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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Meyerheim, Paul Friedrich: Ludwig Knaus
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^60

Die Werkstatt der Kunst.

heft ^2.

Nedaktioneller Teil.

Lucivoig Rriaus
Von Paul Meyer he im
wieder haben wir einen lieber: Menschen, einen
großen Künstler, ein Riesentalent, einen liebens-
würdigen Kollegen und treuen Freund zur letzten
Ruhe begleitet. Die Trauer um ihn, dessen reich
gesegnete Augen für immer geschlossen sind, wirkt
tieferschütternd auf uns nach. Lin glückliches Leben
ist geendet; „Liebling des Volks zu sein" ist für
jeden Menschen, für den Künstler wie für den
Fürsten, die höchste Auszeichnung, das beglückendste
Gefühl.
Die deutsche Kunst verliert in ihm ihren zweiten
Dioskuren. vor wenig Jahren betrauerten wir
unseren großen Menzel, und jetzt unseren Ludwig
Knaus. Das Können dieser beiden ergänzte sich,
und jeder hatte sein eigenes Gebiet, das der andere,
trotz größter Mannigfaltigkeit der Beobachtung, nicht
betrat. Alle Darstellung der Liebe, der Reize des
jungfräulichen Weibes und der Mutter, der Zauber
des Kindes wurden vor: Menzel gern gemieden,
und hier war das Reich und der Tummelplatz des
Pinsels unseres Knaus, „wären sie beide vereint,
wär's für die Lrde zuviel" (wie König Ludwig
von Baiern von Nom und Florenz dichtet).
Schon in den früheren Jahrhunderten ist das
Mutterglück das vornehmste und beliebteste Motiv
für Maler und Bildhauer gewesen. Die Madonnen-
bilder in Italien sind zahllos, und jedes Museum
schätzt sich glücklich, möglichst viel davon zu besitzen.
Die alten Mäzene bestellten, wenn sie nicht Auf-
träge für große Wandmalereien in Kirchen und
Palästen wünschten, außer Porträten am meisten
Maria mit dem Kinde, mit und ohne heiliges
Gefolge.
Heute ist das freilich anders geworden. Ls
bleibt also in der ganzen modernen Malerei die
große Vakanz jener gemütvollen Bilder. Merk-
würdigerweise gibt es in der ganzen französischen
glänzenden Kunstepoche kaum Genrebilder in unserem
Sinne. Und doch haben die Werke des großen
Millet, der in ziemlich ungeschickter Malweise ab
und zu einen Anflug von Gemüt verrät, den aller-
größten Lrfolg gehabt, am meisten wohl sein über
alles angestauntes und höchst bewertetes Angelus.
Die große Menge ließ sich in erster Linie doch
mehr von dem innerlichen Zug bestricken, als von
den großen malerischen Eigenschaften der Bilder.
Selbstverständlich kann die größte Gemütstiefe allein
nicht Kunstwerke hervorbringen, die vollendete Technik
wird immer die vornehmste Ligenschaft eines Kunst-
werks bleiben. In der Zeit, in welcher Knaus
seine beliebtesten Bilder schuf, stand deutsche Kunst
und Literatur im Zeichen des Gemüts. Mein
Vater Lduard, ferner vautier, Defregger, viele
Münchner, auch Bertold Auerbach, Adalbert Stifter,
Immermann und viele Dorfgeschichtendichter wurden

wegen dieser Ligenschaft durchaus noch nicht ge-
steinigt. Aber welcher große Künstler wäre nicht
Anfeindungen ausgesetzt! Unser Meister ist immer
in erster Linie als der große Genremaler geschätzt
worden, aber mindestens ebenso groß ist er auf dem
Gebiete der Porträtmalerei. Lins seiner herrlichsten
Werke ist das Porträt des alten Herrn Navene,
des Schöpfers der schönen (Dienstag und Freitag
immer unentgeltlich geöffneten) Galerie, die leider
nur zu wenigen bekannt ist.
Beim Entstehen von Bildern mit vielen Figuren
gibt es für den Künstler eine außerordentliche
Schwierigkeit, bei der Behandlung der Köpfe das
Richtige zu treffen. Stellt das Bild mehrere un-
interessante Persönlichkeiten dar, so genügt es, den
Gesichtern nur die richtigen Tonwerte zu geben,
mit einigen Notizen der Andeutung von Augen,
Mund und Nase. Dies alles braucht, namentlich
in einem pleinairbilde, nicht besonders ausgeführt
zu werden, um als richtig und wahrhaftig zu gelten,
Ist aber in solchem Gruppenbild eine bedeutende
Person, so befriedigt der Tonwertklecks doch nicht,
und eine genaue, sorgfältige Durchbildung der aus-
drucksvollen Köpfe schädigt wiederum oft die rein
malerische Wirkung des Bildes.
So gut nun unser Meister mit dem pinsel und
mit dem Stift umging, so wenig hielt er sich für
einen Meister der Rede. Aber dennoch lasse ich
ihn das Wort ergreifen, um uns seinen Werdegang
zu erzählen. Hören wir also, was er selbst berichtete:
„Am 5. Oktober ^829 bin ich in Wiesbaden
geboren, wo mein Vater, aus dem Schwabenlande
gebürtig, ein optisches und mechanisches Geschäft
betrieb. Der Drang, zu zeichnen und alle möglichen
Gegenstände abzumalen, entwickelte sich bei mir er-
staunlich früh, so daß ich von Kind auf es nicht
anders wußte, als, ich müßte ein Maler werden.
Als ich etwa ss Jahre alt war, verzog mein
Vater mit der Familie nach seiner schwäbischen
Heimat; wir wohnten dort über ein Jahr in
Schwäbisch Gmünd, wo ich das Glück hatte, den
ersten guten Zeichenunterricht zu genießen. — Nach
Wiesbaden zurückgekehrt, nahm sich meiner ein
früherer Münchner Maler (Albrecht) an, und ich
erinnere mich stets dankbar dessen guter Anleitung.
Als ich aber im vierzehnten Jahr aus der Schule
kam und nun Maler werden sollte, da war guter
Rat teuer bei dem Mangel der nötigen Mittel, und
ich wurde schließlich durch des Malers Albrecht Ver-
mittlung bei einem Wiesbadener Hofmaler als Lehr-
ling untergebracht, wo ich zwei Jahre verblieb, ohne
viel zu lernen. — Zum Glück konnte ich mir eine
Kleinigkeit verdienen, so daß ich im Jahre (8H5
die Akademie in Düsseldorf beziehen konnte. An
dem längst verstorbenen Prof. Tarl Sohn fand ich
dort einen vorzüglichen, wohlwollenden Lehrer,
während nachher in der Bilderklasse unter der
 
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