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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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April (No. 39 - 51)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0195

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mnfiaa, 25. April 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserats von Auswärts nehinen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasettstsiir L Msgker, Rudolf Wost'e und H. L. Jauöe L Ko., die Süddeutsche Anusuccn-Krpedition
von K. Stockhardk in Franksiirt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jägerische Central-Vureaux für Inserate in Frankfurt a./M,

Die criminelle SLraMrKeiL des dolosen
Gonlractörnchs.
(Schluß.)
Um so entschiedener aber muß bei dieser großen Frei-
heit Mißbräuchen derselben entgegengetreten werden. Ein
schwerer Mißbrauch ist aber der willkürliche Bruch des ge-
schlossenen Arbeitsverlrages, der gerade eben bei jener Freiheit
für die öffentliche Ordnung besonders gefährlich ist. In
unserer Zeit kommt noch dazu, daß dieser Mißbrauch, beinahe
zur Tagesordnung geworden ist, und dadurch nicht blos die
individuellen, sondern auch die allgemeinen Interessen in
hohem Grade gefährdet werden; wenn z. B. die Arbeiter
einer großen Fabrik, oder einer Bergwcrksnnternehmnng,
oder der Druckerei einer Zeitung, oder gar die Arbeitersämmt-
licher Druckereien einer Stadt, oder die Arbeiter eines Guts-
besitzers, unmittelbar vor der Ernte ihren Vertrag brechen
und anseinandergehen, so ist es doch klar, das; gegen diese
durch eine meist völlig illusorische civilrechliche Renctian
den Anordnungen des Rechtes nicht genügt wird nnd Sirase
durchaus nöthig und vollkommen gerechtfertigt ist.
Auch in unserer jetzigen Reichsgssetzgebnng finden wir
die Anerkennung des Satzes, daß ein doloser Contractbruch
der Arbeiter mit öffentlicher Strass zu ahnden ist, wenn
wichtige Interessen durch ihn verletzt werden. Die Secmans-
ordnung d-s Deutschen Reichs vom 27. Decembcr 1872
handelt vom Heuervertrag, den e>u Schiffsmann mit dem
Schiffer oder Rheder s ließ!, und bestraft in Z 81 den
dolosen Bruch dieses Vertrags mit öffentlicher Strafe. Dieser
Z 81 (weicher eine Vervollständigung des Z 298 des Straf-
gesetzbuches bildet) straft den Schiffsmaun, der nach geschlosse-
nem Verkragc sich verborgen hält, um sich dem Antritt seines
Dienstes zu entziehen, auf Antrag einer Geldstrafe bis 20
Thlr. und straft den Schiffsmann, welcher entläuft und sich
verborgen hält, um sich der Fortsetzung des Dienstes zu ent-
ziehen, mit Gclüstrafe bis zu 100 Thlr. und Gefängnis; bis
zu 3 Monaten.
Wie in diesen Fällen wichtigere Interessen es sind, welche
eine öffentliche Bestrafung des Contractbrnchs rechtfertigen
und den Gesetzgeber zu dieser Bestrafung bestimmten, so ver-
hält es sich wesentlicher gleicher Weise bei dem Contraci-
brnchc unserer Arbeiter, namentlich wenn man noch dabei
erwägt, daß nach der Seemannsordnung Z 3 auch alle Per-
sonen, welche, ohne zur Schiffsmannschaft zu gehören, ans
einem Schiffe als Maschinisten, Answärtcr oder in anderer
Eigenschaft angestellt sind, in Rechten und Pflichten der
Schiffsmannschaft gleich stehen, also auch bei ihnen wohl in
gleicher Weise, wie bei der Schiffsmannschaft, der Contract-
bruch zu bestrafen sein wird.
Man wird hernach auch nicht sagen können, daß unsere
Partiknlargesetzs, soweit sie den dolosen Contractbruch der

Dienstboten und Arbeiter bestrafen, mit dem Geiste d?s mo-
dernen Strafrechts im Widerspruch stehen (nur einzelnes
Andere ist an ihnen anszusetzsn). Ich hatte vielmehr
den beim Reichstage eingebrachten Antrag, den willkür-
lichen Contractbruch der Arbeiter (und auch der Arbeit-
geber) mit öffentlicher Strafe zu belegen, für eine
wichtige und nothtvendige Ergänzung des jetzigen gemeinen
Strafrechts überhaupt. Nur wird die Strafe des Contract-
bruchs der Arbeiter das Maß der Strafe nicht übersteigen
dürfen, welche auf den Contractbruch der ans einem Schiffe
Angestellten gesetzt ist.

