Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

DOI Kapitel:
Juli (No. 78 - 89)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Erscheint
^bchentlich drei Mal:r/
L.cnstag. Donnerstag!
uud Samstag.
All- Postanstälten
und Boten nehmen
^ Bestellungen an.


Mertelj. Abonnement
Für'S Wochenblatt öl kr:
.Unterhaltungrblatt 121 kr.
Ins erat e
die viergestältene
Petltzeile oder deren
^ . Raum 4 kr.,
»armondjeile S kr.

Kadi



e Hopfknikitung.
für die badische und bayerische



«o. 84.

Samstag, 18. Juli 1874.

VIH.


Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Ännoncen-Bureaux von Kaaserrsteill L Aogker, Audokf Waffe und K. T Jauöe L E«., Süddeutsche Annen-Krpeditks»
von tz. StSLHardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a-/M.. ... ..
hen. Während dieser Zeit war der Wagen bis an die
öden erwähnte Braun'sche Restauration gelangt, und in

Das Attentat auf den Fürsten Bismarck.
Um unfern Lesern ein ganzes Bild von dem ruchlosen
Meuchelmordsversuch, welcher letzten Montag in Kissingen
stattgefunden, zu geben, stellen wir alle bis heute in die
Ocffentlichkeit gedrungenen Nachrichten hier zusammen.
Der „Nordd. Allg. Ztg." schreibt man aus Kissingen,
13. Juli, Nachmittags Uhr. Meinem heutigen Tele-
gramm laste ich nun, nachdem sich die allgemeine, unglaub-
liche Aufregung etwas gelegt hat, noch einige schriftliche Mit-
theilungen folgen. Der Thalbestand war folgender: Um
1 r/r Uhr präcis fuhr Fürst Bismarck in einer königlich bayeri-
schen Hofequipage aus dem Hofe seiner Wohnung, um sich
zum Bade nach der Saline zu begeben. Im Moment, in
welchem sein Wagen um das Haus herum gebogen war, und
er gerade die Hand zum Gruß für hie seine Wohnung be-
lagernden Kurgäste hochgehoben hatte, feierte ein aus Magde-
burg gebürtiger Böttchergeselle mit einer Pistole einen Schuß
auf den Fürsten ab, während ganz gleichzeitig eine kurze-
untersetzte Figur mit langem Rock derart vor die Pferde gelaufen
war, daß dadurch eine momentaneBerzögerung derFahrt einträt.
Die Wohnung des Fürsten liegt auf der rechten Seite der
Saale mit freiem Ausblick über das Thal und nur durch
die Breite eines Hauses und Gartens von der Saalebrchcke
entfernt. Der Wagen — kaum bis zum Nebenhause an der
Brücke gelangt — kehrte auf des Fürsten Befehl um; der-
selbe sprang heraus und begab sich sofort nach seiner Woh-
nung, während der Wagen in den Hof zurückfuhr. Das
Publikum war derart consternirt, das Ganze so sehr das
Werk eines Augenblicks, daß sich nun erst Einige zur Ver-
folguug des Mörders aufmachten, während der Gastliche leider
bei der Jagd außer Augen gelassen wurde, und so bis jetzt
spurlos verschwunden ist. (Ist bekanntlich bereits verhaftet.
D. R.) Der Mörder lief nach der Brücke zu, gerade ,dem
Bruder des bekannten Tenoristen Lederer in die Arme.
Dieser durch den Schuß aufmerksam gemordet», kam gerade
aus der Restauration än Pont ^ hielt den Kerl mit An-
strengung fest. Erst als mehrere Herrn Lederer zu, Hilfe
eilten, wurde er mit zerbissenem Daumen und halb erwürgt
aus den Händen des Mörders befreit, Und dieser selbst per
Bolksjustjz nach dem Gesättgniß geführt resp. gestoßen. So-'
fort wurde ferner noch ein verdächtiges Individuum, welches
per Bahn um 2 Uhr auf Fürst Bismarck schimpfend abreijen
wollte, gefaßt. Der Geistliche indeß, der seit 11 Uhr mit
dem Mörder vor des Kanzlers Wohnung auf- und abge-
gangen war und bei der Affaire vor die Pferde sprang, ist
leider bis jetzt noch nicht verhaftet. Soviel steht indeß absolut
fest, daß das Subjekt selbst nicht der eigentliche intellektuelle
Urheber des Mordanfalles ist. Die Untersuchung wird hier-
über hoffentlich Licht verbreiten. Die Kugel hafte die in,
Telegramm bezeichnechte Stelle, also innen, ari der Ver-
bindundsstelle von Daumenballen und Handfläche leicht ge-

