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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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November (No. 130 - 141)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0535

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Badische Hopsenzeilung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

8o. 134.

Donnerstag 12. November 1874.

>111 Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen sür uns auch entgegen die Annoncen.Bureaux von Kaasenstetn L Segler, Nudotf Waffe und K. L. z»anöe L Küddentsche Anuoncta-KipedUt»»
von K. St-Ähardt in Franksurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich^B^e^u^St^bburg^sow^d^^Sgtt^e^nüa^B^aur^für^Jnserattin^Fraast^^M^^

* Der Xervas rerum der Carlisten.
Die Frage, die manchen Zeitungslesern viel Kopfzer-
brechen verursacht, warum einerseits die Carlisten trotz
Allem, was von ihrer wachsenden Macht in die Welt hin-
ausposaunt wird, nicht auf Madrid marschiren, während
andererseits die Republikaner trotz ihrer Siege des Auf-
standes nicht Meister werden, findet in Correspondenzen der
„Daily News" aus den Lagern beider Parteien eine sehr
einfache Beantwortung. Der Berichterstatter im carlistischen
Hauptquartier weiß alles mögliche Günstige über die Streit-
kräfte des Prätendenten zu melden, allein er kann nicht an-
ders, als die Thatsache eingestehen, daß die Geldfrage
größere Unternehmungen vereilten. So treu (?) auch die
carlistischen Soldaten an ihrem Könige hängen, so wollen
sie doch auch wie andere Soldaten ihren Sold beziehen,
und trotz der Anstrengungen carlistischer Ausschüsse im Aus-
lande und der freundlichen Unterstützung fremder Edelleute,
welche sich fast verpflichtet halten, die Sache des Präsidenten
mit Subsidien zu unterstützen, hat Don Carlo? nicht soviel
Geld zur Verfügung, als er wünschen möchte. Die Junta
jeder Provinz, die unter der Herrschaft der Carlisten steht,
besoldet die Trupp?«, welche von der Provinz sür die Sache
des Königs aufgestellt worden sind. Allein keine Macht
würde sie dazu dringen, für einen einzigen Mann darüber
hinaus Zahlung zu leisten. Woher soll unter solchen Um-
ständen der Sold für die Truppen kommen, welche aus ver-
schiedenen Provinzen rekrutirt sind? Da Niemand sich findet,
der für diese Mannschaften sorgt, so müssen sich dieselben
getrösten, ohne Sold zu marschiren oder zu kämpfen, und
wenn auch die Zeiten schlechter, unzufriedener Stimmung
sich noch so selten kundgeben, so scheut sich doch aus nahe-
liegenden Gründen der Befehlshaber, Anforderungen an
eine Truppe zu stellen, für deren Bedürfnisse nicht gesorgt
ist. Nicht viel von den Leuten haben sich aufsässig gezeigt,
Lärm gemacht und auf den Straßen nach ihrem Solde ge-
rufen, allein ein vereinzelter Ruf dieser Art ist schon ein
hinreichender Beweis für das stille Mißbehagen eines Regi-
ments." Solchen Zuständen im Lager der Carlisteu gegen-
über bilden die Mittheilungen aus Madrid ein würdiges
Seitenstück. Es bestätigt sich, daß Laserna und Morioncs
sich vollständig über die nächsten Schachzüge geeinigt hatten
und daß bestimmt der Tag festgestellt war, an welchem die
carlistischen Stellungen angegriffen werden sollten. Da fiel
auch hier die Geldfrage ins Gewicht. Die beiden Befehls-
haber wurden durch ein Telegramm aus Madrid in Kennt-
niß gesetzt, daß die zur Zahlung deS rückständigen Soldes
nothwendigen Mittel einstmalen nicht flüssig seien. Da
mußte denn der Angriff unterbleiben und Laserna ging
selbst nach Madrid, den Ministern den Standpunkt klar zu

