Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag!
unö Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.
chwchmger Wochenblatt
Amtsverkündigungsölalt für den Wezirk Schwehingen.
Badische Hopsenzeitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische
Biertelj. Abonnement:
Für'S Wochenblatt 51 kr
^Unterhaltungrblatt 12 kr.
Inserate
die viergespalten«
Petitjeile »der deren
Raum 4 k.,
Earm»nd,eile 5 kr.
M. 138.
Samstag 21. November 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Mogler, Ztudolf Masse und K. Mauve L Ko., Süddeutsch« Auuouceu-Grpedtti»«
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
*
Wochenschau.
Schwetzingen, 12. November.
Der Reichstag ist nun in voller Thätigkeit. Allge-
meine Befriedigung erregt das verständige Auftreten des el-
sässischen Abgeordneten Simonis in der Sprachenfrage. All-
mälig scheinen sich die Elsässer doch davon zu überzeugen,
daß sie durch freundliches Entgegenkommen mehr erlangen,
als durch das trotziges Benehmen eines Deutsch. Korrespon-
denzen deutscher Blätter aus dem Reichslande wollen in der
Einsetzung des Lanoesausschufses einen außerordentlich ge-
schickten Schachzug des Fürsten Bismarck erkennen und machen
Hoffnung die sogenannte Protestpartei hierdurch bald ganz
lahm gelegt zu sehen. Mag dies vielleicht auch etwas zu
sanguinisch sein, so ist doch unstreitig in dem Landesaus-
schuß eine Einrichtung gegeben, welche, je nach dem mehr
oder weniger vernünftigen Verhalten der Elsässer, rascher
oder langsamer eine Erweiterung erfahren und das Land
allmälig zur Selbstverwaltung führen wird.
Das klerikale Zentrum soll in der Bankfrage
sowohl gegen den Regierungsentwurf als und noch mehr ge»
gen eine Reichsbank sein. Diese soll auch Gegner in den
Reihen der Fortschrittsfraktion haben, von letzterer hieß es,
sie sei in der Frage einigermaßen getheilt, wie denn die Par-
teien im Allgemeinen, das schwarze Centrum ausgenommen,
bei ihrer Position zu dieser Frage nicht durchweg von poli-
tischen Motiven bestimmt werden.
Das L a n d st u rin g e s e tz in seiner vorliegenden Fas-
sung bat auch auf nationalliberaler Seite Bedenken wach
gerufen. Dieselben beziehen sich insbesondere auf die Be-
stimmung des Z 2, welche die zum Landsturm Aufgebotenen
den Militärstrafgesetzen und der Disziplinarordnung unter-
werfen will. Die „Nat.-Ztg." ist jedoch - und dies mit
Recht — der Ansicht, daß, wenn man einmal die Nothwen-
digkeit der militärischen Organisation des Landsturms zugibt,
man auch die Handhabung der militärischen Disziplin zu-
geben muß. Wohin eine laxe, nur bedingte,militärische Zucht
führt, das ist wohl noch in Aller Gedächtniß, welche die
französischen Truppen von 1870/71 im Felde gesehen haben.
Ganz unthunlich sei aber, dem Landsturm die Wahl seiner
Offiziere zu überlaffen, wie es der Abg. Dunker wünschte.
Den Offizierstand des Landsturms all den kleinlichen Zu-
fälligkeiten und unausbleiblichen Jntriguen aussetzen, welche
mit den Wahlen verbunden sind, würde von vornherein
seine Autorität untergraben. Die Besorgniß, daß die grau-
bärtigen Männer von jungen, eben aus dem Kadettenhaus
entlassenen Lieutenants kommandirt und chikanirt^ werden
möchten, sei eine unbegründete. So wenig wir in der Land-
wehr derartige junge Offiziere antreffen, so wenig ^werden
sie unter dem Landsturm zu finden sein. Bedenklicher als
8 2 erscheint der „Nat.-Ztg." Z 3 des Entwurfs, der unter
gewissen Umständen Landsturmpflichtige zur Ergänzung der
Landwehr heranziehen will. Die Motive berufen sich zwar
auf Bestimmungen des Gesetzes von l867, welches darin
mit dem von 1813 übcreinstimmi, daß die gesetzmäßige Dauer
der Dienstverpflichtung für das stehende Heer, resp. die Flotte,
und die Land- und Seewehr nur für den Frieden gelten
solle, und im Krieg allein das B e d ü r f n i ß zu entscheiden
habe; daher alsdann die Abtheilungen des Heeres und der
Marine, soweit sie einberufen sind, von den Heranwachsenden
und Zurückgebliebenen nach Maßgabe des Abgangs ergänzt
werden können. Die „Nat -Ztg." meint nun: es sei dies
eine irrige Interpretation deS Gesetzes. Da es sich aber
hier um ein neu zu erlassendes Gesetz handelt, so wird der
Reichstag diese Frage ohne Rücksicht auf ältere Gesetze zu
entscheiden haben.
