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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Dezember (No. 142 - 154)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0617

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wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
^ Bestellungen an.

Mimliinm WochrMsll

Amtsverkündigungsbtatt für den Aezirk Schweßingen.

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Inserate
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Garmondzeile 5 kr.

Badische Hopscnzcitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpsalz.

154.

Donnerstag, 31. Dezember 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen slir uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaaseilstein L Vogler, Ilndols Masse und H. L. Aauöe L Hs., Süddeutsche Annsncen-Hrpedittou
von H. StöLhardt in Franksurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Siraßburg, sowie das Zäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.


Bestellungen für's 1. Quartal
auf das „Schwetzinger Wochenblatt", Bad.
Hopfenzeitung, werden noch immer von uns,
sowie von allen Postanstalten und unseren Zeitungs-
trägern entgegen genommen.

Das nächste Blatt erscheint wegen dem
Neujahrsfest am nächsten Dienstag.

Wochenschau.

Schwetzingen, 30. Dezember.
Zum letzten Mal in diesem Jahre greifen wir zur
Feder, um mi' unseren Lesern noch einmal im alten Jahre
den wöchentlichen Rundgang auf der politischen Arena zu
machen. Viele und wichtige Begebenheiten hat das verflos-
sene Jahr uns gebracht, sie alle fließen mit ihm in das
uuendliche Reich der Vergangenheit, in den Blättern der
Geschichte aber werden sie ausgezeichnet und gerichtet, der
Nachkommenschaft zum Nutzen und Frommen.
Kaum hat sich die Gefängnißthüre hinter dem wahn-
sinnigen Meuchelmörder Kullmann geschlossen, so berichtet
der Telegraph schon wieder aus der Reichshauptstadt, daß
die dortige Polizei einem Atteniatsprojekt gegen den Fürsten-
ReichSkanzler auf der Spur sei und ihn gewarnt habe,
nicht ohne Begleitung auszugehen. Es ist wahrhaft empö-
rend für jedes deutsche Gemüth, wenn es sieht, wie nicht nur
eine gewisse Partei im Reichstage tagtäglich es darauf ab-
gesehen , die Gesundheit des Fürsten durch fließenllich ihm
zu bercüenden Aerger allmählig zu untergraben, sondern
wie sogar sein Leben, welches dem gemeinsamen Vaterlands
schon so unaussprechlich viel genützt hat und noch nützen
wird, wie selbst dieses theuere Leben bedroht ist. Bluten
möchte dem deutschen Volk das Herz, wenn es sehen muß,
wie selbst inißrathene Kinder des eigenen Vaterlandes es
sind, welche im unseligen Dienste einer finstern ausländischen
Macht stehen, um an dem Verluste eines Mannes zu arbei-
ten, dem ganz Deutschland, ja noch mehr, zum Danke ver-
pflichtet ist. Sei dem Fürsten-Reichskanzlcr dies zum Tröste,
daß er steht, wie anläßlich seiner glänzenden parlamentari-
schen Siege, der gesunde Theil des deutschen Volkes, und
das ist — Goit sei Dank — noch weit ans der größte, ihm
seine Anerkennung und seinen Dank in Resolutionen und
Adressen darbringt, und wie selbst Se. Majestät der Kaiser
seinen ersten Rathgeber dadurch ehrte, daß er sein Entlaffungs-
gesuch nicht annahm und ihm persönlich einen Besuch ab-
staüete. Möge dem Kaiser und Reich noch recht lange diese
kräftige Stutze erhalten bleiben!

