Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

DOI Kapitel:
Juni (No. 65 - 76)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0259

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienst«;, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.



Viertels. Abonnement:
Für's Wochenblatt 51 kr
Unterhaltungsblatt 12 kr.
Inserate
die viergespaltene
Petitzeüe oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Amtsverkündigungsölatt für den Aezirk Schrveßingen.
Badische Hopsen) eitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ao. 6L.

Donnerstag, 4. Juni 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasensteiir L Jogker, Rudolf Wosfe und H. L. Jauöe L Ho., die Süddeutsche Auuoncen-Hrpedltion
von ß. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 28. Mai. (48. Sitzung der 2. Kammer.
Abendsitzung ) Nach Eintritt in die Tagesordnung werden
die Artikel 11 — 17 ohne Verhandlung angenommen.
Art. 18 lautet in der Regierungsvorlage: Zur Vornahme
des Einschätzungsgeschäftes wird alljährlich in der Regel für
jeden Amtsbezirk eine Einkommensteuerkommission — Be-
zirkssteuerkommission — gebildet. Sie besteht aus einem
Vorsitzenden, ferner dem Steuerperäquator des Bezirks und
einer von dem Finanzministerium mit Rücksicht auf die Größe
des Bezirks und die Einlommensverhültnisse der Einwohner
zu bestimmenden Zahl von Mitgliedern, sowie einem Protokoll-
führer. Den Vorsitzenden und den Protokollführer ernennt
das Finanzministerium, die Mitglieder nebst einer gleich großen
Zahl von Ersatzmännern wählt der Bezirksrath und zwar
zu ein Drittel aus den Vorsitzenden der Ortsschatzungsräthe
und zu zwei Drittel aus den einkommensteuerpflichtigen Ein-
wohnern des Bezirks. Bei der Wahl ist auf Männer zu
sehen, welche die Achtung und das Vertrauen ihrer Mitbürger
genießen und nach Einsicht und Charakter zur richtigen und
unbefangenen Würdigung der vorkommenden Steuerfragen
vorzugsweise geeignet erscheinen. Auch ist darauf zu sehen,
daß soviel thunlich jeder der verschiedenen Einkommenszweige
kundige Vertreter in der Kommission erhält, ferner daß nach
Möglichkeit die niederen, mittleren und höheren Einkommens-
klassen vertreten sind. Gehört zum Amtsbezirk eine größere
Stadt oder ist sonst eine Theilung des Amtsbezirks in mehrere
Einschätzungsbczirke zweckmäßig, so können nach dem Ermessen
des Finanzministeriums auch mehrere Einschätzungtzkommis-
sionen gebildet werden. Wird für eine größere Stadt eine
besondere Einschätzuugskommission gebildet, so werden die zu
wählenden Mitglieder zu ein Drittel aus dem Schatzungsrath
und zu zwei Drittel aus den einkommensteuerpflichtigen Ein-
wohnern des Ortes entnommen.
Hiezu beantragt die Kommission Abs. 3 hinter den
Worten „und zwar" zu setzen: „zn ein Drittel aus den
Schatzungsräthen", die Worte „Vorsitzender der" zu streichen,
sodann hinter „Bezirks" zu setzen „in seiner Eigenschaft als
Ortsschatzungsrath kann aus der nämlichen Gemeinde jeweils
nur ein Mitglied in die Kommission gesetzt werden." Endlich
Abs. 6 hinter „entnommen" zu setzen: „in diesem Fall wird
die Wahl durch den Gemeinderath in Verbindung mit den
Vertretern der gemeindeumlagepflichtigen staatsbürgerlichen
Einwohner bezhw. durch den Stadtrath vorgenommen."
Die Abgg. Jundhanns, v. Buß und Edelmann bean-
tragen zu Art. 18 Abs. 3 statt „Bczirksrath" zu setzen:
„Der Bezirk aus den Einwohnern des Bezirks" eventuell:
„Die Kreisversammlung aus den Einwohnern des Bezirks"
eventuell: „Die Bezirkssteuerbehörde aus den Einwohnern
des Bezirks."
Der Abg. Junghanns begründet diesen Antrag.