Wie verschieden die Taktik der U l t r a m o n t a n e n
je nach Umständen ist, zeigt folgender lehrreiche Fall. Bei
uns pflegt die Geistlichkeit ihre Mitwirkung zur Beerdigung
Solcher, die ohne geistlichen Beistand verstorben sind, zu
versagen. Anders in Frankreich, wo die Zivilbegräb-
nisse der Geistlichkeit ein Dorn im Auge sino. In Rou-
baix war eine Frau Thomas verstorben, welche während
ihrer Lebzeit die religiösen Gebräuche nie mitmachte und auch
die Sterbsakramente nicht erhalten hatte. Ihr Mann wünschte,
daß seine Frau ohne geistlichen Beistand beerdigt werden
solle. Die von den Geistlichen aufgehetzten Verwandten der
Frau wollten dies jedoch nicht dulden und brachten die
Sache vor den Präsidenten des Gerichtes in L i l l e, welcher
sie ermächtigte, das Begräbniß der Frau Thomas durch
einen katholischen Geistlichen vornehmen zu lassen und die
Polizei anwies, dabei hilfreiche Hand zu leisten. Die Geist-
lichkeit drängte sich also hier förmlich auf und ließ sich vom
weltlichen Arm dabei Hilfe leisten. Die Ultramontamn sind
sehr befriedigt von dieser Entscheidung, während der Gatte
der Frau Thomas an die höheren Gerichte appellirt hat.
Die f ra n z ö s i s ch e R e gi e r u n g streift sich bereits
auf die Mißgriffe der Spanier. Der offiziöse „Moniteur"
schreibt: „Die Depeschen von der Südgrenze kündigen den
beschleunigten Rückzug der liberalen Truppen Spaniens nach
der Entsetzung von Jrun an. Wenn sich diese Thatsache
bestätigt, so wird sie einmal mehr beweisen, wie wenig die
militärische Aktion der Madrider Regierung i.n Vechältniß
zu den Empfindlichkeiten der Diplomatie der nämlichen Re-
gierung steht, in so fern es die Pyrenäengrenze betrifft,
Jedermann begreift, daß die Arbeit der französischen Zoll-
wächter eine sehr einfache sein würde, wenn die spanische
Regierung Herrin der Grenze wäre und wenn sie über hin-
reichende Streitkräfte verfügte, um die Bidassoa zu bewachen.
Aber es scheint, daß diese Anstrengung unmöglich ist und
Jrun in einigen Tagen von Neuem von den Karlisten belagert
werden wird. So wird dieser Krieg betrieben; nichts geht
vorwärts, und wenn die öffentliche Meinung in Spanien
zu lebhaft reklamirt, so sucht man sie dadurch zu beschwichti-
gen, daß man sagt, es sei die Schuld der französischen Re-
gierung. Der spanischen Einbildungskraft mag dies gefallen;
aber das öffentliche Gefühl in Europa würdigt dies, wie es
sich gebührt." Diese Auslassungen d«S offiziösen Blattes
verdienen Beachtung, da sie den Standpunkt, auf welchen
sich der Herzog v. Decazes in seiner Antwort auf das spa-
nische Memorandum stellen will, im Voraus kennzeichnen sollen.
Aus Rom kommen wieder Berichte, von bcsorgener-
regendem Unwohlsein des Papstes. Nach einer Audienz,
welche derselbe mehreren Engländern gab, und in welcher er
sich in sehr erregter GemüthSstimmung über dir neueste
Schrift des ehemaligen Premierministers Gladsione äußerte,
soll ihn ein rheumatissches Unwohlsein befallen haben. Einige
geben als Ursache die regnerische Witterung, andere die lange
Dauer der Audienz, an. Sei dem wie ihm wolle, das ist
sicher, die Gesundheit des Papstes ist eine erschütterte, und
das hohe Lebensalter bringt auch seine Gebrechen bei einem
Papst, wie bei jedem andern Menschenkinde.
