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Samstag 19. Dezember 1874.
VIII. Jahrgang.
Jttsernt* von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Nnnoncen-Bureaux von Kaasenstein L Dagker, Nudokf Waffe UN» H. Aanöe » ch»., süddeutsch« Aua«nceu-Ga,gttia«
_»on K. StiLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Men, Zürich, Basel un» Straßburg, sowie »aS ZSger'schi Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt «./M.
' Wochenschau.
Schwetzingen, 17. Dezember.
Unsere Leser werden sich noch erinnern, daß vor einigen
Tagen der Abg. Lasker im Rcichstage den Antrag
stellte, man möchte den Abg. Majunke (schwarz) seiner Haft
entlassen, da eS nicht zuständig wäre, ein Reichstagsmitglied
während einer Session in Haft zu nehinen. ES wurde von
verschiedenen Abgeordneten, welche den Antrag unterstützten
der Art. 31 der Michsverfaffung angezogen. Die Anwen-
dung dieses Artikels auf den Fall Majunke ist aber nicht
so einfach, wie es anfänglich schien. Der Artikel spricht
nämlich nur von Untersuchungshaft, während es sich hier
um eine Strafhaft handelt. Die Geschäftsordnungskommis-
sion hielt am 14. zwei Sitzungen und debattirte bis NachiS
10 Uhr, ohne zu einem Resultat zu kommen. Als Regie-
rungskommissare wohnten der Sitzung der UnterstaatSsekre-
tär Friedberg und der Geheime Rath Starke bei. Fried-
berg erörterte den aktenmäßigen Thatbestand, aus welchem
hervorging, daß die Verhaftung auf Antrieb des Staatsan-
walts Tessendorf durch Kammergerichtsentscheid erfolgte, so
daß nach der Sachlage jetzt ein Einschreiten des Justizmini-
sters unthunlich war. Es wurde erwogen, daß zunächst
Seitens des Verhafteten der Jnstanzenzug wegen der jetzigen
Haftvollstreckung noch unerschöpft und Anrufung und Ent-
scheidung desselben noch abzuwarten sei, bevor ein Reichs-
tagSbeschluß opportun erscheine. Drei Anträge: 1) auf Ab-
änderung des Artikels 31 Lurch Einschaltung eines Straf-
vollstreckangsverbots gegenüber Abgeordneten; 2) auf Auf-
forderung deS Reichskanzlers, bei den Regierungen gegen die
Wiederholung solcher Fälle einzutreten; sofortige Entlassung
Majunke's, — fanden nicht die Majorität. Es werden
Anträge auf Verfassungsänderung für das Plenum vorbe-
reitet. Der Bericht wird mündlich unter Beifügung der
erwähnten drei Anträge erstattet werden.
Capitain Werner ist zum Chef der Marinestation
der Ostsee und Capitain Ulfert zum Oberwerftendirektor
in Wilhelmshaven bei Kiel, ernannt.
Der Armeeausschuß der f r a n z ö st s ch e n National
Versammlung und der Kriegsminister haben eine Eini-
gung nur in Bezug auf die Festsetzung des Frie-
densbestandes der Armee und eine gleichmäßige Rekrutirung
erzielt; über andere Punkte sind sie nach wie vor verschie-
dener Ansicht. Die Berathungen des Ausschusses werden
noch diese Woche in Anspruch nehmen und die zweite Be-
rathung des Gesetzentwurfs betreffend die Nrmee-Cadres
erst am 21. beginnen.
Die Königin von England hielt am Samstag in Windsor
einen Ministerrath, in welchem beschlossen wurde, das Par-
lament am 5. Februar statt am 16. Dez. zu eröffnen.
Der italienische Premierminister Minghelti hat in einer
soeben in Rom in französischer Sprache erschienenen Schrift
betitelt: „Die italienischen Kirchengesetze" auf die Beschul-
digungen des Bischofs Dupanloup geantwortet. Die „Köln.
Ztg ". welcher diese Schrift Vorgelegen hat, spricht sich da-
hin aus, Minghetti hübe die einzelnen Hiebe DupanloupS
gut parirt, gehe aber jeder prinzipiellen Erörterung auS dem
Wege, was leider ganz dem heutigen schwankenden Wesen
der italienischen Kirchenpolitik entspreche.
Aus spanischer Quelle wird die Nachricht von drin Tode
des Generals Loma widerrufen; daß er aber'zurückgeworfen
wurde wird zugegeben mit dem ominösen Beisatz, das Un-
wetter daure fort. Die spanischen Republikaner verstehen,
es meisterlich, die Schuld auf das Barometer zu schieben,
wenn sie Schläge bekommen haben. Freilich machen es die
Karlisten noch viel einfacher, sie siegen immer und geben nie
Fersengeld ohne wenigstens dabei aus Leibeskräften Viktoria
zu rufen.
