Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/1911
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Redaktioneller Teil
DOI article:In eigener Sache, III
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f6 Die Werkstatt der Kunst. Heft 2.
Redaktion
In eigener Kacke. III
Wir veröffentlichen nachstehend den Wortlaut
des in Sachen Direktor Schleusing (Kunstvereini-
gung Berlin — München — Dresden — Düssel-
dorf) gegen den Redakteur der „Werkstatt der
Kunst" ergangenen Urteils. Dieses lassen wir ganz
allein für sich sprechen und enthalten uns, da von
der klägerischen Seite gegen das uns freisprechende
aber jene selbst sehr belastende Erkenntnis Berufung
eingelegt wurde, jeden Kommentars.
Nanren des Aönigst
Sn der Privatklagesache des Direktors Carl Schleusing
in Berlin, Mansteinstraße 3,
vertreten durch Rechtsanwalt Stryck in Berlin, Man-
steinstr. t, Privatklägers,
gegen den Chefredakteur Fritz Hellwag in Zehlendorf,
Gertraudstr. ^o,
vertreten durch die Rechtsanwälte Sustizrat Srmler,
Or. Rothe und Or. Ebers in Berlin, Französischeste 2H,
Angeklagten,
wegen Beleidigung
hat das Königliche Schöffengericht in Groß-Lichterfelde in
der Sitzung vom Suni t9to, an welcher teilgenommen
haben:
Gerichtsassessor Or. Müller
als Vorsitzender,
Or. von Altrock
Töpfermeister Engelmann
als Schöffen,
Referendar Sülp
als Gerichtsschreiber,
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird von der Anklage
derBeleidig un ginzweiFällen freigesprochen,
dieKosten des Verfahrens werden dem Privat-
kläger auferlegt.
Gründe.
Gegen den Angeklagten als Chefredakteur der Zeit-
schrift die „Werkstatt der Kunst" ist das Hauptverfahren
wegen Beleidigung durch die beiden Artikel: „Die Deutsche
Kun st Vereinigung Berlin — München — Dresden —
Düsseldorf" in den Heften Nr. 40 vom 5. Juli t9O9
und Nr. vom t9- Suli t9O9 eröffnet worden.
Sn dem Artikel des Heftes Nr. HO wird zunächst dem
Privatkläger zur Last gelegt, daß er „amtlich als Titel-
schwindler entlarvt" worden ist. Das Gericht hat in
dieser Beziehung den Wahrheitsbeweis als erbracht
erachtet. Nach dem eidlichen Zeugnis des früheren
Hofmarschalls Sr. Durchlaucht des Fürsten von
Lippe-Detmold ist dem Privatkläger das Hofprädikat
entzogen worden, weil er anläßlich des Verkaufes von
Bildern der Deutschen Kunstvereinigung sich den Kauf-
reflektanten gegenüber erbot, auf Grund seiner Beziehungen
zu deutschen Höfen Titel zu verschaffen. Sn seiner an das
fürstliche Hofmarschallamt gerichteten Rechtfertigungsschrift
vom 8. März t9O9 hat er selbst zugegeben, einem Herrn, der
sich zwecks Erlangung eines Hoftitels an ihn gewandt und
von der Erlangung des Titels den Ankauf eines Gemäldes
abhängig gemacht hatte, die Benutzung seiner Beziehungen
zu Höfen zur Verschaffung des Titels in Aussicht gestellt
zu haben. Sn dieser Verquickung des Verkaufs von Bildern
mit der Inaussichtstellung, die Beziehung zu Höfen zur Ver-
schaffung von Titeln zu verwerten, ist eine Handlungsweise des
Privatklägers zu erblicken, die keineswegs dadurch gerecht-
fertigt werden kann, daß die Träger von Beziehungen zu Höfen
eller Teil.
