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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Oktober (No. 116 - 129)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0463

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Amtsverkündigungsölall für den Mezirk Schwetzingen.
Kadischr H o p se n) e i 1 u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«0 11«.

Donnerstag, 1. Oktober 1871.

Inserate van AirSWLrts nehmen sür uns auch entgegen di« Annoncen-Bureaux von Haasrnstei» L Kogler, Mudokf Most« und K. D. Jan»« L Ko., Süddeutsche Annancen-Krpeditio«
von K. StSLYardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie da» Zäger'sche Eentral-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

Die freie Kirche im freien Staat.
Die Cavour'sche Formel für das Verhältmß von Kirche
und Staat leidet dermalen eben so viele ungerechtfertigte
Anfechtungen, als sie ehemals Lobpreisungen erfuhr. Es
gibt in der Welt keinen allgemeinen Satz, der nicht der Miß-
deutung fähig wäre und eben so wenig einen Rechtssatz, der
nicht dein Mißbrauche im Leben preisgegeben wäre. Dessen
ungeachtet sind für normale Verhältnisse und für gut erzogene.
Staatsbürger allgemeine Wahrheiten und Rechtssätze an sich'
unbestreitbar. "
Was ist und willder freie Staat? Er ist und will
ein Doppeltes, er will selbst frei in seiner Handlung sein
und will im Uebrigen seine Angehörigen in ihrem Lebens-
kreise möglich frei lassen; er will also auch die im Staat
extstirende Kirche oder Kirchen, die religiösen Gemeinschaften
aller Art, in ihrem Walten und Wirken ungehindert ihren
Weg gehen lassen, er will mit andern Worten die freie
Kirche im Gegensatz einer erzwungenen Kirchlichkeit, im freien
Staate. Er will sie aber nur im Staate, nicht neben und
noch weniger über dem Staat. Er wäre selbstverständlich
nicht mehr frei, wenn die Kirche über ihm stünde, aber er
wäre eS auch nicht, wenn sie als Macht neben ihm sich auf-
pflanzte.
Kein Staat ist absolut frei, nicht einmal die orientali-
schen Despotien sind es. Die mittelalterlichen Staaten waren
nur in sehr geringem Maße frei ; sie hatten ja eine Reihe
staatlicher Rechte, die wir heute für unentbehrliche Theile der
Staatsgewalt anseheu, in Privathände und an Korporationen
abgegeben, und der vornehmste mittelalterliche Staat, das
römische Kaiserreich deutscher Nation, ist vor den Augen
unserer Väter und Großväter untergegangen, weil das deutsche
Reich alle Freiheit der eigenen Handlung nach und nach an
seine Glieder verloren hatte. Diese Glieder, die Reichsstände,
Fürste», Grafen, Herren, Bischöfe, Aebte und Städte, nannten
ihrerseits ihre Privilegien und Vorrechte, durch die sie das
deutsche Reich ruinirte», die Freiheit deutscher Nation; sie
schrieen, sobald das deutsche Reich oder sein Kaiser irgend
etwas auch noch so sehr im Allgemeinen Interesse Gelegenes
durchsetzen wollte, über Verletzung dieser Freiheiten und wehrten
sich mit Händen und Füßen gegen die „Omnipotenz der
kaiserlichen Majestät," obgleich diese Omnipotenz das erbärm-
lichste Ding von der Welt war, kaum äußerlich noch den
Schein eines Staates aufrecht hielt, und endlich jammervoll
zusammenbrach. Gäbe es nicht tausend andere gleich schla-
gende Beispiele, so würde schon dies einzige, die Geschichte
de» deutschen Reichs und sein Untergang, sonnenklar beweisen,
daß es Freiheiten im Staat gibt, durch, die der Staat selbst
zu Grunde gerichtet wird, weil er dabei selbst unfrei, unfähig
zur That und endlich unfähig zur Existenz wird. Diese, Frei-
heiten, mißbräuchlich ausgebeutet, stellen sich anfangs neben
den Staat, und erheben sich darauf über den Staat, wenn

