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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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August (No. 90 - 102)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0379

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Amtsverkündigungsbtatt für den Aezirk Schwetzingen.
K adi sch c H opse n^ eitung.
Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ko. 95.

Donnerstag, 13. August 1871.

VIII. Jahrgang.

Inserate vsn Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Laasenftein L Dogker, Iludolf Moste und K. AauSe L Ko.» Süddeutsche Annoncen-Krpeditiou
von K. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaup für Inserate in Frankfurt a./M.

Frankreich und Rom
.Das Versa illerKab inet fängt seit einigen Ta-
gen an, sehr korrekte Gesinnungen in römischen und
kar hi st i scheu Angelegenheiten zur Schau zu tragen. Es
findet den Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris gegen die
italienischen Tempelschänder, oder wenigstens die Veröffent-
lichung dieses Hirtenbriefes ,,bedauerlich"; es läßt durch
seine Vertrauten andeuten, daß Frankreich herzlich gern die
Regierung des Marschalls Serrano anerkennen würde, wenn
die anderen Großmächte nur mit gutem Beispiel vorangehen
wollten. Es verwahrt sich mit sittlicher Entrüstung gegen
den Vorwurf, daß die Karlisten von Frankreich insgeheim
unterstützt würden, und macht uns aufmerksam darauf, wie
ungemein schwierig cs sei, die Pyrenäengrenze gegen den
Waffenschmuggel zu bewachen.
Alles das ist nicht ernsthaft gemeint. Im Grunde seines
Herzens ist der Herzog von Decaz.es ganz der Ansicht
des Herrn Erzbischofs, aber er findet eS augenblicklich aus
politischen Gründen unzeitgemäß, die wahren Gesin-
nungen Frankreichs an die große Glocke zu hängen. Seit-
dem Deutschland Miene macht, den spanischen Gräueln einige
Aufmerksamkeit zu widmen, liegt die Besorgniß nahe, Mar-
schall Serrano werde, wenn Frankreich fortfahre den Bür-
gerkrieg zu nähren, i'n ein inniges Verhältniß zum Fürsten
Bismarck zu treten suchen. Die Italiener sind ohnehin ge-
neigt. in der Allianz mit Deutschland eine. Bürgschaft für
ihre Unabhängigkeit za erblicken; sie können darin nur be-
stärkt werden, wenn in Frankreich der Kreuzzug gegen sie
offen gepredigt wird. Beides muß aber nothwendig vermieden
werden. In dem künftigen Vergeltungskriege gegen Deutsch-
land mutz Frankreich seinen Rücken und seine rechte Flanke
frei haben; Spanien und Italien dürfen nicht Partei für
uns ergreifen. Die Politik, diesen beiden Ländern gute
Wort zu geben, ist also durch die Logik der Situation vor-
gezeichnet.
Das Schwierige ist das, daß man gleichzeitig auch die
Bundesgenossenschaft der k l c r i k a l c n P a r-
tei nicht entbehren kann. Auch ihr muß man gute Worte
geben. Auch sie ist unentbehrlich im Kriege wie im Frie-
den- Im Kriege, weil sic die deutschen Ultramontanen zu
Frankreich hinüberziehen soll, im Frieden, weil ohne ihre
Hilfe weder die Republikaner noch die Rivalen Mac-Mahon's
im Zaum gehalten werden können. Nun ist die klerikale
Partei heutzutage so hochmüthig geworden, daß sic sich nicht
nach den Bedürfnissen der Regierung einrichtcn will. Alles
soll sich ihren Forderungen unterorducn ; kein Eiuwand, daß
diese Forderungen dem Staate Uugelegenhcitcn bereiten könn-
ten, wird zugelassen. Im Gefühle ihrer Unentbehrlichkeit
verräth die Partei vor der Zeit, was geschehen würde, wen»
sie an der Spitze stände.
In dieser Verlegenheit hat der Herzog Decazcs sich

