Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstax, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.
Wochenblatt
Viertels. Abonnement:
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Inserate
die viergespaltene
Petitzelle oder deren
Raum 4 kr.,
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AintsverkündigungsUatt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische H o p sc n) e i 1 u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. 66.
Samstag, 6. Juni 1874.
VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstcin L Vogler, Zluvols Wosse und H. L. Daube L Ko., die Süddeutsche Annoncen-Krs-edition
von K. StöLhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Zäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 29. Mai. (50. Sitzung der 2 Kammer
unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten Blumtschli.)
Nach Einlauf verschiedener Petitionen Eintritt in die
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die allge-
meine Einkommensteuer.
Der Präsident theilt mit, es sei neuerdings von den
Abgg. Bär, Hufschmied, Roder, Müller v. R. rc. eingebracht
worden:
6) „Dieses Gesetz tritt mit der Verkündigung desselben
in Wirksamkeit. Das Finanzministerium sorgt für den
Vollzug und ertheilt zu dem Ende die nöthigen Vollzugs-
Vorschriften- Die erstmalige Erhebung der Einkommensteuer
auf Grund dieses Gesetzes wird durch besonderes Gesetz be-
stimmt und kann erst eintreten, wenn die neue Einschätzung
deS landwirihschaftlichen Geländes und der Gebäude (Ge-
setze vom 7. Mai 1858 und vom 26. Mai 1866), sowie
ein neues Klassensteuer- und Gewerbesteuergesetz beschlossen
ist. Diesem Emsührungsgesitz bleibt es Vorbehalten, auch
darüber Bestimmungen zu treffen, in wie weit die Einkom-
mensteuer andere direkte Steuern ersetzen soll, sowie etwaige
auf Grund des Ergebnisses der Einkommenseinschätzung nolh-
wcndig fallende Abänderungen des gegenwärtigen Gesetzes
vorzunehmen."
Der Abg. Bär begründet diesen Antrag.
Hierauf theilt der Vorsitzende mit, es seien zwei wei-
tere Anträge eingekommen, und zwar:
7) von sämmtlichen 10 Abgeordneten der Rechten
unterzeichnet:
„Tue Erträgnisse der Einkommensteuer werden zur
Ermäßigung der Grundsteuer verwendet", sodann
8) von den Abgg. Stöffer, Heidenreich, Müller von
Rad., Schmidt von Konst., Frank, Ivos, Neßler, Blum,
Roder rc.
„Das erstmalige Ergebniß der Einkommensteuer soll
zur Ermäßigung der Grundsteuer vemenüet werden."
Der Abg. Mays möchte das Gesetz am liebsten gar
nicht einführen und setzt seine Bedenken gegen dasselbe aus-
einander. Die verschiedenen Anträge seren, bei aller Ach-
tung vor ihren Urhebern sei es gesagt, nicht mehr Werth,
als in den Papierkorb zu wandern, denn der nächste Land-
tag sei ja doch ausschlaggebend, das Gesetz belaste eine ein-
zige Gesellschaftsklasse ausschließlich, das sei gefährlich und
werde den in der Sozialoemokratie wirkenden Geist stärken.
Der Abg. Blum spricht für den heutigen Antrag Bär,
mit dem Anträge der Rechten ist der Redner in der Sprache
einverstanden, dagegen hält er es nicht für zweckmäßig, den
Gegenstand in das Gesetz aufzunehmen. Der Redner läßt
nun die verschiedenen, seinem Anträge gemachten Einwürfe
Revue paffiren und gibt dem Abg. Mays dabei seinen
Papierkorb mit der Bemerkung zurück, daß er, bei aller
Achlung vor der Person des Herrn Mays, dessen Rede eben-
falls in den Papierkorb wandern lasse. (Gelächter.)
Der Abg. Friüerich zieht nach längerer Darlegung
seines Standpunktes seinen Antrag (Nr. 4) zu Gunsten
des heutigen Antrags Bär (Nr. 6) zurück.