Am 7. Januar wird der gegenwärtig in den Weih-
nachtsferien sich befindende Reichstag wieder zusammen-
kommen und aller Wahrscheinlichkeit nach noch drei Wochen
in Anspruch genommen sein. Die Vorlage in Betreff des
Reichsrechnungshofes enthält die Bestimmungen über dessen
Constituirung und Organisation, sowie über den Umfang
und die Art der Ausübung seiner Befugnisse. Zur Wahl
der permanenten Reichstogscominission, welche für die Be-
raihung der Justizgesetze eingesetzt werden soll. wird erst
dann geschritten, wenn das die Bildung einer solchen Com-
mission bestimmende Gesetz pnblizir! ist. Die Thätigkeii die-
ser Zwischencommission dürfte erst nach Schluß des preußi-
schen Lantages beginnen, weil muthmaßlich einige hervor-
ragende juristische Mitglieder desselben in die Commission
gewählt werden.
Von mehren Sellen wird die N chricht verbreitet La s-
ke r beabsichtige aus der nationalliberalen Partei auszutreien,
und forischritiliche Korrespondenten malten sich schon freu-
digen Gesichtes die ihrer Fraktion dadurch in Aussicht stehende
Verstärkung ans. Wie das Organ Lasker's, die „Berliner
Autogr. Korresp." erklärt, ist diese Hoffnung auf eine Spal-
tung der naiionalliberalen Partei abermals nichts als ein
frommer Wunsch der Verstärkung bedürftigen Politiker rechts
und links, w lche die dominirende Stellung der nationalli-
beralen Pariei beneiden und dazu allerdings Ursache haben.
Die Versailler Nationalversammlung hat am 22.
dS. durch die schon gemeldete Zurückweisung des A.t. 2 des
Gesetzes über den höheren Unterricht nebst dem Amendement
Fournier an die Kommission ihren Willen bekräftigt, die
„Unterrichisfreiheit" zu einem Werkzeug der klerikalen Partei
zu machen. Das Amendement, dem der Kultusminister zu-
stimmie, fordert nämlich strengere Garantien gegen die Anarchie
und für Begrenzung der Freiheit durch das Autoritätsprinzip,
damit der Strom nicht verheerend die Ufer überfluthe. Man
versteht diese Sprache. Dagegen wurden die bescheidenen
Forderungen, daß die Vorlesungen öffentlich sein sollen und
der Staat das Recht der Promotion behalte von der Majo-
rität unterschlagen. Sobald das Gesetz publizirt ist, wollen
die Ultramonianen eine „katholische Universität" in Lille er-
richten. Ein Versailler Korr, der „Allg. Ztg." schildert die
maßgebenden Persönlichkeiten der Versammlung wie folgt:
Dnpanloup, eine mit allen Salben geschmierte Physiognomie,
thront oder triumphirt sorgenlos auf einer erhöhten Bank
an der rechten Eingangsthiir. Alle eintretenden Abgeordneten
holen sich bei ihm das Schlagwort, wie sie in der Kirche
die Finger im Wasserkessel benetzen. Augenscheinlich ist der
Bischof des Berichterstatters, Herrn Professors Laboulaye, sicher.
Dieser ist gewiß ein achtbarer Gentlemann; aber er verursacht
ein peinliches Erstaunen. Denn er war kostümirt, wie Zeichner
und Schauspieler die Jesuiten darzustellen pflegen: ein bis

über den Hals wie eine Kutte zugeknöpfter Paletot, ohne
Wäsche, der Kahlkopf wie eine Tonsur, Haltung und Sprache
süßlich, verfänglich, tückisch. Laboulaye affekiirt die Zuver-
sicht, die freie, nämlich des Affoziationsrechts entbehrende
Wissenschaft werde den Jesuiten die Stange halten.
Die Weihnachtsallokution des heiligen Vaters be-
schäftigte sich wieder mit den „Kirchenverfolgungen" in der
ganzen Welt diesseits und jenseits Ozeans. Merkwürdiger-
weise stand diesmal Deutschland nicht in erster Reihe, sondern
der Großiürke, der also — zu unserm Tröste sei es gesagt
— doch noch schwärzer angeschrieben ist, als die deutschen
Diokletiane. Der Papst schimpfte hauptsächlich über die
Maßregeln welche die Pforte in dem armenischen Kirchen-
streiie ergriffen hat, um der um ihren Patriarchen Kupelian
gescharten Gemeinde den infallibiliflischen Hafsunisien gegen-
über ihr Recht zu wahren.
Den Spaniern ist zu Weihnacht eine kleine Über-
raschung zu Theil geworden durch ein Manifest von Alfons,
dem Sohne der Ex-Königin Jsabella. Der Prinz präsentirt
sich mit großer Zuversicht als künftiger König von Spanien
und verspricht stets ein guter Spanier, ein guter Katholik
und als „Mann" der heutigen Zeit (Alfons ist 18 Jahre
alt) ein Liberaler zu bleiben. Daß der Prinz die Vorsätze
hegt, welche er hier bekennt, darf man ihm möglicher Weise
glauben; aber das spanische Volk kennt auch das Sprüchwort
von dem Wege, der mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Mit
guten Vorsätzen hatte die Königin Jsabella angefangen.
Ueber das strandräuberische Vorgehen der Karlisten ge-
gen die bei Guetaria in Sturmesbedrängniß gerathene
mecklenburgische Brigg „Gustav" verbreitet der an anderer
Stelle unseres Blattes auszüglich wiedergegebene Bericht deS
deutschen Consulatsverwalters in San Sebastian Licht. Hier-
nach unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Karlisten
ersten? auf wehr- und hülflose deutsche Seeleute Stunden
lang ihre Flinten abgefeuert haben, daß sie ferner die La-
dung der gestrandeten Brigg als gute Prise betrachten und
nicht leicht wieder herausgeben werden. Was die deutsche
Regierung in der Angelegenheit thun wird, bleibt abzuwar-
ten. Aufzuklären ist noch der Umstand, daß die deutschen
Kanonenboote »Nautilus" und Albatros", trotzdem dieselben
noch acht Tage lang nach der karlistischen Uebelthat in dem
nur wenige Meilen von Guetaria entfernten Hafen von
Santander vor Anker gelegen, sich von der spanischen Küste
entfernt haben ohne die Karlisten für ihre Schandthat nach
Kräften zu züchtigen. Vielleicht, daß der abscheuliche Sturm,
welcher zu Mitte deS Dezember an der nordspanischen Küste
gcwüthet, jede Kommun katisu zwischen Guetaria und San-
tander unmöglich geniaä,t hat, so daß unsere Kriegsschiffe
absegelten, ohne überhaupt Kunde von dem Vorfall zu haben.
Mit einiger Besorgnjß beobachtet die Diplomatie der