machen über das Thema, daß der Soldat ohne Sold nicht
in vernünftiger Weise zum Fechten zu bringen sei."
Das Schicksal Jrun's ist noch unentschieden. Am
Donnerstag. 5. November, war das Feuer der Carlisten
gegen die Stadt ziemlich schwach ; ein wahrer Platzregen
ergoß sich den ganzen Tag. Im Ganzen wurden am Mitt-
woch und Donnerstag 940 Kanonenschüsse abgefeuert. Gegen
Abend wird das Feuer gewöhnlich schwächer; obgleich es
nie gänzlich eingestellt wird. In der Nacht vom Mittwoch
auf Donnerstag hat die carlistische Schanze bei S. Sesteban
31 Bomben über die Stadt geschüttet. Neun Häuser find
abgebrannt. Während der Nacht antwortet die Stadt mit
keinem Schüsse. Die Carlisten beabsichtigen, eine neue Bat-
terie bei Subelzaa, unweit der Redoute del Telegrafo, zu
errichten. Bei S. Helena haben sie großartige Erdarbeiten
gemacht, um eine Ausschiffung von Truppen bei Fuenterra-
bia zu verhindern, sind aber mit dieser Vorsichtsmaßregel
zu spät gekommen.
Am Freitag 6. ds. Abends schwieg das Feuer voll-
ständig. Die entstandenen Feuersbrünste wurden stets rasch
gelöscht. Donnerstag Nachmittag um vier Uhr war General
Loma in die Stadt gekommen, verließ dieselbe indeß rasch
wieder mit dem Versprechen Verstärkungen herbeiführen zu
wollen Dies geschah denn auch am folgenden Tage. Auch
am Sonnabend 7. ds., herrschte Ruhe in beiden Lagern,
die Geschütze blieben stumm. Die Carlisten erklären, sie
würden die Stadt sofort, nachdem Breschen in die Mauern
gelegt, init dem Bayonnet angreifen. Die Verluste au
Tobten und Verwundeten sind bisher auf beiden Seiten
sehr gering. Bis zum Donnerstag Vormittag wollen die
Carlisten nur 3 Todte und 15 Verwundete verloren haben.
Andere Berichte sagen, die Carlisteu würden die Belagerung
anfgeben.
Die wichtigste der heute vorliegenden Nachrichten ist,
daß Don Carlos den französischen Boden betreten hat und
in Baycmne von serranistischen Agenten überwacht wird.
Gleichzeitig meldet der Draht, der spanische Konsul in Bayonne
und der spanische Gesandte in Paris verlangen die Jnternirung
des Prätendenten. Die französische Regierung wird nicht
umhin können, diesem Verlangen zu entsprechen, und so wird,
nachdem Dorregaray in Nancy internirt ist, Don Carlo?
seiner Jnternirung entgegensieht und Don Alfonso schon vor-
her freiwillig nach Steysrmark zurückgekehrt ist, der karlistische
Aufstand seiner hauptsächlichsten Führer beraubt sein und
voraussichtlich bald erlöschen. ES ist dies zweifelsohne Folge
der dem Anstoße der deutschen Regierung entsprungenen diplo-
matischen Anerkennung der Regierung des Marschalls Serrano
durch Frankreich. Denn diese Anerkennung nöthigte die Re-
gierung des Marschalls Mac-Mahon, ihren internationalen
I Pflichten gegen Spanien nachzukommen und dem karlistische»

Treiben an der Grenze ein Ende zu machen. Hiedurch wurde
es den Land- und Eeestreitkräften Serrano'S möglich, ihrer-
seits den Karlisten zu Leibe zu gehen und da» Läger de»
Don Carlos wirksam zu isoliren. So ist dieser Ausgang
mittelbar ein Sieg der Politik deS Fürsten Bismarck. Daß
es den Republikanern gelang, Jrun zu entsetzen, melden eng-
lische Nachrichten. Diesem Entsatz soll nun ein gemeinsame»,
planmäßiges Vorgehen der republikanischen Generale Loma
(von Norden her) und Marione» (von Süden her) gegen
Pampelona folgen. Möglich, daß Don Carlos »orauSsah,
was kommen muß. und, unter Zurücklassung der getreuen
Basken, seine eigene werthc Person nach Frankreich in Sicher-
heit brachte. Möglich aber auch, daß er den in feinem eigenen
Lager sich erhebenden Schwierigkeiten gegenüber den Muth
verlor und die Flinte ins Korn warf. Nähere» über die
Umstände, welche den Prinzen zum Uebertritt auf französische»
Gebiet veranlaßten, bleibt abzuwarten. Erhängt nun Alle»
davon ab, ob Frankreich seine Pflicht voll und ganz erfüllt
und in dieser Hinsicht müssen die nächsten Tage Entscheiden-
des bringen.
Deutsches Reich.
Berlin, 9. Nov. (Reichstag.) Erste Lesung de»
ReichShaltes-EtatS für daS Jahr 1875: Der Präsident de»
Reichskanzleramts Delbrück leitet die Debatte mit einer über-
sichtlichen Darstellung der Finanzlage des Reiche» rin, be-
richtet über die Abzahlung der französischen Kriegsschuld,
welche sich ohne die geringste Differenz abgewickelt habe, fer-
ner über die Verwendung der KriegScontributionen. Die
ausgesetzten Summen seien nirgend» überschritten, die An-
theile der süddeutschen Regierungen vollständig ausbezahlt
worden. Wegen den Zahlungen an die übrigen Regierun-
gen werde später ein weiterer Bericht erfolgen. — Die im
Etat vorgesehenen Ersparnisse und muthmaßlicheu Mehrein-
nahmen bei den Zöllen, Steuern und Reichseisenbahnen
sicherten im Ganzen einen Einahmeüberschuß von 18,310,000
Thaler. Der Minister vergleicht den diesjährigen mit dem
nächstjährigen Etat und weist auf die in letzterem für all«
Zweige der Reichsverwaltung angesetzten Mehrausgaben hin
besonders für Errichtung einer technisch-juristischen Abhei-
lung im Reichskanzleramt, für di« Commission zur Vera-
thung eines CivilgesetzbucheS für Vermehrung der Konsu-
late, für den durch die Preiserhöhung der Naturalverpfle-
gung hervorgerufenen Mehrbedarf der Militärverwaltung
und für Neubildung der Geeartilleri«. Die Deckung dieser
Mehrausgaben werde durch erhöhte Mehreinnahmen oder
erhöhte Matrikularumlagen erfolgen. Die Erfordernisse für
die Marine und die Telegraphenverwaltung seien durch An-
leihen zu beschaffen, deren Höhe noch nicht feststehe, wofür
aber 400,000 Mark an Zinsen im Etat rinzustellen seien. —


