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Amtsverkündigungsblatt für den Mezirk Schwetzingen.
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Kadische H o p se n) e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. ISS.
Samstag, 31. Oktober 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserat* van AuSWLrt» nehmen sür «ns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Saasenstein L Aogker, Andokf Masse und K. /. Sanöe L La., Süddeutsch« A«no»ce«.K»pediti»n
van S. StSckyardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ASger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
auf d.aS »Schwer
tzinger Wochen-
blatt.
Badische Hopfenzeitung, für die Monate Novem-
ber ch Dezember nehmen noch alle Postanstaltcn, sowie
Taschenboten und Zeitungsträger entgegen. _
' Wochenschau.
Schwetzingen, 29. Okt.
Heute wird der Reichstag durch den Kaiser er-
öffnet werden. Fürst Bismarck ist am 27. Abends in
Berlin erwartet worden. Die Thronrede bringen wie wenn
möglich das nächste Mal. Nach der „Germania", die ihre
Nachricht auS zuverlässiger Quelle haben will, sollen die loth-
ringischen Reichstagsmitglieder schon bei der Eröffnung des
Reichstages ihre Sitze einzunehmen beabsichtigt haben.
Bekanntlich wurde seit einiger Zeit der „Deutsch. Zig."
in Wien von Rom aus gemeldet der Papst habe sich neuer-
dings schriftlich an Kaiser Wilhelm gewandt. Die Nach-
richt fand geringen Glauben. Die „Daily News" veröffent-
licht nun ein Telegramm, datirt Rom, 26. Oktbr., welches
wie folgt lautet. „Der Papst hat von Kaiser Wilhelm eine
Antwort auf seine Klagen über die Verfolgung der Kirche
in Deutschland erhalten. Kaiser Wilhelm sagt darin, daß
Deutschland das Mögliche gethan habe, um in Frieden mit
der Kirche zu leben, daß eS sich aber genöthigt gesehen habe
den Staat gegen die Angriffe und Verschwörungen deS ka-
'to ischen Klerus zu schützen." Wir werden wohl bald über
die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Mittheilung aufge-
klärt werden.
Die Franzosen sind fast komisch mit ihrer Preußen-
angst; selbst den Spaniern möchten sie halb und halb den
Willen thun, fürchteten sie nicht, daß der böse Bismarck, der
ihnen stets auf der Zunge schwebt, dahinter stecke. NeuestenS
wiegeln ihre halbamtlichen Blätter förmlich ab, daß die
Franzosen ja nicht glauben, Preußen stehe hinter der spani-
schen Depesche oder gedenk« bei der Sache eine irgend thä-
tige Rolle zu spielen, als jene eine» RathgeberS der anti-
karlistischen Spanier. Für unS Deutsche liegt in diesen Ver-
hältnissen ein gewaltiger sittlicher und nationaler Sieg. Der
Krieg von 1870/71 und sein glorreicher Erfolg , die Auf-
richtung de» deutschen Reiches, hat dem frevlen Uebermuth
der Franzosen, der sich keck an allen Völkern vergriff, den
GarauS gemacht. ES herrscht doch jetzt die Selbstbestim-
mung in Europa; Spanien hat den Muth, dem französi-
schen Kabinet zu sagen: Wa» ihr an unserer Grenze treibt
unter der Maske der Neutralität, ist ein eurer Nation un-
würdiges freventliches Spiel und wir wünschen, daß es un-
terbleibe ; die kleine Schweiz hat den Muth, dem gleichen
Kabinet zu sagen: Ihr verlangt von unS die Einbannung
Rochefort'S; kehrt zunächst vor Eurer Thüre und sprgt, daß
Eure Abbeeblätter, die zugleich Eure verkappten Regierungs-
blätter sind, nicht die Schweiz beleidigen.
Der Exkurfürst von Hessen läßt wieder etwa» von
sich hören. Wie nämlich aus Prag mitgetheilt wird, will
derselbe im nächsten Jahre an seinem „Hofe", da er die
Markwährung als etwas „Preußisches» nicht anerkennt, die
österreichische Guldenwährung einführen; seine Leute also
nicht mehr in Thalern unb Silbergroschen, sondern in Pa-
piergulden ausbezahlen. DaS wird ihm Niemand verwehren!