Derselbe wird indessen sofort von den Abgg. Stigler,
v. Feder und Bender mit der Modifikation wieder ausge-
nommen, daß in demselben der Satz: „Die erstmalige Fest-
stellung des Einkommens hat sich zugleich auch auf die Ein-
kommen von weniger als 1500 Mark zu erstrecke ' --Erichen
wird. Wir bezeichnen diesen Antrag mit d-
Hiedurch und weil Niemand den urspr. i.
Ziff. 4 wieder aufgreift, verschwindet dieser v
ordnung.
Den Antrag Nr. 9 begründet nun der 2
Das Haus schreitet nun zur Abstimmung. Lnie e.
gibt
n. Verwerfung des Antrags Nr. 9 (gestriger Antrag
Bär mit dem von Bender, v. Feder und Stigler vorge-
schlagenen Strich).
b. Verwerfung des Antrags Nr. 7 (Antrag t
Rechten.)
o. Annahme des Antrags Nr. 6 (heutiger N'
Bär.)
ä. Annahme des Antrags Nr. 8 (Resolution E
in welcher es heißen muß statt „das erstmalige Ergebniß
der Einkommensteuer soll rc." : „In erster Linie soll das
Ergebniß der Einkommenssteuer zur Ermäßigung der Grund-
steuer verwendet werden.")
Mit dieser Abstimmung u—cl sind alle übrigen An-
träge hinfällig geworden.
Der Berichterstatter Stöffer bringt nun zur Sprache,
daß durch ein Versehen bei der Beschlußfassung über den
Z 7 das bisher bezügliche Reichsmilitärgesetz unbeachtet ge-
blieben sei. Dort müsse, um das Gesetz in Uebereinstim-
mung zu bringen, statt des Abs. L und 3 gesetzt werden:
(Ausgenommen von der Einkommensteuer sind) „Alle An-
gehörigen des aktiven Heeres rücksichtuch ihres militärischen
Einkommens und zwar die Unierofstziere und Gemeine un-
beschränk-, Andere aber im Falle einer Mobilmachung "
Ads. 4 soll als Abs. 3 gellen.
Das Haus nimmt hierauf das ganze Gesetz an mit
42 gegen 13 Summen.
Mit Nein stimmen die Abgg. Bender, Bickel, Bürklin,
Eichelsdörfer, v. Feder, Fischer. Heilig, Lang von Karls-
ruhe, Lauler, Lenz, Mays, Mörstadt und Stigler.
— 1. Juni. (51 Sitzung der 2 Kammer unter dem
Vorsitze des Vizeprüsioenten Bluntschli.
Die Tagesordnung führt auf die Berathung des Be-
richtes des Abg. ll. Feder über den Gesetzentwurf, die Ka-
pitalreutensteuer belnffeud.
In der kurzen Generaldebatte wird die Grundlage des
Gesetzes, statt wie bis jetzt den Kapitalwerth, so in Zukunft
den Ertrag des Kapitalvermögens zu besteuern, allseitig bei-
fällig besprochen. An dieser allgemeinen Berathung nehmen
Theil die Abgg. Stöffer, v. Buß, v. Feder und Staats-
ralh Ellstätter.
Das ganze Gesetz wurde in der Schlußabstimmung mit
ganz wenig Abänderungen nach den mit der Regierungs-
vorlage übereinstimmenden Kommissionsvorschlägen einstimmig
angenommen.
Am Schluffe der Sitzung legt der Präsident des Han-
delsministeriums, Herr Turban, drei Staatsoerträge mit
der kaiserl. Reichsregierung vor, beir. die Herstellung von
Eisenbahnverbindungen zwischen Leopoldshöhe-St. Ludwig,
Müllheim-Müllhausen und Allbreisach-Kolmar.
Ferner legt der Handelspräsident vor einen Nachtrag
zum Hauplfinanzetat, belr. die Verwilligung von weiteren
38,000 fl. (zu den bereits Verwilligten 38,000 fl.) für
schwimmende Docks in Constanz und von 44,000 fl. für
eine Gülerstation in Pettrhausen.