nicht rechtzeitig eine starke Hand sie wieder dahin zurückzwingt,
wo sie ein berechtigtes Dasein haben.
Ob diese Freiheiten politische sind, wie im deutschen
Reich, ob sie religiöse, ob ste sociale Erscheinungen zur Grund-
lage haben, ist dabei ganz einerlei — sobald sie sich sü weit
erheben, daß sie den freien Staat selbst gefährden und unter-
jochen. gelangen sie auch zu seiner Vernichtung. In der West
ist z. B. kein Staat, dessen Angehörige unter, das Joch einer
Glaubenseinheit gebannt sind, der frei sein kiMte, wenn
eine von ihm ganz unabhängige Kirche souverain und tyran-
nisch über die religiösen Interessen verfügt. Ein solcher
Staat darf unp kan» nichts, thun, was de» wirklichen oder
vermeintlichen Interessen der Kirche mißfällig erscheint, seine
innere und äußere Politik ist kontrollirt, gemaßregelt. ent-
mündigt durch die Gebote der Pricsterschaft. denn sie bat die
Mittel in der Hand, durch Einwirkung auf die Gesammt-
Masse der Staatsangehörigen einen unbesieglichen passiven
und nöthigenfalls aktiven Widerstand zu organifiren.
Die freie Kirche im freien Staat kann daher nie zu-
geben, daß die Kirche im Staat eine solche Stellung ein-
nehmen dürfe, wodurch sie die Lösung der Aufgaben des
Staats nach ihren kirchlichen Interessen beeinflußt, denn dann
ist der freie Staat verschwunden, sondern nur die. daß sie
unbeschadet der staatlichen Aufgaben, im Frieden mit dem
Staat, ohne Anmaßung, ohne Händelsucht, und in einem,
andre religiöse Bekenntnisse und deren Rechte nicht verletzen-
den Geiste , die religiösen Bedürfnisse der ihr zugethanen
Staatsangehörigen befriedigt. Wenn im ersten Reichstag die
ultramontane Partei eine Intervention zu Gunsten des Papsts
und seiner weltlichen Herrschaft begehrte, so war dieses Be-
gehren ein Mißbrauch der Freiheit, welche die katholische Kirche
genoß. Sie konnte beten, Geld beisteuern, nach Rom wall-
fahren, aber keine folgenreiche Richtung deutscher Politik im
einseitigen kirchlichen Interesse beanspruchen. Wenn der Ultra-
montaniSmuS heute für Rom und seine Befehle sklavischen
Gehorsam für Deutschlands Gesetze Hohn und Ungehorsam
zeigt, so beweist er, daß die Kirche allzufre! ist, d. h. daß
sie die Freiheit, die sie besitzt, mißbraucht, heu Staat schädigt,
ein einträchtiges Zusammenleben der verschiedenen Bekennt-
nisse unmöglich macht, oder daß sie im unsren n Staate allein
frei, allein souverän. sein will. In Deutschland, dessen
größere Bewohnerzahl nicht einmal katholisch ist. ist eine
Kirche von rein römischem, jesuitischen Geist nicht möglich;
die deutsche katholische Kirche muß sich hier den Verhältnissen
fügen; sie darf nicht inquisitorisch sein gegen das, was sie
Ketzer nennt, sie muß ihre Bekehrungssucht auf die friedliche
Erweckung ihr günstiger Ueberzeugnngen beschränken und ihr
Gehorsam gegen Rom muß zum Maße vor Allem die Pflicht
gegen das deutsche Vaterland haben. Diese Pflicht kann die
ultramontane Kirche nicht erfüllen, die katholische kann es
thun u»d hat eS seiner Zeit gethan; diese ersten Kirche ist '

daher auch der Freiheit weder fähig und noch würdig, denn
sie verwaltet das Kapital der Freiheit nicht wie rin guter
Haushälter, sondern wie ein habgieriger und doch zugleich
verschwenderischer Wucherer. Frei sein kann aber nur der,
der auch Andere frei sein läßt; die freie Kirche kann nur
geduldet werden und bestehen, wenn sie es unterläßt, den
freien Staat anzutast n und seine Beraubung zu versuchen.
(Mannh. V.)
Deutsches Reich.
Tein« Königliche Hoheit der Troßherzog haben Sich unter dem
19. September d. I. allergnSdigst bewögen gefunden, dem AmtSdiener
Karl Bürkle in WieSloch die silberne Verdienstmedaille zu verleihen.
Karlsruhe, 29. Skpt. Seine König!. Hoheit der Großherzog
haben unterm 25. September d. I. gnädigst geruht, dem Bibliothekar
Dr. Steup an der Un versttät Frciburg den Titel als Oberbiblio'thekar,
dem Privatdozenten Dr. Mo; Nöiher, sowie dem PrivatdozenKN Dr.
Otto Walz an der Universität Heidelberg, den Charakter als außer-
ordentlicher Professor, envlich dem Vorstand der Gewerbeschule in
Pforzheim, Hauptlehrer Philipp Huber, den Titel als Rektor zu
verliehen.
Seine König!. Hoheit der Großherzog haben unterm 25 d. MlS.
gnädigst geruht, den KreiSgerichtt-Rath JnnocenS S ch M itt zu Mann-
heim zu dem Kreis- und Hofgcricht Konstanz zu versetzen; den KreiS-
gerichts- kiath Eligius Geppert zu Konstanz zum Mitgliedc des Appel-
lationSsenales dieses Gerichtshofes, den OberamtSriqter Josef Nau zu
Emmendingen zum Krei»gericht»-Rath bei dem Kreis- und Hofgericht
Mannheim zu ernennen.
Seine KKnigl. Hoheit der Großherzog haben unterm 23. l.
Mts. gnädigst gcruht, den Registratur-Assistenten Friedrich Dahlinger
bei der Gencralüirektion der Staats-Eisenbahnen zum Registrator bei
der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues zu ernennen.
* Schwetzingen, 30. Sept. Nochmals Hiß-Bissing
und „Bad. Beob.„. Die vorgestrige Nummer dieses Blattes
brachte wieder zwei interessante Aktenstücke: 1) eine Erklä-
rung der Abgg Förderer, Hug, Lender, Marbe und Reichert
welche als Verwaltungsrath der „Ba Kenia,, ihren Ge-
sinnungsgenossen mittheilen, von morgen an trete Herr Dr.
Vissing von der Leitung des Blattes zurück und übernehme
dieselbe provisorisch Herr Hiß. Sie danken Herz Dr. Bi-
ssing für die um die badische VolkSparchi erworbenen Ver-
dienste und bitten die Gesinnungsgenossen um. die bisherige
Theilnahinc der Partei; 2) Dr. Bisfing erklärt, er lege mit
dem heutigen die Redaktion des „Bad. Beob." nieder und
trete aus der katholischen Volkspartei aus. Der letztere Schritt
ist jedenfalls der wichtigste, den» er brachte dez, erste» mit
sich und läßt auf einen tiefgehenden Conflikt unter den
Rädelsführer der ultramontanen Partei schließen und wird
das weitere Verhallen des Herrn Vissing Aufschluß hierüber
geben. Jedenfalls beweisen diese beiden Erklärungen, daß
sich die Patrone der „Badenin" gedruckt habe» vor den
Heidelberger Ultras, Dr. Bissing aber nicht, was ihm sicher
zur Ehre gereicht.
* Schwetzingen, 29: Sept Da ein neues Quar-
tal bevorstcht; erlassen die Blätter aller Farben und