Die elsässische P ro t e st p a rt e i bereitet eine
Manifestation vor, um gegen das „Danaergeschenk" deS Lan-
dcsausschusses energisch zu protestiren. ES haben insbeson-
dere die Protestabgcordneten sich dahin geeinigt, unter keiner
Bedingung der seitens der elsässischen Partei an sie gerich-
teten Forderung zur Niederledung ihres Mandat! zu entsprechen.
In dem österreichischen Abgeordnetenhause wurde
der HandelsminPer interpellirt, welches denn das Ergebuiß
der zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland gepflogenen
Unterhandlungen betreffs der handelspolitischen Beziehungen
beider Reiche sei. Der Minister stellte eine Erwiderung in
Aussicht.
In Versäilles erhalten sich die Gerüchte von Mi-
nisterveränderung, obgleich die offiziösen Blätter denselben
fortwährend entgegentreten. Nach der „Köln. Ztg." ist der
Marschall Mac-Mahon nach wie vor für den Wieder-
eintritt Fourt ou S's inSKabinet; er halte ihn für einen
entschlossenen Mann. Falls Fourtou wieder Minister des
Innern würde, legte jedenfalls Leon Renault, der jetzige
Polizeipräfekk, seine Stelle nieder, was insofern von hoher
Wichtigkeit sein würde, als er der Einzige war, der bisher
für die strengt Aufrechterhaltung der Gesetzlichkeit eintrat. —
Der Herzog von Decazcs hat bei einem Bankett in B o r»
deaux einige vernünftige Worte gesprochen, über die man
sich freuen könnte, wenn sie ernst gemeint wären. Er sagte
nämlich: Der Schutz Frankreichs und die Garantie deS
europäischen Friedens basiren auf der Achtung der gegen-
wärtigen internationalen Verträge, so lange man diese achtet,
so lange dürfte in Europa Frieden sein.
Auch in Madrid ist ein Prozeß wegen Verheimli-
chung von Aktenstücken eingeleitet. Es ist der Direktor deS
republikanischen Blattes „Jgualdad" verhaftet' worden, wel-
cher im Besitze von Briefen zu sein behauptet, mittelst deren
Abgeordnete der radikal-konstitutionellen Partei im vorigen
Jahre Generale der Nordarmee zu bewegen gesucht hatten,
die karlistische Insurrektion zu schonen, um ihre Rückkehr an
die Spitze der Staatsgeschäfte zu erleichtern. Von den Or-
ganen der radikalen Partei aufgefordert, die kompromitirenden
Schriftstücke zu veröffentlichen, weigerte sich die „Jgualdad"
dessen. Nunmehr schritt die Regierung ein, die ihrerseits
die Verfasser jener Briefe kennen lernen wollte, um sic zu
bestrafen und in der öffentlichen Meinung zu richten. Die
Sache verursacht große Aufregung in Madrid.
Vom Kriegsschauplätze wird die Meldung, daß Don
Alfonso den Ebro überschritten habe, um die Sache deS
Do» KarloS aufzugeben und Spanien zu verlassen, n»ch
nicht hinlänglich aufgeklärt. DaS „Vaterland" läßt den
Bruder de» Don KarloS schon in Wien angekommen sein.
Die Operationen auf dem nordspanischc nKriegS-
schauplatz sind gegenwärtig vollständig zum Stillstand
gekommen. Die Royalisten liegen in Cantonements in und
um Estella, die Republikaner südlich davon in der Nähe de»
Ebro; aber keine der beiden Parteien zeigt irgend, welche
Lust sich mit dem Gegner zu messen. Starke? Regenwetter
soll die Wege in Navarra unpassirbar gemacht haben; dies
wird als Grund für die allgemeine Untätigkeit angegeben.