Die altkatholische Synode in Bonn
hat in der ersten Sitzung folgende „Grundsätze über Refor-
men im Allgemeinen" angenommen:
1) Auf dem Kölner Kongresse ist die Erklärung ange-
nommen worden: „Die entgüttige Prüfung der lief gefühl-
ten Mißbräuche und die Durchführung der entsprechenden
Reformen ans dem Gebiete der Disciplin und des Cuttus
bleibt den verfassungsmäßigen Organen der Kirche Vorbe-
halten."
Diese verfassungsmäßigen Organe der Kirche sind die
Synoden und zwar sind es naturgemäß zum Theil allge-
meine, zum Theil Particularsynoden, denen es zusteht, zur
Anbahnung oder Durchführung von Reformen die bestehen-
den kirchlichen Gesetze aufzuhsben oder abzuänvern und neue
Gesetze zu erlassen.
2) Die gegenwärtige Synode darf sich für berechtigt
halten, solche Anordnungen zu beschließen, wie sie »ach dm
alten kirchlichen Rechte jede Particularsyuode zu erlassen be-
fugt war.
3) Bei der Beuriheilung bestimmter auf Reformen be-
züglicher Anträge und Wünsche kommt Nicht nur die Frage
in Betracht, ob die in Aussicht geuomnieuen Beschlüste an
sich zuläff g und wünschenswerlh sind und innerhalb der Be-
fugniß der Synode liege», sondern auch die Frage, ob es
unter den augenblicklichen Verhältnissen rathsam ist, die be-
treffenden Wünsch? und Anträge zur Berathung zu bringen.
4) Im Allgemeinen ist an der Regel sestzuhaltedie-
jenigen Angelegenheiten zunächst zum Berathuugsgegemtaude
der Synode zu machen, deren Erledigung am dringendsten
ist und bezüglich deren mit Sicherheit ein einmülhiger Be-
Feuilleton.
Aer Armenarzt.
Siebentes Kapitel.
Räthselyafte Aehnttchkeit.
(Fortsetzung.)
„Sie sehen Gespenster, liebe Frau," erwiederie Dr.
Feldmann. „Wenn Sie nun im Stande wären, diese ver-
meintliche Schuld abzuzahleu, das heißt nur, wenn wir
einen günstigen Erfolg erzielen, würden Sie nicht lieber
ein gesundes Dasein dem foriwährenden Kränkeln vorziehen?
Sie haben dort z. B. einen Kupferstich. Würde Ihnen der-
selbe nicht ein geringes Opfer für ihre Gesundheit erscheinen?
Gesetzt nun den Fall ich wäre ein Liebhaber solcher Stiche
und —"
„Halten Sie ein, Herr Doctor", fiel ihm die Alte
in's Wort, und um Ihre Lippen zuckte es wie Hohn. „Also
das ist Ihre Menschenfreundlichkeit? Oder sollten Sie
wirklich nicht wissen, daß der Stich erst aus meinen er-
starrten Todtenhänden in den Besitz Anderer gelangt? O,
wer hätte das gedacht, daß ein Mann wie Sie sich van
Anderen so mißbrauchen läßt!
Dr. Feldmann war wie erstarrt über diesen Vorwurf.
Er wollte das Zartgefühl der wunderlichen Alten schonen
und bot ihr Hülfe und Genesung für beii ersten besten
Gegenstand, der ihm gerade in's Auge fiel uud das war
eben der Kupferstich. Ucber eiuen Mißbrauch, der mit
seiner Person gelrieben würde, wie die Alte ihm soeben
heftig erklärte, konnte er sich mit dem besten Willen keine
Rechenschaft geben.
Die Alte hatte das Haupt auf die Brust sinken lassen
und bedeckte die Augen mit den Händen gerade so, als
wenn sie sich vor irgend einem schreckhaften Anblicke schützen
wollte.
Dr. Feldmann warf unwillkürlich einen Bilck auf das
Bild, welches eine solche Heftigkeit zu erregen im Stande
war.
Es war das uns unbekannte Bild aus dem „Sturm."
Kaum jedoch, als er genauer hiugesehen, tral Dr. Feldmann
näher und betrachtete das Bild mit prüfendem Blicke.
