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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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April (No. 39 - 51)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0191

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Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«». 4«. Donnerstag, 23. April 1874. VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen fllr uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaaseilffcin L Nogkcr, Rudolf Waffe und K. Dauöe L Ho., die Süddeutsche Aunouceu-Grpcdition
von ß. Slöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ASger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Die criminelle Strafbarkeit des dokofen
Gontractbmchs.
Ueber die criminelle Strafbarkeit des dolosen Contract-
bruchs hat der berühmte Criminalist, Geheimer Rath Dr.
v. Wächter in Leipzig, auf Verlassung eines befreundeten
Reichstagsmitgliedes, ein Rechtsgutachten abgegeben, dessen
Hauptsätze folgendermaßen lauten:
„Nach allgemeinen Principien oder, wenn man so will, nach
der Natur der Sache ist meiner Ansicht nach Strafe zulässig
und rechtlich geboten, sobald ein begangenes Unrecht der Art
ist, daß zur Bekämpfung des widerrechtlichen Willens, des
Schuldigen und zur Sanction der bestehenden Rechtsordnung
und zur Genugthuung für das verletzte Recht der bloße civil-
rechtliche Erstattuugs- und Ersatzzwang nicht hinreicht. Dieser
Grundsatz, von dem auch wohl im Wesentlichen unsere Gesetz-
geber ausgehen weiden, bestimmt die Grenze zwischen dem
strafbaren Unrecht und dem sogenannten Civilunrecht.
Wendet man diesen Grundsatz auf die Frage an, ob bei
doloser Verletzung oder Nichterfüllung einer privatrechtlichen
Verbindlichkeit Strafe gerechtfertigt ist, so ist die Frage für
die Regel zu verneinen. Denn in den meisten Fällen dieser
Art und überhaupt der dolosen Verletzung einer Obligation
oder der Weigerung ihrer Erfüllung wird die civilrechtliche
Reaction (Zwang zur Erfüllung und zum Esatz des Ver-
mögensschadens) genügend sein zur Repression des widerrecht-
lichen Willens und zur Genugthuung für das verletzte Recht.
Allein dieses ist nicht ohne Ausnahme der Fall. Es
gibt Fälle doloser Verletzungen einer Obligation, in welchen
es klar ist, daß die civilrechtliche Reaction nicht ausreicht, um
den Anforderungen des Rechts, somit den Aufgaben der Gesetz-
gebung zu genügen. Zu diesen Fällen gehört nach meiner
Ueberzeugung unter andern namentlich der Fall Ihrer Frage,
besonders in unseren Zeiten. Der Arbeiter, welcher unwill-
kürlich seinen Vertrag bricht und den von ihm übernommenen
Verbindlichkeiten dolos sich entzieht, wird durch sein doloses,
widerrechtliches Verfahren seinem Arbeitgeber große Verlegen-
heiten, Störungen in dessen Geschäften nnd einen in der
Regel nicht unbedeutenden und. je nach der Zeit des Con-
tractbruchs und den concreten Umständen bei demselben,
oder wenn es in einer Mehrzahl geschieht, sehr empfindlichen
Schaden zufügen. Daß gegen ein solches Verfahren des
Arbeiters das Gesetz reagiren muß, kann keinen Zweifel leiden.
Aber die bloße civilrechtliche Reaction würde hier in keiner Weise
genügen; das Verweisen auf diese Reaction allein würde in
den meisten solcher Fälle eigentlich ein wahrer Hohn sein.
Denn die civilrechtliche Reaction würde nur darin bestehen,
daß man den contractbrüchigen Arbeiter mit Gewalt dem
Arbeitgeber wieder zuführt und ihn zwingt, die Arbeit bis
zum Ablauf der Contractszeit fortzusetzen, und ihn zum Ersatz
deS durch seinen Worlbruch entstandenen Schadens anhält.

Aber das erstere würde sich, abgesehen von andern großen
Bedenken, welche dagegen sprechen, in den wenigsten Fällen
ohne strenge Strafen bei Widersetzlichkeit des Arbeiters durch-
führen lassen, auch zu keinen für den Arbeitgeber ersprieß-
lichen Resultaten führen. Das Recht auf Schadenersatz aber
wird in den meisten Fällen ganz illusorisch sein, da, von
Anderem abgesehen, der Arbeiter in den weitaus meisten
Fällen gar nicht im Stande sein wird, den angerichteten
Schaden zu ersetzen. Es ist daher in solchen Fällen die
strafrechtliche Reaction durchaus uöthig und durch die Be-
deutung des verletzten Rechts und die Intensität des wider-
rechtlichen Willens des Verletzers nach dem Rechtsbegriff völlig
begründet. Ganz besonders ist dieses aber in unfern Zeiten
' der Fall. Die Arbeiter genießen jetzt, ganz anders als in
den frühem polizeilichen Zeiten, mit vollem Rechte eine sehr
ausgedehnte Freiheit; sie sind selbst zu den Strike befugt,
wenn sie nicht dabei eines Zwanges sich schuldig machen oder
einzelne Teilnehmer contracibrüchig sind. (Schluß folgt.)