Ein Korrespondent des Pariser Blattes „Le TempS" sagt,
die republikanische Armee sei in ihren Operationen gegen-
wärtig auch dadurch sehr gehemmt, daß viele Soldaten, deren
Dienstzeit zu Ende, jetzt entlassen werden müßten. Wollte
man diese Leute noch länger bei der Armee behalten, so
würden sie leicht zu Unordnungen Veranlassung geben und
die DiSciplin untergraben. Bei unS in Deutschland kommt
während der Dauer eine» Krieges bekanntlich kein Soldat
zur Entlassung; in Spanien scheinen in dieser Hinsicht an-
dere Gesetze zu herrschen. Für die jetzt verabschiedeten Mann-
schaften muß Laserna junge Recruten annehmen, deren Equi-
pirung, Bewaffnung w,d Ausbildung noch zurück ist. Der
Korrespondent des „Temps" schildert trotzdem die gegenwär-
tig am Ebro stehende republikanische Armee als in guter
Verfassung, kampflustig und von Vertrauen beseelt. Derselbe
erklärt die karlistische Artillerie als geradezu lächerlich un-
tauglich. Die Geschütze seien von vollständig verfehlter Con-
struction, die Geschosse explodirten sofort nachdem sie das
Rohr verlassen. Die republikanischen Soldaten könnnten sich
nicht genug lustig über die Kanonen ihrer Gegner machen.
Im Interesse der RegierungStruppeu «ollen wir wünschen,
daß dieselben in dieser Hinsicht nicht zu früh gelacht haben.
Der türkisch-montenegrinische Konflikt «egen
der Blutthaten von Podgericza dürfte nicht so leicht geschlich-
tet werden. Die Pforte hat im übertriebenen Souveräne-
tätSgefühl oder aus anderen Ursachen das unmittelbar nach
der Affaire gestellte Verlangen des Fürsten von Montenegro
abgeschlagen, die im Scutari befindlichen Konsuln der frem-
den Mächte zu der UutersuchungSkommission beizuziehen. Wie
eine telegraphische Depesche aus Cattaro meldet, hält sie
an der Weigerung trotz aller Gegenvorstellungen fest. Dar
Bedürfniß jedoch, der öffentlichen Meinung Rechnung zu
tcagen, welche den Spruch unabhängiger Schiedsrichter ver-
langt, mag die Türkei zu dem Schritte bewogen haben, über
Ikuillkton.
Pie Kaveri.
(Fortsetzung.)
Der glänzende Procurator war auch etwas der Gegen-
stand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Erst seit sieben oder
acht Monaten in Mrnde, hatte Herr Anton Favernay den
Ruf, welcher besagen will; der wird es noch einmal weit
bringen. Seine Erfolge, seine Verbindungen in Paris, sein
Talent als Pianist und seine persönlichen Vorzüge stellten
ihm eine rasche Karriere in Aussicht. „Favernay wird vor
seinem vierzigsten Jahre General-Procurator sein," hatte der
Präsident der Tribunals gesagt, welcher als ein Mann von
richtigem Urtheil galt.
Favernay hatte sich bisher in einer gewissen Zurückge-
zogenheit gehalten und ließ nur von Zeit zu Zeit hören, daß
er nicht auf dem richtigen Platz« wäre, um seine Talente
g ltend zu machen ; er gab sich in seinem Amte den Schein
einer vornehmen Nachlässigkeit und ließ seinen Substituten
kin weite« Feld der Thätigkeit. In der Welt, d. h. in den
fünf, oder sechs Häusern, in denen er verkehrte, wurde er als
«ine gut« Partie für die heirathsfähigen Töchter verehrt.
Ungeachtet für die jungen Beamten eine strenge AmtS-
tracht eingeführt war, naturalifirte er doch in ganz Gevaudan
gewisse Pariser Gewohnheiten: Lockstiefelu, Glacehandschuhe,
Manchettenknöpfe u. s. w. Kurz, er genoß den Ruf eines
sehr verführerischen und hinsichtlich seiner Carrwrc sehr hoff-
nungsvollen Mannes.
Die Voruntersuchungen in dem Prozeß Jakob Boucard
hatten Favernay aus seiner bisherigen Gleichgiltigkeit heraus-
geführt, und dieser Umstand vermehrte noch die Neugier
de» Publikums. Man wußte, daß er nicht allein sprechen
würde, sondern auch, durch das Romanhafte deS Verbrechens
und namentlich durch das ungewöhnliche Aufsehen deS Pro-
zesse? bewogen, sein ganzes Talent leuchten lassen und die
Erwartung des begierigen Auditoriums weit übertreffen
würde.
