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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Dezember (No. 142 - 154)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0587

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Bierttlj. Lr»nnem»nt
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wSchentlich »rei Mal :
Dienstag, Donnerstag!
un> Samstag.
Alle Postanstalten
un» Boten nehmen
Bestellungen an.MLH

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Burcaux von Kaasenstein L Vogler, Rudolf Waffe UN» O. /. Aauöe L Ko., Süddeutsche Annonceu-Grpedttto«
Von K. Stöckhardt in Franksnrt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Aäger'sche Central.Bureaux für Inserate in Frankfurt «,/M.

* Zur Niederlage der Mramontarren im
Reichstage.
Das waren zwei gewaltige Niederlagen, die sich die
Ultranwntancn am Schluffe der verflossenen Woche unmittel-
bar hinter einander im Reichstage holten und die Wirkungen
derselben werden sich weithin über die Grenzen Deutschlands
hinaus fühlbar machen. Hatte Herr Jörg sehr ungeschickt
zum großen Leidwesen seiner Fraktionsgenoffen das Kissinger
Attentat in seine von sorgfältig ausgeheckten Malicen wim-
melnde Rede hineingeflickt und dafür die verdiente Züchtigung
erhalten, so erging es Herrn Windthorst am folgenden Tage
nicht minder Übel mit seiner ungewöhnlich schwachen Rede
gegen den Strich des Gesandtschaftspostens beim römischen
Stuhl. Der Herausgeber der „historisch-politischen Blätter",
der sich für einen großen Diplomaten hält, vermuthlich weil
alle seine Prophezeiungen bis auf den heutigen Tag das
entgegengesetzte Ergebniß gehabt haben, schämte sich nicht, im
Reichstage seiner eigenen Nation uns Deutsche als die Satelliten
Rußlands hinzustellen und Frankreich als das harmlose Lamm
zu schildern, das fortwährend in Gefahr steht, von dem
Nimmersatten deutschen Wolfe zerrissen zu werden. Wenn
eine derartige Darstellung, die auch dem Abg. Windthorst
nicht fremd war, obgleich er sich alle Mühe gab, den un-
günstigen Eindruck der Jörg'schen Rede abzuschwächen, die
schärfste Zurückweisung des Abg. Laster zur Folge hatte und
von demselben als ein Verbrechen gegen das Vaterland ge-
brandmarkt wurde, so kann man diesem Abgeordneten nur
dafür den lebhaftesten Dank wissen, obgleich ihm ein formeller
Verweis nicht hatte erspart werden können.
Daß die Rede Windthorsts am folgenden Tage zu Gunsten
einer fortdauernden Vertretung des Reiches beim päpstlichen
Stuhle sich nicht über das Niveau eines Leitartikels der ultra-
montanen Winkelblätter zu erheben vermochte — man denke
beispielsweise nur an die Scheuernpurzeliade, daß Napoleon I.
auf St. Helena wegen Renitenz gegen den Papst geendet
habe und an die mit schallendem Gelächter aufgenommene
Frage, was aus seinem Sohn geworden sei, — diese rhetorische
Schwäche des Wust so glänzenden Redners hatte in der schweren
Niederlage des vorhergehenden Schlachttages ihren Grund,
die einen frischen, fröhlichen Angriff nicht mehr aufkommen
ließ. Und in der That war diese Rede das Signal zu Ent-
hüllungen über die Urheberschaft des kirchlichenpolitischen
Kampfes und dessen letzte Ziele, die gewiß nirgends ihre
tiefgehende Wirkung verfehlen, zumal wenn sie ihre in Aus-
sicht gestellte nähere Begründung im preußischen Abgeordneten-
hause gefunden haben werden. Einstweilen wissen wir mit
Bestimmtheit aus den von Frhrn. v. Varnbüler näher er-
läuterten Worten des römischen Nuntius Meglia, daß die
Vertreter des christlichen Liebesprinzips an der Tiber auf