Wir haben unsere Leser noch mit einer Rede bekannt
zu machen, welche der englische Premierminister DiS-
rali beim LordmayorSbankett am 9. Nov. gehalten hat.
Der konservative Staatsmann zeigte in derselben die Lage
Englands im rosigsten Lichte, wogegen er die FriedenSauS-
sichten des Kontinents nicht ohne Beunruhigung finden wollte.
Die „Nordd. Mg. Ztg." verhehlt hierüber ihr Befremden
nicht und hält Herr Disraeli die Worte entgegen, welche
Kaiser Wilhelm bei Eröffnung des Reichstags vom Throne
herunter gesprochen hat. Am meisten Anfechtung in deut-
schen Blättern erfährt jedoch folgende Stelle der Rede, durch
welche Disraeli den von ihm gerühmten konservativen Sinn
der englischen Arbeiter zu motiviren suchte: „Die arbeitenden
Klassen Englands haben persönliche Rechte ererbt, welche
bei anderen Nationen noch nicht einmal der Adel besitzt.
Ihre Personen und Wohnungen find heilig, sie haben will-
kürliche Verhaftungen nnd Haussuchungen nicht zu fürchten".
Man wittert darin einen Stich auf die Arnim'sche Angele-
genheit und findet, ganz abgesehen von der Begründet- oder
Unbegründetheit der Auffassung DiSraeli'S eine mißliebige
Anspielung auf innere Verhältnisse eines befreundeten Lan-
bei einer offiziellen Gelegenheit etwas unziemlich. Zur Sache
selbst wird ihm entgegen gehalten, daß die Verfügungen ge-
gen den Grafen Arnim keineswegs willkürliche waren, son-
dern von den Gerichten anSgingen, und daß man in Eng-
vorkommenden Falls ganz ebenso handlen würde. Im klebri-
gen sei das englische Gerichtsverfahren allerdings unparteiisch,
wegen seiner Kostspieligkeit aber nur reichen Leuten zugäng-
Feuilleton.
Pie Waöen.
(Fortsetzung.)
Nach drei Tagen wußte der ganze Bezirk den Zustand
Susannens. Wie man es sogleich hatte voraussehen können,
war es ein stiller Wahn, ohne jede öffentliche Gefahr, weß-
halb das junge Mädchen auch nicht eingeschlossen wurde.
Man begegnet oft auf dem Laude solchen armen Crea-
turen, welche das höchste Mitleid einflößen. Der Volksaber-
glaube schreibt ihnen sogar übernatürliche Beziehungen zu
und so werden sie privilegirte Wesen, selbst beschützt durch
ihre Schwäche. Häufig glaubt man, daß sie das wissen,
war den Augen anderer Menschen verborgen ist. Susanne
war durch ihr eigenthümlicheS Geschick ganz besonders der
Gegenstand einer geheimnißvollen Verehrung.
Ihr Ruf hatte zwar einen Augenblick gelitten durch ihre
doppelte Aussage vor Gericht, aber ihre Geisteskrankheit hatte
sie wieder zu Ehren gebracht, denn sie bewies, was sie Alles
in dem Kampfe des Gewissens mit dem Herzen hatte er-
dulden müssen.
Susanne wurde in wenigen Wochen eine lebende
Legende, überall zeigten sich für sie die lebhaftesten Sym-
pathien.
Niemand hätte jetzt gewagt, sie zu beleidigen.
„Sie kann sich nicht mehr vertheidigen; wir sind ihre
natürlichen Vertheidiger," sagten die Bauern.
Noch mehr, das Unglück Susannens führte selbst eine
Aenderung zu Gunsten Jakobs herbei.
Die Zeit verstrich, allmälig schwächte sich der Schrecken
des Verbrechens ab. Man vergaß die von Simon Vernou
spendirten Bierkriege und Weinflaschen. Man dachte an die
schreckliche Strafe des Verurtheilten, welche wohl erst mit
seinem Leben enden würde.
