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Samstag, 17. Oktober 1874.
VIII
Inserate vo« Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaastnstekn H Segler, Ziudokf Waffe und. H. /. Aayve L Ha., z
von G. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßbürg, sowie das Ktger'sche Lentral-Bureaux für
Süddeutsche Annaneen-Gnpeditto«
für Inserate in Frankfurt a./M.
' Wochenschau.
Schwetzingen, 15. Oktober.
Es ist gewissermaßen wohlthuend, daß von Graf Arnim
ein aktiver Schritt verlautet. Die Berliner Blätter bringen
zur Kenntniß, daß der Graf eine Z i v i l k la g e wegen An-
erkennung seines Eigenthumsrechtes an den von ihm zurück-
behaltenen Schriftstücken angestellt habe. Zufolge der von
den Gerichtsärzten konstatjrten Zuckerruhrkrankheit wurde Ar-
nim in die Charite (Krankenhaus) verbracht, wo er zwei
Zimmer bewohnen wird. Zur Bewachung sind zwei Poli-
zeibeamte kommandirt. Der Schwager des Grafen, Graf
Arnim von Boytzenburg. hat in der „Spen. Ztg." eine Er-
klärung veröffentlicht, worin die Meldung der Blätter, daß
er mit der Verhandlung beauftragt gewesen sei, seinen Schwa-
ger zur gütlichen Herausgabe der zurückbehaltenen Aktenstücke
zu bewegen, für ein grundloses Gerücht erklärt wird. Aus
Wien wird telegraphirt, daß -ie Meldung der dortigen „Ta-
gespresse", Arnim habe die zurückgehaltenen Papiere bei
ungarischen Magnaten hinterlegt und daß Schritte zur Heraus-
gabe derselben geschehen seien, jeder Begründung entbehre.
Ferner schreibt sdas „Neue Wiener Fremdenbl.", daß vr.
Julius Lang die Arnim'schen Konzilsdepeschen ihm (dem „W.
Fremdenbl.") angeboten habe, kurz ehe sie veröffentlicht wur-
den, woraus zu folgern wäre, daß Ör. Lang Depeschen be-
sitzt, welche außer dem Auswärtigen Amt in Berlin nur dem
Grafen Arnim bekannt sein konnten. Lang behauptet da-
gegen, es sei erlogen, daß er die Arnim'schen Depeschen Je-
manden zugestanden habe. Fügen wir noch bei, daß in
Berlin allgemein geglaubt wird, die Voruntersuchung werde
unbeschadet der Gründlichkeit schleunig zu Ende geführt werden,
so haben wir die vorliegenden Nachrichten über die schwebende
Affaire Arnim für heute erschöpft.
Nachdem das gerichtliche Urtheil auf Freilassung des
Bischof von Trier und die tatsächliche Haftentlassung
des Erzbischofs von Köln erfolgt sind, so ist man be-
gierig, ob die Bischöfe bei ihrem weiteren Verfahren, die
bis dahin gemachten Erfahrungen zu Rathe ziehen werden.
Man hört, daß die Kreise des höheren Klerus darüber we-
nig erbaut sind wahrnehmen zu müssen, daß sie bei der
Aufnahme des Kampfes gegen die Staatsgewalt ihren Ein-
fluß auf die katholische Bevölkerung namentlich in den west-
lichen Provinzen erheblich überschätzt haben. Ist auch von
dieser Erkenntniß bis zu dem Einfluß der Unterwerfung
unter die Staatsgesetze ein noch weiter Weg, so ist doch an
die Stelle der hochgespannten Erwartungen und der ur-
sprünglichen Siegesgewißheit mehr und mehr ein Gefühl dunk-
ler Beklommenheit und Beängstigung getreten, welches mit
der Zeit den Willen der Bischöfe zur Anerkennung der Staats-
gesetze schlüssig machen wird.
Der Reiseapostel der Fortschrittspartei, Herr Eugen
Richter, fährt fort, Versammlungen zu halten, um die
Organisation seiner Partei zu befördern. Jüngst hat der-
selbe seine Schritte nach Sachsen gelenkt und auch dort nach
übereinstimmenden Berichten besonders den Gegensatz zu den
Nationnlliberalen betont. Herr Eugen Richter muß sonder-
bare Begriffe von den politischen Ausgaben haben, deren
Lösung den liberalen Parteien zufällt, wenn er auch am
Heerd der sozialdemokratischen Agitation den Kampf gegen
die Nationalliberalen für das Wichtigste hält. Den Dank
mögen ihm die Herren Liebknecht, Bebel und Hasenclever
abstatten.