Auch dem Abg. v. Buß gefällt der Kommissionsantrag
gar nicht. Er nennt den Kommisfionsvorschlag eine Filtrir-
maschine und je mehr filtrirt werde, je weniger komme Er-
sprießliches heraus. Das sehe man an der Besetzung der
Geschworenenbänke, dort sitzen keine Vertrauensmänner des
Volks, sondern Oberamtmannsgeschworene.
Abg. Schmidt von Konstanz: Das ist nicht wahr! es
sollte überhaupt nicht in diesem Tone von den Geschwornen
gesprochen werden.
Abg. v. Buß: Es ist allerdings wahr. Sie bestreiten
es vielleicht aus Ihrer amtlichen Erfahrung heraus, mir ist
die Sache aus meiner nicht amtlichen Erfahrung bekannt.
Vicepräsident Kiefer ist der Ansicht, daß der Abg. v.
Buß von den Geschworenen allerdings in einer unzulässigen
Weise gesprochen habe. Er habe ein Schimpfwort gebraucht,
eine Schmähung. (Rufe von der Rechten: O! O!)
Abg. v. Buß: lieber den -Minus injuriuiräi habe ich
zu entscheiden.
Vizepräsident Kiefer: Wenn Sie sich nicht beruhigen,
werde ich Ihnen das Wort entziehen. Sie haben allerdings
einen unschicklichen Ausdruck gebraucht.
v. Buß bringt nun seinen Vortrag zu Ende, empfiehlt
seinen Antrag, hofft aber nicht auf Annahme, da die Mehr-
heit von direkten Wahlen ja überhaupt nichts wissen wolle.
Nachdem sich noch der Abg. v. Feder und Staatsrath
Ellstätter gegen den Vorschlag der Rechten erklärt hat, wird
derselbe in allen seinen Theilen mit großer Mehrheit abge-
lehnt, dagegen der der Kommission angenommen.
Die Art. 19, 20, 21, 22, 23, 24 und 25 werden
in der Fassung der Regierungsvorlage" die Art. 26 und 27
nach den Anträgen der Kommission und die Artikel 28 bis
40 nach der Regierungsvorlage angenommen.
Karlsruhe, 28. Mai. Die 49. Sitzung der 2. Kam-
mer unter dem Vorsitze des Abg. Bluntschli beginnt Abds.
4 ^ Uhr.
Am Ministertische: Staatsrath Ellstätter, Direktor Re-
genauer und Geh. Res. Nicolai.
Nach Erledigung einiger Formalitäten tritt das Haus
in die Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung des Be-
richts des Abg. v. Stösser, betr. die Einführung einer all-
gemeinen Einkommensteuer, ein.
Bei Berathung des Art. 41 entspinnt sich ein kleiner
Zwischenfall, indem der Abg. Friderich bemerkt, dieser Pa-
ragraph zeige wieder, daß das Gesetz ein mangelhaftes sei.
Er, Friderich, habe schon in einer früheren Sitzung geäußert,
das Steuergesetz, welches vollkommen sei, müsse noch erfun-
den werden. Die Mannheimer mit ihrer dicken Denkschrift
haben auch nichts Vollkommenes geboten.
Der Abg. v. Feder begreift nicht, wie der Vorredner
dazu komme, Mannheim wieder in'» Spiel zu bringen.
Durlach habe allerdings keine Denkschrift geliefert, habe auch

kein Recht, in dieser Frage dick zu thun. Wenn es sich um
Steuerfragen handle, so glaube er, Mannheim verstehe mehr
davon, als Durlach. (Rufe: O! O!)
Abg. Friderich will ganz kurz erwidern, daß es eine
wunderliche Idee von dem Vorredner sei, zu glauben, daß
die Intelligenz einer Stadt von ihrer Größe abhänge.
Damit wird dieser Zwischenfall verlassen und der Art.
41 nach der von der Kommission gebilligten Fassung der
Regietung angenommen.
Die Verhandlung führt nun auf Z. 42. Zu demselben
liegen folgende Anträge vor:
1) der Regierungsentwurf. Derselbe lautet: „Gegen-
wärtiges Gesetz tritt mit dem Steuerjahr 1875 in Wirksam-
keit. Das Finanzministerium sorgt für den Vollzug und
ertheilt zu dem Ende die nöthigen Vollzugsvorschriften."
2) Der Antrag der Kommission. Derselbe lautet:
„Art. 42 an Stelle von Abs. 1 des Regierungsentwurfs.
Die erstmalige Erhebung der Steuer auf Grund des gegen-
wärtigen Gesetzes (Art. 10 und 41 ) wird durch besonde-
res Gesetz bestimmt. Im klebrigen tritt dieses Gesetz mit
der Verkündigung desselben in Wirksamkeit. Das Finanz-
ministerium rc. rc. Schließlich beantragt die Kommission in
ihrer überwiegenden Mehrheit: 1) Die Annahme des Ge-
setzentwurfes in der nunmehrigen Fassung und 2) die An-
nahme nachfolgender Resolution: Die Kammer wolle den
Wunsch zu Protokoll erklären: „daß der Ertrag der Ein-
kommensteuer zunächst zur Ermäßigung der Liegenschaftsaccise
und der Grund- und Häusersteuer verwendet werde."
3) Der Antrag des Abg. Friderich und Genossen.
Derselbe lautet: „Dieses Gesetz tritt mit der Verkündig-
ung desselben in Wirksamkeit. Das Finanzministerium sorgt
für den Vollzug und ertheilt zu dem Ende die Vollzugs-
Vorschriften. Die erstmalige Erhebung der Steuer auf
Grund des gegenwärtigen Gesetzes (Art. 10 und 41)
kann erst eintreten. nachdem die neue Einschätzung des
landwirthschaftlichen Geländes und der Gebäude (Ges. vom
7. Mai 1858 und 26. Mai 1866), so wie die Revision
der Klassensteuergesetze (31. Okt. 1820 und 10. Juli 1837)
und des Gewcrbesteuergesetzes vom 23. März 1854 stattge-
funden haben." Der Antrag ist weiter noch unterzeichnet
von den Abgg. Paravicini, Bengel, Schmidt v. K, Heiden-
reich, Sachs v. K., Lang v. W,, Schoch und Müller v. Pf.
Endlich 4) Der Antrag Bär und Gen. Derselbe
lautet: „Die ans die Feststellung des steuerbaren Einkom-
mens bezügl. Bestimmungen dieses Gesetzes (sämmtliche
Artikel mit Ausnahme der Art. 30, 31 n. 41) treten
mit der Verkündigung desselben in Wirksamkeit. Die erst-
malige Feststellung des Einkommens hat sich zugleich auch
auf die Einkommen von weniger als 1500 Mark zu er-
strecken. Auf Grund der erfolgten Feststellungen wird
das Gesetz seinem ganzen Umfange nach einer Revision

