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Dienstag Donnerstag
und SamStag.
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die viergespaltene
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Amtsverkimdigungsttatt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische Hopsen) eitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. W.
Dormersillg, 21. Mai 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Aogl'cr, Rudolf Waffe und H. L. Jauve L tzo., die Süddeutsche Annoncen-tzrpedition
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jüger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 16. Mai. (43. öffentliche Sitzung der
2. Kammer unter dem Vorsitze des Präsidenten Kirsner.)
Es sind folgende Bittschriften eingekommen:
Bitte einer Anzahl Einwohner von Worndorf und
Steißlingen um Annullirnng ihrer Unterschriften auf der
Altkatholikenpetition.
Bitte von 27 Gemeinden des Bezirksamts Meßkirch
um Aufhebung der Vorausbetträge, übergeben von dem
Abg. Roder.
Bitte einer Anzahl Gewerbtreibender und Gutsbe-
sitzer ans dem Linzgau, die Bodenseegürtelbahn betreffend,
übergeben von dem Abg. Heilig.
Bitte der Gemeinde Haßmersheim um Aufhebung,
bezw. Sistirung des § 29 des Banedikts, übergeben von
den: Abg. Blum.
Vorstellung des Gemeinderathes Mannheim, die Ein-
führung einer allgemeinen Einkommensteuer betr., über-
geben von dem Abg. v. Feder.
Bitte der Städte Baden, Karlsruhe, Konstanz, Frei-
burq, Heidelberg, Mannheim, Pforzheim, die Führung der
Grund- und Pfandbücher betr.
Die Tagesordnung führt auf die Berathung des
Berichts über die Abänderung einiger Bestimmungen des
Gesetzes vom 11. Mai 1868, die Rechtsverhältnisse der
an andern, als an Volksschulen angestellten Volksschul-
lehrer betr. Berichterstatter: Abg. Kiefer, Mitberichterstatter
Abg. Müller von Pforzheim.
Der Gesetzentwurf lautet:
„Artikel 1. Das Gesetz vom 11. März 1868, die Rechts-
verhältnisse der an andern, als an Volksschulen angestellten
Volskschnllehrer und Gewerbeschulhauptlehrer betr., wird
dahin abgeändert, daß vom 1. Januar 1874 an: n. be-
züglich der mit den Rechten des H 1 genannten Gesetzes
angestellten Hauptlehrer bei Berechnung des Ruhegehaltes,
sowie des Beitrags zur allgemeinen Schullehrer-Wiitwen-
und Waisenkasse der wirkliche Gehalt einschließlich des
Durchschnittsbetrags des gesetzlich geordneten Wohnnngs-
geldzuschnsses (Art. 8 des Gesetzes vom 9. Jan. 1874)
bis zum Betrag vom 1300 Mark (758 fl. 20 kr.) zu
Grunde gelegt und 1>. bezüglich der mit den Rechten des
§ 2 genannten Gesetzes angestellten Hauptlehrer der Ruhe-
gehalt nach dem wirklichen Gehalte einschließlich des Durch-
schnittsbetrages des Wohnungsgeldzuschusses bis zum Be-
trage von 2200 Mark (1283 fl. 20 kr.) berechnet wird.
Artikel 11. Das durch vorstehende Bestimmungen ab-
geänderte Gesetz vom 11. März 1868 findet auch ans die
an den Realgymnasien, sowie überhaupt an solchen öffent-
lichen Lehranstalten angestellten Hauptlehrer Anwendung,
welche nicht in die Klassen der Volksschulen gehören."
Die beiden Berichterstatter empfehlen möglichste Aus-
dehnung in Anwendung des Gesetzes, was der Staats-
minister zusagt.
Das Gesetz wird nach den Kommissionsanträgen an-
genommen.
Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildet der
Bericht des Abgeordneten Stösser über die Motionen wegen
Abänderung des Zehntablösnngsgesetzes, bezw. Verwaltung
der Pfarrzehntablösnngskapitalie'n.
Der Berichterstatter Stösser stellt den Antrag: Die
Kammer wolle beschließen: I. Die beiden Petitionen als
Motionen zu behandeln.
Falls dieser Antrag zum Beschluß erhoben werden
sollte.
