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Amtsverkündigungsbtatt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische H o p se n) e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpsalz.
«o. 135.
Samstag 14. November 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Laasenlleil! L Aogl'er, Anbots Masse und K. L. Danke L Ko-, Süddeutsche Annsncen-Krpeditian
von H. StSLHardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Zäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
' Wochenschau.
Schwetzingen, 12. November.
Eine Korrespondenz der „Allg. Ztg." will wissen, daß
in parlamentarischen Kreisen von der Bildung einer Frak-
tion der Linken die Rede sei, welche sich aus dem so
oft genannten, aber noch niemals in bestimmter Umgrenzung
gesehenen „linken Flügel" der National-Liberalen und
den aus der Fortschrittsfraktion ausgetretenen Mitgliedern
deS Reichstags bilden werde. Auf eingezogene Erkundigung
kann die „Köln. Ztg." konstatiren, daß davon in parlamen-
tarischen Kreisen durchaus nicht die Rede gewesen ist und
weder die Gruppe, welche sich seit der Militärgesetz-Debatte
von den Herrn Richter und Genossen getrennt hat, noch
Mitglieder der nationalliberalen Fraktion an dergleichen denken.
Nach zuverlässigen Mittheilungen ist die Zusammensetzung
des vor einigen Tagen gewählten Vorstandes der national-
liberalen Fraktion ein getreues Spiegelbild der darin wal-
tenden Einigkeit, und deßhalb theilen wir hier die Na-
men mit, welche für die bisherigen Mitglieder durch Akkla-
mation angenommen wurden und bei den neu Hinzutretenden
mit der größten Mehrheit aus der Wahl hervorgingen. Den
Ehrenplatz verdient und nimmt ein der frühere Reichstags-
Präsident vr. Simson, der nach Niederlegung seines hohen
Amtes in den Schooß seiner Fraktion zurückgetreten ist. Die
anderen Namen sind; v. Bennigsen, v. Unruh, Stephani
Lasker, Miquel, v. Stauffenberg, Elben und Bamberger
Wie überhaupt auf dem Reichstage, können auch hier die
nichtpreußischen Elemente nicht über mangelnde Berücksichti-
gung klagen. Es mag noch erwähnt werden, daß Or. Elben
in die Stelle seines verlebten, vielbetraücrten schwäbischen
Landmanns, des Präsidenten v. Weber, an dem die natio-
nalliberale Partei ein treues Mitglied verlor, eingetreten ist.
Ein Wiener Korr, der „N. Zürcher Ztg." spricht die
Ansicht aus, daß der e ur o p ä i s ch e F r i e d e im Grunde
seit Langem nicht so verbürgt war, wie eben jetzt. Der Korr,
begründet dies durch folgende zutreffende Bemerkungen:
Zunächst muß man sich daran gewöhnen, die sogenannte
Drei-Kaiserpolitik als einen bestimmten Faktor der
europäischen Politik für heut und die nächste Zukunft stets
mit in Rechnung zu ziehen, wenn es sich um die Geschicke
Europa's handelt. Der Epoche einer w est m L ch t l i ch e n
Präponderanz ist die Periode des o st m ä ch t l i ch e n Schwer-
gewichts gefolgt und alle noch so fein angelegten Ver-
suche, an diesem Zustande etwas zu ändern, dies Verhält-
niß zu untergraben, sind verurtheilt an jener persönlichen
Freundschaft der drei Monarchen zu scheitern, von welcher
Kaiser Wilhelm mit so viel Genugthuung öffentlich Akt
genommen. Aber auch abgesehen davon, ist es dem kalt-
beobachtenden Politiker nicht entgangen, daß auch in Frank-
reich das rohe Revanche-Geschrei heißblütiger Massen schon
seit geraumer Zeit ruhigerer Ueberlegung hat Platz machen
müssen. Die maßgebenden Elemente in Frankreich, sowohl
die zur Zeit regierenden wie diejenigen, welche regiert haben
oder aber für frühere oder später Eventualitäten dort darauf
rechnen, sich der Herrschaft zu bemächtigen, sind gegenwärtig
von der totalen militärischen Unzugänglichkeit Frankreichs im !