In Frankreich haben dieNachwahlen der Ge-
neralräkhe ein ganz ähnliches Resultat gehabt wie die Haupt-
wahlen selbst. Von 89 sind 49 „konservativ" d. h. monar-
chisch und 40 republikanisch.
lieber die Abberufung des „Orenoque", den der
Telegraph etwas zu früh von der Küste Italiens absegeln
ließ, spricht sich endlich eine Note im „Journal officiel"
an. Zufolge dem^ Berichte dieses Blattes ist am 13. der
„Orenoque" nach ^Toulon zurückbeordert. Das Schiff hatte
die Aufgabe gehabt, sich zur Verfügung des Papstes zu halten,
falls der Papst sich entschlossen hätte, Italien zu verlassen,
was Frankreich nie wünschte. Im der Hingebung und Für-
sorge für den Papst bleibt sich Frankreich gleich; denn ein
neues Schiff sei dem Papste zur Verfügung gestellt, welches
in einem der französischen Häfen des Mittelmeers stationirt
werde. In der Thal hat das Schiff „Kleber" schon Befehl
erhalten, Toulon zu verlassen und zunächst nach Korsika zu
gehen. Die Schaukelpolitik des Kabinets von Versailles zeigt
sich auch in diesem Fall deutlich genug und nicht weniger
die zärtliche Rücksichtnahme auf die Ullramontanen. In der
Stellung Frankreichs zu dem Königreich Italien hat sich
durch diese Maßregel doch das geändert, daß Frankreich ge-
demüthigt ist und das Schiff zum angeblichen Schutze des
Papstes nicht mehr in einem Hafen Italiens sich vor Anker
legen darf.
Einem dringenden Bedürfnisse Großbritanniens
wäre endlich glücklich abgeholfen; es hat nunmehr seine rö-
misch-katholische Universität. Zu South-Kensington soll die
wundersame Anstalt übermorgen eröffnet werden mit ganzen
— sechzehn Schülern, was natürlich die Klerikalen nicht ab-
hält, gewaltig ins Horn zu stoßen. Nachdem die Bekehrung
des Herzogs von Northumberland schon längst nachdrücklich
demeutirt, will man jetzt seine Gemahlin, die Lady Gros-
venor, mit aller Gewalt dem Papismus viudiciren. Der
„Progreffo" schreibt darüber: „Die LM) hat seit 1870 2
Winter in Rom zugebracht und sich durch ihren Eifer in
der Veranstaltung von Besuchen und Demonstrationen im
Vatican hervorgethan. Sie wird diesen Winter wieder kom-
l ! l,
men, um in der Kirche des englischen Collegiums zu Mon-
serrato feierlich ihren Glaubey abznschwören. Zur Vorbe-
reitung wird sie auf einige Zeit ihren Wohnsitz in dem Klo-
ster von Villa Mills auf heig Palatin nehmen."
Der russische Geschffftsjräger ip Madrid, Hr. Kon-
hrioffski, wird demnächst arff seinen Posten zurückkehren und
soff nach der „Morning Post" die Weisung erhalten haben,
eine höchst freundliche und versöhnliche Haltung der spani-
schen Regierung gegenüber einzünehmen. Der Brief Ale-
xanders an Don Carlos, führt dieses Blatt aus, war nichts
weiter als eine höfliche Erwiderung auf ein an den Ezar
gerichtetes Schreiben. Und obschon der russische Hof nicht
für angemessen erachtet hat, von seinen leitenden Grund-
sätzen abzuweichen, indem er die Regierung des Warschaus
Serrano vor ihrer definitiven Begründung anerkennen würde
so ist doch Rußland für Spqrsierr freundlich gesinnt und sein
Vertreter ist, wenn auch nicht beglaubigt, doch angewiesen,
dem Madrider Cabinet gegenüber dieselbe freundschaftliche
Haltung zu bewahren, welche stets die Beziehung Rußlands
zur Halbinsel charakterisirte.
General Dorregaroy befand sich am 11. Okt. noch in
Elizondo, auf spanischen^ Grund und Boden. Die Franzo-
sen erlauben ihm angeblich nicht die Grenze zu überschreiten.
Ein in Santander verbreitetes Gerücht, Dorregaray sei mit
800 Mann in das republikanische Lager übergetreten, ist
sicherlich nur eine Ente.
Die bereits kurz erwähnten Gefechte bei Irun und
Behobie an der Bidaffoa sind für die Kqrlistqn erfolg-
los geblieben. Die Republikaner haben sich in ihren Stel-
lungen behaupt und die Carlisten mußtest sich am 13. d.
wieder zurückziehen. Der spanische Theil des Grenzortes
Behobte wurde von den Republikanern niedergebrannt, 20
Häuser liegen in Asche.
Admiral Barcastegi, Coqnnandeur der spanischen
Flottille an der Nordküste, ist seiyeS Postens.entsetzt worden,
weil er nichts gethan hat, um die Ausschiffung von Waf-
fen für die Carlisten zu verhindern. Das Verhalten der
Flotte in dem jetzigen Bürgerkriege ist in der Thal geradezu
schmachvoll. Dieselbe leistet absqlut Nichts.
