Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

DOI Kapitel:
Juli (No. 78 - 89)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0351

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag!
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.


Biertelj. Abonnement:
Für'S Wochenblatt S1 kr.
Unterhaltung-blatt 12 kr.
Inserate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Earmondzeile S kr.

Amlsverkündigungsökatt für den Mezirk Schwetzingen.
Badische Hopsen) eitun g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«o. 88.

Dienstag, 28. Juli 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Vogler, Rudolf Waffe und H. L. Jauöe L K»., Suddeutsch« Auuen-Krpedition
von tz. Stöckhardl in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Tentral-Burcaux für Inserate in. Frankfurt a./M.

Bestellungen
Hopfenzeitrmg" für die Monate August und Sep-
tember werden von allen Postanstalten, Landpostboten u.
unseren Zeitungsträgern, sowie von der Expedition ange-

nommen.

„Verrath an der Freiheit"
heißt das allgemeine Geschrei unserer gegnerischen Presse, ins-
besondere der sozialischen Phrasenfabrikanten gegenüber
den reichstreuen und nationalgesinnten Blätter, welche mit
lauter Stimme auf strengere Handhabung des Vereins- und
Paßgesetzes dringen, weil sie in den ewigen Hetzereien rc.
die einzige Ursache sehen, an dem unheilvollen und schmäh-
lichen Mordversuche inKissingen, das den Zweck haben sollte,
dem gefammlcn Vaterlande einen Mann zu rauben, der den
Dank nicht nur der ganzen deutschen Nation, sondern des
ganzen gebildeten Europa'» verdient. Die „Fr. Pr." bringt
nun in ihrer heutigen Nummer folgende bemerkenswerthen
Worte hierüber:
Es gab eine Zeit, in welcher der politische Freisinn oder
der Liberalismus Einzelner wie ganzer Parteien nach dem
Grade der Heftigkeit taxirt wurde, mit welcher jene die Re-
gierung und ihre Maßregeln bekämpften. Namentlich gab
eS ein ganzes Register sogenannter Menschenrechte, welche als
unantastbar galten, und wehe dem Politiker oder der Partei,
welche sich beikommen ließ, einem Gesetz oder einer Verord-
nung Beifall zu zollen, welche gegen diese „unveräußerlichen"
Güter der Menschheit gerichtet schien. Wie im Mittelalter
jedes Kloster, jede Stadt, jedes Territorium, jeder Dynast
nach Immunität trachtete, d. h. nach Loslösung aus dem
Kreise der Competenz der öffentlichen Gerichte, so hatte man
ein ganzes System von „Freiheiten" organisirt, die für die
Staatsgewalt unzugänglich sein sollten. Der Staat erschien
demnach als der allgemeine Feind, dem man möglichst viele
Wälle entgegensetzen mußte, innerhalb deren sich das Volk
seines Lebens in voller Ungebundenheit freuen konnte. Jeder
Schritt über diese Wälle galt für einen Act staatlicher Tyran-
nei, jede Rechtfertigung eines solchen Schrittes durch Dritte
für einen Verrath am Volke.
Ganz so schlimm ist es nun nicht mehr. Man ist all-
mälig zu der Erkenntniß gekommen, daß der Staat keine
Immunitäten gestatten kann, wenn er seiner Aufgabe ge-
nügen soll, und daß das höchste Gut der im Staat vereinig-
ten Gesellschaft nicht die schrankenlose Freiheit, sondern das
Gesetz ist, welches der Willkür nach allen Seiten hin Zügel
anlegt.
Immerhin aber ist noch genug von der Anschauungsweise
der Vergangenheit sitzen geblieben, und namentlich treiben
unsere extremen Parteien halb aus Berechnung, halb aus