Sollte es eine Täuschung sein oder ein seltsames Spiel der
Natur. Ganz dieselben Züge, ja fast dieselbe Gestalt,
wie sie der am Arme der Geliebten hinwandelnde Ferdinand
trug, hatte er schon gesehen, und zwar erinnerte er sich ge-
nau des Ebenbildes. In jener sonderbaren Nacht, die
ihm noch immer Räthsel bot, welche ihn in manchem un-
bewachten Augenblicke beschlichen, war er dem lebenden
Original so unendlich nahe gewesen. Das waren dieselbe
Stirn umd derselbe Mund» die dort in der Nacht bleich
und todtenstarr keine Antwort auf seine Fragen zu geben
vermochten und ihm hier auf dem Bilde lebenswahr ent-
gegentraten. Und dies Bild war der Alten so ungeheuer
viel Werth?
„Ich wußte nicht, daß ein leicht hingeworfenes Wort
Sie so kränken konnte," begann Dr. Felvmann nach einiger
Weile; „es lag dies nicht in meiner Absicht."
„Ich will es Ihnen ja glauben," sagte die Wittwe
leise mit bebender Stimme. „Wie konnten Sie auch wissen,
was mir wehe ihut. Das Bild dort ist mein Leben, neh-
men Sie es, ist Alles mit mir vorbei. Und wenn Sie
mir das Bild auch lasten, so werden Sie einsehen, daß
nach diesem Vorfälle das Wichtigste verloren ist, was ein
Patient zu dem Arzte haben muß: — das Vertrauen."
Dr. Feldmann sah die alte Frau erstaunt an. Er
konnte sich nicht erklären, wie diese Frau mit dem ausge-
sprochenen Zartgefühl in der ärmlichen Umgebung verweilen
konnte und immer deutlicher ward ihm der Gedanke, daß
die Kranke einst bessere Tage gesehen haben mußte als jetzt,
daß sie ein Geheimniß berge, zu welchem das Bild in innig-
ster Beziehung stände. Was aber hatte das Bild mit dem
jungen Manne zu thun, dem er das Leben gerettet? Denn
daß die Ähnlichkeit zwischen seinem Schützling und dem
Ferando keine zufällige sei, das glaubte er fest und sicher.
(Fortsetzung folgt.)
wöchentlich drei Mal:
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und Samstag.
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Badische H o p sc n) e i 1 u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«o. 66.
Samstag, 6. Juni 1874.
VIII. Jahrgang.
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Badischer Landtag.
Karlsruhe, 29. Mai. (50. Sitzung der 2 Kammer
unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten Blumtschli.)
Nach Einlauf verschiedener Petitionen Eintritt in die
Tagesordnung: Fortsetzung der Berathung über die allge-
meine Einkommensteuer.
Der Präsident theilt mit, es sei neuerdings von den
Abgg. Bär, Hufschmied, Roder, Müller v. R. rc. eingebracht
worden:
6) „Dieses Gesetz tritt mit der Verkündigung desselben
in Wirksamkeit. Das Finanzministerium sorgt für den
Vollzug und ertheilt zu dem Ende die nöthigen Vollzugs-
Vorschriften- Die erstmalige Erhebung der Einkommensteuer
auf Grund dieses Gesetzes wird durch besonderes Gesetz be-
stimmt und kann erst eintreten, wenn die neue Einschätzung
deS landwirihschaftlichen Geländes und der Gebäude (Ge-
setze vom 7. Mai 1858 und vom 26. Mai 1866), sowie
ein neues Klassensteuer- und Gewerbesteuergesetz beschlossen
ist. Diesem Emsührungsgesitz bleibt es Vorbehalten, auch
darüber Bestimmungen zu treffen, in wie weit die Einkom-
mensteuer andere direkte Steuern ersetzen soll, sowie etwaige
auf Grund des Ergebnisses der Einkommenseinschätzung nolh-
wcndig fallende Abänderungen des gegenwärtigen Gesetzes
vorzunehmen."
Der Abg. Bär begründet diesen Antrag.