Deutsches Reich.
Seine Königliche Hoheit der Grpßherzog haben Sich unter
dem 1. Oktober d. I. allergnSdigst bewogen gefunden, dem Hauptleh-
rer Josef Wilhelm in Rastatt die kleine goldene Verdienstmedaille zu
verlechen.
Freibürg. Wie, in Stuttgart, so sinken jetzt auch
hicch die Offiziere mit ihrem Theaterbesuch, weil die Direk-
tion die Abonnementspreise erhöht hat.
In der Münchener Freibank kostete in der Woche
vom 3. bis 9. Okt das Ochsenfleisch 12 bis 15 kr., das
Feuilleton.
Pie Waben.
(Fortsetzung.)
Um daraus so schnell als möglich forizukommen, wäre
es ihm recht gewesen, wenn ein Dutzend braver Menschen
durch eben so viele Mörder umgebracht worden wäre, um
ihm Gelegenheit zu tüchtigen Untersuchungen zu geben.
Als beide Beamte in Fontanes ankamen, dachte Favernay:
„Ein Verbrechen, welches mir Ehre machen soll!" und Ribisre
sagte: „Man muß sehen!"
Sie machten zunächst den traurigen Weg vom Priester-
feld zu dem Häuschen Jakobs. An allen Stellen, wo der
Commiffar und die Gensd'armen Spuren bezeichnet hatten,
hielten sie an. Zwei oder drei Mal glaubte Herr von
Ribisre zu bemerken, daß die Größe der Fußstapfen nicht
immer dieselbe war. Man konnte daraus schließen, daß der
Mörder nicht allein gewesen, und ein leiser Zweifel hätte
zu Gunsten Jakobs entstehen können, aber dieser Beweis war
zu schwach und der öffentliche Verdacht so stark.
Man war zu dem Häuschen gelangt. Jakob hatte hier
unter den Augen der Gensd'armen di- Nacht zugebracht,
eine schreckliche Nacht; seine Erschütterung war so tief, seine
Angst so groß, daß er nicht einmal die Kraft hatte, an seine
VertheidigungSmittel zu denken.
Die Beamten traten ein und schritten zum Verhör.
Jakob konnte nur dutch eine absolute Verneinung ant-
worten. Er hätte, sagte er, den ganzen Tag im Walde zu-
gebracht, sehr weit vom Schauplatz des Verbrechens.
Aber damit war noch nichts bewiesen.
„Um welche Zeit sind Sie ausgegangen?" fragte Herr
von Ribisre.
„Um acht Uhr." sagte Jakob ruhig, im Bewußtsein
seiner Unschuld.
„Gut," fiel Favernay ein. „Herr Duclos," wandte
er sich zum Gerichtsarzt, „um welche Zeit meinen Sie, daß
der Mord begangen sei?"
„Zwischen sieben Dp acht Uhr haben die Holzhauer
den Leichnam gefunden, -er war noch warm; der Mord
muß also zwischen sechs und sieben Uhr Morgens begangen
worden sein."
„Was haben Sie zu antworten?" fuhr Fayernay, zu
Jakob sich wendend, mit seiner schneidenden und kurzen
Stimme fort.
Dieser antwortete nichts. Die Beschuldigung war so
natürlich, der Schein so offenbar, daß es in seiner Seele
arbeitete wie ein leichtes Gift im Körper. Es war nur zu
leicht, diesen bleichen junjgen Mann mit den verschwommenen
Augen, dem verstörten Gesicht und dem bezeichnenden Still-
schweigen für einen Verbrecher zu halten.
Jedermann bezeichnet« ihn als den Rivalen und Feind
des Opfers; seine natürliche Energie war durch eine schlaf-
lose Nacht, durch ein Chaos von Räthseln und Gedanken
und durch den schrecklichen Verdacht gebrochen, der auf ihm
lastete und auf welchen er nichts zu aNlwörten wußte. Hatte
Jaköb vierundzwanzig Stunden früher ein wildes und finsteres
Aussehen, so schien er jetzt böse und verrucht.
Diesen Augenblick des Stillschweigens benutzte Herr
von Ribisre zu einer Betrachtung, welche gut gemeint war.
„Ist es das erste Mal, daß ich Sie sehe?" fragte
er ihn.
„Nein, Herr Richter." stotterte Jakob. „Sie haben
mich bei Herrn von Esterac geschert, meine Mutier war seine
Amme gewesen."
„Aber Ihre Mutter war eine sehr brave Frau!" rief
Herr von Ribisre, dessen Erinnerung erwachte. „WaS ist
auS ihr geworden?"