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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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August (No. 90 - 102)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0387

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Amtsverkündigungsölatt für den Mezirk Schwetzingen.
adische H o p scn) citung.
Anzeiger für die badische und bayerische

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Inserate
die viergespaltene
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8o. 97.

Dienstag, 18. August 1874.

VIII.

Inserat« von Auswärts nehmen für uns auch entgegen
von K. Stöckhardt in Frgnksurt, Stuttgart, Berlin,

die Annoncen-Bureaux von Laasenstein L ^ogker, Audoks Messe und Aaäö« L Eel, Süddeutsche Aüuoureu-KepedUleü
Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jäger'sche Central-Bureaur für Inserate in Frankfurt a./Ä.

* Die Flucht Bazairres und die
französische Presse.
Wir bringen in Folgendem einige Citaten aus den
größeren französischen Zeitungen aller Schattirungen über
die Flucht des ehemaligen Vertheidigers von Metz aus
seinem unfreiwilligen Logement im Golf von Marseille.
Das „Journal des Debats" läßt sich über die Tagesfrage
folgendermaßen aus: „Die Nachricht von der Entweichung
des Ex-Marschall Bazaine ruft bei Jedermann eine doppelte
Empfindung wach. Die Regierung ist gründlich Ungeschickt,
die ihr von der Gerechtigkeit anvertrauten Gefangenen zu
bewachen! Sich wiederholende Vorfälle dieser Art geben
von der Wachsamkeit der Verwaltung eine traurige Idee.
Einmal geht noch an, aber zweimal! aber Bazaine nach
Rochefort; Das ist denn doch ein wenig zu viel und hört
auf, natürlich zu sein. An der Regierungs-Maschine ist
etwas — verzeihe man uns den Ausdruck! — das hapert.
Dergleichen Unfälle können nach einander nicht Vorkommen,
wenn man nicht selbst dazu Anlaß gegeben hat. Es liegt
auf der Hand und gerade das verleiht der Bazaine'schen
Flucht etwas Unheimliches, daß eine chronische Schwäche
sich der Regierung und aller ihrer Mitglieder bemächtigt
hat, eine allgemeine Erschlaffung, der sich Niemand entzieht,
die sich weithin erstreckt und auf der Ile des Pins nicht
minder fühlbar ist, als auf der Margarethen-Insel. Das
Uebel ist äußerst bedenklich: vielleicht ist es besser, daß es
in die Augen falle, damit Abhülfe geschafft werde. Es ist
dasselbe Uebel, das am Ende des zweiten Kaiserreichs
Alles bei uns aus Rand und Band gebracht har: die
Bande der Verwaltung hatten sich gelockert, die Schlaffheit
und Unvorsichtigkeit hatten der Unordnung überall freien
Zutritt gelassen. Das Uebel verbarg sich unter einer
glänzenden Außenseite, man ignorirte sein Dasein und als
eS sich — man weiß, wie — zeigte, war eS zu spät, ihm
abzuhelfen. Die Verwaltung hat in der Affaire deS Herrn
Bazaine nur einen einzigen Entschuldigungsgrund, der von
einigen Blättern angeführten Umstand, daß er sein Ehren-
wort gegeben hatte, nicht zu fliehen. Ein Mann mag in
der öffentlichen Meinung noch so tief gesunken sein, wenn
er sein Ehrenwort gibt, so ist man instinttinäßig geneigt,
ihm zu glauben. Herr Bazaine hatte seine Grade tapfer
errungen; er war Marschall von Frankreich gewesen, seine
Freunde versicherten, er sei mehr zu bedauern, als zu ver-
urtheilen; und obschon der Pcoceß von Trianon ihn alles
sichtlichen Gefühls baar hingestellt hatte, könnte man noch
glauben, er habe nicht alle Achtung vor sich und seinen
Mitbürgern verloren. Auch das war ein Jrrtyum! Ein
Anderer an Bazaine's Stelle hätte begriffen, daß das
einzige Mittel, sich zu rehabilitiren, um eines TageS viel-
leicht nachsichtiges Erbarmen zu finden, darin bestand, ge-