streift, war also glücklicher Weise zwischen Kopf und Brust
einerseits und Ellenbogen und Hand andererseits durchge-
gangen. Der Fürst zeigte sich sofort mehrmals am Fenster
unter begeisterten Hoch'- der unzählig Herbeiströmenden. Die
Wunde wenig aufgeschwollen und blutete; jedoch hinderte sie
nicht an der freien Bewegung der Finger. Nach einer guten
Stunde, also um 3 Uhr ungefähr, kam der Wagen des Fürsten
mit ihm selbst und Dr. Dirüff asi seiner Seite aus den, Hofe
herausgerollt und machte eine Rundfahrt durch die Stadt,
um die allgemeine Aufregung einigermaßen zu beschwichtigen.
Es wäre vergeblich, all die Ovationen schildern zu wollen,
welche dem Fürsten auf dieser Fahrt dargebracht wurden
Er hatte den einen Arm in der Binde und aüS dem Roh
ausgezogen. Anscheinend sah er wohl aus und grüßte na
allen Seiten mit Lebhaftigkeit.
Der „Nat.-Ztg." schreibt man: Kissingen, 13.
Juli, Nachmittags 4 Uhr. Unter dem Eindrücke der uner-
hörten Frevelthat, dieffich soeben in unserem sonst so ruhi-
gen Badeorte vollzogen hat, ergänze ich meine an Sie ge-
sandten Telegramme, indem ich mich zunächst darauf be-
schränke, das bis jetzt durch directe Berichte von Augenzeu-
gen, zu denen auch ich zum Theil gehört habe. Festgestellte
Ihnen mitzutheilen. Um Ihren Lesern zunächst eine An-
schauung von den örtlichen Verhältnissen zu geben, führe
ich an, daß Fürst BiSmarck auf dem jenseitigen Ufer der
Saale in dem zu rechter Hans der Brücke über dieselbe be-
legenen Häufe des Dr. Diruff Wohnung genommen hat.
Der Brücke zunächst befindet sich eine Restauration von Braun,
ein Garten, in dem zur Mittagsstunde ein zahlreiches Pub-
likum zu speisen pflegt; daran schließt sich ein Hotel garni
das demselben Besitzer gehört. Neben diesem liegt das HauS
des Dr. Diruff, dessen erste Etage Fürst Bismarck bewohnt.
Auf der andern Seite des Dirüff'schen Hauses befindet sich
gskichfalls ein Hotel gärni (von Holzmann), das züMittag ,
von Gästen zahlreich besucht wird, so ist der Ort des ^
Attentats um die Mittagsstunde stark belebt und, da der
KiMer um diese Zeit sich zu Wagen nach der Saline zu
begeben pflegt, findet sich jetzt regelmäßig sogar ein außer-
gewöhnlich großes Publikum ein, um den vielverehrten Mann
zu sehen. So war auch heute ein zahlreiches Publikum
versammelt, als Fürst Bismarck um 1*l» Uhr an der Süd-
seite deS Dirüff'schen Gartens den königlichen Wägen bestieg,
während ein Baoebiener neben dem Kutscher auf dem Bocke
Platz nahm. Als die Equipage aus dem Gartenwege in
beschriebene Hauptstraße ernbieg.n wollte, bewegte sich (wie
mir der königlich bayrische Kutscher Schmidt, per Führer
des Wagens, mütheilt) ein mit einem Rocke, wie ihn die
katholischen Geistlichen zü tragen pflegen, bekleideter Mann
vor dem Wagen her', sö daß der Kutscher gezwungen war,
langsam zu fahren und den Mann auzurüfen, der sich erst
nach mehrmaligem Zuruf dequemte, aus dem Wege zu ge-