So vereinigte sich Alles, um den 17. Februar zu
einem denkwürdigen Tage zu machen, wie er in der kleinen
Stadt von achttausend ehrsamen Bürgern noch nicht dagewesen.
12.
Der Gerichssaal, sonst nicht klein, konnte an diesem
Tage das Publikum kaum fassen, welches sich in Menge
herbeidrängte.
Auf den Tribünen und rescrvirten Plätzen bemerkte
man das aristokratische Auditorium, mit schönen Toilette,'
geschmückt; hinter der Zeugenbank ein« Masse von Männeru
und Frauen aus dem Volke, Arbeiter, Arbeiterinnen, Bauern.
Soldaten; alle Advokaten des Bezirks assistirten. Die.zwölj
Geschworenen setzten sich auf ihre Plätze, der Vertheidign
deS Angeklagten, Herr Gabissol, gegenüber dem Prokurator
(Staatsanwalt), und an dem großen Tische, bedeckt mit einem
schwarzen Tuche, auf welchem, als eorpn« äolioti, die lederne
Geldtasche des Opfer» lag, sah man in der Mitte den Prä
sideuten mit zwei GerichtSräthen.
Der Angeklagte wurde hereingeführt, escortirt von vier
Gensd'armen. Aller Blicke richteten sich sogleich auf ihn.
Jakob erweckte, wie bereits bemerkt, selbst bei Denen, Welche
ihn für schuldig hielten, mehr Mitleid als Schrecken.
Diese drei Monate Gefängniß hatten ihn furchtbar verändert.
Bleich, abgewagert, die Haare struppig, die Wangen
und Augen eingefallen durch Kummer und Schlaflosigkeit,
blieb er ein Räthsel für die unparteiischen Zuschauer. Sein.
Abspannung, sein finstere» Gesicht konnten auf Vorwürfe,
auf Schande, auf inneren Kampf eine» unruhigen Gewissens
schließen lassen oder auch — schrecklicher Gedanke! — aus
Verzweiflung wegen unverschuldeter Anklage. (Forts, f.)
wöchentlich drei Mal;
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und Lamstag.
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Für'» Wochenblatt 51 k
UnterhaltungSbl«tt 12 !r
Inserate
die viergespalten«
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Raum 4 kr.,
Garmondzeilt 5 kr.
Kadische H o p se n) e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. ISS.
Samstag, 31. Oktober 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserat* van AuSWLrt» nehmen sür «ns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Saasenstein L Aogker, Andokf Masse und K. /. Sanöe L La., Süddeutsch« A«no»ce«.K»pediti»n
van S. StSckyardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das ASger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
auf d.aS »Schwer
tzinger Wochen-
blatt.
Badische Hopfenzeitung, für die Monate Novem-
ber ch Dezember nehmen noch alle Postanstaltcn, sowie
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Schwetzingen, 29. Okt.
Heute wird der Reichstag durch den Kaiser er-
öffnet werden. Fürst Bismarck ist am 27. Abends in
Berlin erwartet worden. Die Thronrede bringen wie wenn
möglich das nächste Mal. Nach der „Germania", die ihre
Nachricht auS zuverlässiger Quelle haben will, sollen die loth-
ringischen Reichstagsmitglieder schon bei der Eröffnung des
Reichstages ihre Sitze einzunehmen beabsichtigt haben.
Bekanntlich wurde seit einiger Zeit der „Deutsch. Zig."
in Wien von Rom aus gemeldet der Papst habe sich neuer-
dings schriftlich an Kaiser Wilhelm gewandt. Die Nach-
richt fand geringen Glauben. Die „Daily News" veröffent-
licht nun ein Telegramm, datirt Rom, 26. Oktbr., welches
wie folgt lautet. „Der Papst hat von Kaiser Wilhelm eine
Antwort auf seine Klagen über die Verfolgung der Kirche
in Deutschland erhalten. Kaiser Wilhelm sagt darin, daß
Deutschland das Mögliche gethan habe, um in Frieden mit
der Kirche zu leben, daß eS sich aber genöthigt gesehen habe
den Staat gegen die Angriffe und Verschwörungen deS ka-
'to ischen Klerus zu schützen." Wir werden wohl bald über
die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Mittheilung aufge-
klärt werden.