Jakob war nach Toulon abgeführt. Herr von Esterac
und Herr von Ribiore hatten ihn dem Präfekten, dem Com-
missar des Bagno und einigen Unterbeamten empfohlen.
Aber diese wohlwollende Vermittelung stand zu der Schärfe
deS Gesetzes in gar keinem Verhältniß. Die heftigsten An-
kläger vom 28. November sprachen jetzt mit Entsetzen von
den Galeerenstrafen und desto größer wurde das Mitgefühl
und die Zärtlichkeit für Susanne.
Die schöne Jahreszeit kam heran; sie naht etwas später
in diesen Gebirgsgegenden. Erst Ende April schmilzt der
Schnee und es wird Ende Mai, ehe di« Bäume sich mit
ihren Blättern bedecken.
Auf den Wiesen, am Rande der Gräben, dir Hügel
hinauf wachsen wilde Blumen, eine flüchtige Zierde dieser
Landschaft. Auf die langen Monate trüb und einsam, folgt
endlich ein wenig Fröhlichkeit und muntere? Leben.
Jnmiten dieser ländlichen Scenen, in der Nachbar-
schaft der Bauernhöfe zwischen Villefort und Fontanes, durch
die Weiden von Chadelbos und LeSpervelouse sah Man Su-
sanne umherirrcn. Ihr Vater ließ ihr vollständige'Freiheit ;
diese Freiheit war ohne Gefahr, da jeder Schritt Susannen»
den Aberglauben und das Mitleid zu Beschützern Hätte.
Jhe Gesicht drückte eine traurige Sanftmut- au», ihre
Augen standen mit dem Lächeln, welche» fast beständig auf
ihren Lippen schwebte, in Widerspruch; ihr Wahn zeigte
sich nur durch ihre verkehrten Antworten, wenn man m i
ihr sprach. . ? P ! '
Man hätte sagen können, daß sie unaufhörlich mit einem
unsichtbaren Wesen in Berührung war und daß de», W fich
davon zu trenen, einer Anstrengung bedurfte,Hdie auf ein-
mal ihre Vernunft und ihren Willen löste.
Man sprach wenig mit ihr, aber man liebte e», sie zu
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag!
unö Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.
chwchmger Wochenblatt
Amtsverkündigungsölalt für den Wezirk Schwehingen.
Badische Hopsenzeitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische
Biertelj. Abonnement:
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^Unterhaltungrblatt 12 kr.
Inserate
die viergespalten«
Petitjeile »der deren
Raum 4 k.,
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M. 138.
Samstag 21. November 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Mogler, Ztudolf Masse und K. Mauve L Ko., Süddeutsch« Auuouceu-Grpedtti»«
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ISger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
*
Wochenschau.
Schwetzingen, 12. November.
Der Reichstag ist nun in voller Thätigkeit. Allge-
meine Befriedigung erregt das verständige Auftreten des el-
sässischen Abgeordneten Simonis in der Sprachenfrage. All-
mälig scheinen sich die Elsässer doch davon zu überzeugen,
daß sie durch freundliches Entgegenkommen mehr erlangen,
als durch das trotziges Benehmen eines Deutsch. Korrespon-
denzen deutscher Blätter aus dem Reichslande wollen in der
Einsetzung des Lanoesausschufses einen außerordentlich ge-
schickten Schachzug des Fürsten Bismarck erkennen und machen
Hoffnung die sogenannte Protestpartei hierdurch bald ganz
lahm gelegt zu sehen. Mag dies vielleicht auch etwas zu
sanguinisch sein, so ist doch unstreitig in dem Landesaus-
schuß eine Einrichtung gegeben, welche, je nach dem mehr
oder weniger vernünftigen Verhalten der Elsässer, rascher
oder langsamer eine Erweiterung erfahren und das Land
allmälig zur Selbstverwaltung führen wird.
Das klerikale Zentrum soll in der Bankfrage
sowohl gegen den Regierungsentwurf als und noch mehr ge»
gen eine Reichsbank sein. Diese soll auch Gegner in den
Reihen der Fortschrittsfraktion haben, von letzterer hieß es,
sie sei in der Frage einigermaßen getheilt, wie denn die Par-
teien im Allgemeinen, das schwarze Centrum ausgenommen,
bei ihrer Position zu dieser Frage nicht durchweg von poli-
tischen Motiven bestimmt werden.
