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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Redaktioneller Teil
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Max Liebermann über Empfindung und Erfindung in der Malerei
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Bismarck-National-Denkmal, IV
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Vermischter Nachrichtenteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0477

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Die Werkstatt der Kunst.

^69

seines Gemüts oder nach der Natur malt. Mit anderen
Worten: nicht der Idealist stecht höher als der
Realist, sondern die Stärke der Phantasie macht
den größerer: Künstler. Für den Maler liegt die
Phantasie allein innerhalb der sinnlichen Anschauung der
Natur. Zwischen dem Kleckser, der einen Sonnenunter-
gang malt und einem Llaude Lorrain oder Llaude Manet
ist nur ein «Qualitätsunterschied. Die Größe des Talents
eines Künstlers beruht aus der Größe seiner Naturanschau-
ung, und zwar aus der Größe der spezifisch malerischen
Anschauung. Sonst hätte Goethe ein ebenso großer Maler
wie Dichter sein müssen. Wie die zahllosen Blätter, die
das Goethehaus aufbewahrt, beweisen, hat es ihm weder
an Fleiß noch an handwerksmäßiger Geschicklichkeit gefehlt,
und wenn er trotz heißem Bemühen zeitlebens in der bilden-
den Kunst ein mittelmäßiger Dilettant geblieben ist, so
liegt der Grund einfach darin, daß seine Phantasie — als
die eines geborenen Dichters — nur mit dem Worte zu
gestalten imstande war. Linst fragte mich Virchow,
während er mir zu seinem Porträt saß, ob ich nach
einer vorgefaßten Meinung male, und auf meine Antwort,
daß ich intuitiv die Farben nebeneinandersetzte, entschuldigte
sich der damals schon greise Gelehrte ob seiner Frage.
Alles, fügte er hinzu, in der Kunst wie in der Wissen-
schaft, nämlich da, wo sie anfinge, Wissenschaft zu werden,
wo sie Neues entdeckte, sei Intuition. „Als ich meinen
Satz Lellula e Lellula gefunden hatte, war es erst
Späteren vorbehalten, ihn zu beweisen." Letzten
Endes ist die Kunst unergründlich und wird es immer
bleiben. Lin witziger Maler, den man vor seinem Bilde
fragte, was er habe malen wollen, antwortete: wenn ich
es sagen könnte, hätte ich es nicht zu malen ge-
braucht. Erfindung ist Empfindung: aus ihr ergibt sich
Technik und Stil. Die schönsten Stücke Malerei, wie die
Boheme oder der Papst Innocenz, sind die technisch ein-
fachsten. Wer technische Schwierigkeiten eines Werkes sieht,
ist überhaupt kein Künstler. Der echte Künst-ler gleicht
dem Reiter über den Bodensee: erst nach Vollendung
des Werkes entdeckt er voller Grauen die Schwierigkeiten,
die zu überwinden waren, und er würde sein Werk nicht
unternommen haben, wenn er sie vorher erkannt hätte.
In der bildenden Kunst ist die geistige Vollendung zugleich
technische Vollendung, denn in ihr sind Inhalt und Form
nicht nur eins, sondern identisch.
Wenn Rembrandt sagt, daß das Werk vollendet sei,
sobald der Künstler ausgedrückt hat, was er hat ausdrücken
wollen, so heißt das nichts anderes, als daß die Arbeit
des Künstlers reine Phantasietätigkeit ist. Gut
malen heißt also mit Phantasie malen, und die schönste,