Die Franzosen sind fast komisch mit ihrer Preußen-
angst; selbst den Spaniern möchten sie halb und halb den
Willen thun, fürchteten sie nicht, daß der böse Bismarck, der
ihnen stets auf der Zunge schwebt, dahinter stecke. NeuestenS
wiegeln ihre halbamtlichen Blätter förmlich ab, daß die
Franzosen ja nicht glauben, Preußen stehe hinter der spani-
schen Depesche oder gedenk« bei der Sache eine irgend thä-
tige Rolle zu spielen, als jene eine» RathgeberS der anti-
karlistischen Spanier. Für unS Deutsche liegt in diesen Ver-
hältnissen ein gewaltiger sittlicher und nationaler Sieg. Der
Krieg von 1870/71 und sein glorreicher Erfolg , die Auf-
richtung de» deutschen Reiches, hat dem frevlen Uebermuth
der Franzosen, der sich keck an allen Völkern vergriff, den
GarauS gemacht. ES herrscht doch jetzt die Selbstbestim-
mung in Europa; Spanien hat den Muth, dem französi-
schen Kabinet zu sagen: Wa» ihr an unserer Grenze treibt
unter der Maske der Neutralität, ist ein eurer Nation un-
würdiges freventliches Spiel und wir wünschen, daß es un-
terbleibe ; die kleine Schweiz hat den Muth, dem gleichen
Kabinet zu sagen: Ihr verlangt von unS die Einbannung
Rochefort'S; kehrt zunächst vor Eurer Thüre und sprgt, daß
Eure Abbeeblätter, die zugleich Eure verkappten Regierungs-
blätter sind, nicht die Schweiz beleidigen.
Der Exkurfürst von Hessen läßt wieder etwa» von
sich hören. Wie nämlich aus Prag mitgetheilt wird, will
derselbe im nächsten Jahre an seinem „Hofe", da er die
Markwährung als etwas „Preußisches» nicht anerkennt, die
österreichische Guldenwährung einführen; seine Leute also
nicht mehr in Thalern unb Silbergroschen, sondern in Pa-
piergulden ausbezahlen. DaS wird ihm Niemand verwehren!
Die elsässische P ro t e st p a rt e i bereitet eine
Manifestation vor, um gegen das „Danaergeschenk" deS Lan-
dcsausschusses energisch zu protestiren. ES haben insbeson-
dere die Protestabgcordneten sich dahin geeinigt, unter keiner
Bedingung der seitens der elsässischen Partei an sie gerich-
teten Forderung zur Niederledung ihres Mandat! zu entsprechen.
In dem österreichischen Abgeordnetenhause wurde
der HandelsminPer interpellirt, welches denn das Ergebuiß
der zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland gepflogenen
Unterhandlungen betreffs der handelspolitischen Beziehungen
beider Reiche sei. Der Minister stellte eine Erwiderung in
Aussicht.
In Versäilles erhalten sich die Gerüchte von Mi-
nisterveränderung, obgleich die offiziösen Blätter denselben
fortwährend entgegentreten. Nach der „Köln. Ztg." ist der
Marschall Mac-Mahon nach wie vor für den Wieder-
eintritt Fourt ou S's inSKabinet; er halte ihn für einen
entschlossenen Mann. Falls Fourtou wieder Minister des
Innern würde, legte jedenfalls Leon Renault, der jetzige
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Wichtigkeit sein würde, als er der Einzige war, der bisher
für die strengt Aufrechterhaltung der Gesetzlichkeit eintrat. —
Der Herzog von Decazcs hat bei einem Bankett in B o r»
deaux einige vernünftige Worte gesprochen, über die man
sich freuen könnte, wenn sie ernst gemeint wären. Er sagte
nämlich: Der Schutz Frankreichs und die Garantie deS
europäischen Friedens basiren auf der Achtung der gegen-
wärtigen internationalen Verträge, so lange man diese achtet,
so lange dürfte in Europa Frieden sein.