Eine Depesche aus Aegypten vom 12. ds. meldet:
Darfur hat die Annexion durch den Vizekönig angenommen.
Nur einige Mitglieder der Familie des Exsultans haben die
Annexion nicht anerkannt. Die ägyptischen Truppen gehen
gegen dieselben vor.
- Deutsches Reich.
Berlin, 16. Dez. Reichstag. Harnier berichtet über
die Verhandlung der Geschäftskommission, betreffend den
Lasker'schen Antrag wegen des Falles Majunke. Harnier
erörtert die bekannten, in der Kommission gestellten, aber
abgelehnten Anträge. Es treten die Anträge hinzu: 1)
von Becker auf begründete Tagesordnung; 2) von Sonne-
mann auf Haftentlassung Majunke's deren Ausführung dem
Reichskanzler zu übertragen sei; 3) von Windthorst auf
Haftentlassung während der Tagungsdauer; 4) von Banks
auf Auslegung des Art. 31 der Verfassung durch Einschie-
bung des Wortes „Strafvollstreckung"; 5) ein Antrag Ha-
verbecks, besagend, daß es Behuf» Aüfrechterhaltung der
Würde des Reichstages nothwendig sei, durch eine Auslegung
oder Verfassungsänderung die Möglichkeit der Verhaftung
eines Abgeordneten auszuschließen. Becker und Windhorst
rechtfertigen und empfehlen ihre Anträge. Justizminister
Leonhardt hält eine endgiltige Erklärung über die nicht
einmal gedruckt vorliegend?» Anträge für verfrüht, weist
aber schon jetzt darauf hin, daß Majunke's Verhaftung
schon ml Laufe des Oktober erfolgen sollte, wegen Unbe-
kanntseins deS Aufenthalts desselben aber unterblieben sei;
die Absicht seiner Verhaftung war somit bekannt. Der
Verhaftung selbst stehe die Verfassung nicht entgegen, andern-
falls würden auch die eine Strafhaft verbüßenden Reichs-
tagSabgeordneien während der TagüngSdauer freizulossen
sein. Der Minister hebt hervor, daß die Strafvollstreckung
nach der preußischen Kriminalordnung Sache der Gerichte,
nicht der Justizverwaltung sei, in den Gang der Genchr-
handlungen könne er, ohne die Unabhängigkeit der Gerichte
zu verletzen, sich nicht mischen. Den Gnadenweg h«che
Majunke nicht angerufen und werde denselben vermuthlich
nicht anrilfrn wollen. Auf einen Gnadenantrag würde der
Minister verfügen können. Gegenüber Bank», der da» Vor-
gehen deS Staatsanwaltes bemängelt, hebt der Justizminister
Leonhardt hervor, daß der Staatsanwalt durchaus richtig
gehandelt habe. Art. 31 der Verfassung reiche vollkommen
aus und sei nicht so verbesserungsbedürftig. DaS englische
Parlamentrecht gehe viel weiter. Die Aufforderung an den
Reichskanzler zur Entlassung Majunke's sei ganz zwecklos,
weil der Reichskanzler in die preußische Justiz nicht eingrnfea
Wie der preußische Justizminister einer Anweisung de» Reichs-
kanzlers auf Haftentlassung geganüber verfahren müsse, habe
er schon dargethan. Der Minister weist wiederholt -uf den
Gnadenweg hin. LaSker spricht sich gegen Beschreitung de»
Gnadenweges und für Auslegung de» Art. 31 der Verfas-
sung aus. Leonhardt weist die Behauptung zurück, daß
die Verhafiung unzulässig sei, die Gerichte hätten ja diefekr
für zulässig erklärt. Der Minister will ergründet haben,
warum Majunke latitirte und empfiehlt sodann nochmal»,
daß das Hau» auf dem Wege der Gnade die Entlassung
verlange. Schwarze spricht sich für grundsätzliche Entschei-
durch Klarstellung der Rechtsfrage aus. Gneist befürwortet
im Interesse der Rechtsgleichheit die Ablehnung aller An-
träge, damit der Justiz freier Lauf gelassen werde. Rach
einer Erwiderung HoverbeckS wird die Berathung geschloffen.
Tämmtliche gestellten Anträge werden abgelehnt (der Antrag
Becker in namentlicher Abstimmung mit 158 gegen 151)
und der Antrag HoverbeckS angenommen. Heber letzteren
findet in der nächsten Sitzung, welche auf morgen anberaumt
ist, eine nochmalige Abstimmung statt.