Vergleich zu der Kriegsbereitschaft des Deutschen Reiches zu ^
vollkommen überzeugt, als daß sie auch nur im Geringsten ^
daran dächten, ^>urch ein tollkühnes HerauSfordirn dann ein ^
Spiel in Szene zu setzen, welches im besten Falle für Frank-
reich nur die Chance eines „cMlto ou äonbls" darböte.
— Das schweizerische Volk wurde vorige Woche durch
die Militärdebatte der Bundesversammlung i» einige Auf-
regung versetzt. Der Nalionalrath hatte den Rekrutenunter- ^
richt von '50 Tagen ans 45 vermindert und wollte die ^
Wiederholungskurse nur alle 2 Jahre mit je 16 Tagen !
anstatt jährlich mit 10 Tagen abgehalten wissen. Dieser i
Beschluß rief eine lebhafte Agitation hervor, welche darauf
abzielte, im Interesse der Widerstandsfähigkeit der Schweiz
ein Zurückgreifen auf die weüeigeheuden Anträge durch den
Ständerath zu veranlassen Der S ünderath hat dem aus
Volks- und militärischen Kreisen sowie durch die Presse leb-
haft verfochtenen Wunsche in der Thct Rechnung getragen,
indem er die nationalräthtiche Fassung entsprechend erwei-
terte. Ist es schon eine erfreuli .e Erscheinung, wenn ein
Volk sich freiwillig bereit erklärt, größere Lasten zur Ver-
theidigung des Vaterlandes zu übernehmen, als ihm ange-
sonnen werden, so hat dieser Vorgang für Deutschland noch
ein ganz spezielles Interesse. Wir können nur wünschen,
daß die schweizerische Armee jo tüchtig und schlagfertig als
möglich sei, um im Ernstfälle die Neutralität des Bundes-
gebietes zu verbürgen. Denn darüber kann weder im Reich
noch in der Schweiz ein Zweifel walten, daß letztere von
uns keinen Angriff zu befürchten hat. Wohl aber wird bei
einem künftigen Kriege zwischen Deutschland und Frankreich
die schon im vorigen hervorgetretene Gefahr noch näher
liegen, daß die Franzosen einen Durchbruchsversuch durch
den Berner Jura uno das Basler Gebiet planen könnte»,
sei es um einen Einfall in das Großherzagthum Baden zu
machen, sei es um bei einer etwaigen Belagerung von Bel-
fort die Belagerer im Rücken zu fassen. Es genügt darauf
hinzuweisen, welche weittragenden Folgen eine solche Diver-
sion im Januar 1871 hätte haben könne», um die Bedeu-
tung der schweizerischen Neutralität für das Deutsche Reich
klar zu machen. Ist die schweizerische Armee so beschaffen,
daß die deutschen Heerführer auf ihre Kraft vertrauen dür-
fen, so ist die Situation für uns viel günstiger, als wenn
wir unsere Offensiv-Armee um ein bedeutendes Truppen-
korps schwächen müssen, welches wir zur Sicherung der Bas-
ler Grenze brauchten. Die Bestrebungen zur Verstärkung
Feuilleton.
Pie Hlaöen.
, (Fortsetzung.)
In Jakob sah man jetzt nur einen Unglücklichen, welcher
dem Schaffst entkam, um eine noch grausamere Strafe zu
bestehen. Die traurigen Details, welche zu jener Zeit im
Bagno herrschten, erschütterten alle Gemüther. Der tiefe
Schmerz, welcher sich auf dem männlichen Antlitz des Herrn
von Esterac zeigte, kam zu dieser neuen Stimmung der Menge
noch hinzu, welche den Verurtheilten eher beklagte als ver-
fluchte.
In dem Augenblick, wo Jakob nach vernommenen
Urtheilsspruch in das Gefängniß zurückgeführt wurde, wurde
ihm ein Trost zu Theil. Seine Augen begegneten denen
Susannens, welche plötzlich aus ihrem Versteck hervoreilte
und deren Blick mehr Zärtlichkeit und Hingebung als je aus-
drückte. Sonderbar! in diesem brennenden Blick glaubte er
einen gewissen Ausdruck von geheimnißvollem Vertrauen
zu entdecken, ohne sich selbst nähere Rechenschaft geben zu
können.