Auch in Madrid ist ein Prozeß wegen Verheimli-
chung von Aktenstücken eingeleitet. Es ist der Direktor deS
republikanischen Blattes „Jgualdad" verhaftet' worden, wel-
cher im Besitze von Briefen zu sein behauptet, mittelst deren
Abgeordnete der radikal-konstitutionellen Partei im vorigen
Jahre Generale der Nordarmee zu bewegen gesucht hatten,
die karlistische Insurrektion zu schonen, um ihre Rückkehr an
die Spitze der Staatsgeschäfte zu erleichtern. Von den Or-
ganen der radikalen Partei aufgefordert, die kompromitirenden
Schriftstücke zu veröffentlichen, weigerte sich die „Jgualdad"
dessen. Nunmehr schritt die Regierung ein, die ihrerseits
die Verfasser jener Briefe kennen lernen wollte, um sic zu
bestrafen und in der öffentlichen Meinung zu richten. Die
Sache verursacht große Aufregung in Madrid.
Vom Kriegsschauplätze wird die Meldung, daß Don
Alfonso den Ebro überschritten habe, um die Sache deS
Do» KarloS aufzugeben und Spanien zu verlassen, n»ch
nicht hinlänglich aufgeklärt. DaS „Vaterland" läßt den
Bruder de» Don KarloS schon in Wien angekommen sein.
Die Operationen auf dem nordspanischc nKriegS-
schauplatz sind gegenwärtig vollständig zum Stillstand
gekommen. Die Royalisten liegen in Cantonements in und
um Estella, die Republikaner südlich davon in der Nähe de»
Ebro; aber keine der beiden Parteien zeigt irgend, welche
Lust sich mit dem Gegner zu messen. Starke? Regenwetter
soll die Wege in Navarra unpassirbar gemacht haben; dies
wird als Grund für die allgemeine Untätigkeit angegeben.
Ein Korrespondent des Pariser Blattes „Le TempS" sagt,
die republikanische Armee sei in ihren Operationen gegen-
wärtig auch dadurch sehr gehemmt, daß viele Soldaten, deren
Dienstzeit zu Ende, jetzt entlassen werden müßten. Wollte
man diese Leute noch länger bei der Armee behalten, so
würden sie leicht zu Unordnungen Veranlassung geben und
die DiSciplin untergraben. Bei unS in Deutschland kommt
während der Dauer eine» Krieges bekanntlich kein Soldat
zur Entlassung; in Spanien scheinen in dieser Hinsicht an-
dere Gesetze zu herrschen. Für die jetzt verabschiedeten Mann-
schaften muß Laserna junge Recruten annehmen, deren Equi-
pirung, Bewaffnung w,d Ausbildung noch zurück ist. Der
Korrespondent des „Temps" schildert trotzdem die gegenwär-
tig am Ebro stehende republikanische Armee als in guter
Verfassung, kampflustig und von Vertrauen beseelt. Derselbe
erklärt die karlistische Artillerie als geradezu lächerlich un-
tauglich. Die Geschütze seien von vollständig verfehlter Con-
struction, die Geschosse explodirten sofort nachdem sie das
Rohr verlassen. Die republikanischen Soldaten könnnten sich
nicht genug lustig über die Kanonen ihrer Gegner machen.
Im Interesse der RegierungStruppeu «ollen wir wünschen,
daß dieselben in dieser Hinsicht nicht zu früh gelacht haben.
Der türkisch-montenegrinische Konflikt «egen
der Blutthaten von Podgericza dürfte nicht so leicht geschlich-
tet werden. Die Pforte hat im übertriebenen Souveräne-
tätSgefühl oder aus anderen Ursachen das unmittelbar nach
der Affaire gestellte Verlangen des Fürsten von Montenegro
abgeschlagen, die im Scutari befindlichen Konsuln der frem-
den Mächte zu der UutersuchungSkommission beizuziehen. Wie
eine telegraphische Depesche aus Cattaro meldet, hält sie
an der Weigerung trotz aller Gegenvorstellungen fest. Dar
Bedürfniß jedoch, der öffentlichen Meinung Rechnung zu
tcagen, welche den Spruch unabhängiger Schiedsrichter ver-
langt, mag die Türkei zu dem Schritte bewogen haben, über
Ikuillkton.
Pie Kaveri.
(Fortsetzung.)