Unverstand, einen wahren Götzendienst mit dem, was sie
Freiheit nennen, und was in Wahrheit oft nichts ist als die
absolute Schrankenlosigkeit. Trotzdem maßen sie sich das
Recht an, die liberale Partei des Abfall» von der „Sache
der Freiheit" zu bezichtigen, weil dieselbe keine Freiheit kennt,
die über dem Gesetz steht. Als die liberalen Blätter aus
Anlaß des Kissinger Attentats das Wort ergriffen, um auf
die Stätte hinzuweisen, wo der Gedanke zu demselben seinen
Ursprung genommen hat, als sie das Attentat für einen po-
litischen Mordversuch erklärten, der ohne die beständigen Auf-
reizungen der katholischen Volksmassen gegen daS deutsche
Reich und seinen Kanzler nicht vorgekommcn wäre, und die
Pflicht der Staatsregierung darlegten, von allen gesetzlichen
Waffen Gebrauch zu machen, um die Hände zu schlagen, von
welchen so unheilvolle Agitationen ausgehen, — da waren sie
auf's Vollständigste gefaßt, daß ihre Gegner darüber ein Ge-
schrei erheben und sie in bekannter Weise des „VerrathS an
der Freiheit" bezichtigen würden. ES läßt sie derartiges
Geschrei sehr gleichgültig. Wer sich mit öffentlichen Ange-
legenheiten besaßt, weiß, daß seinen Worten von solchen
Leuten, deren politische Bestrebungen er bekämpft, stets die
schlimmste Auslegung untergeschoben wird; es ist dies eine
alte Parteitaktik, und viel mehr würde uns ein Lob
von Seiten unserer Gegner mißtrauisch gegen uns selbst
machen, als ein noch so scharfer Tadel oder eine noch so
schnöde Verdächtigung, welche dieselben gegen uns aus-
sprechen, in ünS Zweifel über die Richtigkeit der von unS
empfohlenen Politik zu erwecken vermögen. Eine politische
Partei, welche ihr Verhalten nicht aus ihren eigenen Le-
bensbedingungen heraus feststellen, sondern nach dem ein-
richten wollte, waS ihre Gegner von ihr denken oder
schreiben, wäre das lächerlichste Ding unter der Sonne
und würde ganz sicher im Stillen von denen ausgelacht,
welche ihr öffentlich wegen ihres Verhaltens ein lobendes
Zeugniß ausstellcn. Was die ultramontanen, die social-
demokratischen, die radikalen Blätter über die Haltung der
national-liberalen Presse Angesichts des Kissinger Attentats
und der als unmittelbare Folge desselben zu betrachtenden
Regierungsmaßregeln schreiben, mag im Jnseresse der Par-
teien liegen, als deren Organe sie wirken, darum verdient
es aber von Seiten anderer Parteien, welche andere poli-
tische Bestrebungen verfolgen, eher mit Mißtrauen, als mit
dem Vorsätze der Beherzigung ausgenommen zu werden.
Die national-liberale Partei ist sich stets dessen bewußt,
daß sie eine liberale ist; sie würde ihren Lebensbedingungen
zuwiderhandeln, wenn sie jemals dessen vergäße; sie würde
aber ebenso abtrünnig werden ihren Grundsätzen, wenn
sie die Pflichten bei Seiten setzte, die ihr als einer natio-
nalen Partei obliegen. Daraus folgt von selbst ihr Ver-
halten in der gegenwärtigen Lage. Das Kissinger Attentat
hat einen Blick in den Abgrund sittlicher Verwilderung

thun lassen, der durch die ultramontanen Umtriebe gegen
das deutsche Reich ausgehöhlt worden ist. Wer sich mit
Vorliebe bei den zur Sache ganz gleichgültigen Einzelheiten
aufhält, die sich um das Attentat gruppiren und mit eini-
gen „geistreichen Plaudereien" sich und sein Publikum
darüber amüfirt, der mag alles Andere sein, ein national
gesinnter Mann ist er nicht.
Deutsches Reich.
Karlsruhe. Seine Königliche Hoheit der Großherzog
haben unter dem 17. l. MtS. gnädigst geruht, den Sekretär bei dem
Verwaltung» Hof, Kanzleirath Paul AhleS, wegen vorgerückten Alter»,
unter Anerkennung seiner langjährigen, dem Staate treu geleisteten
Dienste, gnädigst in den Ruhestand zu versetzen; den Revisor Karl
Ehrhardt bei dem Bezirksamte dahier wegen vorgerückten Alters und
körperlicher Leiden, unter Anerkennung seiner langjährigen, treu ge-
leisteten Dienst in den Ruhestand zu versetzen. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog haben unter dem 21. I. Mts. gnädigst geruht,
den Professor vr. Herrmann Schultz in Straßburg, unter Verleihung
der StaatSdiener-Eigenschaft, zum ordentlichen Professor lnr Theologie
an der Universität Heidelberg für die biblischen Fächer einschließlich der
praitischen zu ernennen.
* Schwetzingen, 26. Juli. Eine wichtige Stimme
aus den Reihen des Klerus über das Attentat von Kis-
singen und die daran geknüpften Maßnahmen läßt sich aus
Gnesen vernehmen. Der Domherr Dulinski daselbst
spricht in der „Posen» Zeitung" seine Ansicht über dasselbe
offen dahin aus, daß Kullmann sich sehr bald bei den Fana-
tikern den Heiligenschein eines Märtyrers für die Kirche er-
worben haben werde, und fährt dann fort: „Am aller-
wenigsten werden Präventivmaßregeln, so streng und berech-
net sie auch sein mögen, das im Geheimen wuchernde Ue-
bel vernichten. Damit die alle Gemüther jetzt erschütternde
gräßliche That nicht wiederholt werde, muß daS wirksamste
Mittel angewendet werden. Dieses Mittel hat die göttliche
Vorsehung den Händen der Diözesanbischöfe anvertraut.
Wenn in allen katholischen Kirchen Preußens jetzt kraft
Vorschrift der Diözesanbischöfe öffentliche Gebete zu dem
Zwecke verrichtet werden, daß der heilige Geist alle Gläu-
bigen erleuchte und erkennen lasse, wie gefährlich für die
katholische Kirche angeblich zu ihrem Nutzen unternommene
Missethaten seien, dann wird in allen Schichten der katho-
lischen Bevölkerung die Ueberzeugung eindringen und tiefe
Wurzeln fassen, daß Kullmann der katholische» Kirche mehr
geschadet hat als der »bitterste Feind ihr jemals wird scha-
den können .... Wie schön wäre eS, wenn die Bischöfe
durch daS Attentat Kullmanns sich veranlaßt sähen, näch-
stens wieder in Fulda zusammenzukommen! Jetzt ist es an
der Zeit, von der Höhe der bischöflichen Sitze kräftige und
salbungsvolle Worte an die Katholiken zu richten und da-
durch aus den Herzen der wilden Zeloten die finsteren dä-
monischen Mächte zu vertreiben." Herr Dulinski gilt in
den Augen der Ultramontanen zwar längst als ein „Abge-