Das Publikum fing an, sich zu zerstreue». Das junge
Mädchen durchschritt einige Gruppen und ging zu Herrn von
Esterac.
„Könnte ich vielleicht," fragte sie, „durch Ihre Protektion
einmal Jakob in seinem Gefängniß besuchen?"
„Ich weiß es nicht — vielleicht," antwortete er kurz.
Er hatte ohne Zweifel noch den Widerruf Susannens
auf dem Herzen.
17.
Fünf oder sechs Tage nach der Verurtheilung Jakobs
ließ Herr von Esterac Susannen sagen, daß er füc sie die
Erlaübniß erhalten habe, Jakob im Gefängniß zu besuchen;
er schlug ihr vor, sie hinzubegleiten.
Daß der alte eigensinnige Valer Susannens, dieser
geizige Andreas Servaz, welcher wüthcnd war über die Liebe
seiner Tochter zu Jakob, ihr alle Freiheiten ließ, das dürfte
vielleicht den Leser etwas befremden; aber Andreas war
ein sehr beschränkter Kopf. Der Horizont seiner Geistes-
kräfte ging nicht über seinen kleinen Handel und über
einige Beulet voll Thaler hinaus, welche er zusammenge-
scharrt hatte.
Er besaß sein gutes Theil Aberglauben, und die Schlag
der schweizerischen Wehrkraft verdienen daher die volle Sym-
pathie der öffentlichen Meinung Deutschlands.
— Bei den jüngsten Nachwahlen in Frankreich haben
die Republikaner in den Departements Drome und Nord
gesiegt, sind aber in der Oise von dem Bonapartisten Mouchy
besiegt worden, obwohl dort anfänglich ihre Chancen viel
besser standen, als in den zwei anderen Wahlgebieten. Die
Ursache davon ist bekannt. Sie bestand in der Aufstellung
und in dem erbitterten Kampfe zweier republikanischer Gegen-
kandidaten. Dieser Kampf wurde mit den vergifteten Pfeilen
der Verläumdung geführt. Seine Folge war nicht nur der
Durchfall sowohl des gemäßigten republikanischen Levavasseur
als des radikalen Rousielle, sondern auch die Fahnenflucht
zahlreicher Anhänger, welche entweder die bonapartistische
Partei verstärkten oder sich der Abstimmung enthielten. Denn
nur dadurch wird es erklärlich, daß beide republikanische
Fraktionen zusammen nicht viel über Zweidrittel der Stim-
men erhielten, welche Mouchy auf sich vereinigte und dies
in einem Departement, das bisher als sichere Wahldomaine
der Linken galt.
— Botschaft oder keine Botschaft Mac Mahon's, das
ist die Frage, um die sich jetzt die Ofsiciösen des auswär-
tigen Amtes mit den Offiiciösen der anderen Minister
streiten, wobei die Schneebälle des Dementis hin- und her-
fliegen. Jedenfalls geht hieraus hervor, daß die Sache
zwar angeregt ist, daß man sich aber im Cabinet noch zu
keinem bestimmten Beschlüsse vereinigt hat. Da die Sache
selbst noch zweifelhaft ist, erscheint die Fortpflanzung der
publicistischen Combinationen, Erörterungen und Balgereien
auf das Gebiet der Vermuthungen über den Inhalt der
Botschaft jedenfalls sehr unnöthig, was nicht hindert, daß
die Blätter aller Parteien sich mit doppeltem Eifer in diesen
neuen Zankapfel verbeißen.
— Don Carlos ist abermals Gegenstand einer Sensa-
tionsnachricht ersten Ranges. Ob sich dieselbe als wahrheits-
getreuer erweisen wird wie das neuliche Telegramm, in wel-
chem man den Prätendenten durch seine eigenen Soldaten
erschossen sein ließ, ist zur Stunde noch nicht festzustellen.
