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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Oktober (No. 116 - 129)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0499

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Dienstag, Donnerstag!
und Samstag.
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Amtsverkündigungsölatt für den Aezirk Schwetzingen.

Viertels. Abonnement.
FItr's Wochenblatt 51 kr.
Unterhaltungsblatt 12 Ir.
Inserate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Kadische Hopsenzeitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpsalz.

125.

Donnerstag, 22. Oktober 1871.

V!II. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaaseirsteiir L Jogker, Aildokf ZNosse und H. L. Sauöe L Ko., Süddeutsche Annoncen-Hrpedttio«
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

* Nochmals Graf Arnim.
Die konservative „Kreuz. Ztg." schreibt man aus Ber-
lin : „Die Untersuchung gegen den Grafen Arnim ist in
vollem Gange. Gestern hat wiederum eine criminal-polizei-
liche Hausdurchsuchung in dem Palais der Gräfin Boitzen-
burg am Pariser Platze stattgefunden, in welchem ihr ver-
hafteter Schwiegersohn eine Stadtwohnung inne hatte. Sie
dauerte von Mittags bis gegen 4 Uhr Nachmittags. Sie
wurde unter Leitung des Criminal-Commissarius Pik von
ungefähr sechs Beamten ausgeführt und erstreckte sich auf
die Remise , in welcher außer Möbeln auch eine größere
Zahl von Kisten mit Sachen des Grafen Harry Arnim stehen,
meist noch unausgepackt und in demselben Zustande wie sie
bei der Uebersiedelung aus Paris hier angekommen waren.
Vierzehn Kisten sind einstweilen mit Beschlag belegt und
durch Möbelwagen nach dem Gerichtslokal transportirt wor-
den. Jetzt wird die Remise durch einen Schutzmann be-
wacht, der den Befehl hat, Niemanden zuzulassen. Es ist
dabei ein Brand ausgekommen. Auf welche Weise und
durch wessen Schuld das Feuer entstanden ist, hat sich bis ^
jetzt noch nicht feststellen lassen. Einige sage» : durch einen
tabakrauchenden Beamten; doch ist das eben nicht wahr-
scheinlich, da unsere Beamten im Dienst nicht zu rauchen
pflegen. Durch das Feuer wurden einige Möbel zerstört
und ein Wagen angebrannt. Es brannte in Heller Flamme;
doch als die Feuerwehr, welche rasch zur Stelle war, erschien !
war es bereits so weit gedämpft, daß cs nur noch rauchte, s
Das Erscheinen derselben, sowie der ganze Vorgang, hatte
eine zahlreiche Menschenmenge auf dem Platze vor dem
Hause versammelt. Die „Krcuzzeitung" berichtet noch: „Die
Gemahlin des Grafen hat diesen vorgestern, das erste Mal
seit 11 Tagen, besucht, und cs hieß, daß sie ihn werde einen
Tag um den andern spreche» dürfen. Heute ist aber mii-
getheilt worden, daß vorläufig Niemand mehr Zutritt haben
wird. Auch ein Zettel seines Rechtsanwalts mit einer An-
frage wurde zurückgewiesen." Kur; unsere Justiz zeigt, daß
sie die Sache sehr ernst nimmt und in wesentlichen Dingen
keinen Unterschied der Person kennt.
Die geheimnißvolle Andeutung in der Mittheilung aus
dem Arnim'fchen Lager, die Briefe Bismarck's an Arnim
würden demnächst gegen seinen Wunsch veröffentlicht werden
wird in der Wiener „Presse", die demselben Lager aiigc-
hört, jetzt dahin erläutert, es werde eine englische Zeitung
sein, welche die Briefe veröffentlicht. Durch die Gerichts-
verhandlungen werden sie schwerlich bekannt werden, da für
diese, wie behauptet wird. die Oeffentlichkeit ausgeschlossen
werden soll. Die „Wiener Blätter" fahren fort, gegen Bis-
marck zu toben, so daß die „National Ztg." sich veranlaßt
findet, dieses Gebühren in einem Leitartikel zu beleuchten.
Sie bemerkt unter Andern,: „Es ist die alte Gegnerschaft

