zeige, daß sie
ein politisches Vergehen auch bei einem hochstehenden Manne
nicht übersieht. Ob der Schritt weise und zweckmäßig, könne
wahrscheinlich Bismarck allein beurtheilen.
In französischen, vorgeblich wohlunterrichteten Kreisen
kursirt die Ansicht, schreibt die „Köln. Mg.", dpß eS dem
Grafen v. Arnim unmöglich sei, die Papiere, welche er an
sich genommen zurückzuerstatlen, weil er sie in Paris in
Verwahr gegeben und die, welche sie in ihrem Besitz haben,
sie nicht ausliefern wollen. Von fast allen Blättern aber,
sie mögen Bismarck noch so leidenschaftlich beurtheilen, wird
als Thalsache konstatirt, daß Arnim eine dem Kanzler ent-
gegengesetzte Politik vertreten und die Interessen seiner Re-
gierung dadurch nicht gefördert habe.
Zu der gleichen Angelegenheit endlich bemerkt das "Pe-
tersburger Journal" :
Die Weigerung des Hrn. v. Arnim konnte in Berlin
mit gutem Grunde wenigstens als ein Akt der Unbotmäßig-
keit betrachtet werden, den man nicht hingehen lasten durfte
und cs scheint uns in der That, daß Hrn. von Arnim in
seiner Lage und mit Rücksicht auf da« seit einiger Zeit —
vielleicht gegen seinen Willen — über ihn in Umlauf be-
findliche Gerücht, nichts besseres hätte thun können, als die
von ihm verlangten Dokumente auszuliefern, vorbehaltlich
einer nachträgliden Reklamation, wie rr eS jetzt bei seiner
Verhaftung gethan hat.
Was würde wohl aus dem Staatsdienst, wenn es je-
dem in demselben thätigen Beamten frei stände, nicht nur
den Augenblick seines Ausscheidens zn wählen, sondern auch
das Vertrauen zu mißbrauchen, dessen er genossen hatte, und
das nothwendigerweise ein desto größeres war, je höher der
bekleidete Posten stand!
In Verbindung iriit der Affaire Arnim wurden alle,-
lei Gerüchte über auSzebrochene Ministerkrisis, Uneinigkeit
zwischen Bismarck und dem Staatssekretär v. Bülow in Um-

lauf gesetzt, an denen kein wahres Wort ist. Bülow ist von
Varzin in Berlin eingetroffen und hat die Geschäfte des Aus-
wärtigen Amts wieder übernommen.
Graf Hary Arnim wurde nun gestern zufolge der von
den Gerichtsärzten bestätigte Krankheit nach dem Kranken-
haus Schöneberg bei Berlin, wo ihm 3 Zimmer hrrgerichtet
wurden, verbracht. Arnims Lage wird nun von Tag zu
Lag verwickelter. Es ist, wie man erzählt, eine Anklage ge-
gen ihn beim auswärtigen Amt eingelaufen, die von einem
welfisch-ultramontanen Soldschreiber, herrührt. Dieser lite-
rarische Strolch hatte sich, einem guten Hörensagen zufolge,
bei Arnim einzuschleichen verstanden, und was er vom Ex-
Botschafter erfahren hatte, schien ihm wichtig genug.gm es,
in Aussicht auf gute Bezahlung, gleich an maßgebender Stelle
nicht erst auf den mühsamen Umwege literarischer Bearbei-
tung, zu verwerthen. Nichts ist wahrscheinlicher, als daß
der jetzt gegen Arnim eingeleitete Prozeß nur das magere
Vorspiel einer Anklage schwerster Art bildet. Arnim soll
oft schon zu erkennen gegeben haben, daß er in der Welt
seines Umganges nicht allzu wählerisch sei. Durch seinen
ullramontancn Schwager v. Savigny, kam er wahrscheinlich
im Verkehr mit seinem jetzigen Ankläger, überhaupt in eine
Gesellschaft, wo von Bismarck wie von einem Spießgesellen
und vom deutschen Reich wie von einem Staaten-Konglome-
rat gesprochen wird. Seiner ganzen Veranlagung nach ist
Arnim ein Gentlemann und darum der allgemeinen Achtung
werih, allein sein Wesen zeigt nicht genug charaktervolle Fe-
stigkeit, sonst würde er dem Zudringlichen, der sich in sein
Vertrauen einzuschleichen suchte, bei der ersten Bemerkung
die Thür gewiesen haben.