Neueste PsfL.
Werkirr, 23. April. lieber den Schluß des Reichs-
tages verlautet aus Reichslagskreisen, daß der Kaiser wünsche,
den Reichstag persönlich zu schließen. Sollte sich dieser Wunsch
realisircn lassen, würde der Schluß am Sonntag im Weißen
Saal des Schlosses, andernfalls durch Delbrück am Sonn-
abend im Reichstagssaale erfolgen.
Waris, 22. April. Sonntag fand ein Banquet der
Aciionäre der Nizza-Cunco Eisenbahngcsellschaft statt, wo-
bei der Depuiirte des Departements der Seealpen, Piccou,
eine italienische Rede hielt, und enthusiastisch den Augenblick
als nahe bevorstehend darstellte, welcher Nizza, die „Italiens
Unabhängigkeit geopferte Iphigenie," seinem wahren Vater-
lande zurückgeben werde. In der hiesigen Presse erregte
diese Rede die größte Sensation.
Von gut unterrichteter Seite wird versichert, daß Graf
Chambord darauf verzichtet habe, im nächsten YZgnate nach
Frankreich zu kommen. — Nachrichten vpn der spanischen
Grenze zufolge hat der carlistische Commandäni von
Gnipnzcoa die Städte Sau Sebastian, Nenteria und Jrnn
in Blokadezustand erklärt, und Jeden, welcher Lebensmittel
dahin führe, mit Todesstrafe bedroht.
Kaag, 22. April. Eine osficielle Depesche aus Atchin
vom 17. April meldet: Eine starke Patrouille recognoscirte
eine 1500 Schritt südlich vom Kraton belegene feindliche
Position, mußte sich jedoch vor dem Feuer des Feindes zn-
rückziehen. Nach dem Eintreffen von Verstärkungen wurde
ein Angriff auf die Posiüon versucht, jedoch mit einem Verlust
von 8 Tüdten nnd 9 Verwundeten zurückgewiesen. — Drei
Staaten der Westküste Unterzeichneten eine Acte, worin sie
die holländische Oberhoheit anerkennen.
Wcwyork, 22. April. Die Demokraten nnd Re-
publikaner in Arkansas geriethen in ein Handgemenge, wo-
bei einer getödtet und mehrere Menschen verwundet wurden.
Unionstrnppen brachten die Kämpfenden auseinander.
Somorrojkro, 22. April. Concha verweilt in Lareds,
um ein neues Truppcncorps zu organisiren; derselbe trifft
nächstens in Santander ein. Der Angriff ans die carlisti-

schen Stellungen wird wahrscheinlich auf Sonnabend ver-
schoben. Mehrere Regierungsdampfer mit Kranken sind
gestern in Santander eingetroffen.
Deutsches Reich.
Werkln, 23. April. Reichstagssitzung. Zweite Lesung
des Kirchendtenergesetzes. Windthorst bekämpft die Vorlage
und sämmtliche Anträge. Ihm gegenüber hebt der bayerische
Bundescommissär Riedel hervor, daß Bayern noch kein Gesetz
über die Amtsentsctzung von Geistlichen besitze, die Vorlage
sei ein 'Zusatz zu dem Jndigenatsgesetz, bei der Zustimmung
Bayerns zu der Vorlage sei kein bayerisches Sonderngesetz
in Frage gekommen. Bundescommissär Dr. Krüger weist
ans die vom Papste selbst im Kirchenstaate angewendete Jnter-
nirnng und Ausweisung von Geistlichen hin, deren seit 1859
ca. 15,000 vorgekomnicn seien. Windthorst habe sich betreffs
des Jakobinismus solcher Maßregeln mit der Kurie abzu-
finden. Wenn Windthorst den deutschen Regierungen über
ihre Politik Vorschriften machen wolle, so erinnere er daran,
daß derjenige, der an der Politik eines Staates theilge-
nommen, die zum Untergange jenes Staates führte, Ursache
habe, vorsichtig und zurückhaltend zu sein mit Vorschriften,
wie die deutsche Regierung ihre Politik einrichten solle. Wiud-
thorst werde nach seinen bisherigen Erfolgen begreifen, daß
die deutsche Regierung wenig geneigt sei, seine Recepte an-
zunehmen. (Lebhafter Beifall)
Kiek, 20. April. Zum Kriegsgericht gegen Kapitän zur
See, Werner, theilt die „Schles. Z." mit, daß die Abur-
theilung nunmehr dem 10. Armeekorps (Hannover) über-
tragen ist. Niemand zweifelt daran, daß das Urtheil schlimmsten
Falles ein sehr müdes sein wird, w nn keine Freisprechung
erfolgt und daß dasselbe eventuell durch eine hier gewiß sehr
gerechtfertigte Begnadigung seine Erledigung finden dürfte.
Ausland.
Wem, 19. April. Ich schrieb Ihnen kürzlich, daß in
dem durch seinen Fanatismus berüchtigten jurassischen Dorfe
Bonfol der abgesetzte und schon einmal verhaftet gewesene
Pfarrer Jeanguenat wieder in Aktion trete. Man berichtet
heute von dort Näheres über diesen Herrn. Vor einigen
Tagen erschien derselbe, ein wahrer Scwta-Cruz, an der Spitze
von etwa 100 mit Knütteln und Hacken bewaffneten Kerlen,
mit denen er den Ort durchzog und Drohungen gegen die
Liberalen ausstieß. Da es den dort stationirten Gensdarmen
unmöglich war, ihn unter solcher Bedeckung zu verhaften,
legten sie sich auf der Straße nach dem französischen Grenz-
dorse Rechesy, wo sich Jeanguenat aufhält, in einen Hinter-
halt. Bald kam er auch, begleitet von zwei seiner Getreuen,
angesahrcn. Die Gensdarmen hielten das Pferd an, zeigten
den Verhaftbefehl vor nnd forderten ihn auf, abzusteigcn.
Statt Antwort schlug er den an der Wagenthür befindlichen
Gensdarmen mit einem Todischlüger zu Boden, während

