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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Dezember (No. 142 - 154)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0571

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Amtsverkündigungsvlatt für den Wezirk Schwetzingen.

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Inserate
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Badische Hopsende itung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Nheinpfalz.

Ao. 143.

Donnerstag 3. Dezember 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenllein L Mogler, Audolf Wolfe und ch. L. Mauke L Go., Süddeutsche Äunoncen-Erpedition
von ß. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Stratzburg, sowie Las Aäger'sche L-ntral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

* Uttramontane Anmaßungen.
Die Vorsichtigeren unter den U tramontanen sind häu-
fig enisetzt über die offenen Eingeständnisse ihrer heißblü-
tigeren Parteigenoffen, aber seufzend beugen sie sich unter
das Joch und schweigen verdrießlich über die Unklugheit
derer, denen sic öffentlich nicht- entgegnen dürfen. Ist es
doch eine unkluge Sache, wenn man unausgesetzt seine
Reichs- und Staatsfreundlichkeit betont und Versicherungen
über die Harmlosigkeit des Unfehlbarkeitsdogmas zum Besten
gibt, während die mit dem Vatican intimeren Stimmen sich
gerade in entgegengesetzter Richtung verlautbar machen I So
läßt sich die „Vocce della Verita", das Jesuitenblatt echte-
sten Schlags, aus Rheinpreußen schreiben, es handle sich
in dem jetzigen Kampfe zwischen Staat und Kirche nicht
um Personen, eS sei also ganz einerlei, ob Bismarck oder
ein Anderer das Ruder führe, sondern um die Prinzipien
Preußens, das an der Spitze des Unglaubens stehe. Nur
mit dem Fall Preußens sei der Kampf zu Ende. Was
werden dazu unsere ultramontanen Blätter sagen, die stets
versichern, der Kampf gelte nur dem Regime Bismarcks,
nicht Preußen und dem Reiche?
Wir sagen Dank der „Vocce della Verita" für die
Offenheit ihrer Sprache, aber die Regierungen sammt und
sonders wie alle freisinnig denkenden Leute müssen noch
mehr Dank dem Monsignore Capei, Rektor der Universität
von Kensington zollen, west er in seinem nettesten Briefe
gegen Gladstone die letzten Ziele des infallibilen Papstthums
in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit klar stellt. „Alle Herr-
schaft auf Erben", sagt dieser jesuitische, von allen Ultra-
montanen gefeierte Gelehrte, „geistliche und weltliche, kommt
von Gott, allein die geistliche Macht fleht über der welt-
lichen und sie bestimmt die Grenzen beider Gewalten; da,
wo die weltliche Macht ihre Befugniß oder ihre Kompetenz
überschreitet, steht der Kirche das Recht zu, ihre Stimme zu
erheben und ihr Verdammungsurtheil auszusprechen." Das
ist nun doch selbst der „Frankfurter Zeitung" zu bunt, die
bei einer solchen Definition der alles an Macht überragen-
den Kirche mit ihrer „Trennung von Kirche und. Staat"
arg zu kurz kommt. Höchst aufgebracht über eine so hor-
rende Bevormundung des Staates durch die Kirche ruft sie
aus: „Die Lehre, daß Staaten und Nationen, Republiken
und Königreiche nur von der Gnade des Papstes abhängen,
daß sie ihre Gesetze seiner Genehmigung zu unterbreiten,
und falls sie nicht mit seinen Ansichten übereinstimmen, die-
selben zu widerrufen verpflichtet seien, — diese Ansichten
heute öffentlich von den bedeutendsten katholischen Kirchen-
rechtslehrern Englands verkündigen zu hören, ist in der
That eine Monstrosität sonder Gleichen! Die Arroganz,
der Hochmuth der Geistlichen aller Zeiten und aller Länder,