Regierungstreue, auf französischem Boden weilende Spanier
wollen den Rey in ein Haus in Bayonne habe eintreten
sehen. Dort wird der vermeintliche Don Carlos von spa-
nischen Agenten jetzt scharf bewacht, während gleichzeitig in
Paris Schritte geschehen, um die Jnternirung des Flüchtlings
zu erwirken. Wir müssen gestehen, daß wir vorerst an die
geschilderte Nachricht nicht wohl glauben können. Don Car-
los ist zwar bekanntlich kein großer Kampfesheld; aber daß
derselbe so ganz ohne Wth seiner Armee den Rücken kehren
und über die Grenze flüchten sollte, ist denn doch nicht an-
zunehmen. Der Prätendent weilte, soweit unsere Nachrichten
reichen, am Sonnabend noch auf spanischem Gebiet, in der
auf Schlag fallenden Ereignisse, der gewaltsame Tod des
Mannes, welchen er zum Schwiegersohn gewählt hatte,
die Anklage gegen Den, welchen seine Tochter bevorzugte,
der Gang des Prozesses, alles das hatte auf den Krämer
von Villefort einen Eindruck hervorgebracht, welchen über-
natürliche Ereignisse auf das Volk auszuüben pflegen.
Außerdem war Susanne sein einziges Kind; er liebte
es — auf seine Weise, wohlverstanden — tiefer als er selbst
glaubte.
Der Pfarrer und der Arzt der Ortes hatten wenig
Mühe, ihn zu überzeugen, daß, wenn er einige Maß-
regeln der Strenge zu den schrecklichen Prüfungen seiner
Tochter hinzufügte, diese ihrer Gesundheit, selbst ihrem
Leben schädlich werden könnten. Servaz begnügte sich,
seine Tochter zu bitten, ihn so wenig als möglich zu ver-
lassen.
Am frühen Morgen erschien Herr vonEsterac vor Su-
sannens Hause und nahm sie in seinen Wagen. Seine An-
wesenheit hielt den alten Andreas in Respekt, welcher seine
Tochter ruhig mitfahren ließ.
Von Villefort bis Mende geht die Straße fortwährend
bergauf, bergab. Es war Ende Februar, d. h. noch in
vollem Winter, in diesen kalten und rauhen Regionen, wo
wöchentlich drei Mal :
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un> Samstag.
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die viergespaltene
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Badische H o p se n) e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpsalz.
«o. 135.
Samstag 14. November 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Laasenlleil! L Aogl'er, Anbots Masse und K. L. Danke L Ko-, Süddeutsche Annsncen-Krpeditian
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Eine Korrespondenz der „Allg. Ztg." will wissen, daß
in parlamentarischen Kreisen von der Bildung einer Frak-
tion der Linken die Rede sei, welche sich aus dem so
oft genannten, aber noch niemals in bestimmter Umgrenzung
gesehenen „linken Flügel" der National-Liberalen und
den aus der Fortschrittsfraktion ausgetretenen Mitgliedern
deS Reichstags bilden werde. Auf eingezogene Erkundigung
kann die „Köln. Ztg." konstatiren, daß davon in parlamen-
tarischen Kreisen durchaus nicht die Rede gewesen ist und
weder die Gruppe, welche sich seit der Militärgesetz-Debatte
von den Herrn Richter und Genossen getrennt hat, noch
Mitglieder der nationalliberalen Fraktion an dergleichen denken.
Nach zuverlässigen Mittheilungen ist die Zusammensetzung
des vor einigen Tagen gewählten Vorstandes der national-
liberalen Fraktion ein getreues Spiegelbild der darin wal-
tenden Einigkeit, und deßhalb theilen wir hier die Na-
men mit, welche für die bisherigen Mitglieder durch Akkla-
mation angenommen wurden und bei den neu Hinzutretenden
mit der größten Mehrheit aus der Wahl hervorgingen. Den
Ehrenplatz verdient und nimmt ein der frühere Reichstags-
Präsident vr. Simson, der nach Niederlegung seines hohen
Amtes in den Schooß seiner Fraktion zurückgetreten ist. Die
anderen Namen sind; v. Bennigsen, v. Unruh, Stephani
Lasker, Miquel, v. Stauffenberg, Elben und Bamberger
Wie überhaupt auf dem Reichstage, können auch hier die
nichtpreußischen Elemente nicht über mangelnde Berücksichti-
gung klagen. Es mag noch erwähnt werden, daß Or. Elben
in die Stelle seines verlebten, vielbetraücrten schwäbischen
Landmanns, des Präsidenten v. Weber, an dem die natio-
nalliberale Partei ein treues Mitglied verlor, eingetreten ist.