Hierauf theilt der Vorsitzende mit, es seien zwei wei-
tere Anträge eingekommen, und zwar:
7) von sämmtlichen 10 Abgeordneten der Rechten
unterzeichnet:
„Tue Erträgnisse der Einkommensteuer werden zur
Ermäßigung der Grundsteuer verwendet", sodann
8) von den Abgg. Stöffer, Heidenreich, Müller von
Rad., Schmidt von Konst., Frank, Ivos, Neßler, Blum,
Roder rc.
„Das erstmalige Ergebniß der Einkommensteuer soll
zur Ermäßigung der Grundsteuer vemenüet werden."
Der Abg. Mays möchte das Gesetz am liebsten gar
nicht einführen und setzt seine Bedenken gegen dasselbe aus-
einander. Die verschiedenen Anträge seren, bei aller Ach-
tung vor ihren Urhebern sei es gesagt, nicht mehr Werth,
als in den Papierkorb zu wandern, denn der nächste Land-
tag sei ja doch ausschlaggebend, das Gesetz belaste eine ein-
zige Gesellschaftsklasse ausschließlich, das sei gefährlich und
werde den in der Sozialoemokratie wirkenden Geist stärken.
Der Abg. Blum spricht für den heutigen Antrag Bär,
mit dem Anträge der Rechten ist der Redner in der Sprache
einverstanden, dagegen hält er es nicht für zweckmäßig, den
Gegenstand in das Gesetz aufzunehmen. Der Redner läßt
nun die verschiedenen, seinem Anträge gemachten Einwürfe
Revue paffiren und gibt dem Abg. Mays dabei seinen
Papierkorb mit der Bemerkung zurück, daß er, bei aller
Achlung vor der Person des Herrn Mays, dessen Rede eben-
falls in den Papierkorb wandern lasse. (Gelächter.)
Der Abg. Friüerich zieht nach längerer Darlegung
seines Standpunktes seinen Antrag (Nr. 4) zu Gunsten
des heutigen Antrags Bär (Nr. 6) zurück.
Derselbe wird indessen sofort von den Abgg. Stigler,
v. Feder und Bender mit der Modifikation wieder ausge-
nommen, daß in demselben der Satz: „Die erstmalige Fest-
stellung des Einkommens hat sich zugleich auch auf die Ein-
kommen von weniger als 1500 Mark zu erstrecke ' --Erichen
wird. Wir bezeichnen diesen Antrag mit d-
Hiedurch und weil Niemand den urspr. i.
Ziff. 4 wieder aufgreift, verschwindet dieser v
ordnung.
Den Antrag Nr. 9 begründet nun der 2
Das Haus schreitet nun zur Abstimmung. Lnie e.
gibt
n. Verwerfung des Antrags Nr. 9 (gestriger Antrag
Bär mit dem von Bender, v. Feder und Stigler vorge-
schlagenen Strich).
b. Verwerfung des Antrags Nr. 7 (Antrag t
Rechten.)
o. Annahme des Antrags Nr. 6 (heutiger N'
Bär.)
ä. Annahme des Antrags Nr. 8 (Resolution E
in welcher es heißen muß statt „das erstmalige Ergebniß
der Einkommensteuer soll rc." : „In erster Linie soll das
Ergebniß der Einkommenssteuer zur Ermäßigung der Grund-
steuer verwendet werden.")
Mit dieser Abstimmung u—cl sind alle übrigen An-
träge hinfällig geworden.
Der Berichterstatter Stöffer bringt nun zur Sprache,
daß durch ein Versehen bei der Beschlußfassung über den
Z 7 das bisher bezügliche Reichsmilitärgesetz unbeachtet ge-
blieben sei. Dort müsse, um das Gesetz in Uebereinstim-
mung zu bringen, statt des Abs. L und 3 gesetzt werden:
(Ausgenommen von der Einkommensteuer sind) „Alle An-
gehörigen des aktiven Heeres rücksichtuch ihres militärischen
Einkommens und zwar die Unierofstziere und Gemeine un-
beschränk-, Andere aber im Falle einer Mobilmachung "
Ads. 4 soll als Abs. 3 gellen.
Das Haus nimmt hierauf das ganze Gesetz an mit
42 gegen 13 Summen.
