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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Oktober (No. 116 - 129)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0475

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und Samstag.
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Amtsverkündigungsblatt für den Mezirk Schwetzingen.
Ksdische Hopscn>ei 1 ung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
-_ Donnerstag, 8. Oktober 1874. VIII. Jahrgang.

M. IIS.

Inserat* von Auswärts nehmen slir uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenflein L Nagler, Nndosf Wesse und K. L. Jauöe L Ko., Süddeutsche Annoucea-ErpedUten
it- StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ZLger'sche Tentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M. -
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von


auf das
„Gchwetzinger
Wochenblatt*,
Badische Hopfenzeitung, nehmen noch alle Postan-
stalten, sowie Taschenboten und Zeitungsträger entgegen.
* Wie ist das kirchlich politische System des
Ultramontanismus orgaNistrt?
Dies* Frage beabsichtigen wir in zwei Artikeln zu be-
antworten. Wir sprechen zuerst von dem geistlichen
BerwaltungSsystem, das durch Jahrhunderte bis auf
den heutigen Tag in der römisch-katholischen Kirche sich gebildet
hat und das für jeden. Bischof die unbedingte Harmonie mit
dem Papste, für jeden: Geistlichen, die gleiche mit ihrem Bi-
schöfe als eine Existenzfrage erscheinen läßt, wofern der Ein-
zelne nicht im Dienste der Kirche brodlos werden will. Darin
liegt schon für Rom eine kolossale Macht, und dieselbe wird
noch viel bedeutender, wenn man die Mittel und Wege in
Betracht zieht, weiche der Ultramontanismus. der gegenwär-
tig die Kirche in seiner Macht hat, um die thalsächlich ange-
nommene Ideen bis in die kleinsten Kreise zu verfolgen.
Besehen wir uns zunächst die Verwaltung in der äußern kirch-
lichen Verfassung, wie sie in der Gegenwart vorliegt, ausge-
prägt. Sobald Rom einem Gedanken in Form eines Ge-
setzes, einer sog. Alokution u. s. w. fruchtbar und wirksam
machen will, steht ihm ein unvergleichlicher Apparat zur Ver-
fügung. Vermittelst Nuntius, oder der Post geht die durch die
Buchdruckerpresse vervielfältigte Urkunde allen Bischöfen zu
und wird in den Zeitungen abgedruckt, in den ultramontanen
als Erguß deS wahren Geistes, in den liberalen als rin
Schrifistück, das gefährlich werden könnte und in den De-
mokratcn-Blätter als ein interessantes Schriftstück, daS bei
Leser bekannt gemacht werden muß. Ist dadurch für die
Bekanntmachung mehr als zur Genüge gesorgt, so beginnt
diejenige Operation, welche auch allein genügt, wenn Man
den gewöhnlichen Weg der Oeffentlichkeit aus Gründen ver-
meidet oder auch die Sache geheim Haliten will. Das Ver-
fahren nimmt je nach Zweck verschiedene Formen an, die
Wege sind aber stets die gleichen. Vom Bischof geht die
Sache ans Kapitel dessen Mitglieder, gewöhnlich acht oder
10 bis 12 höhere Geistliche zufolge ihrer sozialen Stellung
und großen Muße zur Verbreitung und Plausibelmachung
der Sache in den höheren Kreisen als Beichtväter, Rathge-
ber, Gesellschafter u. s. f. höchst geeignet sind. Gleichzeitig
geht- an die Dekane uüd weiter theilS durch diese, theils
direkt an die Pfarrer und deren Gehülfen. Die große Zahl
der Geistlichen gestattet dem Einzelnen durchschnittlich eine
Muße, wie sie kein Staatsbeamter hat: DaS Tagwerk des
Geistlichen ist regelmäßig mit einer etwa eine halbe Stunde
auSfüllknden. keine Vorbereitung fordernden Lesung einer
Messe vollbracht ; die Predigt an Sonn- und Feiertagen von