Das L a n d st u rin g e s e tz in seiner vorliegenden Fas-
sung bat auch auf nationalliberaler Seite Bedenken wach
gerufen. Dieselben beziehen sich insbesondere auf die Be-
stimmung des Z 2, welche die zum Landsturm Aufgebotenen
den Militärstrafgesetzen und der Disziplinarordnung unter-
werfen will. Die „Nat.-Ztg." ist jedoch - und dies mit
Recht — der Ansicht, daß, wenn man einmal die Nothwen-
digkeit der militärischen Organisation des Landsturms zugibt,
man auch die Handhabung der militärischen Disziplin zu-
geben muß. Wohin eine laxe, nur bedingte,militärische Zucht
führt, das ist wohl noch in Aller Gedächtniß, welche die
französischen Truppen von 1870/71 im Felde gesehen haben.
Ganz unthunlich sei aber, dem Landsturm die Wahl seiner
Offiziere zu überlaffen, wie es der Abg. Dunker wünschte.
Den Offizierstand des Landsturms all den kleinlichen Zu-
fälligkeiten und unausbleiblichen Jntriguen aussetzen, welche
mit den Wahlen verbunden sind, würde von vornherein
seine Autorität untergraben. Die Besorgniß, daß die grau-
bärtigen Männer von jungen, eben aus dem Kadettenhaus
entlassenen Lieutenants kommandirt und chikanirt^ werden
möchten, sei eine unbegründete. So wenig wir in der Land-
wehr derartige junge Offiziere antreffen, so wenig ^werden
sie unter dem Landsturm zu finden sein. Bedenklicher als
8 2 erscheint der „Nat.-Ztg." Z 3 des Entwurfs, der unter
gewissen Umständen Landsturmpflichtige zur Ergänzung der
Landwehr heranziehen will. Die Motive berufen sich zwar
auf Bestimmungen des Gesetzes von l867, welches darin
mit dem von 1813 übcreinstimmi, daß die gesetzmäßige Dauer
der Dienstverpflichtung für das stehende Heer, resp. die Flotte,
und die Land- und Seewehr nur für den Frieden gelten
solle, und im Krieg allein das B e d ü r f n i ß zu entscheiden
habe; daher alsdann die Abtheilungen des Heeres und der
Marine, soweit sie einberufen sind, von den Heranwachsenden
und Zurückgebliebenen nach Maßgabe des Abgangs ergänzt
werden können. Die „Nat -Ztg." meint nun: es sei dies
eine irrige Interpretation deS Gesetzes. Da es sich aber
hier um ein neu zu erlassendes Gesetz handelt, so wird der
Reichstag diese Frage ohne Rücksicht auf ältere Gesetze zu
entscheiden haben.
Wie verschieden die Taktik der U l t r a m o n t a n e n
je nach Umständen ist, zeigt folgender lehrreiche Fall. Bei
uns pflegt die Geistlichkeit ihre Mitwirkung zur Beerdigung
Solcher, die ohne geistlichen Beistand verstorben sind, zu
versagen. Anders in Frankreich, wo die Zivilbegräb-
nisse der Geistlichkeit ein Dorn im Auge sino. In Rou-
baix war eine Frau Thomas verstorben, welche während
ihrer Lebzeit die religiösen Gebräuche nie mitmachte und auch
die Sterbsakramente nicht erhalten hatte. Ihr Mann wünschte,
daß seine Frau ohne geistlichen Beistand beerdigt werden
solle. Die von den Geistlichen aufgehetzten Verwandten der
Frau wollten dies jedoch nicht dulden und brachten die
Sache vor den Präsidenten des Gerichtes in L i l l e, welcher
sie ermächtigte, das Begräbniß der Frau Thomas durch
einen katholischen Geistlichen vornehmen zu lassen und die
Polizei anwies, dabei hilfreiche Hand zu leisten. Die Geist-
lichkeit drängte sich also hier förmlich auf und ließ sich vom
weltlichen Arm dabei Hilfe leisten. Die Ultramontamn sind
sehr befriedigt von dieser Entscheidung, während der Gatte
der Frau Thomas an die höheren Gerichte appellirt hat.