A e r Arm enarz 1.
Fortsetzung.
Clara saß vor dem Seitenfenster, das auf die Straße
hinausging und wenn sie in das Zimmer hineinblickte, be-
merkte sie keinen Gegenstand deutlich mehr, denn es dunkelte
bereits. Nur wenn sie heimlich den Kops zu dem auf dem
Sopha Sitzenden wandte, sah sie seine Augen erglänzen von
dem letzten Licht da draußen am Abendhimmel, das sich in
ihnen abspiegelte.
„Soll ich die Lampe anzünden?" fragte Clara.
„Nein, noch nicht," bat er. „es ist so gemüthlich in
der Dämmerstunde. Ass ich noch Kind war, liebte ich diese
Stunde am meisten. Später —"
„Später?" fragte Clara.
„Als ich hinaustrat in das Leben, habe ich keine Dämmer-
stunde wieder gehabt, ich meine so wie damals, und ich weiß
nicht, warum ich gerade heute wieder an längst vergangene
Zeiten erinnert werde."
„Längst vergangen," scherzte Clara, indem sie das
Wort „längst" besonders im Tone hervorhob.

„Für mich liegt eine Ewigkeit dazwischen," sagte er.
„Eine lange Lebenszeit, die ich, wenn ich könnte, mit einem
Striche hinwegstreichen möchte."
„Die ganze Jugendzeit?" fragte Clara.
„Für mich eine verlorene Zeit," sagte er.
Mittlerweile war es fast dunkel geworden und es war,
als wenn die Dunkelheit im Muth gab zum Reden.
Er stand auf und ging auf das Fenster zu, an dem
Clara saß. >
„Clara," begann er mit weicher Stimme, „ich wollte
ein Theil der Vergangenheit wäre für mich todt, ich könnte
dann anders vor Ihnen stehen. Dann könnte ich sagen,
ich will Dich mit mir nehmen und durch das Leben führen,
ich habe Muth und Kraft, allem Widerwärtigen zu trotzen,
ich stehe auf einer Vergangenheit, die mich so sprechen und
so handeln läßt. Nun aber muß ich Dich bitten, ob Du
mir nicht Helsen willst, daß ich ein Anderer werde, daß ich
an Deiner Seite wieder werde was ich war — ein Kind,
ein schuldloses Kind.
Er war bei diesen Worten niedergesunken und barg sein
Haupt auf ihrem Schooße. Es war ganz still im Zimmer,
nur ein krampfhaftes Schluchzen unterbrach die Stille. Sein
Wunsch erfüllte sich — er konnte wieder weinen wie ein Kind.

Als Madame Behrens in das Zimmer trat, fand sie
die Lampe hell brennend auf dem Tisch und zwei glückliche
Menschen, die sich das Versprechen gegeben hatten, einander
treu zu sein bis in den Tod.
Madame Behrens that etwas überrascht, aber meinte
im Verlauf des Gespräches doch, sie habe das Alles voraus-
kommen sehen. Dann wurde das Geschäftliche der Sache
besprochen, eS ergab sich, daß die Partie von beiden Seiten
eine recht gute war. Da nun in dem Geschäft, welches
Alexander seit einigen Jahren etablirt hatte, eine umsichtige
Frau nothwendig war, welche den kaufenden Damen rathen
und helfen mußte, so wurde die Hochzeit schon für die nächste
Zeit angesetzt, denn Madame BebrenS meinte, eine Frau
passe besser auf als eine Fremde und Clara konnte sich eine»
eifersüchtige Gefühles auf die „Fremde," welche jetzt im Laden
Alexanders beschäftigt war, nicht erwehren, j
Das Alles und noch viel mehr wurde ausgemacht und
als nun noch Mathilde kam und die frohe Botschaft ver-
nahm, ging Madame BehrenS in die Küche und sagte dem
Mädchen:
„Von Morgen an wird wieder ein halbes Loth Kaffee
weniger genommen."
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen