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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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September (No. 103 - 115)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0459

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wöchentlich drei Mal
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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Mwkhiiigkl Wo<htiibl»l>
Amtsverkündigungsbl'att für den Aezirk Schwetzingen.

Viertrlj. Abonnement:
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^Unterhaltungrblatt 12 kr.
Inserate
die viergespaltene
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Earmondzeile 5 kr.

Badische Hopsen Leitung.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ro. 115.

Dienstag, 29. September 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserat« von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Fogker, Nudots Masse und K.Jauöe L Ho., Süddeutsche Annoncen-Hrpedition
von K. Stöckhardl in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, L ipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Jäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.

X Wir gehen absolut nicht nach
Canossa!
Einem Wiener Blatt wird von gewisser Seite eine Spür-
nafse zugesprochen, die alle diplomatischen und höfischen
Geheimnissen zu riechen und zu schmecken im Stande ist.
So brachte dieses „Wunderblatt" zur Abwechslung wieder
Anfangs dieser Woche, eine Nachricht, welche dasselbe auf
nicht mehr gewöhnlicher, aber von vertrauenerweckender Seite
in Erfahrung gebracht haben will. In dieser Mittheilung
werden der deutschen Rcichsregierung Canossa-Gelüste zuge-
muthet, und lüßt also gleich im Anfang bemessen, was von
dieser mysteriösen Mittheilung zu halten ist.
Nach diesem Blatte nämlich ließ Kaiser Wilhelm vor
mehreren Monaten im Vatikan anfragen, ob er im Falle
eines Besuches in Rom auf eine freundliche Aufnahme rechnen
könne, wenn er, wie er wünsche, dem Papste einen Besuch
abstatten würde. Die Antwort habe dahin gelautet, daß der
Papst mit großer Freude den Kaiser empfangen werde, ob-
wohl er bedauere, daß seine Lage ihm es nicht gestatte, den
Kaiser mit dem desselben würdigen Glanze zu empfangen,
wie einst sein Vorgänger den Kaiser Nikolaus ausgenommen
habe. Zugleich sei in der päpstlichen Antwort eine Empfeh-
lung der polnischen Katholiken an den Schutz des Kaisers
enthalten gewesen. Diese Dichtung ohne Wahrheit bedarf
wohl keiner Kritik. Nach der Erklärung, die Kaiser und
Papst vor einem Jahre über die gegenseitige Auffassung ihrer
Rechte und Pflichten vor ganz Europa ausgetauscht haben,
steht es außer Zweifel, daß wenn die für Heuer aufgegebene
Reise des Reichsoberhauptes nach Italien jemals durchgeführt
wird, sie an dem Vatikan vorbeiführen muß. Nur wenn
die Curie sich entschlösse, dem Kaiser zu geben, was des
Kaisers ist, ein Fall, den weder die Ultramontanen noch wir
für denkbar halten, könnte eine derartige persönliche Begegnung
möglicherweise stattfinden.
Die Gefühle, welche die Curie und ihre Dienstmänner
gegen Kaiser und Reich hegen, spiegeln sich ganz unverfälscht
in einem spaltenlangen Artikel der ultramontanen „Germania",
welchen dieses Blatt kürzlich als Entgegnung der „Kreuz-Ztg."
über sogenannte alberne Prophezcihungen deS alten Le min,
der aber zufälliger Weise nie existirt haben soll, gebracht hat.
In dieser Prophezeihung, welche ähnlich wie diejenigen deS
alten Schäfers Thomas von Mord, Krieg. Pest, Hunger
und Durst haarsträubende Geschichtchen zu erzählen wissen,
stehen auch der Untergang der Hohenzollern. die abermalige
Zersetzung unseres neuerstandenen deutschen Reiches und andere
Liebenswürdigkeiten, welche von gewisser Seite so sehnlichst
herbeigewünscht werden.
Die Phantastereien eines verschollenen Mönches. Lehnin
genannt, werden nochmals benützt, um einen mystischen Fusel
zu brauen, wodurch der Sinn des Einfältigen benebelt und

in der Auflehnung gegen die Obrigkeit bestärkt werden soll.
Es soll hiedurch zugleich der ultramontane Vehmspruch gegen
eine ihnen verhaßte Dynastie in einer leicht verständlichen
Zeichensprache ausgedruckt werden, welche sich der gesetzlichen
Ahndung entzieht. Wir können diesen Schlangenkünsten dieser
Zauberer ohne Besorgniß zusehen. Es ist ein Wahrwort,
und wir wiederholen es noch oft, „daß der unter Kaiser
Wilhelms Führung erstrittene Sieg die Sehnsucht Aller be-
friedigt hat; die Sehnsucht nach einem wieder geeinigten
Deutschland." Ja. das schöne Wort Körners ist für uns
in Erfüllung gegangen, daß wir nun „dastehen als das alte
Volk des Siegs." Und wenn die „Germania" anscheinend
nur gewissen konfessionellen Parteien, thatsächlich aber der
ganzen Nation und dem von ihr neugegründeten Gemein-
wesen ihr Lstsrrmi vousso zuruft: „Entweder katholisch oder
nichts," so klingt in jedem deutschen Herzen die markige Ant-
wort des Gründers unserer Einheit wieder: „Wir gehen nicht
nach Canossa," und wir fügen noch bei: absolut nicht!
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 24. Sept. Der Staatsanzeiger vom 23. d. Nr.
43 enthä t (außer Perwnalnachrichten): 1. Verfügungen und Bekannt-
machungen der Staatsbehörden. 1) Bekanntmachuugen des Ministe-
riums des Großh. Hauses, der Justiz und des Auswärtigen; die am
16. Novbr. beginnende Prüfung der Rechtskand daten b treffend. 2)
Des Ministeriums des Innern: u. die Vergebung ein s Freiplatzes in
dem weiblichen Lehr- und ErziehungSinstitut zu Ofsenburg betreffend ;
b. den Zustand der General-Wittwen-Kasse im Jahre 1873 betreffend;
c. die Wahl eines Dekans sür die Diözese Eppingen betregcnd; ä
die von der höchstseliqen Frau Markgräfin Maria Victoria gestifteten
Juristenstipendien betreffend ; ö. die Wahl deS Dekans für die Diözese
Schopfheim betreffend. 3) D-S Handelsministeriums; den Eisenbahn-
Bau betreffend. Die Errichtung einer Eisenbahnban-Jnspektion in
Heidelberg und einer solchen in Mosbach wird zur öffentlichen Kennt-
niß gebracht. II. Diensterledigungen. Die erst« Lehr- und Borstands-
stelle am Pädagogium und Realgymnasium in Pforzheim. — Die
Vorstandrstelle an der neu zu errichtenden Taubstummen-Anstalt in
Berlachsheim.
* Schwetzingen, 26. Sept. Herr Dr. Bissing
erklärt im „Beobachter", daß der Mitredakteur Herr Hiß
ihm nicht den geringsten Anlaß zu seinem Rücktritt gegeben,
im Gegentheil ihn zu Dank verpflichtet habe, weil er durch
alleinige Besorgung der Redaktion Herrn Bifflng eine vier-
wöchentliche Erholung ermöglichte. — Wir wissen nicht, wo
die Behauptung aufgestellt worden wäre, auf welche der erste
Theil der Erklärung Bezug nimmt. Die Sache sah aller-
dings von Weitem so aus, als sei Herr Hiß in die Redak-
tion berufen worden, um Herrn Vissings Staatsfreundlich-
keit zu paralyflren. Damit jedoch keineswegs bestritten, daß
die beiden Herren sich gegenseitig das Leben so angenehm
als möglich machen konnten. Hat Herr Bissing noch nie
an die Möglichkeit gedacht, daß Herr H i ß sogar recht froh
darüber gewesen sein könnte, als sein Vorgesetzter Kollege
die Friedenspfeife auf vier Wochen in's Bad mitnahm?

* Schwetzingen, 27. Sept. Der Mitredakteur des
„Bad. Beo b.", der berühmte Kaplan H i ß, bringt in
genanntem Blatte folgende feine Erklärung die einen Vor-
geschmack der zur künftigen Haltung deS „Bad. Beobachters"
zu geben geeignet ist: Karlsruhe, 23. Sept. Ver-
schiedenen Blättern beliebt es, an mir als früherem „Ka p-
l a n" herumzurupfen. Mögen sie thun, waS sie nicht lassen
können. Wenn aber v e r st ickt e Studente n, auSge-
sprungene Theologen, frühere Schuster und Refe-
rendäre Redakteure oder Mitarbeiter von Journalen sein
können, so wird doch wahrlich auch ein Kaplan, der auf
dem Gymnasium seine humanistischen und auf der Univer-
sität seine theologischen und philosophisch-historischen Studien
(er war so frei, auch in letztem sich prüfen zu lassen)
in aller Ordnung absolvirt hat, nicht unbescheiden und an-
maßend erscheinen, wenn er an einem Blatte arbeitet. Es
fällt mir nicht im Traume ein, in dem vergangenen Leben
irgend eines Menschen herumzuwühlen; mich aber möge man
in dieser Hinsicht auch in Ruhe lassen, wenn nicht stärkere
Kost aufgetragen werden soll. „Fr. Hiß Redakteur." Den
Liberalen ist es natürlich ganz egal, ob Herr Kaplan Hiß
redigirt oder Steine klopft, oder etwas Anderes thut, waS
er seinen Fähigkeiten entsprechend erachtet. Es amüfirt sie
blos, daß die ultramontane Partei mit einem Laien-Redak-
teur von dem Charakter Vissings nicht auSkommen konnte
und neben ihm bezw. statt seiner einen K ap la n haben mußte.
Schwetzingen, 28. Sept. Das erste badische
i Kriegerfest, welches gestern in Karlsruhe gefeiert
! wurde, begegnete allerlei Anfechtungen. Besonders hält sich
! der demokratische Mannheimer Anzeiger, welcher auf da?
! Fest, wie überhaupt die Kriegervereine nicht gut zu sprechen
ist. über die Vergünstigung auf, welche den Besuchern deS
Festes von der Generaldirektion der badischen Staatseisen-
bahnen gewährt wird. Sie bemerkt: „Wir haben selbst-
redend hiergegen nichts einzuwenden. Bemerkt muß jedoch
werden, daß die badische Eisenbahnverwaltung anderen Ver-
anlassungen gegenüber sich stets sehr spröde zeigt." DieS
ist im Allgemeinen nicht unrichtig; aber unseres Erachtens
hat doch gerade ein Journalist keine Ursache, über die Jlli-
beralität der Bahnverwaltung zu klagen, die sich gegenüber
dem letzten Journalistentage in Baden durch die Fahrten
nach Straßburg und auf der Schwarzwaldbahn gewiß libe-
ral genug bewies. (Die bei dieser Gelegenheit benutzten
Extrazüge stellte die Bahnverwaltung den Journalisten ko-
stenfrei zur Verfügung!) Man muß nicht vergessen,
daß ohne die in Rede stehende Preisermäßigung auf der
Eisenbahn vielleicht die Mehrzahl der Mitglieder von nament-
lich entfernteren Kriegervereinen nicht zum Feste gekommen
wären.
— Auf der Mainau ist zum Besuch am großherzog-
lichen Hoflager Fürst Carl von Rumänien eingetroffen

Feuilleton.

Der Armenarzt.
Fortsetzung.
„Fassen Eie Muth, und halten Sie sich stark, und thun
Eie nachdem, was das Herz Ihnen sagt, vergessen Sie Groll
und Hader, denn das Höchste, was den Menschen gegeben
worden, ist die Gnade des VerzcihenS, sie allein erschließt
ein neues Leben, in ihr liegt das Heil und die Hoffnung
der Menschheit."
Feldmann gab Eva einen Wink, und bat sie, sobald
als möglich Alphons und den alten Herrn herzusühren.
ES verging eine geraume Weile, bis Eva wieder kam,
und meldete, daß die Gesuchten in der Nähe seien.
„Nun denn," sagte Jeldmann, „ich hoffe von diesem
Augenblick das Beste, es ist ein heroisches Mittel, aber eS
muß sein. Die Seelenqual muß ein Ende nehmen, Friede
im Herzen, ist hier die einzige Arznei, die helfen kann, und
die zum Guten führen wird."
Er wendete sich an die alte Frau, und sagte: „Der
Augenblick ist gekommen, haben Sie Kraft und Muth?"

Die Alte warf einen Blick auf das Bild. „Ja," sagte
sie dann.
Feldmann öffnete die Thür, und herein trat AlphonS,
auf den sich der alte Wagenberg stützte. Einen Augenblick
sahen sich Bruder und Schwester unverwandt an, es war,
als wenn der Gram und das Leid, welches die Jahre gebracht
hatten, sich zwischen sie stellte, wie eine unsichtbare Wand,
wie eine Schranke, welche sie hinderte, sich einander zu nähern.
Dann aber rief der Alte: „Helene, Helene! kannst D mir
verzeihen?"
Die bleiche Frau streckte die Hände auS, Alphons ge-
leitete den alten Herrn an das Bett der Kranken. Er sank
nieder und bedeckt«' ihre Hand mit Küssen und Thränen.
„Hast Du mich noch lieb?" fragte er, „kannst Du ver-
zeihen, wirklich vergessen, was ich Dir gethan? Du weißt
noch nicht Alles, was geschehen, ich will es Dir gestehen,
Alles, wirst Du wir dann och verzeihen können?"
Und er erzählte ihr, wie damalS, als er um Hülse ersucht
wurde von dem Gatten seiner Schwester, ihm von Amerika
eine bedeutende Summe übermittelt worden war, welche er
seiner Schwester geben sollte. Der einstige Geliebte HelenenS,
wie wir die alte Frau bei ihrem Taufnamen nennen wollen,
hatte Glück gehabt, er war in kurzer Zeit ein reicher Mann

geworden, Gatte und Vater eines Sohnes, und nun. da er
sich der alten Zeit erinnerte, der Tyrann, welcher seine Ge-
liebte ausgesetzt worden war, wollte er ihr eine selbstständige
und unabhändige Stellung schaffen und zwar dadurch, daß
er ihr einen bedeutenden Theil seiner Vermögens zur Ver-
fügung stellte. In einem Briefe hatte er den Bruder dringend
ersucht, die bedeutende Summe seiner Schwester zuzustellen;
allein dieser hatte die Summe unterschlagen, und zur Ver-
größerung seines eigenen Geschäftes benutzt, da ihm während
der Krisis manche Verluste getroffen hatten. Als er nun
wieder geschrieben hatte, daß seine Schwlster gestorben sei,
erhielt er zur Antwort, er möge das Geld in seinem eigenen
Geschäft verwenden, es sicher in demselben anlegen, damit
es später einem jungen Mann zu Gute kommen werde, der
in Europa seine Ausbildung vollenden sollte. Es war dies
sein Sohn, den wir kennen, Alphons. Als Alphons eintraf,
mußte Wagenberg sogleich die überraschende Ähnlichkeit mit
dem Manne erkennen, den er einst schmählich hintergangen,
und so war Alphons ihm immer eine mahnende Erinnerung
an die Vergangenheit. Dieselbe Ähnlichkeit war eS, welche
die alte Frau so überraschte, als sie Alphons sah.
(Fortsetzung folgt.)
 
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