ihre nur auf selbstsüchtige Unterjochung der Welt für ihre
Zwecke gerichtete Pläne treten n rgeuds wieder Heller an den
Tag, als in dem Schreiben Monsignore Eapel's." Ganz
gewiß, so ist es; aber eben deßhalb wollen wir in Deutsch-
land dieser monströsen Anmaßung einen Damm entgegen-
setzen, damit an das Oberoupt der deutschen Nation nicht
mehr das Ansinnen gestellt werde, das selbst Herr Sonne-
mann empört, dem Papste, wenn er zu Pferd steigt, den
Steigbügel halten zu sollen. Doch so wüthend Hr. Sonne-
mann sammt allen seinen Korrespondenten über einen
solch' unverschämten Uebermulh ist, wie er sich in dem
Schreiben des Monsignore Capel äußert, so laut schreit er
Zeter und Mordio, wenn der Staat derartige Anmaßungen
in die gebührenden Schranken zurückweist und frechen Ge-
setzesverächlern die Thüre zum Gefängniß zeigt; denn wie
schöne Seelen sich allenthalben zu Wasser und zu Land fin-
den , so wissen sich auch die destrukuven Elemente in aller
Welt zusammen zu thun, wenn es gilt, ein geordnetes
Staatswesen planmäßig zu unterwühlen. Sind doch sonst
die Gesinnungsgenossen des Herrn Sonncmann, wo immer
sie an's Ruder kommen, wie besonders die Geschichte Frank-
reichs zeigt, nicht so weichherzig-sentimal gestimmt, wie sie
es im heutigen Deutschland sind, so oft irgend ein Bischof
hinter Schloß und Riegel gesetzt wird!
Wir halten es unbedingt mit Gladstone, wenn er sol-
chen klerikalen Anmaßungen gegenüber für England ein
Recht in Anspruch ninimt, das Deutschland sich bereits bei-
gelegt hat, indem er sagt: „Demzufolge ist England (wie
alle andern Staaten) berechtigt, zu fragen, in welcher Weise
der von dem Papst und dem Vatikan verlangte Gehorsam
mit der Integrität der staatlichen Unterthaneupflicht verein»
bart werden kann." Ja, der Staat ist um so mehr be-
fugt, diese Frage zu stellen, als der sicherlich nicht vom
Vatikan auf den Index kommende Monsignore Capel auf
den Ausruf Gladstone's: „Es muß ein politisches Ziel von
sehr greifbarer Art "sein, für welches man wohlüberlegt einen
so kühnen Einbruch in die staatliche Sphäre gewagt hat",
in vorstehender Aeußerung seines Briefes die unzweideutigste
Antwort gegeben hat. Hat ja doch der Papst in seinem
berüchtigten Syllabus die moderne Zivilisation und damit
üuxlioite alle modernen Kuranstalten der Welt verdammt,
und ist doch, um nochmals mit Gladstone zu reden, die Jn-
fallibilität nur „die Aufreizung zur allgemeinen Friedens»
störung, eine Anzahlung auf einen europäischen Krieg."
In Tours hat vor einigen Tagen eine von Bischöfen
und Erzbischöfen geleitete große Wallfahrt zum hl.. Martin
stattgefunden, der einmal dem Frankenkönig Chlodwig einen
glänzenden Sieg verschafft hat und von dem der Sieger
dann meinte, der Heilige sei zwar ein großer Helfer in der
Noth, aber er habe sich seine Hülfe auch sehr theuer bezah-

len lassen. Ueber diese Wallfahrt haben nun mehrere Pa-
riser P lger bei ihrer Rückkehr geäußert: „Es kam unS so
vor, als seien die glücklichen Zeiten des Mittelalle'§ wieder
zurückgekommen " Ja wohl, auch anderen Leuten kommt
es jetzt manchmal so vor; aber so finster auch jene Zeiten
waren, so hat cs doch selbst damals Leute genug gegeben,
die das Herz auf dem rechten F eck hatten, und nicht alle
Kaiser haben dem vatikanischen Reiter den Steigbügel ge-
halten und nicht alle Bischöfe haben sich ähnlich den öster-
reichischen unserer Tage, für seine Ge'chöpfe (arsaturue) er-
klärt. Die Kaiser von Karl dem Großen bis auf Hein-
rich IV. haben das entscheidende Wort bei der Papstwahl
gesprochen und Heinrich III. hat drei Päpste, die zu gleicher
Zeit die Christenheit ärgerten, abgesetzt und einen vierten
auf den Thron erhoben, nachdem Klerus und Volk von
Rom ihn durch eine Gesandtschaft gebeten hatten, der Kirche
ein Oberhaupt kraft kaiserlicher Machtvollkommenheit zu
setzen. Die deutschen Bischöfe aber haben, sehr unähnlich
den unsrigen, unzählige Male als gute Deutsche auf Seiten
von Kaiser und Reich gegen die Anmaßungen Roms ge-
stritten , so besonders, als an Friedrich Barbarossa vom
Papste das Ansinnen gestellt wurde, seine Krone als ein
Lehen (bönstioium) des päpstlichen Stuhles zu betrachten.
Das ist freilich jetzt anders geworden; der Papst. der bis
auf Gregor VII. lediglich der Primus des Reiches war
und als solcher nur die Stellung einnahm, wie der byzan-
tinische Patriarch, ist unter Pius IX. — I'ägliss o'sst
ruvi — die Kirche selbst und die ehemals so stolzen deut-
schen Bischöfe, die ihnen nur als xrünrw iutsr xurss (als
Ersten unter Gleichen im Rang) anerkannten, sind seine
Knechte geworden. Einer solchen Macht gegenüber, die sich
selbst die Grenze bestimmen will, wo ihre Aussprüche über
alle Gebiete des öffentlichen und privaten Lebens unfehlbar
sind, ist es wahrlich ein Gebot der Selbsterhaltung, wenn
der Staat ihr die Flügel kürzt, die sie über die Schranken
von Gesetz und Gesittung unserer Zeit tragen möchten.
Deutsches Reich.
* Schwetzingen, I. Dez. U ber die dritte den
Justizgefetzen gewidmete Sitzung de- Reichstags am 26. v.
schreibt die „Köln. Ztg." t „Wenn der Reichstag heute auch
mit der besten Absicht an die Arbeit ging, die allgemein
erste Berathuug der Justizvorlagen zu Ende zu bringen, zog
sich doch die Debatte über die Strafprozeßordnung so in die
Länge, daß der ermüdeten Versammlung nicht mehr zuge-
muthet werden konnte, um 4 Uhr in die Uerhandlung über
den Zivilprozeßentwurf einzutreten. Auch heute kamen eine
Menge bedeutender Gesichtspunkte zur Darstellung, und bei
einem Rückblick auf die jetzt dreitägige Verhandlung braucht