II. Gemäß §. 55 und 76 der Geschäftsordnung so-
fort in die Berathung hierüber einzutreten und in einer
Adresse an den Großherzog um eine Gesetzvorlage zu bitten,
wonach die Bestimmungen in M. 5 und 8 des Zehnt-
ablösungsgesetzes dahin abgeändcrt werden sollen, daß die
dadurch begründete Zwangspflicht der Gemeinden zur Ver-
waltung und 5prozentigen Verzinsung der Psarrkompetenz
und Pfarrzehntablösungskapitalien in Wegfall kommen.
Nach längerer Debatte, bei welcher die klerikalen
Abgeordneten gegen den Kommissionsantrag auftreten und
nachdem die Abgg. Paravicini, Schmidt (Konst.), Friede-
rich, Kiefer und stösser für, die Abgg. Junghanns, v.
Buß und Edelmann gegen den Antrag gesprochen hatten,
wird derselbe mit großer Mehrheit angenommen.
Endlich kommen zur Berathung folgende Petitionen.
Bitte von Wirthen und Brauern in Gaggenau um
Errichtung einer Eichanstalt daselbst.
Berichterstatter Abg. Jntlekofer. Antrag: Ueberwet-
sung an die Regierung zu Kenntnißnahme. — Angenommen.
Bitte der Stadt Bruchsal, militärische Einquartie-
rung betr.
Berichterstatter Abg. Lang (Weinh) Antrag: empfeh-
lende Ueberweisung an die Staatsregierung.
Der Abg. Blum beantragt, zur Tagesordnung über-
zugehen, weil nicht nachgewiesen sei, daß die zuständige
Behörde um Abhilfe.angegangen worden sei.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Bitte des Stationsmeistcrs Klug von Epfcnbach um
Zurücknahme der Pensionirung, bezw. Zuweisung eines
Nebendienstes.
Berichterstatter Abg. Bengel. Antrag: Uebergang
zur Tagesordnung.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Hieraus wird auf Antrag des Abg. Nicolai die -Neu-
wahl des Abg. Joos für giltig erklärt. Damit ist die
heutige Tagesordnung erschöpft.
Neueste Post.
München, 17. Mai. Der Botschafter bei der franzö-
sischen Regierung, Fürst Hohenlohe, welcher einige Tage bei
seiner Familie hier verweilt hatte, ist gestern Nachts nach
Paris abgereist.
Maris, 17. Mai. Morgens. Das „Journal ofstivel"
meldet: „Die Minister haben ihre Demission gegeben, welche
van dem Präsidenten der Republik angenommen ist. Die
Minister bleiben provisorisch mit der Führung der Geschäfte
betraut." Die Majorität, welche das Ministerium zu Falle
brachte, war aus 310 Mitgliedern der Linken, 54 Mitgliedern
der äußersten Rechten und 17 Bonapartisten zusammenge-
setzt. Die meisten republikanischen Blätter betonen die Noth-
wendigkeit, daß die Nationalversammlung, welche außer
Stande sei, dem Lande eine Constitution zu geben, sich
auflöse.
"Maris, 17. Mai. 1 Uhr Mittags. Die „Agence
Havas" meldet: Goulard ist mit der Bildung eines neuen
Cabinets betraut. Man hofft, dasselbe werde morgen oder
übermorgen zu Stande kommen.
Maris, 17. Mai. Das Journal de Paris meldet:
Das neue Cabinet wird aus folgenden Mitgliedern bestehen:
Inneres und VicepräsidentschafI Goulard,' Justiz Mathieu
Badet, Finanzen Leon Say, Unterricht Grivart, Handel
Cumont, öffentliche Bauten Cezanne, Krieg General Grelay,
Marine Admiral Montaignac. Ein solches Ministerium würde
jedoch allgemein fj^ nicht lebensfähig gelten und ohne Macht
sein, das Septemnm zu organisiren, eine Sache, die Mac
Mahon besonders am Herzen liegt.
Es gehen vielerlei Gerüchte. So, daß die fremde Diplo-
matie-sehr beunruhigt sei und den Ansbruch von Eonflicten
fürchte, weil Mac Mahon der Krisis nicht gewachsen sei;
daß sie als den einzigen Ausweg den erkenne, daß Thiers,
der wieder sehr populär sei, an die Spitze des Ministeriums
gestellt werde. Der russische Botschafter Orlow begab sich
nach der gestrigen Sitzung angeblich sofort zu Thiers, um
ihn ein langes Schreiben lesen zu lassen, das er nach London
sandte.