nicht anders zu helfen gewußt, als durch eine Erklärung,
welche auf der einen Seite anerkennt, daß allerdings die
U l tr a m o n t a n e n die gute Sache, die Großmuth, die
Ritterlichkeit vertreten auf der anderen Seite überbetont,
daß es unter den obwaltenden traurigen Weltverhällnissen,
bei der schlechten Gesinnung der übrigen Nationen für das
edle, hochherzige Frankreich ganz unmöglich sei, dem Zuge
seines Herzens zu folgen und so. wie es gern möchte, auf
die Schergen des Königs Viktor Emanusl loszuschlagen. Die
Schuld wird abgewälzt auf die Ketzer und Revolutio-
näre jenseits der Grenze, welche leider zur Zeit allzu
mächtig sind, um dem französischen Idealismus freie Bahn
zu gönnen. Nicht ohne Geschick wird die nationale Eitel-
keit in das Spiel gezogen, indem man zu verstehen gibt,
daß Frankreich es seiner Würde schuldig sei, die Hände in
den Schooß zu legen und sich nicht für die undankbare Mensch-
heit zu bemühen, welche im Jahre 1870 ihm in seinem
Unglücke nicht beigestanden habe. Natürlich' ist eine solche
Wendung nur für Franzosen zu verwerthen, in jedem ande-
ren Lande wird man sie spaßhaft finden. Das hochherzige,
ideal gestimmte Volk unternimmt einen Raubzug, wird von
dem zu beraubenden Nachbarn exemplarisch abgestraft, und
beklagt sich nun darüber, daß Niemand sich seiner Unschuld
angenommen hat. Um sich zu rächen, will es seinerseits
nun auch dem heiligen Vater nicht helfen, obwohl es sagen
muß, daß solche Hilfe ein schönes Werk wäre. Die Fran-
zosen haben das Talent, solche Abgeschmacktheiten mit Ele-
ganz vorzutragen. Das Organ des Herzogs von Decazes
drückt den Gedanken so aus:
„Die Zeiten der römischen Expeditionen sind vorüber.
Die Politik der ritterlichen Interventionen ist zu Ende. In
Zukunft werden wir uns nur mit uns selbst und mit uns
allein beschäftigen. 1870 von Allen verlassen, sind wir
zum Egoismus verurtheilt. Was man auch thun und sa-
gen mag, wir werden nicht aus dieser Lage heraustreten."
In dieser Sprache sehen wir kei n A nz e ichc n, daß
die französische Politik in andere Bahnen einlenke, son-
dern lediglich einen durch augenblickliche Nothwendigkeiten
erzwungenen Versuch, die öffentliche Meinung gegen die
Indiskretionen und Zudringlichkeiten der ultramontanen He-
tzer in Bewegung zu setzen. Selbst wenn die Fregatte
„Orenoqne" von Civitavecchia abberufen werden sollte, wür-
den wir uns nicht entschließen, an das End der französi-
schen Jntcrvcntionspolitik zu glauben. Die augenblickliche
Weisheit und Mäßigung ist lediglich eint rzeugniß
der Furcht, Deutschland könnte ernten, wo Frankreich
vorzeitig Pflügei Wie sorgfältig weiß das offiziöse Blatt
des Herzogs cs zu vermeiden, die römischen Expeditionen
als solche zu verdammen. Im Gegentheil, es stellt dieselben
dar als Unternehmungen, die zu verabsäumen Egoismus sei.
Nur daß Frankreich durch die Haltung Europa'» sich genöthigt

sehe, den schmerzlichen Entschluß zu fassen und sich dem
Egoismus zu ergeben. In diesem kleinen Zuge verräth sich
das Herz Frankreichs. Mit dem größten Vergnügen würde
eS sich in Italien als Schiedsrichter geberden; es ist ihm
höchst peinlich, sich nur mit sich selbst beschäftigen zu müssen.
Aber es geschieht Europa ganz Recht. Warum hat es uns
im Stiche gelassen?
Bei solchen Gesinnungen hängt es nur von den Zeit-
umständen ab, ob die Chassepots den päpstlichen Thron
wieder aufrichlen werden oder nicht. Deutschland braucht
nur unschädlich gemacht zu werden, um den Italienern be-
greiflich zu machen, daß die Politik der ritterlichen Jntre-
ventionen nur suspendirt war. Die Italiener sind klug
genug, dies zu begreifen. Der Erzbischof von Paris ist
wie der Wein, von dem eS bei Schiller heißt: er erfindet
nichts, er schwatzt nur aus. (W. Ztg.)
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 6. August. Personalnachrichten. Forstpraltikant
Richard v. Wänker in Freiburg wurde zum landesherrlichen Be-
zirksförster in Kippenheim ernannt. Unter die Zahl der Feldmesser
wurden ausgenommen: Karl Kepp ner von Herbolsheim und Jo-
hann Gohl von Rielafingen.
* Schwetzingen, 11. Aug. Am letzten Freitag ist
die englische Parlamentssession geschlossen worden. Ein Aus-
zug der Thronrede, welchen der Telegraph gebracht hat, er-
wähnt die freundschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland,
ans welchem sich ein Einfluß ergebe, der fortwährend zur
Aufrechthaltung der Verträge und zur Festigung des europäi-
schen Fliedens verwendet werde. Sodann berührt die Thron-
rede den Brüsseler Kongreß und entwickelt nochmals den eng-
lischen Standpunkt, welcher jede Regelung des Seekriegswesens
verwirft — ein Standpunkt, welchem die übrigen Regierungen
vielleicht zu schnell Rechnung getragen haben. Hinsichtlich der
spanischen Angelegenheiten betont die Thronrede, daß an eine
Einmischung in die innern Angelegenheiten des unabhängigen
Spaniens von Seite Englands nicht zu denken sei, was man
nachgerade oft genug gehört hat. John Bull fürchtet nur,
seinen Kriegsschmuggel im Golf von Biscaya geschädigt zu
sehen. Daher die permanente Betonung der Nichtintervenlion.
die, scheint es, am meisten gegen Deutschland gerichtet ist.
Auf diese schäbige englische Politik wirft auch ein grelles
Licht eine Ankündigung der „Times", die, wie die „N. Fr.
Pr." angibt, auf der ersten Seite deS Weltblattes steht und
lautet: „Engländer, welche mit der Sache Sr. Majestät
Karls VII. von Spanien (DonKarlos) sympathisiren, können
den Bericht des englischen Karlisten-Komites auf Verlangen
im Bureau 10, Great Queen Street, London, in Empfang
nehmen." Also in London besteht ein Karlisten-Komite,
welches sich sogar in den Journalen ankündet. — Kann die
Unterstützung der Karlisten durch die Franzosen schlimmer sein ?
Woher haben die Karlisten ihre Stahlgeschütze? Daß sie