breiteste, flächigste Malerei bleibt äußerliche Virtuosität,
wenn sie nicht der Ausdruck der künstlerischen Anschauung
ist. Aber gerade das Primäre ist das Entscheidende: wie
der wahre Dichter nur vom Erlebnis ausgeht, so geht das
wahre malerische Ingenium nur von der sinnlichen Er-
scheinung aus. Letzten Endes ist jeder Maler Porträt-
maler; der Wirklichkeitsmaler Frans Hals oder Velazquez
ebenso wie der Maler der inneren Gesichte, Albrecht Dürer,
oder gar wie Rembrandt, unter dessen Pinsel die Bildnisse
der Korporalschaft des Banningborg zur „Nachtwache",
dem phantasievoll ft en Bilde der Welt, wurden. Daß
dieses Gruppenbildnis einer Schützengilde bis heutigen
Tages „Die Nachtwache" heißt, das beweist am schlagendsten,
daß in der Malerei die Erfindung nur in der Ausführung
beruht.
Irgendein Lornelius-Schüler erzählte, daß er München
in aller Herrgottsfrühe umkreiste, um sich in weihevolle
Stimmung zu versetzen, bevor er an die Arbeit ging, und
ins Atelier gekommen, „floß der Kontur". Aber Heinrich
v. Kleist läßt in einer Betrachtung über Berliner Kunst-
zustände im Jahre einen Vater seinen: Sohne sagen:
Du schreibst mir, daß du eine Madonna malst, und daß
du jedesmal, bevor du zum pinsel greifst, das
Abendmahl nehmen möchtest. Laß dir von deinem alten
Vater sagen, daß dies eine falsche Begeisterung ist, und
daß es mit einer gemeinen, aber übrigens rechtschaffenen
Lust an den: Spiele, deine Einbildungen auf die Leine-
wand zu bringen, völlig abgemacht ist.
Vismarck-Vational-Venkmal. IV
(vgl. die Artikel in den Heften 26, 3t u. 52)
Auf der Ausstellung in Wiesbaden werden, viel-
fachen Wünschen entsprechend, an den Modellen die Namen
der Künstler angebracht werden, soweit nicht die Geheim-
haltung besonders verlangt wurde. — Am 2 6. Mai wird
nun in Düsseldorf der Kunstausschuß tagen. In dieser
Versammlung werden alle weiteren Entscheidungen
gefaßt werden. — Falls ein engerer Wettbewerb veran-
staltet werden wird, und dies ist sehr wahrscheinlich, so
sollten sich die Bauherren, d. h. der Kunstausschuß mit
den erwählten Preisrichtern und mit den erwählten Be-
werbern Liber« die Ziele und Aufgaben des neuen
Wettbewerbes gründlich einigen! Als Entschädigung
für die Teilnehmer am neuen, engeren Wettbewerbe würden
wir eine Summe von je 3000 AI. für jeden der Ein-
geladenen für angeniessen halten. v. W. v. X.

vermischter Nachrichtenteil.

Geplante Ausstellungen

Berlin. Auf Grund des ß des Gesetzes vom 7. Mai
H87H werden wir aufgefordert, nach Maßgabe der gesetz-
lichen Vorschriften folgende Richtigstellung zu veröffent-
lichen: „Entgegen der in Heft 26, Jahrgang X, der Zeit-
schrift „Die Werkstatt der Kunst" unter'der Rubrik „Ge-
plante Ausstellungen" veröffentlichten Notiz werden wir
ersucht, darauf hinzuweisen, daß die Angabe, die Kunst-
handlung des Herrn Jacques Sander habe bis vor kurzem
aus einer Teppich- und Gemäldehandlung in der Speyerer-
straße in Berlin bestanden und habe nicht die beste Ware
geführt, unzutreffend ist. Richtig ist vielmehr, daß Herr
Sander in der Speyererstraße lediglich ein Lager von Ge-
mälden und echten Bronzen unterhalten und neben mittlerer
Ware u. a. Arbeiten von Andreas Achenbach, Raßmussen,
Hartung, Günther, Prof. Schweitzer und Prof. Raupp ge-
führt hat." — (Wir hatten uns bereit erklärt, eine frei-
willige Richtigstellung zu bringen, falls Herr Jacques
Sander an Eidesstatt versichern würde, daß er in der

Speyererstraße nicht, wie unsere Gewährsleute behaupten,
die Bilder zwischen minderwertigen Teppichen zur Schau
gestellt habe. Herr Jacques Sander lehnt die Abgabe
dieser Versicherung ab und beschränkt sich darauf, die Auf-
nahme einer „Berichtigung" zu fordern, die wir nach den
preßgesetzlichen Bestimmungen nicht verweigern können.
Red.) ' X!
Düsseldorf. (Große Kunstausstellung Düsseldorf
Die Düsseldorfer Künstlerschaft wird auf
der Ausstellung recht ausgiebig vertreten sein. Die Kol-
lektivausstellung des heutigen Düsseldorf schließt sich an die
dem Altmeister Andreas Achenbach eingeräumten Säle an.
Der erste Saal nimmt den Düsseldorfer Ausstellerverband
auf. Dann folgt die Künstlervereinigung von t899, hier-
auf die Freie Vereinigung, der Verein von tdvH und der
Niederrhein. Diese durch ihre Iahresausstellung in der
Kunsthalle und bei Schulte bestens bewährten Vereinigungen
arrangieren unter eigener Jury und Hängekom-
mission ihre Säle. Die wenigen, nicht diesen Ver-
einigungen angehörenden Düsseldorfer Künstler erhalten
auch einen besonderen Saal. Für Düsseldorf ist wohl noch
 
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