manchmal ihre Vertrauensstellung zur Titeloerschaffung be-
nutzen oder sogar mißbrauchen mögen, unddie durchausdie
öffentliche Kritik mit Recht herausfordert. Der
Angeklagte mag nun mit der Bezeichnung „Titelschwindler"
fehlgegriffen haben. Sedoch aus der vielleicht nicht zu-
treffenden Ausdrucksweise kann ihm kein Vorwurf gemacht
werden, zumal da ihm eine Beleidigungsabsicht nicht nach-
zuweisen ist. Er hat eben die Handlungsweise des Privat-
klägers rügen wollen und hierzu stand ihm als verantwort-
lichen Redakteur des Vrgans der „Allgemeinen Deutschen
Kunstgenoffenschaft" ein Recht um so mehr zu, als der
Privatkläger die seiner Gebarung wegen gegen ihn ge-
richteten Preßangriffe ruhig hinnahm, so daß an ihrer
Richtigkeit ein Zweifel bei der Stellung des Klägers nicht
obwalten konnte. Es steht somit dem Angeklagten min-
destens der Schutz des tz t93 R.St.G.B. zur Seite.
Hinzu kommt noch, daß der Privatkläger wegen un-
befugter Führung des Professortitels rechts-
kräftig durch Richterspruch verurteilt worden ist,
hiermit als Titelschwindler amtlich entlarvt worden ist.
Sn dem fraglichen Artikel wird ferner auf das „un-
lautere und schwindelhafte Treiben der Deutschen
Kun st Vereinigung Berlin—-München — Dresden —
Düsseldorf" hingewiesen, weil sie in ihren Zirkularen
echte Velgemälde im Werte von nicht unter 200 Mark für
25 Mark dem Publikum anböte. Auch in dieser Hinsicht
hat das Gericht dem Angeklagten als Redakteur der
„Werkstatt der Kunst", die das Grgan der angesehensten
und größten Deutschen Künstlervereinigung, der „Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft", ist, und daher in erster Linie
berufen ist, die Snteressen der deutschen Künstler
energisch wahrzunehmen, den Schutz des H t9ö
R.St.G.B. zugebilligt.
Sn den Satzungen der „Deutschen Kunstvereinigung
Berlin—München-Dresden—Düsseldorf" werden den passiven
Mitgliedern „schöne wertvolle Gemälde als Prämien", und
zwar je ein Bild im Sahre, gegen einen Sahresbeitrag
von 25 Mark versprochen. Lin auf den Satzungen auf-
geklebter roter Zettel stellt den Wert jeder Prämie auf
„nicht unter 200 Mark" fest. Selbst wenn nun auch die
aktiven Mitglieder der Vereinigung, die „Künstler", durch
ihre Mitgliedschaft, die sie zur Lieferung von ein bezw.
zwei Bildern als Sahresbeitrag verpachtet, gelegentlich
andere private Aufträge von den passiven Mitgliedern er-
langen und dadurch sich eine gelegentliche Einnahmequelle
erschließen können, so steht doch die Abgabe eines Bildes
im Werte von nicht unter 200 Mark gegen 25 Mark außer
jedem Verhältnis und kann nur als eine schwere
Schädigung der idealen und wirtschaftlichen Sn-
teressen der Künstlerwelt aufgefaßt werden.
Mögen die Künstler durch die aktive Mitgliedschaft auch
die Vorteile, mit einem regelmäßigen Absatz ihrer Bilder
rechnen zu können und hier und da einen lohnenderen
Auftrag zu erhalten, erwerben, so läuft doch das von dem
Privatkläger eingeschlagene Verfahren aus eine Aus-
nutzung der wirtschaftlichen Notlage der Künstler
hinaus. Hierbei ist noch zu bedenken, daß in dem Entgelte
von 25 Mark die Unkosten der Künstler für die Herstellung
des Bildes und der eigene Verdienst des Privatklägers als-
des Vorstandes der Kunstvereinigung enthalten sind.
Ferner ist nach dem übereinstimmenden Gutachten
der Sachverständigen, Prof. Günther-Naumburg,
Gtto H. Engel, Paul Mohn, die „Deutsche Kunst-
vereinigung" in wirklichen Künstlerkreisen kaum bekannt
und gehören auch zu ihr Künstler von Rufe nicht. Unter
den Gemälden der Vereinigung, die der Privatkläger den
Sachverständigen in dem Atelier der Vereinigung gezeigt
hat, befinden sich höchstens zwei bis drei Bilder,
denen ein Wert von etwa 200 Mark beigemessen werden
könnte. Die Bilder sind im übrigen minderwertige
Leistungen, denen teilweise eine vollkommenere Technik
Redaktion
In eigener Kacke. III
Wir veröffentlichen nachstehend den Wortlaut
des in Sachen Direktor Schleusing (Kunstvereini-
gung Berlin — München — Dresden — Düssel-
dorf) gegen den Redakteur der „Werkstatt der
Kunst" ergangenen Urteils. Dieses lassen wir ganz
allein für sich sprechen und enthalten uns, da von
der klägerischen Seite gegen das uns freisprechende
aber jene selbst sehr belastende Erkenntnis Berufung
eingelegt wurde, jeden Kommentars.