Die Aufregung in Paris ist fortwährend sehr groß;
die Freude über den Rücktritt Broglie's allgemein. Die Ruhe
ist indessen vollkommen ungestört.
Thiers wurden gestern bei der Rückkehr von Versailles
großartige Ovationen dargebracht.
Der Herzog von Aumale ist von Besanyon hier ange-
kommen. Die Orlennisten sind aufgebracht über die Erz-
royalisten und Bonapartisten.
Kottstantinopek, 17. Mai. Der frühere Botschafter
in Wien, Aarisy Bay, wurde an Stelle des enthobenen Ra-
schid Pascha zum Minister des Aeußeren erannt.
Miköao, 18. Mai. Die Nordarmee unter General
MMctüll.
Der Armenarzt«
Fünftes Kapitel.
Das Medaillonportrait.
(Fortsetzung.)
»Ich heiße Eva." >
„Genau wie unsere Stammmutter."
„Nicht ganz treffend, eigentlich heiße ich Evangeline,
aber ein solcher Name ist zu lang für das tägliche Leben."
Alfons blickte sie überrascht an.
„Ist der Name häufig in Hamburg?"
„Nicht daß ich wüßte. Ich bin nach meiner Mutter
so genannt worden."
Alfons schwieg eine kleine Weile.
„Wissen Sie auch, wie Sie heißen müssen," fragte
Eva.
„Nun?"
„Fernando."
Alfons sah Eva förmlich bestürzt an.
„Fernando?" wiederholte er, „wie kommen Sie ans
den Namen, gerade jetzt. Warnm nennen Sie ihn zusam-
men mit Evangeline?"
Eva erschrak über die Heftigkeit des Tones, mit der
er sprach.
„O nein, ich wurde nur an eine eigenthümliche trübe
Geschichte erinnert, die nicht hierher gehört, weil sie uns
in unserem Vergnügen stören würde. Aber ich heiße nicht
Fernando, sondern Alfons."
„Der Name klingt noch schöner."
„Mir ist es lieb, wenn er Ihnen gefällt."
Eva erröthete tief.
Der Tanz nahte seinem Ende.
„Werde ich Sie Wiedersehen, Eva?"
„Ich weiß es nicht."
„Und doch muß ich Sie Wiedersehen, ich muß Ihnen
die Geschichte von Fernando und Evangeline erzählen."
Eva antwortete nicht und da waren sie auch schon
bei Madame Behrens.
„Mathilde hat sich den Fuß vertreten," sagte diese
und außerdem wartet unser Wagen schon."
Dann machte sie dem Tänzer Eva's eine sehr kalte
Verbeugung, als wenn sie sagen wollte:
„Erst nimmt man die Töchter der Familie und dann
die Andere."
Laut setzte sie dann hinzu:
„Man muß sich vorsehen, mit wem man tanzt, es
drängen sich leider Gottes allerlei Leute ein, denen nicht
zu trauen ist."
Christian hatte diesen letzten Abgesandten nicht geschickt
— die Familie war unerhört dnpirt.
Auch von Seiten der Tante erhielt der gutmüthige
Cousin seine Predigt.
Alfons suchte seine Gefährten wieder auf.
„Das ist famos," ries Ernst, der schon verschiedene
Grogs genommen, ihm zu, „suchst Dir gleich das niedlichste
Kind aus und läßt sie nicht wieder los."
„Wo wohnt sie denn?" fragte Alexander.
Alfons schwieg. Er wußte, welche Wendung das Ge-
spräch nehmen würde und wollte nicht, daß das Mädchen,
welches wirklich einen Eindruck auf ihn gemacht hatte, dem
Cynismus der Beiden zum Vorwurf diene» sollte.
„Du willst doch keine moralische Eroberung machen?"
fragte Ernst wieder.
Statt aller Antwort nahm Alfons ein goldenes mit
Brillanten besetztes Medaillon, das aa seiner Uhrkette hing,
und öffnete dasselbe. Ais der Deckel aufspraug, zeigte sich,
sauber auf Porcellain gemalt, ein Portrait.
„Dies Medaillon mit dem Bilde ist ein Erbstück von
meinem Vater," sagte er ruhig.
„Alle Weiter," riefen die Beiden wie aus einem Munde.
„Das Portrait Deiner Tänzerin." (Fortsetzung folgt.
