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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 10.1910/​1911

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Deiker, Karl: Fiat justitia!
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Walther, Felix: Katalogabbildungen von Erzeugnissen des Kunstgewerbes sind geschützt: Urteil des Reichsgerichts vom 4. April 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.52067#0199

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heft

Die Werkstatt der Kunst.

Bild von meinem Vater hcrrühren könnte, dessen Malweise
er genau zu kennen glaubte. Aber — — usw. — —
Dieses vorsichtige Urteil nun gab dem gegnerischen Rechts-
anwalt Stoff, sür die Freigabe des Bildes zu plädieren,
und da man mich als Interessenten gleich zu Anfang der
Verhandlung abgelehnt hatte, so konnte mein Rechtsanwalt
keine entsprechende Erwiderung bringen. Ls wurden alle
möglichen Paragraphen hervorgesucht, vor allem hieß es,
das Bild sei in gutem Glauben gekauft und Eigentum des
Herrn F., dasselbe könne nur dann vernichtet werden, wenn
es noch im Besitze des Fälschers sei, dieses sei aber nicht
der Fall; einen Paragraphen, der die Vernichtung des
Bildes resx. die Entfernung des Namenszuges von dem-
selben angängig machte, gäbe es nicht, und so geschah das
Unmögliche — — das Bild, eine notorische, gerichtlich er-
wiesene Fälschung, wurde sreigegeben und wanderte zurück
in die Hände seines glücklichen Besitzers.
Dies ist in Kürze der Tatbestand.
Ich behaupte: Der Verkäufer des Bildes hat um
die Fälschung gewußt. Ein ganzes Strafregister sür ähn-
liche Fälle lag vor, ferner soll er nachträglich dem Käufer
dieselbe Summe geboten haben, das Bild zurückzukausen.
Auch der niedrige Preis spricht hierfür, denn wie ich schon
oben betonte, kostet ein echter L. F. Deiker in dieser Größe
mehrere tausend Mark. Die (Dualität des Bildes war
ferner derartig, daß selbst der unerfahrenste Laie einsehen
mußte, daß ein Künstler vom Können meines Vaters nie-
mals der Urheber dieser traurigen Mache sein konnte. Ich
betone hier ausdrücklich, daß das Bild nicht etwa frei-
gegeben wurde, weil die Fälschung nicht erwiesen ward, nein,
nur weil es in unserer Gesetzgebung an einein Paragraphen
mangelt, der die Einziehung des Bildes resp. die Entfernung
des Namens von demselben ermöglicht. Und hätte an meiner
Statt mein verstorbener Vater gestanden, das Urteil hätte
nicht anders ausfallen können, er hätte mit ansehen müssen,
wie ein Schundbild allerersten Ranges, mit seinem Namen
unterzeichnet, als Fälschung erwiesen, frei in die Welt
hineinsegelt, dazu dienend, die Ehre eines tadellosen Künstler-
namens zu untergraben. Wenn ein Mensch in gutem
Glauben ein falsches Geldstück einnimmt und er will es
an einer öffentlichen Kasse wechseln lasten, so wird ihm
dieses Stück ohne viel Federlesens genommen, einen Ersatz
gibt es nicht, und er kann froh sein, wenn inan ihn über-
haupt unbehelligt weiterziehen läßt. Das Geldstück wird
vernichtet, der Mann ist um den Betrag ärmer, kein Huhn
und kein Palm kräht danach. Liegt nicht hier genau der-
selbe Fall vor?-Wäre es nicht angebracht, wenn das
Bild wenigstens durch einen aufzudrückenden Stempel ein
sür allemal als Fälschung gekennzeichnet würde?
Und ferner, wäre es nicht im Interesse der Allgemeinheit,
hauptsächlich aber der gesamten Künstlerschaft, wenn das
Gericht in intensivster Weise nach dem Ursprung der Fäl-
schung forschte? Ich bin der felsenfesten Ueberzeugung,
daß recht interessante Dinge zutage gefördert würden, und
wenn die Sache auch Mühe macht und weitläufig ist, ist
der moralische Lohn nicht groß genug, diese Vampyre der
Kunst, die in gemeiner selbstsüchtiger Absicht die Ehre ehr-
licher Künstler in den Staub zerren, einmal zu entlarven,
das Nest einmal auszunehmen? — Der Ausgang dieser
Gerichtsverhandlung wirkte auf uns Sachverständige geradezu
erdrückend, immer und immer wieder mußten wir uns
fragen: wo ist denn da das Recht? — Auf jeden Fall
aber, meine ich, verdient diese Angelegenheit, vor die breite
Geffentlichkeit gebracht zu werden; es liegt in unserem
Volke doch soviel gesundes, natürliches Gerechtigkeitsgefühl,
daß ich der festen Ueberzeugung bin, daß dieser Richter-
spruch allgemeines Befremden erregen wird — — aber,
der Paragraph fehlt, und der Deutsche klebt eben am Para-
graphen.
Weiter: Lin Museum, sagen wir die Nationalgalerie,
erwirbt von einem Dritten ein Bild eines lebenden Künstlers.
Eines Tages kommt dieser Künstler dorthin, sieht das Bild
und bestreitet seine Echtheit. Pier liegt der Fall noch nicht
einmal so schwer, denn es wird sich um keine schlechte