Feuilleton.

Der Armenarzt.
Roman aus dem Leben einer großen Stadt,
von I. Steinmaim.
Viertes Kapitel.
Eva.
(Fortsetzung.)
Das Zimmer der Witiwe war zwar ärmlich, aber sauber.
Das einfache Hausgeräth vcrrieth trotz der Bescheidenheit
einen gewissen guten Geschmack und zwei an den Wänden
hängende Kupferstiche, Scenen aus dem Sturm von Shake-
speare darstellend, waren deshalb um so merkwürdiger, als
sie von hohem Werihe, stets in dem Besitze der Wittwe ge-
blieben und nicht in die Hand eines Antiquitätensammlers,
resp. Kunsthändlers, übergegangen waren.
Wohl hatten Händler nnd Aufkäufer der Witiwe zu
Zeiten der Noth beträchtliche Summen für die Stiche ge-
boten, allein die Hellberg wies jedes Angebot ab.
„Wenn ich gestorben bin und Eva will die Bilder dann
verkaufen, eher bekommt Ihr sie nicht," war ihre stereotype

Entgegnung auf alle Ueberredungskünste der Käufer. Wenn
sie dann allein war, schlich sie auf ihren Stab gestützt zu
dem einen Bilde, welches darstcllt, wie die schöne Miranda
mit dem Prinzen Fernando von ihrem Vater überrascht
wird. Offen gehen die Beiden dem scheinbar zürnenden
Prospero entgegen und in allen ihren Mienen liegt das
Wort: Verzeihe uns, wir konnten nicht anders, denn wir
folgten nur dem göttlichen Gebote der Liebe."
Stundenlang konnte die Alte bor dem Bilde stehen,
immer wieder lenkte sie ihr Auge auf das erröthende Paar
und dann seufzte sie leise:
„Fernando, Fernando, warum ist es nicht ewig so ge-
blieben ?"
Auch jetzt, wie sic in dem Bette lag, konnte sie, sobald
die Augen sich öffneten, auf das Bild sehen. Und jetzt, wie
die Sonne den letzten Abschiedsgruß für heute durch die
schmalen Fenster warf, erleuchtete sie gerade die bildschönen
Köpfe von Fernando und Miranda.
Als die Alte die Augen ausschlug, mußie ihr unwill-
kürlich das seltsam beleuchtete Bild auffallen. Sie blickte
hin und schloß die Augen wieder, aber ihr leises Nicken des
Hauptes deuiete an, daß sie zufrieden gewesen mit dem Anblick.
Vor dem Tische, der in die Nähe des Bettes gerückt

war, saß eine uns bekannte Gestalt, Lea, die Tochter des
Gießmeisters Eberhardt. Lea hatte ein braunes, wollenes
Kleid an nnd saß so ruhig da, als wenn in ihrem Innern
und draußen in der Welt nur Friede herrsche.
„Lea," sagte die Alte, indem sie die Augen anfschlug,
„Lea, Du bist ein glückliches Mädchen, glaube es mir.
Nimm es einer alten Frau nicht übel, wenn sie Dir offen
die Wahrheit sagt. Sieh' nur, Lea, Dich werden die jungen
Elegants nicht verfolgen, Dir wird sich keine böse Versuchung
nahen, Dir bescheidet der Herr sicher einst einen wackern,
braven Mann, zum Lohne für Dein gutes Herz."
lieber Leas Gesicht zuckte es wie bitteres Weh. Sie
legte die langfingerige, dürre Hand ans das Herz, als wollte
sie ihm Schweigen gebieten. Dann seufzte sie tief auf, er-
wiederte aber kein Wort. Nur die Augen wandte sie zu
dem Bilde und als sie Fernando und Miranda erblickte,
füllten sie sich mit Thränen.
„Lea," begann die Alte wieder, „willst Du mir Eines
versprechend"
„Gewiß, gerne!" versicherte Lea.
(Fortsetzung folgt.)
 
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