Deutsches Reich.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben sich vermöge höch«
ster Entschließung vom 17. v. Mir. gnädigst bewogen gefunden, die
Stelle des ständigen Gehilfen (Hof-Baukondukteurs) als zweiten Beam-
ten de» Hof-Bauamte» dem Baupraktikanten Julius Pecher dahier
unter Bekleidung de» Titel» .Hofbaumeister' zu Überragen.
— Der Reichstag wird sich in seiner bevorstehenden
Session mit einer Petiion, ansgehend von 300 Weinprodu-
zenlen und Weinhändlern Deutschlands, zu beschäftigen haben.
Dir Pententen verlangen, daß auf die von Frankreich nach
Deutschland gehenden Weine ein höherer Zoll als bisher ge-
legt werde. In der ausführlichen Motivirung heißt er u. A.:
daß durch den niedrigen Zoll, welcher auf den französischen
Weinen lastet, der Konsum in denselben in Deutschland immer
mehr zunimmt, während derjenige der deutschen ÄheinweinS
in stetiger Abnahme begriffen ist. Auf deutschen Weinen
ruht bei der Ausfuhr ein erheblich hoher Zoll, so daß das
Exportgeschäft durch die eintretende Konkurrenz bedeutend er-
schwert wird. Wie der „B. B.-C " hört, werden sich die
Abgeordneten der Rheinpfalz und des RheingaueS der Petition

Feuilleton.

Sie Aaö-n.
(Fortsetzung.)
Gegen Abend kamen die GenSd'arme von Mllefort mit
dem Polizeicommissar und einem Arzt. Man hatte sofort
nach Mende zum Untersuchungsrichter geschickt, der jedoch erst
den nächsten Tag kommen konnte.
' Gedrängt durch die Verwandten und Freunde des Opfers
begab man sich sofort nach dem von Jakob bewohnten Häus-
chen. Hier und da erkannte man Fußtritte und Spuren,
das Getreide war niedergeireten, kleine Zweige waren abge-
brochen. Bei jeder neuen Entdeckung wurden die Blicke immer
finsterer, die Bewegungen immer drohender.
Wer mit den ländlichen Bevölkerungen in täglichen Ver-
kehr lebt, wird die Beobachtung gemacht haben, daß die soziale
Ordnung, das Eigenthum, das menschliche Leben keine größeren
Hüter haben, als bei denjenigen, welche am wenigsten be-
iheiligt scheinen, sie zu vertheidigen. DaS von einem der
Ihrigen begangene Verbrechen findet bei dem Volke einen
unbeugsamen Richter und nöthigenfall« einen scharfen Rächer.

Die Armuth, die Leidenschaft oder das Unglück des Schuldigen
finden keine Entschuldigung. Hier gilt noch das ursprüng-
liche Gesetz: Auge um Auge, Zahn um Zahn!
Die Zungen begannen sich zu entfesseln und der Polizei-
commiffarS konstatirte die Thatsachen, als man Jakob erblickte-
welcher aus dem Walde zurückkam.
Das war der Funken, welcher die Mine springen machte.
Ein wilder Schrei ertönte wie aus einem Munde:
„Da ist der Mörder! Der ist'S, welcher Simon getvdtet
hat! Tod dem Wasiertrinier! Tod!"
Jakob, verdutzt beim Anblick des Gerichts, der GenSd'armen,
des Arztes, des Volkes, glaubte erst, daß bei seinem Hause
ein Verbrechen begangen wäre, und daß man von ihm
Näheres darüber erfahren wolle. Eine Sekunde später aber
erkannte er, daß es sich um ihn selbst handle. Er wurde
aretirt.
„Spiele nur den Erstaunten!" rief map ihm zu.
„Gestern Abend hast Du weniger geheuchelt, als Du Dich
verweigertest, mit dem armen Simon zu trinken — aber
vor seinem Leichnam, niederträchtiger Mörder, sollst Du
sprechen!"
„Sein Leichnam! Simon ermordet, todt!" — Jetzt
wurde ihm Alles klar. In einem Augenblick durchlief feine

Einbiidungkraft den Weg, welchen die Umstehenden eben ge-
macht hatten. Der Unglückliche fühlte, daß aller Schein gegen
ihn war. ES wurde ihm plötzlich wie Einem, der Alpdrücken
hat. Er sah die Gefahren, den Feind und das Unglück,
aber die Kräfte, die Stimme, die Bewegung versagten ihm,
um sie von sich abzuschütteln.
Jakob Boucard fand nicht ein Wort, um den entsetzlichen
Verdacht von sich abzuwälzen. Auf seinem finstern Antlitz
malte sich ein Befremden, welches das Auge eines Beobachters
leicht hätte täuschen können. Seine Angst, sein Erbleichen,
sein Stillschweigen schienen ihn fast zu verurthcilcn.
„Tod!" schrie die Menge.
Für den Augenblick mußten die GenSd'arme» und der
Commiffar ihre Uniersuchung ein wenig unterbrechen, um
Jakob gegen diesen ersten Ausbruch der Volkswuth zu
schützen. Er wurde vorläufig in seinem Hause eingeschloffen
und von zwei Gensd'armen bewacht. Die übrigen gaben
sich alle möglich« Mühe, die drohende Menge zu zer-
streuen.
Man weiß, daß diese „Blauräcke," (wie sie das Volk
nennt) keinen getingen Eindruck auf dir Bauern ouSüben.
Diese Hüter bcS Gesetzes find oft die letzte Religion der un-
! Gläubige» Gesellschaft.
 
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