Mit Nein stimmen die Abgg. Bender, Bickel, Bürklin,
Eichelsdörfer, v. Feder, Fischer. Heilig, Lang von Karls-
ruhe, Lauler, Lenz, Mays, Mörstadt und Stigler.
— 1. Juni. (51 Sitzung der 2 Kammer unter dem
Vorsitze des Vizeprüsioenten Bluntschli.
Die Tagesordnung führt auf die Berathung des Be-
richtes des Abg. ll. Feder über den Gesetzentwurf, die Ka-
pitalreutensteuer belnffeud.
In der kurzen Generaldebatte wird die Grundlage des
Gesetzes, statt wie bis jetzt den Kapitalwerth, so in Zukunft
den Ertrag des Kapitalvermögens zu besteuern, allseitig bei-
fällig besprochen. An dieser allgemeinen Berathung nehmen
Theil die Abgg. Stöffer, v. Buß, v. Feder und Staats-
ralh Ellstätter.
Das ganze Gesetz wurde in der Schlußabstimmung mit
ganz wenig Abänderungen nach den mit der Regierungs-
vorlage übereinstimmenden Kommissionsvorschlägen einstimmig
angenommen.
Am Schluffe der Sitzung legt der Präsident des Han-
delsministeriums, Herr Turban, drei Staatsoerträge mit
der kaiserl. Reichsregierung vor, beir. die Herstellung von
Eisenbahnverbindungen zwischen Leopoldshöhe-St. Ludwig,
Müllheim-Müllhausen und Allbreisach-Kolmar.
Ferner legt der Handelspräsident vor einen Nachtrag
zum Hauplfinanzetat, belr. die Verwilligung von weiteren
38,000 fl. (zu den bereits Verwilligten 38,000 fl.) für
schwimmende Docks in Constanz und von 44,000 fl. für
eine Gülerstation in Pettrhausen.
Die altkatholische Synode in Bonn
hat in der ersten Sitzung folgende „Grundsätze über Refor-
men im Allgemeinen" angenommen:
1) Auf dem Kölner Kongresse ist die Erklärung ange-
nommen worden: „Die entgüttige Prüfung der lief gefühl-
ten Mißbräuche und die Durchführung der entsprechenden
Reformen ans dem Gebiete der Disciplin und des Cuttus
bleibt den verfassungsmäßigen Organen der Kirche Vorbe-
halten."
Diese verfassungsmäßigen Organe der Kirche sind die
Synoden und zwar sind es naturgemäß zum Theil allge-
meine, zum Theil Particularsynoden, denen es zusteht, zur
Anbahnung oder Durchführung von Reformen die bestehen-
den kirchlichen Gesetze aufzuhsben oder abzuänvern und neue
Gesetze zu erlassen.
2) Die gegenwärtige Synode darf sich für berechtigt
halten, solche Anordnungen zu beschließen, wie sie »ach dm
alten kirchlichen Rechte jede Particularsyuode zu erlassen be-
fugt war.
3) Bei der Beuriheilung bestimmter auf Reformen be-
züglicher Anträge und Wünsche kommt Nicht nur die Frage
in Betracht, ob die in Aussicht geuomnieuen Beschlüste an
sich zuläff g und wünschenswerlh sind und innerhalb der Be-
fugniß der Synode liege», sondern auch die Frage, ob es
unter den augenblicklichen Verhältnissen rathsam ist, die be-
treffenden Wünsch? und Anträge zur Berathung zu bringen.
4) Im Allgemeinen ist an der Regel sestzuhaltedie-
jenigen Angelegenheiten zunächst zum Berathuugsgegemtaude
der Synode zu machen, deren Erledigung am dringendsten
ist und bezüglich deren mit Sicherheit ein einmülhiger Be-
Feuilleton.
Aer Armenarzt.
Siebentes Kapitel.
Räthselyafte Aehnttchkeit.
(Fortsetzung.)
„Sie sehen Gespenster, liebe Frau," erwiederie Dr.
Feldmann. „Wenn Sie nun im Stande wären, diese ver-
meintliche Schuld abzuzahleu, das heißt nur, wenn wir
einen günstigen Erfolg erzielen, würden Sie nicht lieber
ein gesundes Dasein dem foriwährenden Kränkeln vorziehen?