Ein Wiener Korr, der „N. Zürcher Ztg." spricht die
Ansicht aus, daß der e ur o p ä i s ch e F r i e d e im Grunde
seit Langem nicht so verbürgt war, wie eben jetzt. Der Korr,
begründet dies durch folgende zutreffende Bemerkungen:
Zunächst muß man sich daran gewöhnen, die sogenannte
Drei-Kaiserpolitik als einen bestimmten Faktor der
europäischen Politik für heut und die nächste Zukunft stets
mit in Rechnung zu ziehen, wenn es sich um die Geschicke
Europa's handelt. Der Epoche einer w est m L ch t l i ch e n
Präponderanz ist die Periode des o st m ä ch t l i ch e n Schwer-
gewichts gefolgt und alle noch so fein angelegten Ver-
suche, an diesem Zustande etwas zu ändern, dies Verhält-
niß zu untergraben, sind verurtheilt an jener persönlichen
Freundschaft der drei Monarchen zu scheitern, von welcher
Kaiser Wilhelm mit so viel Genugthuung öffentlich Akt
genommen. Aber auch abgesehen davon, ist es dem kalt-
beobachtenden Politiker nicht entgangen, daß auch in Frank-
reich das rohe Revanche-Geschrei heißblütiger Massen schon
seit geraumer Zeit ruhigerer Ueberlegung hat Platz machen
müssen. Die maßgebenden Elemente in Frankreich, sowohl
die zur Zeit regierenden wie diejenigen, welche regiert haben
oder aber für frühere oder später Eventualitäten dort darauf
rechnen, sich der Herrschaft zu bemächtigen, sind gegenwärtig
von der totalen militärischen Unzugänglichkeit Frankreichs im !
Vergleich zu der Kriegsbereitschaft des Deutschen Reiches zu ^
vollkommen überzeugt, als daß sie auch nur im Geringsten ^
daran dächten, ^>urch ein tollkühnes HerauSfordirn dann ein ^
Spiel in Szene zu setzen, welches im besten Falle für Frank-
reich nur die Chance eines „cMlto ou äonbls" darböte.
— Das schweizerische Volk wurde vorige Woche durch
die Militärdebatte der Bundesversammlung i» einige Auf-
regung versetzt. Der Nalionalrath hatte den Rekrutenunter- ^
richt von '50 Tagen ans 45 vermindert und wollte die ^
Wiederholungskurse nur alle 2 Jahre mit je 16 Tagen !
anstatt jährlich mit 10 Tagen abgehalten wissen. Dieser i
Beschluß rief eine lebhafte Agitation hervor, welche darauf
abzielte, im Interesse der Widerstandsfähigkeit der Schweiz
ein Zurückgreifen auf die weüeigeheuden Anträge durch den
Ständerath zu veranlassen Der S ünderath hat dem aus
Volks- und militärischen Kreisen sowie durch die Presse leb-
haft verfochtenen Wunsche in der Thct Rechnung getragen,
indem er die nationalräthtiche Fassung entsprechend erwei-
terte. Ist es schon eine erfreuli .e Erscheinung, wenn ein
Volk sich freiwillig bereit erklärt, größere Lasten zur Ver-
theidigung des Vaterlandes zu übernehmen, als ihm ange-
sonnen werden, so hat dieser Vorgang für Deutschland noch
ein ganz spezielles Interesse. Wir können nur wünschen,
daß die schweizerische Armee jo tüchtig und schlagfertig als
möglich sei, um im Ernstfälle die Neutralität des Bundes-
gebietes zu verbürgen. Denn darüber kann weder im Reich
noch in der Schweiz ein Zweifel walten, daß letztere von
uns keinen Angriff zu befürchten hat. Wohl aber wird bei
einem künftigen Kriege zwischen Deutschland und Frankreich
die schon im vorigen hervorgetretene Gefahr noch näher
liegen, daß die Franzosen einen Durchbruchsversuch durch
den Berner Jura uno das Basler Gebiet planen könnte»,
sei es um einen Einfall in das Großherzagthum Baden zu
machen, sei es um bei einer etwaigen Belagerung von Bel-
fort die Belagerer im Rücken zu fassen. Es genügt darauf
hinzuweisen, welche weittragenden Folgen eine solche Diver-
sion im Januar 1871 hätte haben könne», um die Bedeu-
tung der schweizerischen Neutralität für das Deutsche Reich
klar zu machen. Ist die schweizerische Armee so beschaffen,
daß die deutschen Heerführer auf ihre Kraft vertrauen dür-
fen, so ist die Situation für uns viel günstiger, als wenn
wir unsere Offensiv-Armee um ein bedeutendes Truppen-
korps schwächen müssen, welches wir zur Sicherung der Bas-
ler Grenze brauchten. Die Bestrebungen zur Verstärkung
Feuilleton.