191
Fälschung handeln, die als solche so in die Augen sticht,
wie in meinem Falle. Nach dem Richterspruch vom 22. De-
zember t9(0 nun könnte der Künstler gar nichts machen,
das Bild dürfte friedlich und heiter, mit dem gefälschten
Namen des Malers geschmückt, weiter dort hängen, denn
es ist in gutem Glauben erworben und Eigentum der be-
treffenden Galerie. Wie aber würde sich die Meffentlichkeit
resp. die Künstlerschaft hierzu stellen? — Und gibt ein
solches Verfahren den Fälschern nicht neuen Mut, ihr un-
sauberes Handwerk auszuüben? Gerade unter dem Namen
meines Vaters segeln unendlich viel Fälschungen in der
Welt umher, gibt es da wirklich keinen Paragraphen und
— — vor allein kein Recht-dieselben, wenn sie als
solche erwiesen sind, auszurotten oder wenigstens als Falsi-
fikate ein für allemal zu kennzeichnen? Ein jeder Künstler,
welcher diese Zeilen zu Gesicht erhält, versetze sich einmal
an meine Stelle, der ich meinen verstorbenen Vater vertrat,
seine Ehre als Künstler und mit dieser die Ehre meiner
Familie und meines Namens.
Ich meine, es ist wirklich an der Zeit, daß die gesamte
Künstlerschaft endlich einmal gemeinsam Front macht gegen
dieses Kun st Proletariat, bestehend aus Fälschern
und solchen, die sich Künstler nennen und die denk-
bar größte Schundware in die Welt setzen, anderen ernsten
Künstlern aber Namen und Standesehre nehmen. Da darf
es kein Mitleid mit sog. „armen Teufeln" geben, wir sind
es uns und dem kaufenden Publikum schuldig, aufklärend
zu wirken, wo der Begriff eines Kunstwerkes beginnt und
wo er endet. Die größte Rücksichtslosigkeit ist noch diesen
Leuten, die gar keine Existenzberechtigung haben, gegenüber
zu milde; die wahre Kunst kann sich nur dann frei ent-
falten, wenn sie sich selbst befreit von Fälschern
und Schmarotzern.
Katalogabbilckungen von Erzeugnissen
cles klunstgewerbes Nnci geschützt
Urteil des Reichsgerichts vom 4. April (9;o
Bearbeitet von Rechtsanwalt Vr. Felix Walther-Leipzig
Eine auf dem gewerblichen Gebiete hochwichtige
Entscheidung des Reichsgerichts wird jetzt im offiziellen
Wortlaute (Bd. Hz der Entsch. des R.-G. in Strafsachen)
veröffentlicht. Es handelt sich um die Frage, ob die Ab-
bildungen eines Katalogs sür Erzeugnisse des Kunst-
gewerbes gegen unberechtigte Vervielfältigung nach den
Bestimmungen des Kunstschutzgesetz es vom 9. Januar
(907 geschützt sind oder nicht. Das Reichsgericht hat
dies bejaht. Die beiden angeklagten Kaufleute hatten
Entwürfe für Möbel aus Naturholz aus dem Katalog der
Möbelfabrik Sch. entnommen und vervielfältigt. Sie waren
wegen Verletzung des Kunstschutzgesetzes von der Straf-
kammer beim Amtsgericht Sondershausen bestraft
worden. Auf ihre Revision erklärte der 3. Strafsenat
des Reichsgerichts:
„Mhne Rechtsirrtum hat das Urteil die in Frage
kommenden Möbel aus Naturholz als Erzeugnisse des Kunst-
gewerbes, und die Zeichnungen im Katalog als Entwürfe
für Erzeugnisse des Kunstgewerbcs im Sinne des ß 2 Abs. 2
des Kunstschutzgesetzes vom 9. Januar t90? angesehen und
sie als unter dem Schutze des genannten Gesetzes stehend
erachtet. Während die Erzeugnisse des Kunstgewerbes unter
der Herrschaft des Gesetzes vom 9. Januar ;8?6 nur Ge-
schmacks Musterschutz in Anspruch nehmen konnten, ge-
nießen sie jetzt den gleichen Schutz wie Werke der
bildenden Künste. Das Merkmal eines Werkes der
bildenden Künste ist individuelle künstlerische Schöpfung.
Im Sinne des Kunstschutzgesetzes ist daher jedes Erzeugnis
des Kunstgewerbes gleichzeitig ein Werk der bildenden
Künste. Denn auch vom kunstgewerblichen Erzeugnisse wird
verlangt, daß es eine individuelle künstlerische Leistung er-
kennen lasse, und nur wo eine solche vorliegt, kann von
 
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