Sie haben dort z. B. einen Kupferstich. Würde Ihnen der-
selbe nicht ein geringes Opfer für ihre Gesundheit erscheinen?
Gesetzt nun den Fall ich wäre ein Liebhaber solcher Stiche
und —"
„Halten Sie ein, Herr Doctor", fiel ihm die Alte
in's Wort, und um Ihre Lippen zuckte es wie Hohn. „Also
das ist Ihre Menschenfreundlichkeit? Oder sollten Sie
wirklich nicht wissen, daß der Stich erst aus meinen er-
starrten Todtenhänden in den Besitz Anderer gelangt? O,
wer hätte das gedacht, daß ein Mann wie Sie sich van
Anderen so mißbrauchen läßt!
Dr. Feldmann war wie erstarrt über diesen Vorwurf.
Er wollte das Zartgefühl der wunderlichen Alten schonen
und bot ihr Hülfe und Genesung für beii ersten besten
Gegenstand, der ihm gerade in's Auge fiel uud das war
eben der Kupferstich. Ucber eiuen Mißbrauch, der mit
seiner Person gelrieben würde, wie die Alte ihm soeben
heftig erklärte, konnte er sich mit dem besten Willen keine
Rechenschaft geben.
Die Alte hatte das Haupt auf die Brust sinken lassen
und bedeckte die Augen mit den Händen gerade so, als
wenn sie sich vor irgend einem schreckhaften Anblicke schützen
wollte.
Dr. Feldmann warf unwillkürlich einen Bilck auf das
Bild, welches eine solche Heftigkeit zu erregen im Stande
war.
Es war das uns unbekannte Bild aus dem „Sturm."
Kaum jedoch, als er genauer hiugesehen, tral Dr. Feldmann
näher und betrachtete das Bild mit prüfendem Blicke.
Sollte es eine Täuschung sein oder ein seltsames Spiel der
Natur. Ganz dieselben Züge, ja fast dieselbe Gestalt,
wie sie der am Arme der Geliebten hinwandelnde Ferdinand
trug, hatte er schon gesehen, und zwar erinnerte er sich ge-
nau des Ebenbildes. In jener sonderbaren Nacht, die
ihm noch immer Räthsel bot, welche ihn in manchem un-
bewachten Augenblicke beschlichen, war er dem lebenden
Original so unendlich nahe gewesen. Das waren dieselbe
Stirn umd derselbe Mund» die dort in der Nacht bleich
und todtenstarr keine Antwort auf seine Fragen zu geben
vermochten und ihm hier auf dem Bilde lebenswahr ent-
gegentraten. Und dies Bild war der Alten so ungeheuer
viel Werth?
„Ich wußte nicht, daß ein leicht hingeworfenes Wort
Sie so kränken konnte," begann Dr. Felvmann nach einiger
Weile; „es lag dies nicht in meiner Absicht."
„Ich will es Ihnen ja glauben," sagte die Wittwe
leise mit bebender Stimme. „Wie konnten Sie auch wissen,
was mir wehe ihut. Das Bild dort ist mein Leben, neh-
men Sie es, ist Alles mit mir vorbei. Und wenn Sie
mir das Bild auch lasten, so werden Sie einsehen, daß
nach diesem Vorfälle das Wichtigste verloren ist, was ein
Patient zu dem Arzte haben muß: — das Vertrauen."
Dr. Feldmann sah die alte Frau erstaunt an. Er
konnte sich nicht erklären, wie diese Frau mit dem ausge-
sprochenen Zartgefühl in der ärmlichen Umgebung verweilen
konnte und immer deutlicher ward ihm der Gedanke, daß
die Kranke einst bessere Tage gesehen haben mußte als jetzt,
daß sie ein Geheimniß berge, zu welchem das Bild in innig-
ster Beziehung stände. Was aber hatte das Bild mit dem
jungen Manne zu thun, dem er das Leben gerettet? Denn
daß die Ähnlichkeit zwischen seinem Schützling und dem
Ferando keine zufällige sei, das glaubte er fest und sicher.
(Fortsetzung folgt.)