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Badische Hopsen) eitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. W.
Dormersillg, 21. Mai 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Aogl'cr, Rudolf Waffe und H. L. Jauve L tzo., die Süddeutsche Annoncen-tzrpedition
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jüger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 16. Mai. (43. öffentliche Sitzung der
2. Kammer unter dem Vorsitze des Präsidenten Kirsner.)
Es sind folgende Bittschriften eingekommen:
Bitte einer Anzahl Einwohner von Worndorf und
Steißlingen um Annullirnng ihrer Unterschriften auf der
Altkatholikenpetition.
Bitte von 27 Gemeinden des Bezirksamts Meßkirch
um Aufhebung der Vorausbetträge, übergeben von dem
Abg. Roder.
Bitte einer Anzahl Gewerbtreibender und Gutsbe-
sitzer ans dem Linzgau, die Bodenseegürtelbahn betreffend,
übergeben von dem Abg. Heilig.
Bitte der Gemeinde Haßmersheim um Aufhebung,
bezw. Sistirung des § 29 des Banedikts, übergeben von
den: Abg. Blum.
Vorstellung des Gemeinderathes Mannheim, die Ein-
führung einer allgemeinen Einkommensteuer betr., über-
geben von dem Abg. v. Feder.
Bitte der Städte Baden, Karlsruhe, Konstanz, Frei-
burq, Heidelberg, Mannheim, Pforzheim, die Führung der
Grund- und Pfandbücher betr.
Die Tagesordnung führt auf die Berathung des
Berichts über die Abänderung einiger Bestimmungen des
Gesetzes vom 11. Mai 1868, die Rechtsverhältnisse der
an andern, als an Volksschulen angestellten Volksschul-
lehrer betr. Berichterstatter: Abg. Kiefer, Mitberichterstatter
Abg. Müller von Pforzheim.
Der Gesetzentwurf lautet:
„Artikel 1. Das Gesetz vom 11. März 1868, die Rechts-
verhältnisse der an andern, als an Volksschulen angestellten
Volskschnllehrer und Gewerbeschulhauptlehrer betr., wird
dahin abgeändert, daß vom 1. Januar 1874 an: n. be-
züglich der mit den Rechten des H 1 genannten Gesetzes
angestellten Hauptlehrer bei Berechnung des Ruhegehaltes,
sowie des Beitrags zur allgemeinen Schullehrer-Wiitwen-
und Waisenkasse der wirkliche Gehalt einschließlich des
Durchschnittsbetrags des gesetzlich geordneten Wohnnngs-
geldzuschnsses (Art. 8 des Gesetzes vom 9. Jan. 1874)
bis zum Betrag vom 1300 Mark (758 fl. 20 kr.) zu
Grunde gelegt und 1>. bezüglich der mit den Rechten des
§ 2 genannten Gesetzes angestellten Hauptlehrer der Ruhe-
gehalt nach dem wirklichen Gehalte einschließlich des Durch-
schnittsbetrages des Wohnungsgeldzuschusses bis zum Be-
trage von 2200 Mark (1283 fl. 20 kr.) berechnet wird.
Artikel 11. Das durch vorstehende Bestimmungen ab-
geänderte Gesetz vom 11. März 1868 findet auch ans die
an den Realgymnasien, sowie überhaupt an solchen öffent-
lichen Lehranstalten angestellten Hauptlehrer Anwendung,
welche nicht in die Klassen der Volksschulen gehören."
Die beiden Berichterstatter empfehlen möglichste Aus-
dehnung in Anwendung des Gesetzes, was der Staats-
minister zusagt.
Das Gesetz wird nach den Kommissionsanträgen an-
genommen.
Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildet der
Bericht des Abgeordneten Stösser über die Motionen wegen
Abänderung des Zehntablösnngsgesetzes, bezw. Verwaltung
der Pfarrzehntablösnngskapitalie'n.
Der Berichterstatter Stösser stellt den Antrag: Die
Kammer wolle beschließen: I. Die beiden Petitionen als
Motionen zu behandeln.
Falls dieser Antrag zum Beschluß erhoben werden
sollte.