Milleton.
Pie Uaöen.

/ (Fortsetzung.)
15.
Während dieser halben Stunde fieberhafter Angst, während
welcher die Jury sich zurückgezogen hat, wollen wir uns etwas
in dem Saale umsehen und die Haltung der verschiedenen
Persönlichkeiten betrachten.
Favernay ist der Held des Tages. Seine denkende
Miene, seine zurückgeworfenen Haare ziehen die Blicke auf
sich. Er geht die beredtesten Stücke seiner Rede wieder durch,
mit welcher er die Absicht hat, sie an einen seiner Freunde,
einen Redakteur, nach Paris zu schicken. Jetzt lorgnetirt er
nach einer Ecke der Aristokraten-Lribüne hin, wo Frau von
Prangy, eine Gutsbesitzerin aus der Nachbarschaft mit ihrer
Tochter Valentine sitzt. Valentine ist eine reiche Erbin und
Favernay sieht sich schon als General-Advokat in einer großen
Stadt, wo ihm das Geld seiner Frau zu den Genüssen
seiner Eitelkeit und zu seinem weiteren Emporkommen
dienen^soll.

Muthlos sitzt auf seiner Schmerzensbank Gabissol in
schweigsamer Verzweiflung; der Schiffbruch seiner Bercdtsam-
keit, die ungünstige Lage seines Clienten betrüben ihn. Er
fragt sich, wie er noch ferner die Blicke seiner Mitbürger
ertragen kann, in einer Stadt, deren Stolz er bisher ge-
wesen. Plötzlich, aus seiner Unbeweglichkeit herausgehend,
wendet er sich zu dem Angeklagten und ergreift seine
Hand.
„Armer Jakob," sagte er, „ich wollte Dich rettten, aber
Du bist verloren."
Jakob, der eine fixe Idee hatte, auf die er sein ganzes
Unglück schob, antwortete:
„Herr, es steckt der Teufel dahinter —"
„Der Teufel?"
„Ja; wenn Sie. der noch bester spricht als der Herr
Pfarrer, mit Ihrer Vertheidigungsrede nichts ausrichten können,
so ist es, weil der Dämon Sie bei der Gurgel gepackt hat,
derselbe Dämon, welcher unter meiner Commode Simons
Geldbeutel finden ließ, derselbe, welcher mich, den Unschul-
digen, schuldig erscheinen läßt; ja, ich bin unschuldig, ich
schwöre es!"
Bei jeder anderen Gelegenheit hätte Gabissol über
diesen naiven Aberglauben gelacht, aber heute fühlte er sich

sehr geneigt, an den Feind des menschlichen Geschlecht» zu
glauben.
In dem Augenblicke, als der Staatsanwalt seine Rede
beendete, hatte Esteräc zu Susannen im ernsten Tone
gesagt:
„Wenn Jakob verurtheilt wird, werde ich Ihnen nie-
mals verzeihen.
Susanne zitterte, sie machte sich bittere Vorwürfe.
Der Zeugenraum endete in einer finsteren Ecke de»
Saales. Als die Geschworenen sich zur Berathung zurück-
gezogen, begab sich Susanne in diesen Winkel, wo sie Alle»
sehen konnte, ohne gesehen zu werden.
Auf welchen Punkt heftete sie ihre Blick«? Aus die
Anklagebank? Auf Jakob? Auf die Tribünen? Rein, sie
concentrirte sich auf einen kleinen Raum, wo die Gestalten
von Cosserousse und Perondi in vollem Licht« erschein««.
Seit dem Anfang der Sitzung hatte sie diese bemerkt. E»
gab s-lbst einen Augenblick, wo ihre Augen sich begegneten;
sie wandten sich schleungst wieder ab, und Susanne, welche
fortfuhr, sie genau zu beobachten, schien e», als errege fie
das Mißtrauen der beiden. Sie nahm sich vor, in dem
höchsten Augenblicke sie anzuseh«n, wo da» Verdikt der Jury
über das Leben Jakobs entscheiden würde.
 
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