I den Umsturz aller bestehenden Staatsordnungen spekuliren ,
und zu diesem Zwecke ihre Massenagitationen in Szene setzen,
die. sich von denen der Sozialdemokraten lediglich in der Wahl
der Schlagwörter, keineswegs aber in dem gemeinsamen auf
das staatliche Chaos gerichteten Endziele unterscheiden. Steht
doch jene Aeußerung MegliaS vollkommen im Einklang mit
der Blumenlese von Aeußeuingen, die neulich die „Times"
aus den intimen Organen des Vatikans, dem „Osservatore
Romano" und der „Voce della Verita" gebracht hat, wornach
die moderne Zivilisation als Ausgeburt des Protestantismus,
als Rebellion gegen Christus unbedingt verworfen und vom
Syllabus gesagt wird, daß er als ein der göttlichen Autorität
entflossenes Gesetz über allen andern Gesetzen stehe, waS
obendrein als „allgemein bekannt" bezeichnet wird! Aber nicht
genug: hat doch der „Osservatore" unumwunden gesagt:
wenn die Katholiken (richtiger Ultramontanen) gegenwärtig
nicht ihre Unterdrücker vom Throne zu stürzen suchten, so
erkläre sich das nur durch ihre heldenmüthige Geduld, und
daß Herr Gladstone, gegen den die Polemik in erster Linie
gerichtet war, derartige Grundsätze nicht in Einklang mit der
Unterthanentreue finden wollte, wird geradezu als Unverschämt-
heit bezeichnet.
Und Angesichts solcher offen zur Schau getragenen Mord-
anschläge gegen die Kulturentwicklung unserer Zeit, auf welcher
der Staat sich auferbaut, hat man die unglaubliche Naivität
zu verlangen, daß letzterer die unbedingte Kirchenfreiheit ge-
währen und so das Instrument zu seiner eigenen Marter
seinem Feinde in die Hand liefern müsse! Mag Frankreich,
wie der neueste Gesetzentwurf seiner Machthaber Über die
sogenannte Freiheit des Unterrichts darthut, die gesammte
Bildung seiner Jugend dem Ultramontanismus überantworten,
— die andern Knlturstaaten werden ihm auf diesem ver-
hängnißvollen Wege nicht folgen, der nothwendig zu einer
jener blutigen Katastrophen führen muß, die die Zerreißung
geistiger Fesseln bei unseren Nachbarn zu begleiten pflegen.
Wir halten es mit dem von dem Abg. Löwe im Reichstage
zittirten Worte Fichte's in einer seiner Reden an die deutsche
Nation, daß das Deutsche Reich sich auf der Freiheit des
Individuums auferbanen müsse, und wir halten eS ferner
mit dem genannten Abgeordneten, wenn er dem Zentrum
zuruft, daß der Höhepunkt der klerikalen Agitationen über-
schritten ist. Sehen wir dies doch bereits an dem Ausfall
der jüngsten städtischen Wahlen im Rheinland und Westfalen,
die einen, wenn auch nicht rapiden, so doch stetigen Rückgang
der ültramontanen Erfolge mit Sicherheit erkennen lassen, ja
haben wir doch sogar aus den: Munde eines ziemlich stark
ultramontan gefärbten Mannes, der erst unlängst von einem
längeren Aufenthalt am Niederrhein zurückgekehrt ist, den halb
verwunderten Ausruf gehört, daß in der gebildeten Gesell-
schaft der dortigen Städte die gleiche Sprache über den Kampf

, zwischen Deutschland und Rom geführt weroe wie. bei unS-
Mögen auch da und dort noch weitere Wahlsiege in seinen
alten Domänen dem Ultramontanismus in den Schooß fallen,
— neue Gebiete wird er nicht mehr zu erobern vermögen
und von dem Bürgerthum der Städte, die schon zur Zeit
Heinrichs IV. im Kampfe gegen das Papstthum auf Seiten
von Kaiser und Reich standen, wird auch die bessere Erkennt-
niß rascher, als es die Ultramontanen ahnen, unter da»
biedere Landvolk getragen werden. „Liegt die geringste
Wahrscheinlichkeit dafür vor", frägt die „TimeS" sehr treffend,
„daß der lange Lauf der freiheitlichen Entwicklung unter-
brochen werden wird und daß römische Anschauungen in
Politik, Literatur, Wissenschaft oder Kunst die bewegende
Kraft werden würden? Im Gegentheil, wie der Papst selbst
unaufhörlich einräumt, geht der ganze Strom der modernen
Zivilisation gegen ihn, und das Einzige, was in seiner Macht
steht, ist, seine Bischöfe zusammenzuberufen und in feierlichem
Konklave diese Zivilisation zu verfluchen."

Deutsches Reich.
— Das Kaiser!. Generalpostamt in Berlin macht
bekannt: Am 1. Januar 1875 werden im ReichSpostgrbiet
neue in der Reichsmarkwährung lautende Postwerthzeichrn
eingeführt, und zwar: Freimarken zu 3, 5, 10, 20, 25
und 50 Pfennigen R.-M., Franko-Couvert» zu 10 Pfg.
in kleinem und großem Format, gestempelte Postkarten, «in»
fache und mit Rückantwort, je zu 5 Pfg., und gestempelte
Streifbänder zu 3 Pfg., diese letztere Gort« nur bei bestimm»
ien größeren Postanstalten. Die Freimarken und gestempel-
ten Postkarten werden zum Nennwerte, die Franko-Couvert»
mit einem Aufschläge von 1 Pfg. R.-M. pr» Ttstck, und
die gestempelten Streifbänder in Parthien von 100 Stück
zum Preise von 3 Mark 35 Pfg. verkauft. Der Verkauf
dieser neuen Postwerthzeichrn beginnt bei den Postanstalten
am 10, Dezember, jedoch mit der Maßgabe, daß in den
Bezirken der Thalerwährung die neuen Freimarken zu 5,
10, 20, 25 und 50 Pfg., sowie die neuen Franko-Couvert»
und Postkarten erst dann abgegeben werden, wenn die vor-
handenen Vorräthe der genau entsprechenden bisherigen Sor-
ten zu fl», I, 2, 5*/,, und 5 Sgr. bei den betreffenden
Postanstalten ausverkauft sind. Die bisherigen Postwerth-
zeichen zu 1, 2. 3, 7, 9, und 18 Kreuzern diejenigen zu
und h',i Sgr. und die Hamburger Stadtpostmarken zu
fl» Schilling sind vom 1. Januar 1875 ab zur Frankirung
ungültig. Sie können in der Zeit vom 15. Januar bi»
15. Februar k. I. bei den Postanstalten gegen neue Marken
u. s. w. in gleichem Gesammtwerth umgetauscht werden.
Eine Einlösung gegen Baar findet nicht statt. Die Festsetzung
eines Termins zur AußercourSsctzung und Einlösung der bis-
herigen Postwerthzeichen zn fl», I, 2, 2*/» und 5 Sgr.