einer halben bis zu einer Stunde verlangt bei den meisten
unter Zuhilfenahme von fremden Arbeiten, wie sie die zahl-
reichen Predigtbücher und Zeitschriften bieten, und bei der
alljährlichen Wiederkehr derselben Themata auch nicht allzu-
viel Zeit; daS Studium gehört nicht zu deu stehenden Be-
schäfiigungen der Masse; Laufen, Trauungen. Beerdigungen
erreichen in der Mehrzahl der Pfarreien kaum die Zahl von
je 2 Dutzend. Wie viele Muße ein Geistlicher durchschnitt-
lich hat. ergibt sich daraus, daß 1865 in den DiWsen
Köln, Trier, Paderborn, Münster, BreSlau, Ermland, Posen
Kulm, Osnabrück, Hildesheim, Limburg, Fulda je ein Seel-
sorgspriester auf beziehungsweise 920, 999 737, 804,1356,
1194, 1354, 1700, 626, 500. 1015, 1140 Katholiken,
ein Priester überhaupt auf beziehungsweise 775, 893, 650,
592, 1190, 983, 1193, 1356, 560, 396, 844, 908 Ka-
lholikcn kommt; in den von Augsburg, Bamberg, Eichstädt.
München, Paffau, Regensburg, Speier, Würzburg, ein Seel-
sorger bezw. Geistlicher auf resp. 445 bezw. 388, 764
bezw. 614, 458 bezw. 387, 600 bezw. 424, 616 bezw.
505, 615 bezw. 474, 1054 bezw. 860, 630 bezw. 519
Katholiken entfällt. Diese (dem stütirw ätovossium outllol.
von Schulte, Oiss. 1866 entnommen) Daten geben auch
für den, der Zahlen versteht, darüber Aufschluß, wie die
Macht des Klerus sich verschieden erweist. Je mehr er zu
thun hat, desto weniger ist er in der Lage, Politik zu treiben.
Wer erwägt, daß in ganz Preußen im Durchschnitt
ein Priester auf 913, ein Seelsorgspriester auf 1036, in
Bayern ein Priester auf 512, ein Seelsorgspriester auf
590, Katholiken fällt, der wird nicht unschwer folgende Schlüffe
ziehen: I) Es gibt keinen Stand, der im Verhältniß zur
Bevölkerung zahlreicher ist, als der katholische Klerus. In
runder Zahl gibt es allein 16,900 Weltgeistliche in Deutsch-
land, wozu noch mehrere Hundert Ordensgeistliche kommen,
Elsaß und Lothringen nicht eingerechnet. 2) Kein Staats-
oder Gemeindebeamter hat die Muße, welche ein Geistlicher
hat. 3) Der Klerus hat jedenfalls reiche Muße, durch Be-
suche, Veranlassung von Prozessionen u, s. w., in Kasinos
u. dgl. ,Demonstrationen zu betreiben und Politik zu machen.
Wer die Wahlen im Jahre 1873 beobachtete, konnte auch
erleben, daß die Geistlichen an vielen Orten von HauS zu
Haus gingen. Man achte auf Eins. Im Staate exifiirt
von oben bis unten rin fester gesetzliches Maß der Rechte
und Pflichten; vom Minister bis zum niedersten Beamten
herab kann kein Vorgesetzter dem Untergegebenen einen Auf-
trag ertheilen, wozu das Gesetz nicht ermächtigt; der Bür-
germeister braucht nur innerhalb der Gesetze zu gehorchen.
Bon keinem Oberen hängt der Untergebene unbedingt ab;
selbst jene Beamten, die zur Dis osition gestellt werden kön-
nen, sind nur bis zum gewissen -Grade abhängig. Sicher-
heip der individuellen Stellung ist das durchgreifende Prin-
zip im Staate. Wir sehen, daß es in der Kirche anders

steht- Sehr wichtig ist ein weiterer Gesichts-
punkt. Es gehört im Staate zur Ausnahme, daß Jemand
vor dem 28. Lebensjahr eine selbstständige Stellung erlangt.
Es ist keine Seltenheit, daß ein Geistlicher mit 28 Jahren
Pfarrer wird, wenigstens in der Rheinprovinz und in Bayern
nicht; die kaum geweihten Priester von 23, 24 Jahren wer-
den zu Kaplänen gemacht. Diese jungen Leute ohne alle Le-
benserfahrung, sind in der Lage, den alten, erfahrenen Pfar-
rer mürbe zu machen und auf daS Volk einzuwirken. Will
man von oben herab etwas durchsetzen, so bedarf eS nur
deS WinkeS. Die ganze Schaar der Kapläne bürgt für das
Resultat; der ältere Klerus muß zu Willen sein; je eifri-
ger ein junger Heißsporn ist, rin desto größeres Anrecht hat
er auf den Dank der Oberen. Im Beichtstuhl, auf der
Kanzel, im Religionsunterrichte hat er daS vom Staate nicht
bloß geschützte, sondern zwangsweise — mindestens
für die Jugend der Schulen — gewährte Mittel, die kleri-
kalen Ideen zu verbreiten. Zur Bearbeitung deS Volkes
durch die Hunderte von kleinen Blättern, welche ja
Überall verbreitet werden, steht hie volle Muße zu Gebote.
Was Hilsts, wenn einmal, wie gegenwärtig in der Pader-
borner Diözese, ein »Hirtenbrief" Gegenstand der Untersu-
chung wird? Er ist auf allen Kanzeln publizirt, bevor der
Staatsanwalt von ihm hört. Die Geistlichen haben zehn-
mal größere Mittel als der Stadt nach dem jetzigen Systeme.
Nützt eS, wenn Einer wegen Mißbrauchs der Kanzel, der
Schule, bestraft wird? Wer kann den Beichtstuhl kontroliren?
Die Saat in der Schule gesäet, geht auf, wenn auch der
Säemann entfernt wird. (Schluß folgt.)
Deutsches Reich.
Sr. König!. Hoheit dek Großherzog haben unterm 1. Oktober d.
I. gnltdigst geruht, den Regiftraturgehilfen Kars Kuhn beim Berwal»
tungshofe zum Registrator bei dieser Stelle zu ernennen.
Seine Majestät d;r Kais« f und König haben unser dem 24.
September 1874 MergnSdigst geruht, dem Ma'ök B trgau L I»
oaits der Armee ein Mitglied Ser Intendantur der 14. Armee-Corps
ein Patent seiner Charge verleihen.
s- Schwetzingen, 7. Oktober. Die plötzliche Ver-
haftung Arnim's, des Staatsmannes, der vor so kurzer Zeit
noch das große deutsche Reich als Botschafter in Pari- ver-
trat, ist ein Ereigniß so sensationeller Art, daß die Bauch-
wunde Don Carlos, die Bekehrung der daierischrn Königin-
Mutter zum katholischen Glauben und sonstige überraschende
Telegramme, mit welchen unsere Redaktionsmappe seit gestern
ist wieder gefüllt worden zurücklreten müssen. Eine noch
vor wenigen Monaten mit den höchsten Staatsämtern be-
traut« Persönlichkeit, wegen Veruntreuung wichtiger Akten-
stücke verhaftet: daS ist ein Ereizniß, welches auf die innere
Durchwühlung unserer höchsten Gesellschaftskreise durch ge-
wisse schwarze Propaganda grelle Lichter wirst. Gleich dem
ehesnaligen UnterstaatSsekretär v. Savigny, hat sich bekanntlich