II. Gemäß §. 55 und 76 der Geschäftsordnung so-
fort in die Berathung hierüber einzutreten und in einer
Adresse an den Großherzog um eine Gesetzvorlage zu bitten,
wonach die Bestimmungen in M. 5 und 8 des Zehnt-
ablösungsgesetzes dahin abgeändcrt werden sollen, daß die
dadurch begründete Zwangspflicht der Gemeinden zur Ver-
waltung und 5prozentigen Verzinsung der Psarrkompetenz
und Pfarrzehntablösungskapitalien in Wegfall kommen.
Nach längerer Debatte, bei welcher die klerikalen
Abgeordneten gegen den Kommissionsantrag auftreten und
nachdem die Abgg. Paravicini, Schmidt (Konst.), Friede-
rich, Kiefer und stösser für, die Abgg. Junghanns, v.
Buß und Edelmann gegen den Antrag gesprochen hatten,
wird derselbe mit großer Mehrheit angenommen.
Endlich kommen zur Berathung folgende Petitionen.
Bitte von Wirthen und Brauern in Gaggenau um
Errichtung einer Eichanstalt daselbst.
Berichterstatter Abg. Jntlekofer. Antrag: Ueberwet-
sung an die Regierung zu Kenntnißnahme. — Angenommen.
Bitte der Stadt Bruchsal, militärische Einquartie-
rung betr.
Berichterstatter Abg. Lang (Weinh) Antrag: empfeh-
lende Ueberweisung an die Staatsregierung.
Der Abg. Blum beantragt, zur Tagesordnung über-
zugehen, weil nicht nachgewiesen sei, daß die zuständige
Behörde um Abhilfe.angegangen worden sei.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Bitte des Stationsmeistcrs Klug von Epfcnbach um
Zurücknahme der Pensionirung, bezw. Zuweisung eines
Nebendienstes.
Berichterstatter Abg. Bengel. Antrag: Uebergang
zur Tagesordnung.
Der Kommissionsantrag wird angenommen.
Hieraus wird auf Antrag des Abg. Nicolai die -Neu-
wahl des Abg. Joos für giltig erklärt. Damit ist die
heutige Tagesordnung erschöpft.
Neueste Post.
München, 17. Mai. Der Botschafter bei der franzö-
sischen Regierung, Fürst Hohenlohe, welcher einige Tage bei
seiner Familie hier verweilt hatte, ist gestern Nachts nach
Paris abgereist.
Maris, 17. Mai. Morgens. Das „Journal ofstivel"
meldet: „Die Minister haben ihre Demission gegeben, welche
van dem Präsidenten der Republik angenommen ist. Die
Minister bleiben provisorisch mit der Führung der Geschäfte
betraut." Die Majorität, welche das Ministerium zu Falle
brachte, war aus 310 Mitgliedern der Linken, 54 Mitgliedern
der äußersten Rechten und 17 Bonapartisten zusammenge-
setzt. Die meisten republikanischen Blätter betonen die Noth-
wendigkeit, daß die Nationalversammlung, welche außer
Stande sei, dem Lande eine Constitution zu geben, sich
auflöse.
"Maris, 17. Mai. 1 Uhr Mittags. Die „Agence
Havas" meldet: Goulard ist mit der Bildung eines neuen
Cabinets betraut. Man hofft, dasselbe werde morgen oder
übermorgen zu Stande kommen.
Maris, 17. Mai. Das Journal de Paris meldet:
Das neue Cabinet wird aus folgenden Mitgliedern bestehen:
Inneres und VicepräsidentschafI Goulard,' Justiz Mathieu
Badet, Finanzen Leon Say, Unterricht Grivart, Handel
Cumont, öffentliche Bauten Cezanne, Krieg General Grelay,
Marine Admiral Montaignac. Ein solches Ministerium würde
jedoch allgemein fj^ nicht lebensfähig gelten und ohne Macht
sein, das Septemnm zu organisiren, eine Sache, die Mac
Mahon besonders am Herzen liegt.
Es gehen vielerlei Gerüchte. So, daß die fremde Diplo-
matie-sehr beunruhigt sei und den Ansbruch von Eonflicten
fürchte, weil Mac Mahon der Krisis nicht gewachsen sei;
daß sie als den einzigen Ausweg den erkenne, daß Thiers,
der wieder sehr populär sei, an die Spitze des Ministeriums
gestellt werde. Der russische Botschafter Orlow begab sich
nach der gestrigen Sitzung angeblich sofort zu Thiers, um
ihn ein langes Schreiben lesen zu lassen, das er nach London
sandte.