Die f ra n z ö s i s ch e R e gi e r u n g streift sich bereits
auf die Mißgriffe der Spanier. Der offiziöse „Moniteur"
schreibt: „Die Depeschen von der Südgrenze kündigen den
beschleunigten Rückzug der liberalen Truppen Spaniens nach
der Entsetzung von Jrun an. Wenn sich diese Thatsache
bestätigt, so wird sie einmal mehr beweisen, wie wenig die
militärische Aktion der Madrider Regierung i.n Vechältniß
zu den Empfindlichkeiten der Diplomatie der nämlichen Re-
gierung steht, in so fern es die Pyrenäengrenze betrifft,
Jedermann begreift, daß die Arbeit der französischen Zoll-
wächter eine sehr einfache sein würde, wenn die spanische
Regierung Herrin der Grenze wäre und wenn sie über hin-
reichende Streitkräfte verfügte, um die Bidassoa zu bewachen.
Aber es scheint, daß diese Anstrengung unmöglich ist und
Jrun in einigen Tagen von Neuem von den Karlisten belagert
werden wird. So wird dieser Krieg betrieben; nichts geht
vorwärts, und wenn die öffentliche Meinung in Spanien
zu lebhaft reklamirt, so sucht man sie dadurch zu beschwichti-
gen, daß man sagt, es sei die Schuld der französischen Re-
gierung. Der spanischen Einbildungskraft mag dies gefallen;
aber das öffentliche Gefühl in Europa würdigt dies, wie es
sich gebührt." Diese Auslassungen d«S offiziösen Blattes
verdienen Beachtung, da sie den Standpunkt, auf welchen
sich der Herzog v. Decazes in seiner Antwort auf das spa-
nische Memorandum stellen will, im Voraus kennzeichnen sollen.
Aus Rom kommen wieder Berichte, von bcsorgener-
regendem Unwohlsein des Papstes. Nach einer Audienz,
welche derselbe mehreren Engländern gab, und in welcher er
sich in sehr erregter GemüthSstimmung über dir neueste
Schrift des ehemaligen Premierministers Gladsione äußerte,
soll ihn ein rheumatissches Unwohlsein befallen haben. Einige
geben als Ursache die regnerische Witterung, andere die lange
Dauer der Audienz, an. Sei dem wie ihm wolle, das ist
sicher, die Gesundheit des Papstes ist eine erschütterte, und
das hohe Lebensalter bringt auch seine Gebrechen bei einem
Papst, wie bei jedem andern Menschenkinde.
Wir haben unsere Leser noch mit einer Rede bekannt
zu machen, welche der englische Premierminister DiS-
rali beim LordmayorSbankett am 9. Nov. gehalten hat.
Der konservative Staatsmann zeigte in derselben die Lage
Englands im rosigsten Lichte, wogegen er die FriedenSauS-
sichten des Kontinents nicht ohne Beunruhigung finden wollte.
Die „Nordd. Mg. Ztg." verhehlt hierüber ihr Befremden
nicht und hält Herr Disraeli die Worte entgegen, welche
Kaiser Wilhelm bei Eröffnung des Reichstags vom Throne
herunter gesprochen hat. Am meisten Anfechtung in deut-
schen Blättern erfährt jedoch folgende Stelle der Rede, durch
welche Disraeli den von ihm gerühmten konservativen Sinn
der englischen Arbeiter zu motiviren suchte: „Die arbeitenden
Klassen Englands haben persönliche Rechte ererbt, welche
bei anderen Nationen noch nicht einmal der Adel besitzt.
Ihre Personen und Wohnungen find heilig, sie haben will-
kürliche Verhaftungen nnd Haussuchungen nicht zu fürchten".
Man wittert darin einen Stich auf die Arnim'sche Angele-
genheit und findet, ganz abgesehen von der Begründet- oder
Unbegründetheit der Auffassung DiSraeli'S eine mißliebige
Anspielung auf innere Verhältnisse eines befreundeten Lan-
bei einer offiziellen Gelegenheit etwas unziemlich. Zur Sache
selbst wird ihm entgegen gehalten, daß die Verfügungen ge-
gen den Grafen Arnim keineswegs willkürliche waren, son-
dern von den Gerichten anSgingen, und daß man in Eng-
vorkommenden Falls ganz ebenso handlen würde. Im klebri-
gen sei das englische Gerichtsverfahren allerdings unparteiisch,
wegen seiner Kostspieligkeit aber nur reichen Leuten zugäng-
Feuilleton.