Pie Hlaöen.
, (Fortsetzung.)
In Jakob sah man jetzt nur einen Unglücklichen, welcher
dem Schaffst entkam, um eine noch grausamere Strafe zu
bestehen. Die traurigen Details, welche zu jener Zeit im
Bagno herrschten, erschütterten alle Gemüther. Der tiefe
Schmerz, welcher sich auf dem männlichen Antlitz des Herrn
von Esterac zeigte, kam zu dieser neuen Stimmung der Menge
noch hinzu, welche den Verurtheilten eher beklagte als ver-
fluchte.
In dem Augenblick, wo Jakob nach vernommenen
Urtheilsspruch in das Gefängniß zurückgeführt wurde, wurde
ihm ein Trost zu Theil. Seine Augen begegneten denen
Susannens, welche plötzlich aus ihrem Versteck hervoreilte
und deren Blick mehr Zärtlichkeit und Hingebung als je aus-
drückte. Sonderbar! in diesem brennenden Blick glaubte er
einen gewissen Ausdruck von geheimnißvollem Vertrauen
zu entdecken, ohne sich selbst nähere Rechenschaft geben zu
können.
Das Publikum fing an, sich zu zerstreue». Das junge
Mädchen durchschritt einige Gruppen und ging zu Herrn von
Esterac.
„Könnte ich vielleicht," fragte sie, „durch Ihre Protektion
einmal Jakob in seinem Gefängniß besuchen?"
„Ich weiß es nicht — vielleicht," antwortete er kurz.
Er hatte ohne Zweifel noch den Widerruf Susannens
auf dem Herzen.
17.
Fünf oder sechs Tage nach der Verurtheilung Jakobs
ließ Herr von Esterac Susannen sagen, daß er füc sie die
Erlaübniß erhalten habe, Jakob im Gefängniß zu besuchen;
er schlug ihr vor, sie hinzubegleiten.
Daß der alte eigensinnige Valer Susannens, dieser
geizige Andreas Servaz, welcher wüthcnd war über die Liebe
seiner Tochter zu Jakob, ihr alle Freiheiten ließ, das dürfte
vielleicht den Leser etwas befremden; aber Andreas war
ein sehr beschränkter Kopf. Der Horizont seiner Geistes-
kräfte ging nicht über seinen kleinen Handel und über
einige Beulet voll Thaler hinaus, welche er zusammenge-
scharrt hatte.
Er besaß sein gutes Theil Aberglauben, und die Schlag
der schweizerischen Wehrkraft verdienen daher die volle Sym-
pathie der öffentlichen Meinung Deutschlands.