duldig sein grausames 'Geschick zu ertragett. Die edel be-
standene Strafe ist eine Sühne! Das außerordentliche
Schicksal Bazaine's, seine rasche Erhebung, sein tiefer Fäll,
hatten Jedermann gerührt, und man schwieg Angesichts
eines so großen Unglücks. Jetzt kann man sprechen.
Bazaine hat sich seinem Unglück entzogt, er ist geflohen.
Er hat nicht begriffen, daß die St. Margarethen-Insel der
einzige Ort war, wo er sich erlauben dürft?, das Haupt
ein wenig zu erheben, er hat «'s vorgezogen, ein-n ent-
ehrtest Namen ist der Verbannung herustizuschleppen. Er
hat eine Freiheit, die ihn allen Zurückforderungen und
Beschimpfungen aussetzt, über den Kerker, der ihn davor
bewahrte, gestellt
Die „Opinion" treibt dann den patriotischest PusiS-
muS doch zu weit. Sie sagt: die französische Regierung
sollte Bazaine von dem Nachbarstaate, wo er feinest Wohn-
sitz aufschlägen wird, herausverlangen, wie einen gemeinen
Verbrecher, einen Dieb oder Falschmünzer.
Uebel die Einzelheiten der Flucht selbst, herrschen
ebenfalls viele sich widersprechende Behauptungen. Die
„Agentur Havas" (Teleg. Expcd.) gibt der Gemahlin deS
Flüchtlings eine der thätigsten Rolle. Bis auf Weiteres
verdient jedoch der „Moniteur universel" mehr Glauben,
wenn er von einem mit tüchtigen Rude^rn besetzte» Lanot
spricht, welches zwischen den Riffen döst Gefangenen güs-
nahm und ihn nach der Dacht Bärön Ricasoli, Eigenthum
der italienischen Gesellschaft Gennaro Danoväro (wie der
„Gaulois" bestimmt wissen will) brachte'. Wie hätte auch
das ganze Unternehmen, die Zukunft des zum Tode Ver-
urtheilten und zu zwanzigjähriger d. i. nach menschlicher
Berechnung zu lebenslänglicher Feflungsstrafe Begnadigten,
welche die Zukunft der Seinen ist, von der Muskelkraft
eines zwar muthigen, aber physischen Anstrengungen unge-
wohnten Weibes abhängig gemacht werden köstuen? Der
Verwandte, in dessen Begleitung nach den Havas'schen
Berichten die Marschallin Sonntag Abend Cannes verließ,
um „eine Spazierfahrt auf dem Meere zu machen", wäre
ein junger Mexikaner, Antonio Aloarez de Rull, gewesen.
Nstch dem „Mdniteur" hätte Frau Bazaine Cannes schon
seit mehreren Tagen verlassen. Wie man steht, wider-
sprecht n sich die bisher veröffentlichten Belichte so sehr,
daß man vorläufig das Gelingen der Flucht als die einzig
unumstößliche Thalsache annehmen darf. Auch so viel ist
gewiß, daß der Ooerst Billette, der treue Unglücksgefährte
des Marschalls, von Cannes kommend. Montag Abend in
Marseille verhaftet wurde. Ob er jenen Morgen noch auf
der Insel war, wie die „Agentur Havas" sagt, ist dagegen
zweifelhaft, und der „MonitcUr" scheint das Gegeniheil
anzudeuten. Auch erklärt dieser ausdrücklich, daß ein Seil
oder eine Strickleiter dem Gefangenen durchaus nöthig war,
um über die F-lsenwand hinunter zu entkommen, daß aber

noch nichts Derartiges vorgefunden wurde, währrnd auf
der änderest Seite schon eine StrMriter mit elf Blui-
spuren figstrirt.
Der „Gaulois" kündigt die Ankunft Hazaist?? in Bchssel,
wohin er von San Remo an der liaurischen Küste über Turin
und Basst gelangte, an. Diesem Malt zufolge, das im Falle
wäre, gut unterrichtet zu sün. chtztte' ein ^-n/ei^Ä«M fremden
Matrosen' gelenktes Boot den Marschall nach dem „Baron
icasoU" gebracht, der schon die Marschallin an Bord hatte.
Der „Gaulois" weiß bestimmt, daß Niemand im Fört von
der Flucht nur eine Ahnung hatte, und daß das ganze Personal,
vom Direktor dis hinunter zu den Dienstboten, sowie die Be-
satzung von hundert Mann, die jetzt sämmtlich in provisori-
scher Haft sitzen, ihre Unschuld werben beweisen können. Der
ganze Entweichungsplan sammt den Vorbereitungen sei das
Wert der Marschallin, die nach der letzten Weigerung deS
Präsidenten der Republik, die Lage deS Gefangenen zu ver-
" "-n. darauf verfiel.
Nach dein „Figaro" wäre er schon früher äüsgedacht
en, und seine Ausführung durch den Widerwillen deS
Gefangenen, seine Freiheit der Flucht zu verdanken, hinge-
halten worden. Frau Bazaine begab sich daher nach Versailles,
um einen letzten Versuch zu machen, eine Umwandlung der
Gefängnißsträfe in lebenslängliche Verbannung zu erlangen.
Der Marschall Mac Mahön widerstand ihren Bitten und in
Fylge dessen gelang es ihr, ihren Gatten zu dex Annahme
ihres Planes zu bewegen. Der „Figaro" veröffentlicht fol-
gende Note: „Wir sind ersucht, das Gerücht, welches von
einerst Abendblatt ausgestreut wird, daß der Ex-Marschall
Bazaine ein Commando in' der liberalen spanische» Armee
zu übcrnchtsten gedenke, förmlich zu dementiren."
Mehrere in zweideutigen Ausdrücken verfaßte, an Freunde
und Verwandte der Familie Bazaine gerichtete Telit'atamme