Neueste Post.
Aertitt, 19. April. Es verlautet in den Hofkreisen,
^ daß der Kaiser sich bereits ungefähr am 15. Mai nach Wies-
^ baden begeben und erst nach einem kürzeren Aufenthalte da-
selbst die Kur in Ems beginnen w rde. Voraussichtlich wird
sich sein Leibarzt Dr. Lauer nicht in seiner Begleitung be-
finden können, da derselbe noch in der Reconvalescenz einer
schweren Krankheit ist. Im Falle, daß seine Wiederherstel-
lung in der gedachien Zeit nicht erfolgen sollte, wird der
Generalarzt Dr. Grimm den Kaiser begleiten. —- Prinz
Karl wird am 25. Mai sich ebenfalls zu seiner alljährlichen
Kur nach Wiesbaden begeben.
Wern, 20. April. Bei den Wahlen zum Großen
Rath im Kanton Neuenburg wurden 90 Radikale und 11
konservative gewählt. I, der Stadt Bern sind die Con-
servativen vollständig durchgefallen. Aas dem Land sind
- die Wahlen zum Rath meist liberal ausgefallen.
— Bei der gestrigen Abstimmung über die Annahme
der Bundesrevision stimmten nach dem jetzt bekannten Ge-
sammtresultat ^/s mit ja, ffs mit nein. In der Abstimmung
der Stände haben 14J/z Kantone für, 7^/s Kantone gegen
die Annahme gestimmt.
— Die Bundesverfassung ist angenommen. Mit Ja
stimmten 280,000, mit Nein 141,000 Bürger. Ferner
stimmten für die Verfassung 13ffs Städte, also die Majo-
rität
Wertt, 21. April. Der Bundesrath hat aus Was-
hington, Rom, Frankfurt a. M. , Stuttgart, Bremen und
andern Städten telegraphische Beklückwünschungen zur An-
nahme der Bundesrevision erhalten.
Wayonne, 20. April. Nach einer hier eingegangenen

carlistischen Depesche hat Don Carlos am 16. d. ein eigenes
Ministerium mit General Elio als Kriegsminister, Vinalet
als Minister der auswärtigen Angelegenheiten und Grafen
Pinal als Minister des Innern und der Finanzen gebildet.
Die Depesche fügt hinzu, daß eine Schlacht bevorstehe.
St. WeLersöurg. 20. April. Das Eis der Newa
beginnt sich in Bewegung zu setzen, der Thermometer zeigte
gestern 16 Grad Roaumur in der Sonne.
Washington, 20. April. Berichte an das landwirth-
schaftl. Departement melden: Der Stand der Weizen-
und Roggensaat in den Staaten der Union sei vor-
züglich und berechtige zu den besten Hoffnungen.

Deutsches Reich.
Werkin, 21. April. Reichstagssitzung. Erste Lesung
des Gesetzentwurfes, betreffend die Verhinderung der unbe-
fugten Ausübung von stirchenämtern. Bundescommissär Förster
(Director im preußische» Kultusministerium) motivirt die
Vorlage, in dem er betont, daß die Reichsregierung keinen
Kampf mit der katholischen Kirche, sondern nur mit jener
Richtung derselben führe, welche nach der Unterwerfung unter
das Uufehlbarkeitsdogma eine politische und staatsgefährliche
Agitation betrieben habe. Gegen jene seien die preußischen
Kirchengesetze gerichtet gewesen, deren Anwendung Lücken dar-
gelegt hätten, zu deren Ausfüllung der Entwurf dienen solle.
Letzterer entspreche nur einem vorhandenen Bedürfnisse, er-
biete allerdings eine schneidige Waffe, doch könne der Kampf
mit stumpfen Waffen nicht geführt werden.
Wiesbaden, 21. April. Gutem Vernehmen nach wird
Kaiser Wilhelm am 8. Mai hier eintreffen und einen Auf-
enthalt von 14 Tagen nehmen.