Der glänzende Procurator war auch etwas der Gegen-
stand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Erst seit sieben oder
acht Monaten in Mrnde, hatte Herr Anton Favernay den
Ruf, welcher besagen will; der wird es noch einmal weit
bringen. Seine Erfolge, seine Verbindungen in Paris, sein
Talent als Pianist und seine persönlichen Vorzüge stellten
ihm eine rasche Karriere in Aussicht. „Favernay wird vor
seinem vierzigsten Jahre General-Procurator sein," hatte der
Präsident der Tribunals gesagt, welcher als ein Mann von
richtigem Urtheil galt.
Favernay hatte sich bisher in einer gewissen Zurückge-
zogenheit gehalten und ließ nur von Zeit zu Zeit hören, daß
er nicht auf dem richtigen Platz« wäre, um seine Talente
g ltend zu machen ; er gab sich in seinem Amte den Schein
einer vornehmen Nachlässigkeit und ließ seinen Substituten
kin weite« Feld der Thätigkeit. In der Welt, d. h. in den
fünf, oder sechs Häusern, in denen er verkehrte, wurde er als
«ine gut« Partie für die heirathsfähigen Töchter verehrt.
Ungeachtet für die jungen Beamten eine strenge AmtS-
tracht eingeführt war, naturalifirte er doch in ganz Gevaudan
gewisse Pariser Gewohnheiten: Lockstiefelu, Glacehandschuhe,
Manchettenknöpfe u. s. w. Kurz, er genoß den Ruf eines
sehr verführerischen und hinsichtlich seiner Carrwrc sehr hoff-
nungsvollen Mannes.
Die Voruntersuchungen in dem Prozeß Jakob Boucard
hatten Favernay aus seiner bisherigen Gleichgiltigkeit heraus-
geführt, und dieser Umstand vermehrte noch die Neugier
de» Publikums. Man wußte, daß er nicht allein sprechen
würde, sondern auch, durch das Romanhafte deS Verbrechens
und namentlich durch das ungewöhnliche Aufsehen deS Pro-
zesse? bewogen, sein ganzes Talent leuchten lassen und die
Erwartung des begierigen Auditoriums weit übertreffen
würde.
So vereinigte sich Alles, um den 17. Februar zu
einem denkwürdigen Tage zu machen, wie er in der kleinen
Stadt von achttausend ehrsamen Bürgern noch nicht dagewesen.
12.
Der Gerichssaal, sonst nicht klein, konnte an diesem
Tage das Publikum kaum fassen, welches sich in Menge
herbeidrängte.
Auf den Tribünen und rescrvirten Plätzen bemerkte
man das aristokratische Auditorium, mit schönen Toilette,'
geschmückt; hinter der Zeugenbank ein« Masse von Männeru
und Frauen aus dem Volke, Arbeiter, Arbeiterinnen, Bauern.
Soldaten; alle Advokaten des Bezirks assistirten. Die.zwölj
Geschworenen setzten sich auf ihre Plätze, der Vertheidign
deS Angeklagten, Herr Gabissol, gegenüber dem Prokurator
(Staatsanwalt), und an dem großen Tische, bedeckt mit einem
schwarzen Tuche, auf welchem, als eorpn« äolioti, die lederne
Geldtasche des Opfer» lag, sah man in der Mitte den Prä
sideuten mit zwei GerichtSräthen.
Der Angeklagte wurde hereingeführt, escortirt von vier
Gensd'armen. Aller Blicke richteten sich sogleich auf ihn.
Jakob erweckte, wie bereits bemerkt, selbst bei Denen, Welche
ihn für schuldig hielten, mehr Mitleid als Schrecken.
Diese drei Monate Gefängniß hatten ihn furchtbar verändert.
Bleich, abgewagert, die Haare struppig, die Wangen
und Augen eingefallen durch Kummer und Schlaflosigkeit,
blieb er ein Räthsel für die unparteiischen Zuschauer. Sein.
Abspannung, sein finstere» Gesicht konnten auf Vorwürfe,
auf Schande, auf inneren Kampf eine» unruhigen Gewissens
schließen lassen oder auch — schrecklicher Gedanke! — aus
Verzweiflung wegen unverschuldeter Anklage. (Forts, f.)