Nanren des Aönigst
Sn der Privatklagesache des Direktors Carl Schleusing
in Berlin, Mansteinstraße 3,
vertreten durch Rechtsanwalt Stryck in Berlin, Man-
steinstr. t, Privatklägers,
gegen den Chefredakteur Fritz Hellwag in Zehlendorf,
Gertraudstr. ^o,
vertreten durch die Rechtsanwälte Sustizrat Srmler,
Or. Rothe und Or. Ebers in Berlin, Französischeste 2H,
Angeklagten,
wegen Beleidigung
hat das Königliche Schöffengericht in Groß-Lichterfelde in
der Sitzung vom Suni t9to, an welcher teilgenommen
haben:
Gerichtsassessor Or. Müller
als Vorsitzender,
Or. von Altrock
Töpfermeister Engelmann
als Schöffen,
Referendar Sülp
als Gerichtsschreiber,
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird von der Anklage
derBeleidig un ginzweiFällen freigesprochen,
dieKosten des Verfahrens werden dem Privat-
kläger auferlegt.
Gründe.
Gegen den Angeklagten als Chefredakteur der Zeit-
schrift die „Werkstatt der Kunst" ist das Hauptverfahren
wegen Beleidigung durch die beiden Artikel: „Die Deutsche
Kun st Vereinigung Berlin — München — Dresden —
Düsseldorf" in den Heften Nr. 40 vom 5. Juli t9O9
und Nr. vom t9- Suli t9O9 eröffnet worden.
Sn dem Artikel des Heftes Nr. HO wird zunächst dem
Privatkläger zur Last gelegt, daß er „amtlich als Titel-
schwindler entlarvt" worden ist. Das Gericht hat in
dieser Beziehung den Wahrheitsbeweis als erbracht
erachtet. Nach dem eidlichen Zeugnis des früheren
Hofmarschalls Sr. Durchlaucht des Fürsten von
Lippe-Detmold ist dem Privatkläger das Hofprädikat
entzogen worden, weil er anläßlich des Verkaufes von
Bildern der Deutschen Kunstvereinigung sich den Kauf-
reflektanten gegenüber erbot, auf Grund seiner Beziehungen
zu deutschen Höfen Titel zu verschaffen. Sn seiner an das
fürstliche Hofmarschallamt gerichteten Rechtfertigungsschrift
vom 8. März t9O9 hat er selbst zugegeben, einem Herrn, der
sich zwecks Erlangung eines Hoftitels an ihn gewandt und
von der Erlangung des Titels den Ankauf eines Gemäldes
abhängig gemacht hatte, die Benutzung seiner Beziehungen
zu Höfen zur Verschaffung des Titels in Aussicht gestellt
zu haben. Sn dieser Verquickung des Verkaufs von Bildern
mit der Inaussichtstellung, die Beziehung zu Höfen zur Ver-
schaffung von Titeln zu verwerten, ist eine Handlungsweise des
Privatklägers zu erblicken, die keineswegs dadurch gerecht-
fertigt werden kann, daß die Träger von Beziehungen zu Höfen
eller Teil.
manchmal ihre Vertrauensstellung zur Titeloerschaffung be-
nutzen oder sogar mißbrauchen mögen, unddie durchausdie
öffentliche Kritik mit Recht herausfordert. Der
Angeklagte mag nun mit der Bezeichnung „Titelschwindler"
fehlgegriffen haben. Sedoch aus der vielleicht nicht zu-
treffenden Ausdrucksweise kann ihm kein Vorwurf gemacht
werden, zumal da ihm eine Beleidigungsabsicht nicht nach-
zuweisen ist. Er hat eben die Handlungsweise des Privat-
klägers rügen wollen und hierzu stand ihm als verantwort-
lichen Redakteur des Vrgans der „Allgemeinen Deutschen
Kunstgenoffenschaft" ein Recht um so mehr zu, als der
Privatkläger die seiner Gebarung wegen gegen ihn ge-
richteten Preßangriffe ruhig hinnahm, so daß an ihrer
Richtigkeit ein Zweifel bei der Stellung des Klägers nicht
obwalten konnte. Es steht somit dem Angeklagten min-
destens der Schutz des tz t93 R.St.G.B. zur Seite.
Hinzu kommt noch, daß der Privatkläger wegen un-
befugter Führung des Professortitels rechts-
kräftig durch Richterspruch verurteilt worden ist,
hiermit als Titelschwindler amtlich entlarvt worden ist.
Sn dem fraglichen Artikel wird ferner auf das „un-
lautere und schwindelhafte Treiben der Deutschen
Kun st Vereinigung Berlin—-München — Dresden —
Düsseldorf" hingewiesen, weil sie in ihren Zirkularen
echte Velgemälde im Werte von nicht unter 200 Mark für
25 Mark dem Publikum anböte. Auch in dieser Hinsicht
hat das Gericht dem Angeklagten als Redakteur der
„Werkstatt der Kunst", die das Grgan der angesehensten
und größten Deutschen Künstlervereinigung, der „Allgemeinen
Deutschen Kunstgenossenschaft", ist, und daher in erster Linie
berufen ist, die Snteressen der deutschen Künstler
energisch wahrzunehmen, den Schutz des H t9ö
R.St.G.B. zugebilligt.
Sn den Satzungen der „Deutschen Kunstvereinigung
Berlin—München-Dresden—Düsseldorf" werden den passiven
Mitgliedern „schöne wertvolle Gemälde als Prämien", und
zwar je ein Bild im Sahre, gegen einen Sahresbeitrag
von 25 Mark versprochen. Lin auf den Satzungen auf-
geklebter roter Zettel stellt den Wert jeder Prämie auf
„nicht unter 200 Mark" fest. Selbst wenn nun auch die
aktiven Mitglieder der Vereinigung, die „Künstler", durch
ihre Mitgliedschaft, die sie zur Lieferung von ein bezw.
zwei Bildern als Sahresbeitrag verpachtet, gelegentlich
andere private Aufträge von den passiven Mitgliedern er-
langen und dadurch sich eine gelegentliche Einnahmequelle
erschließen können, so steht doch die Abgabe eines Bildes
im Werte von nicht unter 200 Mark gegen 25 Mark außer
jedem Verhältnis und kann nur als eine schwere
Schädigung der idealen und wirtschaftlichen Sn-
teressen der Künstlerwelt aufgefaßt werden.
Mögen die Künstler durch die aktive Mitgliedschaft auch
die Vorteile, mit einem regelmäßigen Absatz ihrer Bilder
rechnen zu können und hier und da einen lohnenderen
Auftrag zu erhalten, erwerben, so läuft doch das von dem
Privatkläger eingeschlagene Verfahren aus eine Aus-
nutzung der wirtschaftlichen Notlage der Künstler
hinaus. Hierbei ist noch zu bedenken, daß in dem Entgelte
von 25 Mark die Unkosten der Künstler für die Herstellung
des Bildes und der eigene Verdienst des Privatklägers als-
des Vorstandes der Kunstvereinigung enthalten sind.
Ferner ist nach dem übereinstimmenden Gutachten
der Sachverständigen, Prof. Günther-Naumburg,
Gtto H. Engel, Paul Mohn, die „Deutsche Kunst-
vereinigung" in wirklichen Künstlerkreisen kaum bekannt
und gehören auch zu ihr Künstler von Rufe nicht. Unter
den Gemälden der Vereinigung, die der Privatkläger den
Sachverständigen in dem Atelier der Vereinigung gezeigt
hat, befinden sich höchstens zwei bis drei Bilder,
denen ein Wert von etwa 200 Mark beigemessen werden
könnte. Die Bilder sind im übrigen minderwertige
Leistungen, denen teilweise eine vollkommenere Technik