diesem Augenblicke wurde aus nächster Nähe «ine Pistole
auf den Fürsten abgefeuert. Der Kutscher, fast starr vor
Schrecken, hatte doch die Geistesgegenwart sich, uchzukehren,
er sieht den Fürsten anscheinend unversehrt, will also weiter
fahren und wendet fich,dey Pferden zu, da bemerkt er den
Mörder, der, das Pistol fort werfend, in -er aus den Re-
staurationen und Häusern in Folge des Schusses herbeige-
strömten Menscheiüneilge vrWoMett wollte. Mit einem
kräftigem'PMcheirstzlage Huhr der Kutscher dem Mörder nun
über das Gesicht u»d gleichzeitig packte eist BäWast (der
Hofschauspieler Lederer aus DariNstadt) denselben bei der
Kehje. Umsonst bot der Mörder alle Mittel Mf, sich feister
Festnahme zu entziehen (die Hand des Lederer trägt
Bißwunden), die Menschenmenge hielt ihn fest, mast packte
ihn an allen Theilen des KötperS und fast Hätte man ihn
in Stücke gerissen, so groß war die Entrüstung übet die
Verübl^Frevelthat. Der Fürst selbst war Gbttlöd! ziemlich
Unverletzt geblieben, eine leichte Streifung an dein Knöchel
des rechten Handgelenks war die einzige sichtbare Folge des
Mordversuchs. Fürst Bismarck trat unter das erregte Pu-
blikum und suchte es zu beruhigen, indem er -inzufügte,
„man solle den M-Üschen dein Gesetze überlassen." Nachdem
man., die Gewißheit erlangt hatte, daß ein gnädiges GesOck
den Kanzler vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, und der
Schrecken der Anwesenden sich gelegt, umringte Alles den
Fürsten. Jeder wollte seine Tyeilnahme auSsprechen, eiste
unbeschreibliche Verwirrung trat ein, und allmälig gelaitz
es, dem Fürsten eine Bahn zu brechen, auf die es chm mög-
lich wurde, seine Wohnung zu erreichen. Während dieser
Zeit wurde der Mörder.von einer Zahl von Badegästen mehr
.fortgeschleift als tranSportirt und nach dem Stadtgefängniß
gebracht. Er gab an. ein Böttchergeselle KullMänn äst»
Magaeüurg zu sein, und erwiderte auf alle weiteren Fräßen
nur, „er habe die Unthat aus freiem Antriebe getyan." Hr
ist ein junger Mensch von circa 19 bis 20 Jahren dom
rohesten Aussehen, der mir indessen doch zugleich Pen Ein-
druck eines verschmitzten Menschen und eines abgefeimten
Verbrechers machte; nach eistem Fanatiker ficht «r sticht aus.
I« der Aufregung netzten deßhatb auch Alle Ser Annahme
zu. daß xr zu dein Verbrechen gedungen fem möchte ; mit
welchem Rechte will ich nicht untersuchest; aber auffällig ,t
jedenfalls das Zusammentreffen der Thar mit der Anfangs
erwähnten Persönlichkeit im Priesterrock. Trotz der dukD
den Borfall natürlich hervorgerufenen starken geistigen Er-
regung konnte Fürst BiSmarck, den rechten Atm in ein«
Binde tragend, sich bereits gegen 3 Uhr in das LandgerW
begeben; er hatte gewünscht, den Verbrecher selbst zu sehest
und zu sprechen. Der Inhalt Vieser Unterredung, wie dK
bisherige Resultat der sofort eingelöteten Unlersuchüstg entzieht

