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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Meyer, Richard: Oeffentliche Wettbewerbe und Preisgerichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0225

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Heft s6.

Die Werkstatt der Kunst.

2s7

Redaktioneller Teil.

OeNentUcke Mettbewerbe unct
prsisgerickte
Gar zu oft entspringen öffentliche Wettbewerbe,
die von Firmen ausgeschrieben werden, mehr einem
Reklamebedürfnis, als dem Wunsche, die besten künst-
lerischen Entwürfe, die zu erlangen sind, zu erhalten.
Dafür spricht z. B., daß in vielen Fällen die ersten
Preise gar nicht zur Ausführung gelangen, sondern
diejenigen der eingereichten Arbeiten, die dem Durch-
schnittsgeschmack am besten entsprechen.
Die Kunst und der Geschmack werden also oft
nicht durch solche Wettbewerbe gefördert. Es werden
aber eine Wenge Kräfte mobil gemacht, die wie durch
die Lotterie sich angezogen fühlen, und mittun in
der Hoffnung, einen Treffer zu erhalten, wer je-
mals das Amt eines Preisrichters ausgeübt hat, der
wird immer die Verschwendung einer Unsumme von
Arbeit, Intelligenz, Kunst und Geld, die geopfert
wurden, bedauert haben. Zumeist handelt es sich
in solchen Fällen um junge Leute, die ihre Kräfte
messen, die an die Oberfläche wollen. Deshalb wird
diese Art der Wettbewerbe nicht abzuschaffen sein.
Künstler von Ruf beteiligen sich wohl nur noch
in sehr seltenen Fällen an allgemeinen Ausschreibungen.
Eie erwarten mit Recht, daß Etaat, Behörden und
private sie auffordern, gegen Entgelt ihre Ideen-
skizzen einzureichen, und sie folgen auch nur der
Aufforderung wenn das Preisgericht so zusammen-
gesetzt ist, daß sie hoffen dürfen, Verständnis für
ihre Arbeiten zu finden. Das Verfahren bei der
Prüfung der cingereichten Arbeiten ist zumeist das
der Verhandlung durch mündliche Aussprache der
Preisrichter. Naturgemäß wird die künstlerisch stärkste
Persönlichkeit unter den Juroren sich durchzusetzen
bemühen und den stärksten Gründen werden schwächere
oder nicht haltbare sich unterordnen müssen.
Diesem subjektiven Verfahren wird nun bisweilen
eine vollkommen objektiv sein sollendeprüfungsmethode
gegenübergestellt, d. h. die mündliche Aussprache wird
nicht beliebt, die eingesandten Arbeiten werden ver-
packt, sie wandern von einem Juroren zum andern.
Jeder urteilt für sich ganz unbeeinflußt von anderen,
und gibt seine Noten nach seinem vermögen, nach
seinem besten wissen und Gewissen. Das ist viel-
leicht ganz ideal gedacht, praktisch aber ganz unmög-
lich, weil die größten Nieten unter den Arbeiten den
höchsten Treffer, d. h. den ersten Preis, davontragen
können. Lin Beispiel mag dies näher erläutern.
Line Firma entschließt sich, einen Betrag, sagen
wir sOOO Rik., für ein Preisausschreiben zu opfern.
Eine Reihe von Herren, die im öffentlichen Leben
stehen, werden gebeten, das Amt eines Jurors zu
übernehmen. Nach erfolgter Zusage wird ein Prospekt
gedruckt, der in einer Auflage von vielen sOOO Exem-
plaren als sehr wirkungsvolle Reklame überallhin
versandt wird. Der Prospekt enthält die Bedingungen

des Ausschreibens und die Namen der Preisrichter; in
dem besonderen Falle nicht weniger als s7 Namen. Eo-
weit scheint alles in Ordnung zu sein, und doch waren
schon 2 schwere Fehler begangen worden, und zwar
durch die ausschreibende Firma und durch die Herren,
die das Amt eines Jurors übernommen hatten. Die
Firma hatte es in ihrer Anfrage unterlassen, anzugeben,
welche Herren außer den Angefragten noch zur Ueber-
nahme des Preisrichteramtes gebeten werden sollten,
und ferner war auf dem Prospekt nicht angegeben,
in welcher weise das Preisgericht entscheiden sollte,
ob in mündlicher Aussprache, oder durch schriftliche
Mitteilungen der Juroren an die Firma.
Die Preisrichter waren arglos und hatten sich
um diese Angelegenheiten nicht gekümmert.
Zum festgesetzten Linlieferungstermin liefen rund
300 Arbeiten ein. Eie wurden auf die Wanderung
geschickt. Jeder der Preisrichter bezeichnete nun für
sich diejenigen Arbeiten, die er für den s>, 2., 3. und
H. Preis geeignet hielt und sandte sein mühevoll zu-
stande gekommenes Resultat an die Firma und die
Arbeiten zum nächsten Juror.
Die Firma entledigte sich ihrer verantwortungs-
vollen Aufgabe dadurch, daß sie die den verschiedenen
Arbeiten erteilten Punkte addierte und zwar für den
s. Preis 5, für den 2. Preis den 3. Preis 3, den
H. Preis 2 und für ev. Ankauf je einen Punkt. Das
auf diese weise nun „ganz objektiv gewonnene Er-
gebnis" war folgendes: Der s. Preis fiel auf eine
Arbeit, die insgesamt 27 Punkte erhalten hatte. Bei
völliger Einigkeit der Preisrichter hätte die mit dein
s. Preise zu krönende Arbeit insgesamt s7 x5 Punkte
gleich 83 Punkte erhalten müssen und bei einfacher
Majorität im mündlichen Verfahren durch s7 Preis-
richter mindestens 9x5 gleich ^5 Punkte. Insge-
samt waren nur aber 27 Punkte für den s. Preis
herausgekommen. Angenommen, es hätten 5 Preis-
richter dieser Arbeit je 5 Punkte zuerteilt, dann wäre
einer sicherlich nicht für den s. Preis gewesen, sondern
mit seiner Beurteilung durch 2 Punkte für den Preis.
Diese für den Preis gegebene Note war aber zur
Erzielung von 27 Punkten mit verwandt worden.
Die Minorität hatte also gesiegt, es standen 5 Preis-
richter gegen s2, die die Arbeit nicht des s. Preises
für würdig hielten. In Wahrheit wird das Ver-
hältnis der Etimmen zueinander noch weit ungünstiger-
gewesen sein. Der Grund dafür, daß keine der ein-
gesandten Arbeiten mehr als 27 Punkte erhalten hatte,
lag darin, daß die s7 Preisrichter ihre Etimmen auf
86 Arbeiten zersplittert hatten!
Dieses Beispiel, daß der Praxis entnommen ist,
lehrt nun, daß jeder, der zum Preisrichter berufen
wird, sich zu allererst vergewissert, wieviel Personen
und welche mit ihm zusammen das Richterkollegium
bilden sollen. Die Ausstellung einer so großen An-
zahl von s7 Personen kann nur im Interesse einer
Reklame, aber nicht im Interesse der Eache selbst
 
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