Feuilleton.

Pie Waöen.
(Fortsetzung.)
»Man versichert," sagte er noch leiser zu seinem Nach-
bar, „daß er so viel Geld hat, um die ganze Gemeinde zu
kaufen."
„Leider, leider," fuhr Vincent fort, „was das Glück
des Einen macht, ist daS Unglück des Anderen. Der arme
Jacob Boucard kommt sehr, schlecht dabei weg."
Bei diesem Namen nahm Bernau die stolze Miene eines
glücklichen Rivalen an.
„Du bist gekommen, Du hast Susanna Servaz gesehen
und Susanna gehört Dir!" sagte einer der GlückScourtisanen,
das bekannte Wort Cäsars parodirend.
Gleichzeitig sprach an einem anderen Tische Peter Vialat,
ein junger Eonscribirter des vorigen Jahres, furchtsam zu
einem seiner Kameraden:
„Aber Susanne liebt Jakob — fie liebt ihn mit Leiden-
schaft, «Nd Susanne könnte wohl größeren Widerstand leisten,
als «an glaubt. Sir ist nicht nur ein schönes, sondern auch

ein muthigeS Mädchen, daS sich weder durch ihren Vater
erschrecken, noch durch Dernou blenden läßt.*
„Bah!" erwiderte der Andere, „man sieht daß Du
Andreas Servaz, den Vater Susannens, den alten Krämer
von Villefort, nicht kennst. Eher würde er sich in Stücke
zerreißen, als seine Tochter diesem armen Teufel von Jacob
geben, welcher nichts hat und dessen Waldhüterstelle nicht
einmal sicher ist. Ich sage Dir, Du wirst eS sehen, vor
Fasten feiern wir die Hochzeit SimonS und Susannens."
„Und ich sage Dir," erwiderte ganz leise Peter Vialat,
„ehe diese Hochzeit flatlfindet, wird es — ein Unglück."
„Was? Was?"
Peter schwieg, ein allgemeines Stillschweigen folgte dem
Lärm der Gespräche und dem Klingen der Gläser. Die
Thür öffnete sich, Jacob trat ein.
Er war ein schöner junger Mann von ungefähr
zwanzig Jahren, dessen stark charakteristische Züge zugleich
von energischen Leidenschaften, wie von tiefer Traurigkeit
zeigten.
Die Mehrzahl der Trinker fetzte ihre Gläser auf den
Tisch, eS entstand eine schweigsame Erregung, gleichsam als
Mßte die Anwesenheit Jacobs in der Schenke eine tragische
Scene hrrbeisührrn.

Der Neuhinzugekommene, ohne ein Wort zu sprechen,
suchte einen entlegenen Platz in einer Ecke, aber eine Be-
wegung entstand in der Gruppe, wo Simon thronte, welcher
sich erhob, das Glas in der Hand.
„Jacob," sagle er, „setz' Dich hierher und trinke mit
uns, ich bezahle Alles. Also komm, ohne Hintergedanken.
WaS können wir dafür, daß ich Geld habe und Du keinS l"
Und er schlug mit seiner Börse auf den Tisch, daß
ein metallischer Klang ertönte. Alle Augen richteten sich auf
die Goldrollen.
Jakob schien zu zögern.
„So komm doch!" wiederholte Simon eindringlich.
„Was die Mädchen betrifft, bedenke, für eine verlorene kann
man zwanzig wiederfinden I"
Jacob machte einen Schritt vorwärts, alle Blicke waren
auf ihn gerichtet. Diese einfachen und groben Leute sagten
sich, daß, wenn er sich an den Tisch Bernou'S gesetzt, wenn
er mit Simon aus einem Glase getrunken hätte, Alles auS-
gesöhnt wäre.
Aber er wandte sich finster ab und stieß heftig daS
Glas zurück, welches niedersiel und lärmend zerbrach.
Alle Anwesenden waren betroffen, Dieser junge Mann,
bleich und stumm inmitten dieser lüstern Gesellschaft, war
 
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