gegen den Mann, der in Nikolsburg die Friedens-Prälimi-
narien diktirte, die immer wieder durchbricht. Wie tief
man auch in Wien von der Nothwendigkeit durchdrungen ist
in Frieden und Eintracht mit dem neuen deutschen Reiche
zu leben; wie lebendig auch die Ueberzeugung ist, daß Oester-
reich und Deutschland sich gegenseitig stützen und tragen:
nur allzu gern flickt man dem Manne, der die Lage der
Welt zu Preußens Gunsten geändert, etwas am Zeuge. Bald
übertreibt man die inneren Schwierigkeiten Deutschlands, als
ob Oesterreich nicht seine Ultramontanen, Socialdemokraten
und „interessanten Nationalitäten" hätte; bald redet man
von der unerschwinglichen Militärlast; jetzt bietet der Neid,
die Eifersucht, die „Willkür" des Kanzlers ein unerschöpf-
liches Thema zu Anklagen, Warnungen und den düstersten
Prophezeihungen." Indessen für das Schnauben der öster-
reichischen Blätter, selbst der deutschgesinnten, gegen Bismarck,
wird von wohlunterrichteter Seite noch ein anderer Schlüssel
gegeben. Es gibt in Oesterreich eine Partei, die keinen ge-
ringeren Mann als Erbherzog Albrecht, den Sieger von
Custozza an ihrer Spitze hat, welche sich in die 1866 ge-
schaffene Lage der Dinge, namentlich die Ausschließung Oester-
reichs von Deutschland noch immer nicht zu finden weiß.
Diese großdeutsche Partei, zu welcher auch Schmerling, der
ehemalige Reichs-Minister in der Paulskirche, gehört, ist
n cht ohne Einfluß und ohne Bedeutung. Jene deutsch-ge-
sinnten Blätter müssen sich in Acht nehmen, nicht als ver-
kauft an Bismarck verschrieen zu werden. Da benutzen sie
gern die gute Gelegenheit, die ihnen der Arnim'sche Fall
bietet, auf Bismarck loszuschlagen, angeblich aus bloßer Ge-
rechtigkeitsliebe. Dabei wird in Oesterreich und zuweilen
auch außerhalb Oesterreichs die Bedeutung Arnims als
Staatsmannes gewaltig übertrieben. Die österreichischen
Blätter bemühen sich, ihn als einen Politiker ersten Ranges
als den einzig möglichen Nachfolger des Fürsten darzustellen.
„Es mag vielleicht ein Jrrthum sein", sagt die Presse, wenn
die öffentliche Meinung in Deutschland gerade den Grafen
als den befähigten Candidaten für diese Nachfolge bezeich-
net hat, weil dieser Staatsmann am meisten in die Oeffent-
lichkeit getreten ist." Die öffentliche Meinung in Deutsch-
land ? Wann und wo hätte sie in dem Grafen Arnim einen
zweiten Bismarck gesehen? Was hat der immerhin talent-
volle Diplomat geleistet, daß auch nur im entferntesten bis
an die weltgeschichtlichen Thaten Bismarcks reicht? Es ist
nur die Privatmeinung des Mannes selbst und seiner nächsten
Freunde, die ihn zu so großen Dingen ausersehen hat. So
wurde in einer Mittheilung von dieser Seite in der „Allg.
Ztg." gesagt, es sei doch gut, daß jetzt das Deutsche Reich
nicht mehr blos auf zwei Augen stehe, sondern auf vier
und der Berichterstatter eines englischen Blattes meldet, der
Graf halte seine Verhaftung für ein ihm günstiges Ereig-

niß und meine, er werde nun bald Reichskanzler werden.
In der Mittheilung der „Vossischen Ztg." zur Vertheidignng
Arnim's wurde bemerkt, Graf Arnim fühlte sich tief ver-
letzt, durch seine Entlassung, was ja begreiflich ist, und
mache stürmische Versuche zu seiner Wiedereinsetzung. Dies
ist gewiß ein außergewöhnliches Verfahren, besonders wenn
man bedenkt, daß Se. Majestät der Kaiser dem Grafen Ar-
nim bei seiner Rückkehr von Paris nicht einmal eine Audienz
bewilligen wollte, er also in ausgesprochener Ungnade lebt.
Das Benehmen scheint auf eine krankhafte Aufregung zu
deuten. Was hat fragen, wir noch einmal, Graf Arnim
Großes geleistet? Er hat als Botschafter in Paris sich aller-
dings Dienste erworben, indem er den Vertrag zur Beschleu-
nigung des Abzuges der deutschen Truppen mit Hr. Thiers
abschloß. Indessen scheint dieser Vertrag auf Befehl des
Reichskanzlers gegen den Wunsch Arnims zu Stande ge-
kommen zu sein, da man aus den jüngsten Mitlheilungen
erfuhr, Arnim habe es für vortheilhafter angesehen, den
Abzug der deutschen Truppen zu verzögern. Er war ferner
Gesandte in Rom zur Zeit des Koncils; aber wie wenig
er Anfangs die Bedeutung desselben zu würdigen wußie,
wie rasch und völlig seine Meinungen in der römischen
Frage sich geändert haben, darüber belehren uns die be-
kannt gewordenen Aktenstücke. Die „Vossische Ztg." sagt
in ihrem heutigen Leitartikel: „Die Summe solcher Be-
trachtungen ist, daß Graf Arnim der deutschen Nation
durch keine bessere Politik als Fürst Bismarck zum Leiter
der Reichsangelegenheiten empfohlen wird, daß er in der
Vertheidigung als ein Mann von übergroßer Meinung von
sich selbst erscheint, der von den Gegnern Bismarcks gegen
diesen selbst ausgespielt werden sollte und nicht merkte, wie
dieser ihn nur seines Weges gehen ließ, nm zur rechten
Zeit die Beweise gegen ihn und seine Gauner in die Hand
zu bekommen. Sic sind ihm mit blindem Eifer bis zur
Collision mit dem Strafgesetz geliefert und Bismarck müßte
nicht der Mann sein, der mit kräftiger Hand alle in der
Nation angesammelten Mittel-zur Einigung Deutschlands
nach seinem Willen in Bewegung gesetzt hätte, er müßte
weniger Gefühl für seine Verantwortlichkeit gegen seine»
Souverän und dessen Dynastie, gegen die Nation und Ge-
schichte haben, wenn er sich seine Werkzeuge über den Kopf
wachsen ließe und der Politik einer Hofpartei seinen Name»
liehe. Daß er dabei bis sitzt gewaltiger Schwierigkeiten
Herr geworden, daß er allein die Größe der Nation im
Auge gehabt und vollständig uneigennützig gehandelt hat, daß
er gegen eigene wie fremde Vorurtheile die gleiche Schon-
nungslosigkeit beobachtete, daß seine Politik noch immer von
dem gewünschten Erfolgen begleitet war, er allen Staats
männern seiner Zeit an Menschenkenntniß, Scharfblick und
Größe der Auffassung überlegen ist, können ihm seine

Feuilleton.

Die Aaßeii.
(Fortsetzung.)
Wenn ein Zeuge dagewesen wäre, der für dieses traurige
Bild einen passenden Vergleich gesucht hätte, so würde er
Susanne mit Charlotte Corday verglichen haben, die nach
ihrem heroischen Verbrechen durch die wilde Horde zum Re-
volutions-Tribunal gezogen wurde.
8.
Diese Fluth von Beleidigungen und Drohungen hatten
Susanne sehr aufgeregt. Ihre Haltung glich in nichts der-
jenigen Jakobs.
Aufrecht, die Stirn hoch, das Auge feurig, stolz, die
Wangen geröthet vom Enthusiasmus, wie vor Scham, hätte
sie als Modell für eine Statue des Schmerzes dienen können,
aber eines Schmerzes, welcher allen Prüfungen und allen
Schrecken Stand hält.
Sie war so schön, daß alle Anwesenden eine über-
natürliche Erscheinung zu sehen glaubten. Jakob zitterte,

er heftete einen Blick auf sie, wandte aber schnell die Augen
wieder ab, unfähig, diesen neuen Schmerz zu ertragen.
Der Commissar und die Gensd'armen flüsterten sich
unter einander zu: „Teufel, da lassen sich die Messerstiche
erklären!" Herr von Ribiere empfand ein Gefühl der Pietät
beim Anblick von so viel Schönheit, gegenüber dem großen
Unglück. Was Favernay betrifft, so betrachtete er zunächst
Susanne mit der Bewunderung des Künstlers als Kenner,
als Pariser, der so schöne Blumen in dem rauhen Terrain
des Departements der Lozöre nicht vermuthet hatte. Darauf
war sein herrschender Gedanke der, daß Susanne den schönsten
Schmuck seines Triumphes abgeben sollte.
Im eisten Augenblicke sah und hörte das junge Mädchen
nichts von Allem, was um sie vorging. Ein einziger Gegen-
stand beschäftigte ihren Blick, ihre Seele, ihr ganzes Wesen;
sie betrachtete Jakob mit einem unaussprechlichen Ausdruck
! von Zärtlichkeit und Vertrauen, und ihm ein leichtes Zeichen
' mit der Hand machend, sagte sie:
: „Habe keine Furcht, ich bin hier."
„Schweigen Sie!" sagte Favernay in ernstem Tone.
! Darauf wandte er sich an die Zeugen: „Wie ist der Ruf
dieses jungen Mädchen?"

Sie schienen sich einen Augenblick zu berathen, dann
antworteten sie übereinstimmend: „Ausgezeichnet!"
„Und Ihr meint auf jeden Fall, daß eine Mitschuld
nicht anzunehmen wäre?"
„Ja, Herr."
„Gut. Jetzt," begann Herr von Ribiöre, „Susanne
Scrvaz, antwortet. Ihr liebt, wie man sagt, Jakob
Boucard?"
„Ja, Herr Richter, mit ganzer Seele."
„Ihr wißt, welches schrecklichen Verbrechens er angeklagt
ist; was habt Ihr zu sagen?"
„Was ich zu sagen habe? Daß Jakob unschuldig ist."
„Nun, und außerdem?"
„Was ich zu sagen habe?" fuhr sie mit wachsender
Lebhaftigkeit fort. „Um welche Stunde soll der Mord be-
gangen sein?"
„Gestern früh zwischen sechs und sieben Uhr."
„Wohlan," sägte Susanne mit erregter Stimme, „gestern
früh zwischen sechs und sieben Uhr war ich hier bei Jakob,
hier, verstehen Sie wohl? Hier an demselben Orte, wo Sie
heute versammelt sind, nm ihn anzuklagen. Und wc,in ich
lüge, nehmt mich gefangen und werft mich mit ihm in's
Gefängniß!"
 
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