Pie Waöen.
(Fortsetzung.)
Nach drei Tagen wußte der ganze Bezirk den Zustand
Susannens. Wie man es sogleich hatte voraussehen können,
war es ein stiller Wahn, ohne jede öffentliche Gefahr, weß-
halb das junge Mädchen auch nicht eingeschlossen wurde.
Man begegnet oft auf dem Laude solchen armen Crea-
turen, welche das höchste Mitleid einflößen. Der Volksaber-
glaube schreibt ihnen sogar übernatürliche Beziehungen zu
und so werden sie privilegirte Wesen, selbst beschützt durch
ihre Schwäche. Häufig glaubt man, daß sie das wissen,
war den Augen anderer Menschen verborgen ist. Susanne
war durch ihr eigenthümlicheS Geschick ganz besonders der
Gegenstand einer geheimnißvollen Verehrung.
Ihr Ruf hatte zwar einen Augenblick gelitten durch ihre
doppelte Aussage vor Gericht, aber ihre Geisteskrankheit hatte
sie wieder zu Ehren gebracht, denn sie bewies, was sie Alles
in dem Kampfe des Gewissens mit dem Herzen hatte er-
dulden müssen.
Susanne wurde in wenigen Wochen eine lebende
Legende, überall zeigten sich für sie die lebhaftesten Sym-
pathien.
Niemand hätte jetzt gewagt, sie zu beleidigen.
„Sie kann sich nicht mehr vertheidigen; wir sind ihre
natürlichen Vertheidiger," sagten die Bauern.
Noch mehr, das Unglück Susannens führte selbst eine
Aenderung zu Gunsten Jakobs herbei.
Die Zeit verstrich, allmälig schwächte sich der Schrecken
des Verbrechens ab. Man vergaß die von Simon Vernou
spendirten Bierkriege und Weinflaschen. Man dachte an die
schreckliche Strafe des Verurtheilten, welche wohl erst mit
seinem Leben enden würde.
Jakob war nach Toulon abgeführt. Herr von Esterac
und Herr von Ribiore hatten ihn dem Präfekten, dem Com-
missar des Bagno und einigen Unterbeamten empfohlen.
Aber diese wohlwollende Vermittelung stand zu der Schärfe
deS Gesetzes in gar keinem Verhältniß. Die heftigsten An-
kläger vom 28. November sprachen jetzt mit Entsetzen von
den Galeerenstrafen und desto größer wurde das Mitgefühl
und die Zärtlichkeit für Susanne.
Die schöne Jahreszeit kam heran; sie naht etwas später
in diesen Gebirgsgegenden. Erst Ende April schmilzt der
Schnee und es wird Ende Mai, ehe di« Bäume sich mit
ihren Blättern bedecken.
Auf den Wiesen, am Rande der Gräben, dir Hügel
hinauf wachsen wilde Blumen, eine flüchtige Zierde dieser
Landschaft. Auf die langen Monate trüb und einsam, folgt
endlich ein wenig Fröhlichkeit und muntere? Leben.
Jnmiten dieser ländlichen Scenen, in der Nachbar-
schaft der Bauernhöfe zwischen Villefort und Fontanes, durch
die Weiden von Chadelbos und LeSpervelouse sah Man Su-
sanne umherirrcn. Ihr Vater ließ ihr vollständige'Freiheit ;
diese Freiheit war ohne Gefahr, da jeder Schritt Susannen»
den Aberglauben und das Mitleid zu Beschützern Hätte.
Jhe Gesicht drückte eine traurige Sanftmut- au», ihre
Augen standen mit dem Lächeln, welche» fast beständig auf
ihren Lippen schwebte, in Widerspruch; ihr Wahn zeigte
sich nur durch ihre verkehrten Antworten, wenn man m i
ihr sprach. . ? P ! '
Man hätte sagen können, daß sie unaufhörlich mit einem
unsichtbaren Wesen in Berührung war und daß de», W fich
davon zu trenen, einer Anstrengung bedurfte,Hdie auf ein-
mal ihre Vernunft und ihren Willen löste.
Man sprach wenig mit ihr, aber man liebte e», sie zu