digten)'Flucht de? unglücklichen Vertheidig

, , hat
überall eiste größt Aufregung hervölgebÄchi) Der' »Mellen
Entrüstung verlieh der „Moniteur" gestern Abend ÄstMuck,
indem er lschrieb, don einem Manne, der die Ehre hatte,
Marschall von Frankreich zu seist) hätte man etwas Besseres
erwarten dürfen, als einen solchen MontetEhrifl-Streich,
welWr' Bajstine mit Rochefort auf dieselbe Stufe stellt.
Eine in den unteren Volksklaffenallgemein gültige Mei-
nung lautet dahin, daß Bazaine keiner Strickleiter bedurfte,
um zu entkommen, sonderst, daß die Regierung ihm bereit-
willigst alle Thüttn aüfmachen ließ. Die raMK Hreffe
sägt dies noch nicht rund heraus, aber sie mutz beMern,
daß der Marschall-Präsident zu gut war/ int^muer den Ber-
räiher begnadigte, und auch die gemäßigte republikanische
Presse stimmt mehr oW minder in' diM W-st eist,,,

Aer Armenarzt.
Fortsetzung.
Sie sah, wie man versuchte/- ihn an die offene Grube
zu drängen, sie sah , daß er rettungslos verloren sei, da
sprang sie auf, eilte mit raschen Schritten unter die Menge
und drängte Alphons zurück. Mit den Worten! „Tödtet
ihn nicht," war eS ihr gelungen, bis zu ihm zu gelangen,
da aber wich der lose Sand unter ihren Füßen und sie stürzte
hinab.
Es herrschte einen Augenblick in der Fabrik Todtenstills,
dann aber rang sich aus Eberhardt'S Brust ein gewaltiger
Schrei, der Schrei nach seinem Kinde. Der Schlag, den er
einem Andern zugedacht hatte, war auf sein eigenes Haupt
gefallen. Einige Arbeiter eilten nach Wasser, aber es ver.
mochte das nasse Element nichts gegen die Gluth, welche ihr
Zerstörungswerk bereits begonnen. In kürzester Zeit hatte
das Feuer ein Menschenleben geendet. — —
Jetzt wissen wir, weshalb AlphonS nicht kommen konnte,
weshalb Eva vergebens wartete.

Auch in Eberhardts Hause wartete Kurz vergebens auf
die Rückkehr des Meisters, er wußte, daß heute die That
zur Ausführung kommen sollte; er war gespannt darauf,
welchen Ausgang sie nehmen würde. Frau Eberhardt wußte
weniger Bescheid, man hatte sie nicht mit in das Geheimnis
gezogen, es wäre auch nicht gut gewesen, denn sie hätte nach
Frauenart doch nicht schweigen können, und die Gelegenheit,
dem Herzen hin und wieder Luft zu machen, 'söffst'bei der
zahlreichen Nachbarschaft mehx als hinreichend geboten. Wer
beschreibt daher ihr Entsetzen, als ein Arbeiter aus der Fabrik
kam und das Geschehene meldete. Es hich freiijchr daß ein
unglücklicher Zufall das Ganze herbeigeführt hätte- aber ob
Zufall oder Absicht, das Unglück war einmal geschehen.
Wer konnte auch wissen, daß Lea schon länge deck Tod '
in ihrem Herzen getragen, wer konnte wissen, daß sie selbst
sich für den Geliebten geopfert haste ?
Am folgenden Tage ging Eva wie gewöhnlich' nach»
Madame BehrestS. Während ihrst Abst>eseüheist war eist'-"
junger Herr gekommen, der sich unten im Hause erkundigt,
ob das junge Mädchen daheim sei, als er aber von der
Nachbarschaft hörte, daß dieselbe wie gewöhnlich zur Arbeit
gegangen sei, kehrte er wieder um und ging zu Madame
ÄehrenS.

Es war Mphösts, best gekommen Wat, sein gegebenes
Wort einzulösen. Er hotw Mw ab und-Beide fuhren in
einem Miethswagen wieder zurück. Eva schritt voran, ÄkphonS
folgte ihr die stejle Treppe hinaus. Als sie aber eintraten,
fügte es sich, W Brid'st glDzeitig in dETHiil etfchissten;
wie Frau Hellberg Eva und den jungen Mann an ihrer
Seite erblickte, schrie sie taut auf:
„Woher kommst Du, Du kannst eS nicht sein — und
doch bist Du es!"
Alphons blieb einen Augenblick stehest, dieser Empfang
mußte ihn überraschen, Eva aber eilte vor und sagjjt zur
Mutter: 1
„Das ist er, vost dein ich Dir gesagt habe, nun kömmt
er, Ulst für uns Deinest Segtü zu erbittest."
Die alte Frau antwortete nicht, sie deutete nur auf das
Bild, und wirklich, es war, als wenn djf Fjgrzr M dem
Bilde^hirauSge,treten und leibhaftig lim ZstnE stände. Es
warW'disfelbtit Züge, dieselbe schlanke Gestalt, dieselben
AstAn unk» setzt) als Eva ihr? AtztzÄ aüf'dÄ BÄv^Warf,
sah sie, daß der, den sie liebte/ Niemand' astdrrs war als
Fernando auf dem Bilde, eine überraschendere Ähnlichkeit
war kaum noch denkbar.
(Fortsetzung folgt.) '
 
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