Feuilleton.

Der Armenarzt.
Sechstes Kapitel.
I« -er Eisengießerei.
(Fortsetzung.)
Lea begab sich in die kleine Küche und setzte sich in einen
Winkel neben dem Feuerherd. Dann holte sie das theuerste
Kleinod, den Ring, hervor und steckte ihn an den kleinen Finger.
Lange blickte sie auf die so geschmückte Hand. Allmälig füll-
ten sich ihre Augen mit Thränen und sie verbarg den Kopf
in den langen häßlichen Händen, zu denen der Ring gar
nicht zu passen schien. Dann dachte sie an die schönen
weißen Hände, die einst in der Stunde des Schreckens auf
ihrem Haupte gelegen, aber sie sprach den Vorwurf nicht
aus: „Warum bin ich so häßlich?" Und weil sie ihn nicht
einmal in Worte kleidete, fühlte sie ihn nur um so tiefer
und schmerzlicher.
Siebentes Kapitel.
RLthselhafte Aehnttchkett.
Doctor Feldmann erinnerte sich der Bitte seiner alten

Morgenfrau sehr wohl und sobald es seine Zeit zuließ,
machte er einen kurzen Besuch bei der Wittwe Hellberg,
um sich über den Zustand der Frau zn instruiren.
Er fand die alte Frau außerhalb des Bettes in
einem Lehnstuhle sitzend, der nicht minder an ein Leben
voller Entsagung erinnerte als seine Besitzerin. Wie das
Schicksal dieser Gesicht und Haar bleichte, hatte das Son-
nenlicht die Farbe des einstmals frischen Ueberzugs zerstört
und nur hier und da verrietst eine etwas aufgezerrte Falte,
daß der Stuhl einst in schönerem Glanze gestrahlt haben
müsse als jetzt, gerade so wie die alte Frau Hellberg, die
dem ganzen Wesen und ihrer Sprechweise nach ikicht immer
in den Verhältnissen gelebt zu haben schien, in denen sic
sich nun befand.
„Ich danke Ihnen für Ihre Menschenfreundlichkeit,
Herr Doctor, daß Sie sich für eine alte alleinstehende
Frau interessiren," sagte die alte Frau im Verlaufe des
Gesprächs. „Allein wie könnte ich wohl von Ihrer Güte
Gebrauch machen? Wie würde ich im Stande sein, Ihnen
je zu lohnen, was Sie an mir thun?"
„Aber Sie erlauben mir, Sie darauf aufmerksam zu
machen, daß ich keinerlei Vergütung beanspruche," erwi-
derte Doctor Feldmann etwas verletzt.

„Eben deshalb," versetzte die Wittwe und sah den
Doctor mit so eigenthümlich klaren und erhaben blinkenden
Augen an, daß er sie verwundert wieder anblickte, als
wenn er sagen wollte: das begreife ich nicht. Ich biete
der alten Frau, die in höchster Armuih lebt, unentgeld-
liche Hülfe an nnd sie weist sie zurück. Unerklärlich! „Ich
will mich Ihnen näher erklären, Herr Doctor," fuhr die
Wittwe fort, als sie das Erstaunen desselben bemerkte.
„Ich bin eine arme Frau und habe die Armuth ertragen
gelernt, aber nie würde ich ertragen können, Jemanden
etwas schuldig zu sein, ohne jegliche Hoffnung, ihm jemals
gerecht werden zu können. Und das wäre hier der Fall.
Wie, auf welche Weise würde ich wieder gut machen kön-
nen, was Ihr Edelsinn beabsichtigt? Ich würde stets das
Gefühl haben, in Ihrer tiefen Schuld zu stehen und dies
Gefühl würde Ihnen eine Macht über mich geben, daß
wenn Sie einst kämen und von mir verlangten, dieses oder
jenes zu thun, um unser Schuldverhältniß zu lösen, so
müßte ich thun was Sie verlangen. Deshalb lassen Sie
mir die Armuth, die ich jetzt kenne, und machen Sie mich
nicht noch ärmer als ich bin, indem ich Ihre Schuldnerin
werde, dann würde ich ja noch ärmer als arm!"
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen