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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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August (No. 90 - 102)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0395

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Dienstag, Donnerstag
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Amtsverkündigungsbkatt für den Aezirk Schwetzingen.
adischc Hopscnzeitung.
Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

M. SS.

Samstag, 22. August 1874.

VIII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für. uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Saasenstein L Zstogkcr, Zluboks Waffe, und H. SauSe L Ko., Süddeutsche Knuoncen-Krpedition
von K. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie das Aäger'sche Central-Bureaux für Inserate in Frankfurt a./M.


für den Monat
September
auf das „Schwetzinger Wochenblatt und die
Bad. Hopfenze itung" nehmen alle Postanstalten,
sowie unsere Boten und Zeitungsträger entgegen.
Neuhinzutretende Abonnenten erhalten die bis
Ende August erscheinenden Nummern g ratis.
,-77!--7---—-------^-7,
* Frontwechsel der Ultramontanen.
Dank der allgemeinen und öffentlichen Diskussion be-
sonders in der Presse haben die Gegner der Kirchengesetze
nun ihre Stellung verändert. Die ursprüngliche, gegen den
Inhalt der neuen Kirchengesetze gerichtete Opposition ist bei-
nahe gänzlich aufgegeben ; die Stellung auf diesem Terrain
hat sich als Unhaltbar erwiesen, nachdem zu unwiderleglich
von allen Seiten die Zeugnisse zusammenströmten, daß die
katholiche Kirche unter gleich strengen, zum Thcil noch strengeren
Gesetzen in nichtdeutschen Landen lebt und wirkt, ohne da-
selbst im geringsten über Beeinträchtigung ihrer Lehre und
ihres Kultus sich zu beschweren. Im vorigen Jahre noch
wurde allgemein von ultramontaner Seite behauptet, die
deutschen Regierungen „verfolgten die katholische Religion";
die Christenhetzen unter Nero und Diocletian seien nicht grau-
samer gewesen, als die Maßregeln gegen die Priester in
Preußen. Herr Windthorst entwarf bekanntlich im Landtage
ein ergreifendes Bild, wie seine Glaubensgenoffen nächstens
genöthigt sein würden, in Wäldern und Einöden bei Nacht
und Nebel die Messe zu hören und die Sakramente sich spenden
zu lassen. Von alle dem ist jetzt keine Rede mehr, wenigstens
Nicht in den Kreisen und in den. Schriften, welche unter der
Kontrole der gebildeten Kreise stehen. Die Frage, warum
denn dir Katholiken in anderen Ländern, wo ganz ähnliche
Gesetze gelten, nicht schon längst in die Wälder geflüchtet find,
weßhalb die katholischen Geistlichen gerade in Deutschland und
nicht auch in jenen anderen Ländern es mit ihrem Gewissen
unvereinbar finden, sich der obrigkeitlichen Ordnung zu fügen?
— diese Frage ist doch zu unbequem geworden, um eine
Fortsetzung solcher Taktik auf die Dauer rathsain erscheinen
zü lassen. In den Dorfschenken harmloser Bauern und in
den Salons gewisser unwissender Damen kann man mit der-
artigen Märchen noch immer Wirkungen erzielen; in den
Versammlungen der Reichstage, in den für das große Pub-
likum geschriebenen Aktenstücken, in den Journalen, welche
sich an gebildete Leser wenden, sind sie unbrauchbar geworden.
Man hat widerstrebend, aber sich der Nothwendigkeit fügend,
endlich den wahren Grund deS Konfliktes eingeräumt. Mau
gesteht jetzt ein, daß es keineswegs der Inhalt der Kirchen-
gesetze ist, was bei den Geistlichen Anstoß errege; chaß sie viel-
mehr sehr bereit sein würden, diesen Gesetzen sich zu unter-

werfen, wie sie ähnlichen Gesetzen in anderen Ländern sich
unterworfen hätten, daß man aber erst in Rom seine Zu-
stimmung zu jenen Gesetzen ertheilen müsse, weil der Staat,
dieselben einseitig zu erlaffen, nicht berechtigt sei.
Das ist freilich für uns nichts Neues. Vom Beginn
des Konfliktes an hat man auf unserer Seite erkannt, hundert-
mal ausgesprochen, daß die Sache um diesen einen Punkt sich
drehe, daß wir morgen Frieden haben könnten, wenn dieser
Reichskanzler sich nur Herbeilaffen wollte, in Rom um die
Erlaubniß zu bitten, die Kirchengesetze auszuführen. Was
eben noch Neronische Verruchtheit war, würde dann mit
einem Schlage gute Ordnung heißen. Wie gesagt, für uns
hat dies längst festgestanden. Aber es ist ein Fortschritt, daß
nunmehr auch die Gegner dahin gedrängt worden sind, den
rein politischen Charakter des Konfliktes anzucrkennen. Die
Auseinandersetzung wird dadurch vereinfacht, denn Jedermann
weiß, daß man nichts gegen die katholische Religion und
Kirche anhaden will, daß es sich nur darum handelt, gewissen
Anmaßungen und hirarchischen Uebergriffen gesetzliche Dämme
zu setzen. Die Frage ist jetzt einzig und allein noch die:
Ist kein Gesetz für uns verbindlich, wenn der Papst eS nicht
sanktionirt?
Diese Frage beantworten jetzt die Ultramontanen dreist
mit Ja. Allerdings machen sie scheinbar eine Einschränkung:
nur wenn ein Gesetz die Interessen ihrer Kirche berührt,
bedarf es der päpstlichen Genehmigung. Ob aber ein Gesetz
die Interessen ihrer Kirche berührt oder nicht, darüber hat
allein der Papst zu entscheiden. Also in Wahrheit nehmen
sie für den römischen Hof die Oberherrlichkeit über alle
Königreiche der Welt in Anpruch, und Deutschland hat die
Ehre, zur praktischen Durchführung dieses Anspruchs aüser-
^
Die Ultramontanen sind zu klug, um sich so deutlicher
Ausdrücke zu bedienen, wie wir sie anwenden. Gewisse Um-
schreibungen Hallen sie doch für nothwendig, ünr ihr eigent-
liches Ziel zu verhüllen, nachdem es gänzlich zu verbergen,
ihnen nicht hat glücken wollen Sie sagen also: die römische
Kirche ist eine vom Staate unabhängige Macht: folglich kann
der Staat ihr keine Gesetze geben, sondern er muß, wenn er
von ihr ein bestimmtes Verfahren wünscht, Verträge mit ihr
schließen, genau so wie er mit Rußland oder Frankreich Ver-
träge schließen muß. wenn er von diesen fremden Mächten
begehrt, daß sie etwas thun oder lassen sollen. Der Trug-
schluß liegt darin, daß der Staat gar nicht die Absicht hat,
der katholischen Kirche Gesetze zu geben, sondern daß er Ge-
setze macht für seine Unterthanen und für die Bewohner
seines Territoriums. Die katholische Kirche als solche geht
ihn nichts an und er verlangt nichts von ihr. Ob sie eine
selbstständige Macht ist oder nicht, braucht er nicht zü ent-
scheiden, da er mit ihr in keine Berührung treten will. Jeden-
falls sind diejenigen Katholiken, welche in seinem Territorium

Feuilleton.

Der Armenarzt.
Fortsetzung.
Dr. Feldmann, der in diesen Reden keinen Sinn finden
konnte, da ihm das ganze geheimnißvolle Band, welches
ungesehen diese Personen umgab, nicht klar wurde, griff
nach dem Puls, der aber ruhig schlug und keinen fieber-
haften Zustand andeutete.
Die Alte wandte sich wieder an Eva und fragte :
„Nicht wahr, ich habe nur geträumt?"
„ES war kein Traum," flüsterte Eva, „meine liebe
Mutter, er war hier, er bat Dich um meine Hand und Du
antwortetest nicht." . . V-a» nM
„ES ist nicht möglich," sagte die Alte.
„Und doch ist er da." sagte Eva und führte Alphons
herbei. -1- - ''z-..,,
Dr. Feldmann beobachtete das Gesicht der Kranken,
über das es sich lagerte wie rin Schreck, und wollte bereits
in seiner Eigenschaft als Arzt interveniren, als die Alte sich
mit ungewohnter Kraft aufrichtetc und sagte:
„So ging es mir einst, so fragte er einst auch um

meine Hand, und ich war glücklich, und dann kamen die
Menschen und zerstörten mein Glück und dann kam das Leid,
langes Leid. Ihr wißt nicht, was es heißt, leben und da-
bei todt sein, so ist es mir gegangen, die langen, langen
Jahre. Ich wollte aber, ich wäre gestorben, denn man hatte
mir die Seele des Lebens genommen und die Seele des Lebens
ist die Liebe."
Sie wandte sich an Alphons:
„Und wenn Sie auch immer und immer wieder sagen,
daß Sie eS gut meinen, und wenn Sie Treue schwören, die
Menschen kommen doch und Sie müssen die Treue brechen,
so ist eS mir auch ergangen, denn er war gut, er war treu,
aber er mußte, er konnte nicht anders, er mußte daZ Liebste,
was er hatte, verrathen." ,-)L °°
Sie schwieg einen Augenblick. Alphons ergriff ihre
Hand und sagte:
Wenn die Welt Ihne» Leid zpgefüg» hat, so gestatte»
Sie mir. Ihnen im Älter einen Ersatz für das Verlorene
zu geben, nehmen Sie mich an als Ihren Sohn und freuen
Sie sich an dem Glücke Ihrer Tochter, denn mein ganzes
Streben, mein ganzes Sein geht darauf hin, Eva's Loos
so zu gestalten, wie es nur einem Menschen, den man liebt,
gewünscht werden kann."

leben, keine selbstständige Macht, sondern seiner Gesetzgebung
unterworfen, in demselben Maße, wie die in demselben Terri-
torium lebenden Protestanten, Juden und Heiden. Der Ver-
gleich mit fremden Mächten, wie Frankreich und Rußland,
paßt also ganz und gar nicht. Frankreich und Rußland sind
nicht Einwohner Deutschlands! Die einzelnen Franzosen und
Russen aber, welche in Deutschland wohnen, müssen ohne
Frage unseren Gesetzen gehorchen; wir haben keineswegs
nöthig, vorab in Versailles oder in Petersberg deshalb zu
verhandeln.
Dieser letztere Fall würde die richtige Analogie bieten,
wenn die katholische Kirche eine selbstständige Macht (im staats-
rechtlichen Sinne) und jeder Katholik ihr Unterthan wäre.
Er würde dann in Deutschland genau so stehen, wie jeder
Ausländer, der sich in unserem Gebiete aufhält. Wenn ein
Franzose in Schwetzingen eine Schule eröffnen will, muß er
sich den badischen Gesetzen fügen. Er kann nicht verlangen,
daß die französischen Gesetze auf ihn Anwendung finden sollen
oder daß man zuvörderst die Erlaubniß des Marschalls Mac
Mahon zur Vornahme des badischen Examens einhole. Man
würde ihn auslachen, wenn er sich darauf berufen wollte,
daß Baden der französischen Republik keine Gesetze geben
könne. Gerade dies verlangen aber die Ultramontanen. Sie
verwirren geflissentlich die Rechte der katholischen Kirche als
solcher und die Rechte des einzelnen Katholiken, der in Deutsch-
land lebt. ES versteht sich ganz von selbst — das Gegen-
thetl zu behanpten wäre einfach kindisch — daß Deutschland
kein Recht hat. Gesetze zu erlassen, welche für die katholische
Kirche gelten sollen. Ein solcher Anspruch ist wohl nie Je-
mandem im Traume eingefallen. Alles was unsererseits be-
hauptet wird, ist dies: daß der deutsche Staat berechtigt ist,
Gesetze zu erlassen, welche für Jeden gelten, der in Deutsch-
land sich aufhält, ohne alle Ausnahme, und daß er, um dieses
Recht ausznüben, keinen Dritten um Erlaubniß zu bitten hat.
Das ist der Satz, den die Ultramontanen bestreiten. Auf
ihn allein kommt es an; alles übrige ist Nebensache, Ab-
schweifung Wenn man einwendet, dann könnte ja der Staat
die ärgsten Ungerechtigkeiten gebieten, so lautet darauf die
Antwort : allerdings, jedes Recht kann mißbraucht werden.
Der Fall liegt aber jetzt nicht vor. Die Ultramontanen be-
haupten nich*. daß der Staat sein Recht mißbrauche, — denn
die Kirche selbst hat in anderen Ländern ausgeführt, was
hier von ibr begehrt wird — sondern sie leugnen das Recht
selbst. _
' Wochenschau.
Schwetzingen, 20. August.
In Berlin herrscht gegenwärtig die politische saison
mortis in des Wortes verwegenster Bedeutung und findet
deßhalb die Reichshauptstadt in unserer jeweiligen Wochen,
„Aeußeres Glück thut es nicht allein," fiel die Alte ein-
„äußeres Glück ist ein Gewand, von dem man nicht weiß,
was unter demselben verborgen ist. Ich kenne einen Mann,"
fuhr sie fort, „der ist reich, hat Alles, was erbegehrt, aber
um Alles in der Welt möchte ich nicht seine Schätze haben,
denn kein Gold der Erde ist im Stande, ihm etwas zu geben,
was er sucht: die Ruhe."
Bei diesen Worten wurde Dr. Fcldmann aufmerksam,
kannte er nicht auch Jemanden, der Ruhe suchte, mußte er
sich in diesem Augenblick nicht des alten Herrn erinnern, der
ruhelos in den Nächten umherwandcrte, der Schlaf haben
wollte um jeden Preis. So viel hatte er die alte Frau
kennen gelernt, daß ihren Worten meistens ein tieferer Sinn
zu Grunde lag. Er hatte längst gefühlt, daß diese Frau,
ihrer Bildung und der ganzen Ausdrucksweise nach, welche
ihr zu Gebote stand, eine andere Stellung in der Welt ein-
genommen haben mußte, als ihre äußere Umgebung und die
Verhältnisse, in welchen sie sich jetzt befand, verriethen. Schon
damals war ihm ausgefallen, daß in der ärmlichen Wohnung
das herrliche Bild wie eine Art Heiligthum verehrt wurde,
schon damals mußte ihm die Hartnäckigkeit, mit der die Alte
an diesem Gegenstände hing, einen Einblick in ein inneres
Leben gestatten lassen, welches für gewöhnlich an diesen Orten
»licht gefunden wird. (Fortsetzung folgt.)
 
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