Der Armenarzt.
Elftes Kapitel.
Die zerstört« Form.
(Fortsetzung.)
Dr. Feldmann schlang seinen Arm um sie und zog sie
an sich, da erst kam Leben in sie, sie schlang ihre Arme um
s !u n Hals und zog ihn krampfhaft an sich, Dr. Feldmann
h eit sie, aber in demselben Augenblick war es ihm gerade wie
da a!s, in dev geheimnißvollen Nacht, er sah sie wieder an,
das waren dieselben Züge, dys waren dieselben Arme, die
ihn umschlangen wie damals, nur ertönten nicht die Worte:
R.Uen Sie ihn! Sonst in Allem war dieselbe Scene.
Emilie schwieg, er trug ihrem Schweigen Rechnung.
Nach einer Weile aber fragte er wieder leise und zärtlich:
.Hast Du keine Antwort für mich?"
„Du sollst Antwort haben , nur jetzt nicht," sagte sie;
dann umschlug sie ihn wild und leidenschaftlich und verließ
das Zimmer.
Dr. Feldman« stäyd sprachlos und »De sich dichtz

, Benehmen nicht zu erklären. Er wollte ihr Nacheilen, allein
Emiliens Vater trat ihm entgegen und sagte:
„Ich werde mit meiner Tochter sprechen , Sie solle«
Antwort haben."
Es blieb Dr. Feldmann Nichts übrig, als das Haus
zu verlassen, und zwar unter den widerftrritendsten Gefühlen.
Wieder tauchte in ihm die Frage auf« ist Emilie, die Du
über Alles liebst, dieselbe Dame, welche Dich damals bat,
einen Andern zu retten, sollte sie einen Andern Men? Und
zum ersten Male beschlich ihn das Gefühl der Eifersucht, mit
allen Qualen, welche ihm eigen sind.
Kurz war stärker verletzt, als man ursprünglich geglaub'
Hatte. Es war, als wenn die lang verhaltene Wuth Eber-
hardt's sich in dem unglückseligen Schlag concentrirt hätte,
'd^r'feisten Kollegen zu Böden streikte. Kurz hatte wie ge-
wöhnlich zur Zeit k>es Frühstücks seine weltbeglückenden Ideen
ausgesprochen und mit bissigen Zusätzen versehen, den Arbei-
tern als das Evangelium der Neuzeit bezeichnet. Diesmal
hatte er es besonders äuf Eberhard! abgesehen, den er mit
spitzen Worten und Reden vorwärts zu drängen suchte, irgend
eine That zu begehen, nach welcher dir andern sich richten
möchten.

Eberhardt ward ruhig geblieben und hatte di« Reo«;
seines Kollegen, wie schon so oft, angehört, ohne sich in eine
Controverse einzulassen, allein Etwa- war doch von Meck
sitzen geblieben, hin und wieder war ein Korn auf günstiges
Boden gefallen, das nun frische Wurzel schlug und ihn schick
zu den Schritten verleitete, dem Inhaber der Fabrik, Herr«
Wagenberg, gegenüber zu treten und dem Volontair die,
Meinung zu sagen. ff
Diesmal hatte Kurz es nicht fehlest lassest an verfäng-
lichen Redensarten, er hatte ihn, den Meister, als einest
Träumer Yingestellt, der leisten Muth hat, Linen entscheiden-
den Schritt zu wägen. Als diese Bemerkung nicht zog,
deutete er an. daß Eberhardt wohl unter den Pantoffel seiner
Frau stände und nur thun dürfe, was diese wolle; als auch
das nicht zog, behauptete er, er dürfe nur das thün, was
seine Tochter wolle, die einen unerklärlichen Einfluß auf ihn
ausübe, trotzdem sie bucklig und häßlich sei. Da- konnte
Eberhardt nicht vertragen, hatte er doch selbst in einem An-
fall des Jähzorns das Unglück seines einzige» Kindes ver-
schuldel und trug er Loch seine Tochter auf den Händen, um.
so viel in seinen Kräften stand, die grthane Unbill wieder
girt zu mächen.
(Fortsetzung
 
Annotationen