Der Armenarzt.
Fortsetzung.
Sie hatte heute zuerst die Absicht gehabt, wie gewöhn-
lich zur Wittwe Hellberg zu gehen, allein da der Vater in
der Fabrik von den Arbeiten in Anspruch genommen war,
mußte sie, wie dies schon öfters geschehen, ihm das Mittag-
essen hinaustragen. Sie nahm den kleinen Korb und machte
sich auf den Weg, der an dem Garten vorbeiführte, an der
Laube, in der sie einst wie im Traum in seinen Armen ge-
legen hatte. Unwillkürlich hemmte sie ihre Schritte, als sie
sich in der Nähe des Gartens befand, sie warf einen Blick
hinein, sie sah das alte Lufihaus, die Blumenbeete, welche
mit Schnee bedeckt waren. Kein grüner Halm zeigte sich
ihren Blicken, es war da draußen Winter, kalt und öde wie
in ihr, und doch mußte sic stehen bleiben und doch konnte
sie den Blick nicht von diesem Fleck wenden, denn es war
damals kein Traum gewesen, sie hatte ja noch den Ring.
Einige Vorübergehende, welche sie sahen, machten sich
lustig über die kleine Bucklige, sie wurde mit Roth übergossen
und' machte sich eilends auf den Weg zur Fabrik.

Eberhardt hatte kaum ein Wort des Dankes für seine
Tochter, er hatte kein freundliches Wort für sie wie früher,
wenn sie ihm das Essen brachte, er war ein ganz Anderer
als sonst. Als sie ihm das Essen reichte, fühlte sie, daß
feine Hand zitterte, und als sie ihn fragte, ob er etwa krank
sei, da sein Aüge wie im Fieber leuchtete, antwortete er ihr
barsch, sie sollte sich nicht um Sachen bekümmern, die sie
nichts angingcn.
Lea wußte nicht, was sie von dieser Begegnung denken
sollte, sie tra! deshalb zurück, setzte sich hinter einen Pfeiler
auf einen leeren Formkasten und wartete, bis der Vater ge-
gessen haben würde, um dann mit dem Geschirr wieder nach
Hause zu gehen. Sie hüllte das Gesicht in ihre magern
Hände, als wollte sie sich ganz verbergen, als wollte sie sich
und die Welt vergessen. Da plötzlich hörte sic eine Stimme,
die freundlich zu ihr sagte:
„Sieh' da, sehe ich Sie einmal wieder, zürnen Sie
mir noch, oder vielmehr meinem großen Hunde, der Ihnen
wehe thun wollte?"
Lea schlug die Augen auf, Alphons stand vor ihr.
So unerwartet war ihr dieser Anblick, daß sie im ersten
Augenblick kein Wort der Erwiderung hatte, dann schlug sie
die Augen nieder und sagte:

„Das habe ich längst vergessen."
„Das habe ich erwartet," war die Antwort, „denn
Sie versprachen mir damals, nicht mehr zu zürnen, ich
kann Ihnen nur sogen, daß ich oft mich noch des Tages
erinnere."
Lea wagte nicht aufzublicken, es war ihr, als wenn ihr
Auge verrathen müßte, was sic für ihn fühlte, sie wünschte,
daß Alphons immer dort stehen und bei ihr bleiben möchte,
nur seine Nähe, weiter wollte sic nichts, das war ihr ja
genug.
Die Glocke gab das Zeichen zur Wiederaufnahme der
Arbeit. Während der ganzen Zeit war in den großen Gust-
afen Eisen hineingeworfen, große Massen von Kohlen wurden
hineingeschüttet, die Luft des Blasbalges drang brausend in
die Gluth ein, um das Metall zu schmelzen, welches zum
Guß nothwendig war.
Die Arbeiter stellten sich bereit, um das glühende Metall
in die Form einzulassen. Jetzt wurde das Zeichen gegeben,
Eberhardt ergriff ' eine eiserne Stange und öffnete den Ver-
schluß des Ofens; erst langsam, dann immer rascher floß
das geschmolzene Metall in feurigem Strome in die Rinne
und von da in die Form, welche sich allmälig füllte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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