Locales.
* Schwetzingen, 21. April. Gestern Abend passirte
zwischen Eppelheim und Heidelberg ein Eisenbahn-Unfall, der
leicht schlimmere Folgen hätte haben können. Ein auf dem
Wege nach Heidelberg begriffenes Pfuhl-Fuhrwerk passirte
gestern Abend zwischen 10 und 11 Uhr, nachdem ein ba-
discher Güterzug vorübergesaust und der Bahnwärter, nicht
ahnend, daß ein Schnellzug Nachfolge, die Barriere geöffnet
hatte, den Heidelberger Bahn-Uebergang, als im selben Mo-
ment der verhängnißvolle Schnellzug der Main-Neckarbahn
daherbrauste, das Fuhrwerk erfaßte und beide Wagen mit einer
Wucht aus dem Bahnkörper schleuderte. Zwei auf dem Fuhr-
werke befindliche Personen erlitten hierbei leichte Contusionen
und befinden sich bereits im Spital in Heidelberg. Die
Pferde kamen glücklicherweise unverletzt davon, die Wagen
aber sind zertrümmert.
Keidekberg, 18. April. Hier hat sich ebenfalls, wie
in manchen andern Städten, ein Verein gebildet, welcher

Feuilleton.
Der Armenarzt.
Roman aus dem Leben einer großen Stadt,
von I. Stcinmann.
Drittes Kapitel.
Arm und Reich.
(Fortsetzung.)
„Ja," sagte er langsam nach einiger Zeit der Ueber-
legung, „schon seit drei, vier Jahren geht es mir so. Erst kam
cs langsam und dann immer stärker. Ah, zu Zeiten bin
ich ganz wieder frisch, ganz munter und stehe allein meinen
Geschäften vor. Aber wenn der Herbst kommt, wenn die
Nächte länger werden, dann weicht der Schlaf. Mir kom-
men dann allerlei Gedanken, — Sie werden verstehen, das
Geschäft, das Alter, die Sorgen — das Alles — —
Dann brach er wieder ab.
Feldmann hatte bemerkt, daß der alte Herr viel freier
und besser aussah, als er begann, von seiner Krankheit zu
erzählen. Es schien, als wenn er Vertrauen gefaßt habe.
Aber so bald er auf das Grundthema kommen sollte, waren
die Sätze wieder kurz und abgebrochen wie ihr Sinn.

„Ihre Nerven sind verstimmt und überreizt," sagte der
Doctor. „Sie bedürfen vor Allem der Ruhe. Und," fügte
er mit milder, aber fester Stimme hinzu, indem er sich er-
hob, „wenn irgend eine Erinnerung Ihnen die Ruhe nicht
gewähren will, suchen Sie sich inneren Frieden zu verschaffen."
Wagenberg blickte den Doctor eine Zeitlang starr, wie
geistesabwesend an:
„Auch Sie können mir nicht helfen," rief er in tiefem
Jammertone. „Nun ist meine letzte Hoffnung dahin."
Und er verhüllte sein Haupt mit den Weißen, zittern-
den Händen.

Viertes Kapitel.
Eva.
Dem herbstlichen Regenwetter folgten einige klare, tro-
ckene Tage. Freilich wurden die Tage immer kürzer und
nur vorübergehend waren die Sonnenblicke, die bald von
hohen Mauern und Schornsteinen abgehalten wurden, hier
und da mehr als eine kurze Visite zu machen.
Namentlich in dem X-Gange war die Sonne ein sel-
tener Gast, nur zur hohen Mittagszeit blickte sie einige
Minuten in die Fenster der oberen Etagen und verschwand
dann wieder.

In einer der Etagen, die im Hamburger Sprachge-
brauch den Namen „Sahl" tragen, wohnte die Wittme
Hellberg mit ihrer Tochter Cvangeline oder Eva, wie sie
kurzweg gerufen wurde.
Augenblicklich schien das schräg fallende Sonnenlicht
auf ein seitwärts im Zimmer stehendes Bett und zwar ge-
rade auf die welke», dürren Hände der Wittwc, welche in
ihrer Kränklichkeit bald das Bett hüten mußte, bald jedoch
wieder die Kraft besaß, auf einen Stock gestützt herum zu
wandeln und ihren Hausstand zu besorgen, so gut es denn
gehen wollte. Sie hatte die Hände gefaltet und auch die
Augenlider deckten die Augen, als wenn der Schlaf die Alte
im Gebete überrascht. Allein den Lippen, die hin und wie-
der zuckten, sah man es an, daß sie die Augen nur geschlossen,
um in ihrem Innern Bilder vorübergleiten zu lassen, viel-
leicht Erinnerungen aus alten Tagen.
Das Gesicht der Ulten war intelligent zu nennen. Die
Nase und der Mund waren fein geschnitten, die Stirne frei
und nur wenig gewölbt, die schon ergrauten Haare — jetzt
unter eine einfache Mütze gedrängt — waren noch jetzt üppig
und fielen, wo sie sich vordrängten, in natürlichen Locken
herunter.
(Fortsetzung folgt.)
 
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