Feuilleton.
Pie Hlaöen.
(Fortsetzung.)
4.
Frau von Ribisre wollte sich zunächst in Carqueiranne
einrichten, ehe sie ihre Schritte bei den Behörden von Toulon
thäte.
Carqueiranne, ein kleiner Ort zwischen Toulouse und
Hysres, ist ein ausgezeichneter Strand mit blumigen Hügeln,
-türkender Luft, bewundernswürdigem Meer; es ist eine
reizende Einsamkeit. Gerade dies paßte zu dem Charakter
der Frau von Ribisre, zumal da der so schmerzliche und
ausnahmsweise Zustand Susannens ihr eine so strenge Zurück-
gezogenheit auferlegte.
Ohne den Kummer, welchen sie wegen der Unglücklichen
empfand, hätte Frau von Ribisre hier die glücklichste Frau
genannt werden können, ganz bingegeben der Freude, ihre
theure Marie schnell ihre Kräfte, ihre Heiterkeit, ihre schön«
Farbe inmitten der heilsamen Einflüsse wieder erlangen zu
sehen. An das kalte Klima, an die Landschaften und die

langen Winter derLozöre gewöhnt, empfand sie um so mehr
die Milde dieser südlichen Natur.
Sie hatte ein kleines Fischerhaus ganz dicht am Meere
gemiethet. Man hatte sich hier auf das dringend Noth-
wendige beschränkt: zwei Zimmer, vier Strohstühle und ein
Kanapee. Die Bette ließen zu wünschen übrig, aber man
schlief so wohl bei dem sanften und poetischen Murmeln des
Meeres. Das Brot war nicht so gut, wie daZ von Aix
und Marseille, aber der Appetit war sehr gut nach zwei-
stündiger Promenade durch die Bäume und Sträucher.
Wie fast alle Kinder, hatte die kleine Marie zuerst eine
schreckliche Furcht vor dem Meere. Sie schrie schon, wenn
sic das Wasser berührte. Susanne aber überwand ihren
Widerstand und veränderte bald die Stunde des BadeS in
eine Freudenstunde. Sie nahm Marie in ihre Arme, und
um sie zu ermuthigen, ging sie mit ihr in's Wasser, und
nichts war reizender, als die Spielereien dieser beiden Ge-
schöpfe. Das eine mit aller Anmuth des Kindes, das andere
mit allen Schönheiten der Jungfrau.
Susanne erwiderte die naiven Neckereien des Kindes
durch zarte Liebkosungen. Einige Schritte entfernt saß Frau
von Ribiäre, Zeugin dieser reizenden Spiele, und die Er-
innerung an die Gefahr, welche Marie überpanden, an die

trostlosen und ängstlichen Nachte, gab ihr einen Freuden-
schauer, gemischt mit einem letzten Rest von Schrecken.
Indessen, wenn die Gesundheit Mariens das hauptsäch-
lichste Motiv der Reise gewesen war, so vergaß ihre Mutter
doch nicht, daß dieses der einzige Zweck nicht war. Sie
entschied sich, zunächst nach Toulon zu gehen, ohne Susanne
mitzunehmen. Es war nicht weiter als eine kleine Stunde
zu Schiff oder zu Wagen.
Was sie hier erfuhr, übertraf ihre Erwartung und ver-
doppelte ihr sympathisches Interesse für Jakob. Vom Com-
mifsar des Bagno bis zum letzten Aufseher bezeugte Jeder
die Resignation und gute Führung deS Galeerensträflings.
In dieser Bezeugung lag zugleich Mitleid, Neugier und Ueber-
raschung.
„Es ist ein ehrbarer Verbrecher," sagte einer der
Herren.
„Madame," sagte mit mehr Wichtigkeit der Abbv Vernier,
Priester des Bagno, „das Unglück meiner Stellung ist, hier
unter Heuchlern zu leben, welche mich täuschen. Diese pein-
liche Lage hat mich gezwungen, ein Beobachter zu werden;
und, ich würde es ohne Zaudern vor dem Tribunal Gottes
und der Menschen erklären: Jakob Boucard konnte ein schlechter
Kopf sein, aber er ist kein Mörder."
 
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