Die Aufregung in Paris ist fortwährend sehr groß;
die Freude über den Rücktritt Broglie's allgemein. Die Ruhe
ist indessen vollkommen ungestört.
Thiers wurden gestern bei der Rückkehr von Versailles
großartige Ovationen dargebracht.
Der Herzog von Aumale ist von Besanyon hier ange-
kommen. Die Orlennisten sind aufgebracht über die Erz-
royalisten und Bonapartisten.
Kottstantinopek, 17. Mai. Der frühere Botschafter
in Wien, Aarisy Bay, wurde an Stelle des enthobenen Ra-
schid Pascha zum Minister des Aeußeren erannt.
Miköao, 18. Mai. Die Nordarmee unter General
MMctüll.
Der Armenarzt«
Fünftes Kapitel.
Das Medaillonportrait.
(Fortsetzung.)
»Ich heiße Eva." >
„Genau wie unsere Stammmutter."
„Nicht ganz treffend, eigentlich heiße ich Evangeline,
aber ein solcher Name ist zu lang für das tägliche Leben."
Alfons blickte sie überrascht an.
„Ist der Name häufig in Hamburg?"
„Nicht daß ich wüßte. Ich bin nach meiner Mutter
so genannt worden."
Alfons schwieg eine kleine Weile.
„Wissen Sie auch, wie Sie heißen müssen," fragte
Eva.
„Nun?"
„Fernando."
Alfons sah Eva förmlich bestürzt an.
„Fernando?" wiederholte er, „wie kommen Sie ans
den Namen, gerade jetzt. Warnm nennen Sie ihn zusam-
men mit Evangeline?"
Eva erschrak über die Heftigkeit des Tones, mit der
er sprach.
„O nein, ich wurde nur an eine eigenthümliche trübe
Geschichte erinnert, die nicht hierher gehört, weil sie uns
in unserem Vergnügen stören würde. Aber ich heiße nicht
Fernando, sondern Alfons."
„Der Name klingt noch schöner."
„Mir ist es lieb, wenn er Ihnen gefällt."
Eva erröthete tief.
Der Tanz nahte seinem Ende.
„Werde ich Sie Wiedersehen, Eva?"
„Ich weiß es nicht."
„Und doch muß ich Sie Wiedersehen, ich muß Ihnen
die Geschichte von Fernando und Evangeline erzählen."
Eva antwortete nicht und da waren sie auch schon
bei Madame Behrens.
„Mathilde hat sich den Fuß vertreten," sagte diese
und außerdem wartet unser Wagen schon."
Dann machte sie dem Tänzer Eva's eine sehr kalte
Verbeugung, als wenn sie sagen wollte:
„Erst nimmt man die Töchter der Familie und dann
die Andere."
Laut setzte sie dann hinzu:
„Man muß sich vorsehen, mit wem man tanzt, es
drängen sich leider Gottes allerlei Leute ein, denen nicht
zu trauen ist."
Christian hatte diesen letzten Abgesandten nicht geschickt
— die Familie war unerhört dnpirt.
Auch von Seiten der Tante erhielt der gutmüthige
Cousin seine Predigt.
Alfons suchte seine Gefährten wieder auf.
„Das ist famos," ries Ernst, der schon verschiedene
Grogs genommen, ihm zu, „suchst Dir gleich das niedlichste
Kind aus und läßt sie nicht wieder los."
„Wo wohnt sie denn?" fragte Alexander.
Alfons schwieg. Er wußte, welche Wendung das Ge-
spräch nehmen würde und wollte nicht, daß das Mädchen,
welches wirklich einen Eindruck auf ihn gemacht hatte, dem
Cynismus der Beiden zum Vorwurf diene» sollte.
„Du willst doch keine moralische Eroberung machen?"
fragte Ernst wieder.
Statt aller Antwort nahm Alfons ein goldenes mit
Brillanten besetztes Medaillon, das aa seiner Uhrkette hing,
und öffnete dasselbe. Ais der Deckel aufspraug, zeigte sich,
sauber auf Porcellain gemalt, ein Portrait.
„Dies Medaillon mit dem Bilde ist ein Erbstück von
meinem Vater," sagte er ruhig.
„Alle Weiter," riefen die Beiden wie aus einem Munde.
„Das Portrait Deiner Tänzerin." (Fortsetzung folgt.