— Bei den jüngsten Nachwahlen in Frankreich haben
die Republikaner in den Departements Drome und Nord
gesiegt, sind aber in der Oise von dem Bonapartisten Mouchy
besiegt worden, obwohl dort anfänglich ihre Chancen viel
besser standen, als in den zwei anderen Wahlgebieten. Die
Ursache davon ist bekannt. Sie bestand in der Aufstellung
und in dem erbitterten Kampfe zweier republikanischer Gegen-
kandidaten. Dieser Kampf wurde mit den vergifteten Pfeilen
der Verläumdung geführt. Seine Folge war nicht nur der
Durchfall sowohl des gemäßigten republikanischen Levavasseur
als des radikalen Rousielle, sondern auch die Fahnenflucht
zahlreicher Anhänger, welche entweder die bonapartistische
Partei verstärkten oder sich der Abstimmung enthielten. Denn
nur dadurch wird es erklärlich, daß beide republikanische
Fraktionen zusammen nicht viel über Zweidrittel der Stim-
men erhielten, welche Mouchy auf sich vereinigte und dies
in einem Departement, das bisher als sichere Wahldomaine
der Linken galt.
— Botschaft oder keine Botschaft Mac Mahon's, das
ist die Frage, um die sich jetzt die Ofsiciösen des auswär-
tigen Amtes mit den Offiiciösen der anderen Minister
streiten, wobei die Schneebälle des Dementis hin- und her-
fliegen. Jedenfalls geht hieraus hervor, daß die Sache
zwar angeregt ist, daß man sich aber im Cabinet noch zu
keinem bestimmten Beschlüsse vereinigt hat. Da die Sache
selbst noch zweifelhaft ist, erscheint die Fortpflanzung der
publicistischen Combinationen, Erörterungen und Balgereien
auf das Gebiet der Vermuthungen über den Inhalt der
Botschaft jedenfalls sehr unnöthig, was nicht hindert, daß
die Blätter aller Parteien sich mit doppeltem Eifer in diesen
neuen Zankapfel verbeißen.
— Don Carlos ist abermals Gegenstand einer Sensa-
tionsnachricht ersten Ranges. Ob sich dieselbe als wahrheits-
getreuer erweisen wird wie das neuliche Telegramm, in wel-
chem man den Prätendenten durch seine eigenen Soldaten
erschossen sein ließ, ist zur Stunde noch nicht festzustellen.
Regierungstreue, auf französischem Boden weilende Spanier
wollen den Rey in ein Haus in Bayonne habe eintreten
sehen. Dort wird der vermeintliche Don Carlos von spa-
nischen Agenten jetzt scharf bewacht, während gleichzeitig in
Paris Schritte geschehen, um die Jnternirung des Flüchtlings
zu erwirken. Wir müssen gestehen, daß wir vorerst an die
geschilderte Nachricht nicht wohl glauben können. Don Car-
los ist zwar bekanntlich kein großer Kampfesheld; aber daß
derselbe so ganz ohne Wth seiner Armee den Rücken kehren
und über die Grenze flüchten sollte, ist denn doch nicht an-
zunehmen. Der Prätendent weilte, soweit unsere Nachrichten
reichen, am Sonnabend noch auf spanischem Gebiet, in der
auf Schlag fallenden Ereignisse, der gewaltsame Tod des
Mannes, welchen er zum Schwiegersohn gewählt hatte,
die Anklage gegen Den, welchen seine Tochter bevorzugte,
der Gang des Prozesses, alles das hatte auf den Krämer
von Villefort einen Eindruck hervorgebracht, welchen über-
natürliche Ereignisse auf das Volk auszuüben pflegen.
Außerdem war Susanne sein einziges Kind; er liebte
es — auf seine Weise, wohlverstanden — tiefer als er selbst
glaubte.
Der Pfarrer und der Arzt der Ortes hatten wenig
Mühe, ihn zu überzeugen, daß, wenn er einige Maß-
regeln der Strenge zu den schrecklichen Prüfungen seiner
Tochter hinzufügte, diese ihrer Gesundheit, selbst ihrem
Leben schädlich werden könnten. Servaz begnügte sich,
seine Tochter zu bitten, ihn so wenig als möglich zu ver-
lassen.
Am frühen Morgen erschien Herr vonEsterac vor Su-
sannens Hause und nahm sie in seinen Wagen. Seine An-
wesenheit hielt den alten Andreas in Respekt, welcher seine
Tochter ruhig mitfahren ließ.
Von Villefort bis Mende geht die Straße fortwährend
bergauf, bergab. Es war Ende Februar, d. h. noch in
vollem Winter, in diesen kalten und rauhen Regionen, wo