Der Armenarzt.
Fortsetzung.
Er war das Ebenbild seines Vaters, der dem Fernando
auf dem Bilde glich, und deshalb hätte sie das Bild so lieb,
weil es ihr stets den Jugendgeliebten vor Augen führte.
Die Eröffnung die Herrn Wagenberg machte, blieb nicht
ohne Eindruck auf die Anwesenden. Seltsamer Weise schien
die alte Frau ruhig, dann sagte sie: „Du hast nicht recht
an anderen gehandelt, Gustav, ich verzeihe Dir ! Die Schritte,
welche wir nach dem Grabe zuwanken, wollen wir vereint
gehen." Dann aber wandte sie sich zu AlphonS. Ihre Augen
nähmen einen leuchtenden Glanz an. „Ja." rief sie, „Du
W sein Sohn, Du gleichst ihm ganz, und so hatte ich ihn
lieb, mein Kind, mein Svhn!* —
Alphons trat herzu und beugte sich über die Alte, welche
beide Arme um seinen Nacken schlang, und ihm Stirn und
Wange küßte. „Mein Sohn, -mein lieber Sohn," und ließ
nicht von ihm, und er, der junge, schöne Mann, fühlte in
diesem Augenblick di« Allgewalt der Liebe, denn was hätte

ihn wohl sonst vermocht, so-kindlich zur alte» schwachen Frau
sich zu neigen, und dieselben Empfindungen in seine»« Innern ^
zu fühlen, welche als.Liebe zwischen Eltern und Kinder,, als
das höchste und heiligste das Menschenlehen verklärt.
Eigennutz und Härte des Herzens hatten vor Jahren
Menschen, die sich liebten, getrennt, Bruder und Schwester
fern gehalten, Zwietracht und Haß zwischen sie gesäet.
Herzen, die sich rein liebten, von einander entfernt, und jetzt
war Alles verschwunden. Die Liebe war wieder gekommen,
und Verzeihung bekränzte die Schwelle, über-die sie wieder
eingrzoge» war.
Dr. Fcldmann warder Erste, der die Lage übersah und
Anordnungen traf, daß auch in äußerer Beziehung eine
Aenderung eintreten konnte. Er inachte den Vorschlag, daß
die alte Frau ihre bis jetzt innegehabte Wohnung verlassen,
uitd zwar, wie sich dies von selbst verstand, von jetzt an bei
ihrem Bruder wohnen sollte. Seinem Wünsche wurde un»
so schneller Folge geleistet, als er nur die Absicht der Be-
thMgtcn aussprach, u»d schon nach kurzer Zeit wurde Alles
besorgt, was zur Uebersiedclung nothwendig war.
Frau Eberhard sah, wie Frau Hellberg- dM Elte Haus
verließ. „Wer es doch auch so haben könnte," sagte sic zu
ihrem Mann«.

„Sei still," antwortete dieser. „Du warst nicht zufrieden
mit dem LooS, welches Du hattest, laß' eS genug sein. ES
haben Deine Wünsche, und die Reden vvnsKurz unser Kind
zum Opfer gefordert, sei still, ich will nichts mehr davon
hören.'
Die Frau wagte nicht zu antworten, sie fühlte daß ihr
Mann Recht hatte. Sir wagte um so weniger zu wieder-
sprechen, als sie Niemande» hatte, der sie in ihren Wünschen
und Ansichten bestärkte, denn Kurz, der Wohl gemerkt hatte,
daß Eberhard! ihm grollte, hatte eS vorgezogen, das Weite
zu suchen. Er war plötzlich verschwunden, wahrscheinlich,
um daS Feld seiner Thätigkeit an einem andern Orte zu
eröffnen.
Es bleibt nur »och wenig zu sagen übrig, Binder
und Schwester halten das alt« Leid vergessen, uizd suchten
sich die letzten Tage ihres Lebens gegenseitig zu verschönern,
und das Mittel hierzu bot sich von selbst in dem Immen»
schein der ihnen erwuchs , aus der Liebe Alphon's und Eva's.
In dem Glücke dieser Bechen fand, die alte Frau ihre eigene
BergangSiheit wieder, sie sah sich selbst wje in einem ver-
jüngten A-bhildc >» ihrer-Tochter, uyd ste fand iu soMynchen
Zügen an Älphon's den wieder, den sie einst so innig liebte.
(Schluß folgt,)
 
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