Badische Hopsenzeitung.
Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Samstag 12. Dezember 1874.

VIII

Feuilleton.
Die Hlaöen.
(Fortsetzung.)
6.
Bei der Rückkunft noch Hause war Frau von Ribiere
nur halb befriedigt. Die Seebäder hatten bei Marie be-
wundernswürdige Erfolge gehabt, indem sie größer und stärker
Heimkain,- aber Susanne hatte alle Hoffnungen getäuscht und
ein wenig schlechte Laune mischte sich zu dem Mitgefühl
welches sie ihrer Beschützerin einflößte.
Ahnte das Mädchen, daß man sie etwas weniger liebte?
Oder halte sich eine neue Laune in ihrem kranken Gehirn
festgesetzt?
Thatsache ist, daß Frau von RiMre, welche ihrem
Manne und ihrem Bruder alle Vorfälle der Reise erzählt
hatte, bald bemerkte, daß Susannens Besuche weniger häüfig
und weniger lang wurden. Ganze Wochen vergingen, ehe
sie wieder erschien. Marie,, welche sie immer mit derselben
kindlichen Lebhaftigkeit liebte, fragte ihre Mutter unaufhörlich
nach ihr. Diese zog Erkundigungen ein, und die Nachrichten,
welche sie erhielt, verursachten ihre Unruhe.

Sie hatte eine Kammerfrau, Namens Rosalie, etwas
familiär, wie alle Dienstboten der Provinz, namentlich wenn
sie sich genug im Hanse festgewurzelt glauben.
Rosalie war bei Marie als Bonne gewesen. Mansmuß
das menschliche Herz im Allgemeinen und das alter Dienst-
boten im Besonderen kenne», und mau wird nicht über die
Eifersucht erstaunen, welche die Aufnahme Susannens und
die Hinneigung des Kindes für seine neue Gefährtin ihr
eingeflößt hatten.
Eines Morgens sah Frau von Ribiere sie mit einer
wichtigen Miene in ihr Zimmer kommen. Unter dem Vor-
wände, die Möbel abzustäuben oder ihrer Herrin beim An-
kleiden zu helfen, machte sie eine Miene, wie Jemand, der
etwas zu sagen hat und sich fragen lasten will. Sie zuckte
mit den Achseln, hob die Augen gen Himmel, stieß große
Seufzer aus und betrachtete Frau von Ribiere, welche endlich
ungeduldig auSricf:
„Nun, Rosalie, was giebt's?"
„Man ist sehr erstaunt, Madame, über die neuen
Gewohnheiten, welche Ihr liebes Fräulein Susanne anzu-
nehmen scheint. ES wird ihr sicherlich ein Unglück zu-
stoßen."
„Was hat sie denn, die arme Irrsinnige?"

„O, die Irrsinnige! Doch mau weiß, wa» man weiß!
Was sie macht? Sie führt ein Vagabnnden- und Abenteurer-
leben in den Feldern. Und was daS Sonderbarste ist, man
begegnet ihr fast immer an den Orten, wrlche ihr am meiste«
Schreck einflößen sollten."
„Wo denn?"
„Bei dem Häuschen des unglücklichen Jakob, beim Priester-
feld, wo Simon Vernou ermordet wurde, endlich und haupt-
sächlich bei dem Hofe des Anselm Lofferouffe. Der Ort ist
ziemlich schlecht im Rufe; der Bauer Hot eine böse Miene
und sein Knecht, ein Piemontese von Geburt, hat den Schein
eines Taugenichts und schlechten Menschen."
„Das ist traurig, aber es erstaunt mich nicht mehr, al»
das Uebrige. Die Vernunft und das Gedächtniß Susannen»
find gleich getrübt. Diese finsteren Plätze, welche unS Furch
einjagen würden, erinnern sie an das ganze Unglück, dem
sie zuin Opfer gefallen. Wer weiß? Vielleicht ist es ein«
fixe Idee, welche sie auf den Schauplatz de» Verbrechens
führt. Sie glaubt hier irgend ein Andenken irgend eine
Spur zu finden, das ist eS."
„Ja," erwiderte Rosalie; „aber man hat sie mit dem
Piemontesen sprechen sehen, sich von ihm begleiten kaffen,
bald auf den Weg, bald in den Wald. Und jetzt sagt man,
 
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