— Die Generaldirektion der BerkehrSanstalten erläßt
eine Dienstweisung für die neu geschaffenen Stellen der
Oberbetriebs-Jnspektoren. Die Wirksamkeit der OberbetiiebS-
Jnspektoren soll sich namentlich auf die Förderung der all-
gemeinen Interessen des Eisenbahnbetriebs und deS Der-
kehrSlebens erstrecken; dabei sind diese Beamten wesentlich
auf die eigene Initiative speziell hingewiesen. Mindestens
einmal im Jahre sollen sie sämmtliche Stationen ihres Be-
triebs besuchen und in jeder Fahrplanperiode wenigsten»
einmal alle Personen- und Gütcrzüge ihres Bezirks befah-
ren. Von Beveutung ist noch, daß die Oberbetriebt-Jnspek-
toren sich namentlich mit den wirthschaftlichen Verhältnissen
und Bedürfnissen ihrer Bezirke vertraut zu Machen haben,
um auf diesem Gebiete die thunlichst» Förderung zu bieten.
Feuilleton.
Die Maden.
(Fortsetzung.)
7.
ES giebt nichts Malerisches und Angenehmeres, als die
kleine Stadt Vigan, verborgen wie ein Vogel im Nest, in
einem jener schönen Sevennenthäler, welche man oft mit der
Schweiz vergliche» hat und welchen in der That nichts fehlt,
als die Anziehungskraft von fern, um das glückliche Ziel der
Touristen zu werden.
In südlicher Richtung gelangt man auf einem Wege,
von hohen Hügeln umgeben, dahin. Ein hübscher Fluß, der
Herault, unterhält während deS Sommers im Thale eine
frische Temperatnr und zieht oft die Bewohner der benach-
barten Gegenden herbei. Im Norden erheben sich hohe Berge,
deren Gipfel, von Wolken gekrönt, die Stadt beherrschen
und sie unaufhörlich mit ihren FelSzacken zu bedrohen scheinen.
Eine lange Straße durchschneidet es von Osten nach Westen.
Bon kleineren Straßen, welche sich nach den Bergen hin er-
heben, durchschnitten, bildet diese Straße die Stadt Vigan.
Da coneentrirt sich der Verkehr, die Thätigkeit, der Handel,
die Hotels, die Bureauxu. s. w., kurz Alles, was den kleinen
Städten Leben verleiht.
Dort und auf dem Platz, welcher sich am äußersten
Ende der Straße befindet, sind während des Marktes die
Buden aufgestellt, dort stehen die Wagen der Charlatane,
beständig von den Bergbewohnern umringt. Dort sind die
Baracken der Seiltänzer mit ihrem Geschrei und ihrer
Musik.
Auf diesem Markte, welcher einer der größten Pferde-
märkte de» Südens ist, werden bedeutende Geschäfte abge-
schlossen. Am Fuße deS Gebirges selbst, bis zu den letzten
Häusern von Vigan erstreckt sich eine große Ebene, von zahl-
reichen Kastanienbäumen beschattet.
Wenn man zufällig von der Wiese die Augen erhebt,
so sieht man oft, wie auf einer Decoration im Theater,
die Bergbewohner herniedersteigen mit ihren breitgeränderten
Hüten, ihren braunen Westen, den weiten Sammethosen und
den mit großen Nägeln beschlagenen Schuhen.
Sie führen geschmückte Pferde am Zaum«, Ochsen,
deren Hörner mit Laubwerk versehen sind, Schafe, mit bunten
Bändern geschmückt. Wenn eine schöne Septembersonne über
dieses Gemälde ihre Strahlen verbreitet und die Hitze durch
das Herannahen des Herbstes gemildert wird, ist eS unmöglich-
über dieses Schauspiel nicht entzückt zu sein, wo diese Farben-
details sich mit dem Leben in der Stadt und den Bilden?
des Landlebens vermischen.
Walter Scott zeigt uns in den Puritanern von Schott-
land die gute Mistreß Alison, welche, kiumal jährlich den
Besuch Heinrich MorionS und seiner Frau empfangend, sich»
Monate damit zubringt, Vorbereitungen für diesen Besuch
zu treffen, und sechs Monate, um nachher Alle» wieder in
Ordnung zu bringen.
Von Tante Sophie konnte man etwas Aehnliche» sagen.
In ihrem stillen Leben bildete der Markt von Bigan dm
EulminationSpunkt deS JahreS.
Sie dachte schon lange vorher daran, und die» war
für sie ein Vorwand, Angehörige ihrer Familie einzu-
laden.
Tante Sophie, ältere Schwester der Mutter der Frau
von Esterac, war eine alte und ehrwürdige Dame, der dir
Kinder diesen Namen gegeben, so daß;fie unter kein»»
anderen bekannt war; sie bewohnte eia großes alterthkmliche»
HauS.
Man trifft diese Häuser, von der Demolirung verschallt,
nur noch in gewissen Provinzialstädten. Sir haben einen
feuchten Hof mit Gras bewachsen, einen Garten mit geraden