MMclon.
Pie Hlaöen.
(Fortsetzung.)
Neun Uhr schlug die Glocke des RathhauseS. Einige
Minuten später kam Anselm Cosserousse. Susanne sah ihn
Vorbeigehen und die Treppe hiuaufsteigen, darauf hörte sie
ihn hinter sich die Thür des Bureaus zumachen.
Susanne ging mit leichtem Schritt in den Salon hinauf,
welcher durch die hermetisch geschlossenen Fenster ganz finster
war; die Glasihür hinderte weder das Sehen, noch das
Hören.
Berard saß vor seinem Pult, Cosserousse den Rücken
zukehrend.
„Nun, das ist gut," sagte der Notar; „ich sehe, Cossc-
rouffe, daß Sie pünktlich sind. Sie bringen Geld?"
„Hier ist es?" sagte Anselm, an dem man nicht den
freudigen Ansdruck bemerkte, den sonst ein Landmann hat,
wenn er sich von einer alten Schuld befreit. Er legte
drei Hundert-Franks-Scheiue und mehr als dreißig Francs
Interessen für zwei Jahre auf den Tisch.
Herr Berard zählte nach.

„Es ist richtig," sagte er, „ich werde Ihnen Ihren
Wechselbrief geben."
Andreas Servaz war so geizig, daß er nicht wissen
ließ, daß er Geld verborge. Deßhalb stand sein Name nicht
auf diesem Wechselbrief, der übrigens mit der gewöhnlichen
Formel versehen war.
Anselm Halle immer geglaubt, daß der Notar sein
eigentlicher Gläubiger sei. Aber diesem gefiel es nicht, für
einen Banquier zu gelten, selbst in diesen äußerst bescheidenen
Verhältnissen. Abgesehen davon, daß dies gesetzlich den Notaren
verboten ist. fürchtete er auch, alle geldbedürftigen Leute sich
auf den Hals zu laden.
Er war nebenbei nicht abgeneigt, seinem Nachbar, dem
alten Krämer, einen Schabernack zu spielen. Um ihn zu
necken, hatte er ihm den Beinamen „der anonyme Verleiher"
gegeben. „
„Wissen Sie, wer sich freuen wird?" sagte er Coffe-
rousse, ihm das gestempelte Papier zurückgebend. „Das ist
mein Nachbar Andreas Servaz, welcher fürchtete, sein Geld
zu verlieren oder genöthigt zu sein, Sie zu verfolgen. Der
brave Mann konnte nicht mehr schlafen.
„Andreas Servaz!" rief Cosserousse überrascht. „Ich
bin der Schuldner von Andreas Servaz?"

Susanne, welche nicht eine einzige seiner Bewegungen
aus dem Gesicht verlor, sah seine niedere Stirn erbleichen,
seine Augen unter den großen Brauen von einem wilden
Feuer leuchten, sein Gesicht sich zusammenziehen. Aber im
Augenblick faßte er sich wieder, noch ehe der Notar, über das
Zittern seiner Stimme erstaunt, Zeit gehabt hatte, sich umzu-
drehen und ihn zu fragen:
„Was kümmert Sie das? Sie sind jetzt schuldenfrei."
„Ah, ich verstehe," fügte er hinzu, „Sie zittern bei dem
Gedanken, daß Sie fünf Jahre in den Klauen dieses alten
Geizhalses gewesen sind, dessen Handlungsweise in Geldsachen
bekannt ist. Möge Ihnen dar eine gute Lection sein, stürzen
Sie sich nicht mehr in Schulden."
„Ich werde mich bemühen," sagte Anselm.
„Sehen Sie," fuhr der geschwätzige Notar fort, „Geld
zu borgen, die Interessen zu zahlen, den Schuldschein zu
erneuern, das ist der Tod des Landmannes. Aber die letzten
Jahre waren schlecht, wie sind Sie da fertig geworden?
Die letzte Ernte war äußerst traurig. Mein Pächter zahlt
mir nicht und Herr Claudet, ihr Eizenlhümer, sagte mir
kürzlich, daß sie sehr im Rückstand wären."
„Er wird es nicht mehr sagen," erwiderte Cosserousse.
„Ich hatte meine Ernte von drei Jahren; ich konnte mich
 
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